Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

AIngberler Anzeiger. 
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M 186. Sonntag, den 21. November 
18680. 
Deutsches Reich. 
Der Steuergesetz-Ausschuß der bayerischen Abgeord⸗ 
netenkammer hat in seiner Sitzung vom 18. Nov. auch den 
etzten Abschnitt des Gewerbsteuer⸗Gesetzentwurfs in erster Berathung 
der ersten Lesung'erledigt. Die Subkommission des Ausschusses hofft 
mit der Berathüng des Steuertarifs kommenden Samstag (heute) 
in erster Lesung fertig zu werden, sie wird aber, bevor sie den Tarif 
an den Ausschuß bringt, eine zweite Lesung desselben vornehmen. 
Inzwischen wird der Ausschuß kommenden Montag mit der ersten 
Berathung des Entwurfs mit der Kapitalrentensteuer beginnen. 
Berlin, 19. Nov. Der Bundesrath hat in seiner 
gestrigen Donnerstags-Plenarsitzung zunächst die inzwischen einge— 
jangenen Vorlagen: 1) Verlängerung der Magdeburger Privatbank 
uͤnd der Posener Provinzial-Aktienbank ertheilten Erlaubniß zur 
Notenausgabe; 2) die allgemeine Rechnung über den Landeshaushalt 
in Elsaß-Lothringen; 3) die Uebersicht der Einnahmen und Aus— 
gaben der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen für 1879480 
den Ausschüssen überwiesen. Angenommen wurde demnächst der 
Antrag, den in der Südsee angestellten Konsulatsbeamten ihre 
Dienstzeit doppelt anzurechnen. Ferner wurde über die Pensions— 
derhältnisse mehrerer Beamten der Postverwaltung und über die Ein— 
zjabe des Steuermanus Scheele wegen Zulassung zur Schifferprüfung 
Beschluß gefaßt. Der Antrag Bayerns, betreffend die Zulassung 
von Privattransitlagern für Baus und Nutzholz in München erhielt 
die Zustimmung der Versammlung; dagegen wurde eine Eingabe, 
betreffend die Zulassung von Privattransitlagern für Butter abgelehnt, 
desgleichen eine Eingabe, betreffend die Erweiterung der Steuerrückver— 
gütung für auszuführendes Bier. Den Schluß der Sitzung bildete die 
Feststellung der geschäftlichen Behandlung der eingegangenen Eingaben. 
In der Unterrichts-Kommission des preußischen Abge— 
ordnetenhauses erklärte der Kommissar des Kultusminillers, daß an 
den Erlaß eines Unterrichtsgesetzes, welches schon seit dem Jahre 
1817 in der Schwebe sei, für die nächste Zeit nicht gedacht werden 
rönne, ebensowenig an den Erlaß eines Dotationsgesetzes für Volks— 
schullehrer. 
Der vom Kommerzienrath Baare im Einverständniß mit dem 
Reichskanzler ausgearbeitete Gesetzentwurf, betreffend die Er— 
richtung einer Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Kasse, lautet in seinen 
zrundlegenden Paragraphen: „Für alle in Fabriken, bei den Bau— 
zewerben, in landwirthschaftlichen Nebengewerben, welche nicht aus— 
chließlich durch Menschenhand betrieben werden, in Bergwerken, 
Steinbrüchen und in Gräbereien (Gruben) beschäftigten Arbeiter ist 
bon Reichswegen für den Umfang des deutschen Reiches eine Arbeiter— 
Unfall-Versicherungs-Kasse einzurichten. Diese Kasse hat den Zweck, 
den Versicherten, bezw. ihren Hinterbliebenen nach den näheren 
Bestimmungen dieses Gesetzes eine Rente bezw. Unterstützung zu 
gewähren, wenn sie in Folge eines in der Ausübung ihrer Dienst⸗ 
derrichtungen herbeigeführten Unfalls verletzt oder getödtet werden. 
Auf Invalidität, welche nicht durch derartige Unfälle, sondern z. B. 
durch Alter oder Krankheit hervorgerufen ist, erstrecken sich die Be— 
timmungen dieses Gesetzes nicht.“ 
Die Stellung des Fürsten Hohenlohe zu dem 
Reichskanzler bildet zur Zeit den Gegenstand mehrfacher Zei— 
ungsmittheilungen und Spekulationen. Offiziös werden dieselben 
dementirt und die Rückkehr des Fürsten nach Paris als eine langst 
beschlossen gewesene Thatsache bezeichnet. Von anderer Seite hält 
man daran fest, daß die Thätigkeit des Fürsten Hohenlohe im aus— 
wärtigen Staatssekretariate das persönliche Verhältniß desselben zu 
»em Kanzler nicht gebessert habe. Es wäre dies gerade nichts 
Außergewöhnliches, denn schon bei fruüͤheren Gelegenheiten hat es 
iich gezeigt, daß die Beamten mit dem Reichskanzler um so besser 
auskommen, je weniger sie mit ihm in direkte Berührung kommen. 
Ministerprogramm bezeichnet. Wie man sieht ein politisches Puppen⸗ 
piel Gambettas und nicht einmal ein unterhaltendes. 
Die „Agence Havas“ meldet aus Skutarie vom 17. Nov.: 
Derwisch Pascha versammelte sämmtliche Offiziere und Armeebeamte 
auf dem Serailplatz und hielt eine Ansprache, worin er den von 
den Albanesen bezüglich Dulcignos verlangten Anfschub von 831 
Tagen verweigerie und auf die Nachtheile hinwies, welche ein fernerer 
Widerstand der Türkei verursache. Derwisch Pascha erklärte, gegen 
die Albanesen nöthigenfalls gewaltsam vorgehen und den Belager⸗ 
ingszustand aufrecht erhalten zu wollen. 
Vermischtes. 
Die Pfälzischen Eissenbahnen ertrugen im Monat 
Dktober ds. Is. gegen den gleichen Monat des Vorjahres ein 
Weniger von 33,628 M. 41 Pf. dagegen in den 10 abgelaufenen 
Monaten 1880 gegen den gleichen Zeitraum des Jahres 1879 ein 
Mehr von 839,287 M. 75 Pf. 
Wie die „Ksrsl. Ztg.“ hört, soll die zu Zweibrücken 
ns Leben tretende Frauenarbeitsschule, von deren Gründerin, der 
Fräulein Lindemann, Tochter des Oberförsters Lindemann in Dürk— 
seim, geleitet werden und sollen ihr von der Stadtverwaltung zwei 
Räume im protestantischen Schulhaus unentgeltlich zur Verfügung 
zestellt worden sein. 
Bei der am Donnerstag in Quirnbach vorgenommenen 
Ziehung der Quirnbacher Loose gewannen folgende Loosnummern 
pferde: 5707 1313 2973 1858 8715 1261 696 9263. 
FAus Königsbach, 16. Nov., berichtet die „N. B.-Z3.“: 
Hestern Abend, als am 2. Kirchweihtag, hat eine hiesige junge 
Frau und Mutter eines wenige Monate alten Kindes im Wirths— 
jause „zur Rose“ daselbst mehrere Touren nacheinander, schließlich 
nit einem anderen Frauenzimmer, so ausgelassen und anhaltend 
getanzt, daß sie, von einem plötzlichen Unwohlsein befallen, den 
Zaal verlassen mußte und in einem anstoßenden Zimmer nach 
venigen Augenblicken den Geist aufgab. 
4 Die „Tr. Ztg.“ schreibt: Vor einigen Tagen präsentirte 
in Landmann aus dem Kreise Bernkastel bei einer Kasse zu 
Trier die verkohlten Reste von neun Hundertmark-Scheinen. Es 
var an den Resten eben nur noch die Zahl „100 Mark“ und noch 
twas vom übrigen Text zu erkennen. Ob es ursprünglich neun 
»der mehr Scheine waren, dürfte schwer zu konstatiren sein; die 
zahl neun, sowie der nachstehend erwähnte Vorgang war aber durch 
in landräthliches Schreiben bestätigt. Der Betroffene hatte 900 
Mark nachweislich bei einem Verkauf gelöst, hatte die neun Scheine 
n eine Brieftasche gesteckt und letztere, zu Hause angekommen, so— 
ort auf einen Ofen gelegt. Die Frau heizte den Ofen, sah aber 
zie Brieftasche nicht, welche nun nebst dem Inhalte verkohlte. Die 
Asche und verkohllen Reste der neunhundert Mark sind sorgsältig 
jerpackt nach Berlin zur Gntscheidung an die höhere Finanzbehörde 
Jeschickt worden. 
4 Auch ein Jubiläum feierte dieser Tage zu Düsseldorf 
in 80 Jahre alter Handwerker. Derselbe trank seit 50 Jahren in 
in und demselben Wirthshause jeden Tag Morgens um 10 Uhr 
inen „halben Alten.“ Derselbe hat im Laufe dieser Jahre zum 
Frühstück 18,263 halbe Alte getrunken, nahm jedoch zur Feier des 
zubiläums einen Ganzen. 
— Meunschenfreundliches Vermächtniß. Ein vor kurzem in 
Berlin verstorbener Rentner hat in seinem Testament die Hälfte 
eines nachgelassenen Vermögens, und zwar die Summe von 500,000 
Mark, zu einer Stiftung bestimmt, aus welcher arme Näherinnen, 
ohne Unterschied der Konfession“, welche das 36. Lebensjahr über— 
chritten haben, unterstützt werden sollen. 
4 Ausgewiesen aus Berlin wurde u. A. der Rentier Karl 
Höchberg, Sohn eines Banquiers in Frankfurt a. M., der sich vor— 
ibergehend hier aufhielt. Derselbe, welcher jährlich 75,. 000 Mark 
Zinsen zu verzehren hat und der Züricher sozialischen Presse be— 
deutende Summen zur Unterstützung zukommen läßt, ist in sozialisti— 
schen Kreisen unter dem Spitznamen „Der Goldonkel“ bekannt.“ 
4 Es ist vielfach vorgekommen, daß Gouvernanten, Bonnen, 
dienstmädchen, auch zahlreiche Handwerker sich aus Deutschland nach 
ztalien begeben haben, wo ihnen Aussicht auf lohnendes Unter— 
Ausland. 
Das franzöfische Ministerium wird trotz der parlamen— 
arischen Rehabilitation Ferry's als unhaltbar angesehen und der 
„Mann von gestern“ Freycinet zugleich als der, Mann von morgen“ 
). h. also als der Nachfolger seines Nachfolgers bezeichnet. Die 
am Montag gehaltene Senatsrede desselben wird als ein neues