Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

zgers: der Kaufmann Adolf Lichtenstein in Mannheim. (Der Angeklagte sagte 
damals aus: „Wir hatten von keiner Seite schlinme Nachrichten über Levy, 
wir hatten uns auch uirgend sonst über ihn erkundigt. Ich habe weder in 
der Eisenbahn noch in Kaiserslautern die Bemerkung gemacht: „„Das hätte 
ich von dem Leyy nicht geglaubt, denn ich habe nicht blos von Kehr, sondern 
auch von anderen Leuten günstige Auskunft über ihn erhalten.“') Nun stellte 
sich aber heraus, daß Vater Marx noch an mehreren Stellen Erkundigungen 
Aber Levy eingezogen hatte und das Thatbestandsmerkmal der Wissentlichkeit 
bezüglich der Anklage wird bei der heutigen Verhandlung von Seiten der an⸗ 
klag nden Behörde entschieden aufrecht erhalten. 
Die Geschworenen verneinten die wegen Meineids gestellte Schuldfrage, 
bejahten aber die auf fahrlässigen Meineid gerichtete Frage und wurde Marz 
wegen dieses Vergehens zu einer Gefängnißstrafe von drei Monaten 
verurtheilt. 
14. Verhandlung geger Gorg Reuther, 80 J. alt, Postexpeditor 
»on Bruchmühlbach, wegen Unterschlagung im Umte. 
Vertreter der k. Staatsbehörde: Staatsanwalt Dr Krell, Vertheidiger: 
Rechtsanwalt König. 
Mittelst Dienstvertrages mit dem ek. Oberpostamte Speyer vom 1. Jan. 
1879 war dem Angeklagten die Postexpedition zu Bruchmühlbach übertragen 
vorden. Während seiner Dien stiührung dortselust soll der Anzellagte etwas 
lott gelebt haben, ein Freund des Wirthshausbesuchs gewesen sein, auf den 
sirchweihen nicht gefehlt, kurz ein Leben geführt haben, das nicht im Verhält 
niß zu seinem Vermögen und seinem Diensteinkommen stand, und ürerhaupt 
übermäßig viel für seine perfönlichen Bedürfnisse und Liebhabereien ausge— 
zeben haben. Dieses verschwenderische Leben des Angeklagten fiel in Bruch⸗ 
mühlbach allgemein auf. Das Oberpostamt in Speyer wurde darauf auf⸗ 
mertjam gemacht und ließ am 14. Juli die Postexpedition zu Bruchmühldach 
zurch einen Kontroloffizialen eine Visitation unterziehen, wobei sich in der 
Zasse ein Defizit von 1674 M. 10 Pf. herausstellte, von welchem der Ange⸗ 
lagte eine rechtliche Verwendung nicht nachweisen konnte. Zur Verdeckung des 
Mankos hatte der Angeklagte in den Büchern eine Rihe von Fälschungen vor⸗ 
genommen, die sich hauptfächlich auf den Postanweisungsverkehr bezogen und 
bon Mai bis Dezember 1879 und von Februar bis April 1880 sich erstreck⸗ 
len. Der Angeklagte leugnet sowohl die Unterschlagung wie die Fälschungen 
in den Postbüchern und versucht die Schuld auf seinen Postgehilfen Namens 
Strasser zu wälzen. Gegenüber den Aussagen des Herrn Postbeamten aus 
Speyer und der sachverftändigen Schriftkundigen gelingt ihm dus aber nicht. 
Die Geschworenen sprachen Reuther im Sinne der Anklate für schuldig und 
»as Gericht verurtheilte ihn zu s Jahren Zuchthaus und Wberlenn⸗ 
ing der bürgerlichen Ehrenrechte in gleicher Dauer. 
Vermischtes. 
* In der Sitzung des Schöffengerichts St. Ingbert 
pom 15. Dez. 1880 kamen folgende Falle zur Verhandlung: Die 
Verhandlung gegen einen Burschen von Schnappach wurde wegen 
Erkrankung des Zeugen auf unbestimmte Zeit vertagt; ein Mann 
pon Ommersheim erhielt wegen Körperverletzung eine Gefängniß— 
ttrafe von einem Tag; ein Mann von hier wurde von der An— 
schuldigung der Körperverletzung freigesprochen; ein Mann von 
Hassel wurde wegen zweier Berufsbeleidigungen zu Geldstrafen von 
se 10 Mark verurtheilt; eine Frau von hier erhielt wegen Be⸗ 
seitigung gepfändeter Sachen eine Gefängnißstrafe von einem Tag 
und eine Frau von Altenwald wurde von der Anschuldigung der 
artoffelentwendung freigesprochen. 
* St. Ingbert. An einem noch bekannt zu gebenden 
Tage wird der Gewerbe-Verein (wie früher der Arbeiterbildungs⸗ 
derein) für seine Mitglieder im Saale von Wirth Schweizer eine 
Weihnachtsbescheerung mit Verloosung und Versteigerung von 
geschenkten Gegenständen, deren Werth jedoch nicht unter 506 Pf. 
hetragen darf, veranstalten. 
*— Am Mitwoch wurde hier nach einem Tagelöhner aus 
Neunkirchen gefahndet, welcher versucht hatte, seine Frau zu ver⸗ 
ziften und ihr zu diesem Zwecke Vitriolsäure unter den Kaffee ge⸗ 
Jossen hatte. 
* St. Ingbert. Die von Hrn. Phil. Paulus dahier 
wegen verweigerter Erlaubniß zur Wirthschaftsverlegung erhobene 
Beschwerde gegen den Bescheid der pfälzischen Kreisregierung vom 
20. Juli wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Bezug auf 8 33 
der R.G.⸗O. als unbegründet abgewiesen. Bei Verlegung einer 
bereits bestehenden Wirthschaft muß nach der Novelle vom 23. Juli 
1879 die distriktspolizeiliche Genehmigung erholt werden und ist 
hier, — wie bei Neubewilligungen — sowohl die Lokal⸗ wie die 
Bedürfnißfrage von den Behörden zu prüfen. 
F Bezüglich der bereits mitgetheilten Verfügung betr. der 
Jagdkarten tragen wir noch nach: Die Gebühren für Jagdkarten 
sind an ein k. Rentamt zu bezahlen. Die Einzahlung kann bei 
edem Rentamt erfolgen. Gegen Uebergabe der rentamtlichen 
Quittung bei dem betr. Bezirksamte erfolgt die Aushändigung der 
Jagdkarte, sofern der Ausstellung derselben polizeiliche Bedenken 
nicht entgegenstehen. Die alte Jagdkarte oder eine entsprechende 
Bescheinigung des einschlägigen Bürgermeisteramts ist dem k. Be⸗ 
irksamte mit vorzulegen. 
In Homburg ist auf Anregen des Armenpflegschafts⸗ 
rathes ein Verein für freiwillige Armenpflege in der 
Bildung begriffen, durch denselben soll dem lästigen Haus- und 
Straßenbettel gesteuert werden. 
Für die projektirte Sekundärbahn Alsenz⸗Ober— 
moschel (mit Pferde- oder Dampfbekrieb) sind am 8. d. durch 
Ingenieur Lind die vorbereitenden Arbeiten begonnen worden. Die 
Direktion der pfälz. Bahnen soll dem Unternehmen für dessen 
2n8ir. Nesqu von ca. 75000 M doer Distrikt Oßermaschef 
rufzukommen hätie, günstig gestimmt sein. Die betr. Anregung 
rührt von Bezirksammmann Rauh in Kirchheimbolanden her. 
F Aus Schwedelbach, 13. Dez., berichtet man der 
„Pf. Pr.“: Während einer heuie dahier Statt gehabten Zwangs- 
ersteigerung rutschte plötzlich der Hausgang des Gebäudes, dor 
velchem die Versteigerung vorgenommen wurde, nebst 15 bis 18 
n demselben stehenden Personen in den Keller hinab. Glücklicher⸗ 
veise wurde Niemand erustlich verletzt, nur ein älterer Mann erlitt 
zine leichte Hautabschürfung an einer Hand. 
F Nach einer Meldung des „Eilboten“ ist die Verlegung des 
bdauptzollamtes von Kaiserslautern nach Lan—s 
dau nunmehr zu Gunsten des letzteren entschieden. 
— Die bekannte Geschichte des Nußdorfer Liebes- und jetzigen 
khepaares beschäftigte am 14. ds. abermals die Strafkammer des 
Landgerichts LKandau, wohin sie zur nochmaligen Verhandlung 
»om Reichsgerichte verwiesen war. Das Urtheil lautete gegen den 
SEhemann Vogt auf 25 Mark Geldstrafe. 
F Die Strafkammer des k. Landgerichts Lan dau hat am 
14. d. den 42 J. a. ledigen Tagner Peter Starck von Herx— 
heim bei Landau wegen dreier mittelst Einbruchs verübter Dieb⸗ 
tähle zu 12 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Starck hat bereits 23 
Jahre im Zuchthaus verbracht. Nachdem er die Ergebnisse seiner 
letzten Diebs-Erkursionen durchgeputzt hatte, stellte er sich freiwillig 
dem Gerichte. 
F Die Umwandlung der Bahnstrecke Speyer-Rhein— 
brücke, Winden-Bergzabern, Grünstadt-Eisen— 
bderg und Landstuhl-Kusel in Bahnen, untergeordneter 
Bedeutung ist vollzogene Thatsache. Das neueste Amtsblatt 
eröffentlicht die bezügliche Verfüügung der kgl. Regierung. Dar— 
iach werden auf diesen Strecken nur die besonders frequenten 
leberfahrten durch Bahnwärter bedient; bei allen anderen gibt die 
Maschiene bei Annäherung des Zuges ein anhaltendes Signal mit 
»er Dampfpfeife, auf welches hin alle Fuhrwerke, Fußgänger ꝛc. 
dei den an den Wegübergängen aufgestellten Warnungszeichen 
yjalten müssen. 
F Die „Pf. Z.“ berichtet aus Speyer unterm 11. ds. 
Mis.: Gestern früh erhielt Herr A. Schwab, früher Redakteur 
»es „Pfälz. Volksblattes“ dahier, einen Besuch von Hrn. Ober— 
imtsrichter Schäfer und einem Polizeidiener. Zwecd dieses Besuchs 
var Haussuchung nach sozialdemokratischen Schriftstücken, welche 
edoch resultatlos verlief. 
Das benachbarte St. Johann zählte bei der jüngsten 
Volkszählung 12,345 Personen, 1656 mehr als 1875 — Dud— 
veiler hat 10,8865, Einwohner, Si Wendel 5,052. 
Daß drei Ehepaare eines Ortes und unter diesen drei 
Beschwister, ihre goldene Hochzeit auf einen Tag feiern können, 
nuß wohl zu den Seltenheiten gerechnet werden. Ein solch seltener 
Fall ist von Birkenfeld zu berichten. Am 12. d. M. waren 
ts 50 Jahre, daß Gerber Karl Näher und Frau, Gerber Lengler 
uind Frau und Gerber Karl Jakob Näher und Frau in den Stand 
der Ehe traten. Geschwister sind die beiden Frauen der ersten zwei 
Zaare und der Mann des dritten Paares. Sämmtliche Jubilare 
ind Jubilarinnen haben ihren Ehrentag in erwünschtem Wohlsein 
exlebt und entsprechend gefeiert. 
Das Ecgebniß der Prüfung behufs Erlangung eines amt⸗ 
ichen Thierarztes in Bayern pro 1881 ist folgendes: Von den 
z Kandidaten, welche die Admission erhielten, haben sich 11 der 
Zrüfung unterstellt und erhielten 3 die Hauptnote 2 und 7 die 
—AX 
f Aus Oftersheim ist dieser Tage eine eiwa 50jährige 
frau mit Hinterlassung ihres Mannes und 7 meistens unerwachfene 
tinder heimlicher Weise nach Amerika entwichen. Als Reisegeld 
nahm sie den diesjährigen Erlös aus der Tabaksernte ihres Mannes mit. 
In Warzburg fiel ein Dienstmädchen, das mit dem 
Putzen von Fenstern beschäftigt war und außen auf dem Fenster⸗ 
jesimse stand, so unglücklich auf einen Gartenzaun, daß sie sofort 
ine Leiche war. 
Am 13. Dez. erfolgte auf Zeche Bruchstraße bei 
dangendreer (Westphalen) eine Explosion schlagender Wetter, wobei 
bPersonen getoͤdtet und 2 leicht verletzt wurden. 
F Nachdem im Wiener Gemeinderath der Gedanke ange⸗ 
regt worden war, daß die Stadtgemeinde Wien bei der Vermahlung 
des Kronprinzen einen Festball im Opernhaus gebe, ließ der Kaiser 
em Gemeinderath am 14. ds. durch den Ministerpräsidenten mit⸗ 
heilen, daß er bitte, den Ball zu unterlassen und das Geld, welches 
ꝛerselbe kosten würde, den Armen der Stadt Wien zuzuwenden, 
ür welche er selbst sowie auch det Kronprinz noch je 20.000 fl 
penden werde. . 
New⸗York, 18. Dez. Es ist hier seit einiger Zeit 
ungewöhnlich kalt und allein in der letzten Nacht sind vier Personen 
rfroren. 
f Die neuesten Nachrichten. welche der „Attitanichen Gesell⸗ 
chaft in Deuftishiand“ aus Lirika zuzegaeen jind dringen die 
rielidrere adacaf. dak A. Len— 8 A,. von