8* . J ngberler Anzeiger.
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Samstag, den 19. Februar
18815
Deutjsches Neich.
(Bayerischer Landtag.) Nach den Anträgen der Sub—
ommission zur Vorberathung des Art. 2 des Gesetzentwurfs, die
Abänderung einiger Bestimmungen des Landtagswahl gesetzes vom
Juni 1348 betr., welche geeignet sein dürften, eine Verständig—
ing über diesen wesentlichsten Differenzpunkt herbeizuführen, soll
er Art. 2 in folgender Fassung angenommen werden: „Die kgl.
ztaatsregierung hat jeden Regierungsbezirk in Wahlkreise nach der
herhältnißzahl von 81,800 Seelen einzutheilen. Bei dieser Ein—
heilung sind die Grenzen der Amtsgerichte oder der Distriktsge—
neinden einzuhalten, darf kein Wahlkreis für mehr als vier Abge—
xxdnete und dürfen in jedem Regierungsbezirk höchstens zwei Wahl⸗
reise für einen Abgeordneten gebildet werden. Die Bestimmungen
)es vorstehenden Abs. 2 finden keine Anwendung auf die Haupt⸗
ind Residenzstadt München, welche in zwei lediglich aus Bestand⸗
heilen der Stadt bestehende Wahlkreise zerlegt werden kann. Kein
Wahlkreis darf weniger als 28,000 Seelen zählen. Jeder Wahl—
rreis muß ein räumlich zusammenhängendes Ganzes bilden.“ (Nun,
—
Die Subkommission des Wahlgesetzausschusses der bayerischen
dammer der Abgeordneten, bestehend aus den Herren Dr. Daller,
„. Fischer, Dr. v. Schauß und Frhrn. v. Soden, hat bezüglich
er Wahlkreiseintheilung eine Einigung erzielt und ist hiedurch
hoffnung auf Zustandekommen des Gesetzes gegeben.
Sicherem Vernehmen nach ist Bayern in Berlin mit einer
leußerung über die Erhebung des Volkswirthschaftsrathes zu einer
Finrichtung des Reiches (bisher besteht er bekanntlich nur für
hreußen) noch gar nicht herangetreten.
Bei seiner Eroffnung am Dienstag durch den Grafen Stolberg⸗
Wernigerode war der Reichstag selbst nur durch verhältniß—
mäßig wenige Mitglieder, etwa 40, vertreten; der erschienenen Mit⸗
glieder des Bundesraths waren es fast mehr. Die vom Grafen
Stolberg verlesene Botschaft wurde schweigend angehört; erst am
Schluß, der von den Friedensaussichten handelt. war beifälliges
Murmeln hörbar.
Was jedem Vaterlandsfreund in der Reichstags-Gröff⸗
nungsrede besonders erfreulich erscheinen muß, das ist die feste
Friedenszuversicht, welche der Schluß des Aktenstückes athmet. Der
Faiser ist fest überzeugt von den friedlichen Absichten aller euro—
väischen Mächte. Deutlich ist die Anspielung auf Oesterreich und
Kußland, das nun wieder in die Reihe der uns am engsten be—
rreundeten großen Nachbarreiche getreten ist. Frankreich, das doch
nuich als unser Nachbar betrachtet werden muß, hat bekanntlich
einen „Herrscher“, mit dem Kaiser Wilhelm persönlich durch Bande
her Freundschaft verknüpft sein könnte und so steht es denn in
einer Reihe mit den anderen Großmächten, wie England und Ita—
ien, denen wir in friedlicher Gemeinsamkeit des Strebens, auch
ohne persönliche Freundschaftsbeziehungen der Souveräne, verbunden
leiben. Ganz und völlig wird freilich die Friedenserhaltung nicht
garantirt, aber von etwa ausbrechenden partiellen Friedensstörungen
ollen jedenfalls Deutschland und gleichzeitig auch Oesterreich und
Rußland unberührt bleiben, und damit darf sich unser Friedens⸗
begehr schon zufriedengeben.
Der Neichssstag wählte in seiner zweiten Sitzung (am
Mittwoch) mit 147 Stimmen den Grafen Arnim (cons.) zum
Bräsidenten; 91 Stimmen fielen auf v. Seydewitz. Arnim war
m Hause nicht anwesend. Zum ersten Vizepräsidenten wurde v.
Franckenstein (Centrum) mit 149 Stimmen gewählt; Stephani
erhielt 101. Franckenstein erklärte die Annahme der Wahl. Zum
weiten Vizepräsidenten wurde Ackermann (freicons.) mit 172 von
256 Stimmen gewählt; derselbe erklärte die Annahme der Wahl.
Die drei Gewaͤhlten bildeten auch in der vorigen Session das
Präsidium des Reichstags.)
Der mit 147 Stimmen zum Reichstagspräsidenten gewählte
Braf Arnim lehnte die auf ihn gefallene Wahl, welche durch ein
klerikal⸗conservatives Zusammengehen zu Stande kam ab. In der
Donnerstags-Sitzung des Reichslages sollte darum zur wiederholten
Wahl eines ersten Präsidenten geschritten werden.
Berlin. 17. Februar. v. Goßler (conservativ — Ober—
verwaltungsgerichtsrath in Berlin) wurde als Präsident des Reichs⸗
tages gewählt. Die Nationalliberalen gaben weiße Zeitel ab.
Graf Wilhelm Bismarck Gohn des Reichskanzlers)
zeabsichtigt, im Reichstage einen Antrag auf Einführung der Börsen⸗
teuer einzubringen. Er will eine Umsatzwerthsteuer und eine mäßige
Kouponsteuer vorschlagen.
Das preuß. Abgeordnetenhaus hat den Antrag
Windthor st auf Aufhebung der Temporalien-Sperre abgelehnt.
Für den Antrag stimmten nur das Zentrum, die Polen und einige
Konservative. An der Debatte betheiligten sich nur Zentrumsmit—
glieder.
Die letzte Rede des Statthalters von Elsaß-⸗LKothringen
jat eine gewaltige Gährung hervorgerufen. Auch in seinen früheren
dundgebungen hatte Herr v. Manteuffel den rückhaltlosen Anschluß
der Elsaß-othringer an Deutschland als die Voraussetzung seiner
ntgegenkommenden Politik bezeichnet; allein die deutschfeindlichen
Parteien glaubten darin eine akademische fagon de parler erblicken
zu dürfen, welche sich nicht zu hindern brauche, die Freundlichkeit
zes Statthalters bestens zu akzeptiren. Jetzt hat der letztere diese
Voraussetzung nicht nur mit Nachdruck betont, er hat auch den
Elsaß⸗Lothringern rund und nett einen Termin gesetzt, an welchem
ie jenen Anschluß rückhaltlos zu bethätigen haben, nämlich die
nächsten Reichsstagswahlen. Dadurch sind denn alle jene Elemente,
die sich in dem politischen Halbdunkel der Manteuffel'schen Soireen
o behaglich gefühlt, alle jene Franzosenfreunde, die bereits von
den guimülthigen Deutschen ihre Geschäfte betrieben glaubten, in
ehr unangenehmer Weise aufgeschreckt worden.
Am Hochzeitstage des Prinzen Wil hehmm von Preußen
wvird nicht, wie von verschiedenen Blättern mitgetheilt wurde, eine
allgemeine politische Amnestie, wohl aber eine umfassende Begnadig—
ung stattfinden.
Ausland.
Wie in Wien und Paris, so wurde auch in London
—DD
hesonderer Genugthuung aufgenommen.
Französische Blätter enthalten interessante Details über den
Fortschritt der Eisenbahnbauten in Frankreich. Darnach hat
ich das Eisenbahnnetz um 971 Kilometer im Jahre 1880 ver⸗
größert und hat nuͤnmehr eine Länge von 23,731 Kilometer.
Wenn die Bahnen, die bereits im Bau begriffen, vollendet sind,
vird die Länge der französischen Bahnen sich auf 27,054 Kilometer
belaufen. Dieser Augenblick wird jedoch erst im Jahr 1884 ein—
treten, vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt, den Frankreich
yor Allem erhälten zu sehen wünscht, weil er ihm die größten Vor—
heile bringt, selbst vom militärischen Gesichtspunkte aus betrachtet.
Ddenn wie die Eisenbahnen in Frankreich angelegt sind, dienen sie
pörzugsweise militärischen Zwecken, so daß nach Vollendung des
Frehcinet'schen Bausystems die Armee in wenigen Tagen an der
Zrenze zusammengezogen werden kann. Und doch gibt es in
Deutschland noch Schwärmer, welche allen Ernstes verlangen,
Deutschland möge Frankreich mit dem guten Beispiel der Abrüstung
porangehen.
die Königin von England hat es aͤgelehnt, die holländische
Deputation zu empfangen, welche eine Bittschrift zu Gunsten der
Herstellung der Unabhängigkeit im Transvaal überreichen wollte.
Die englische Regierung hat nach den neuesten vorliegen⸗
den Nachrichten Unterhandlungen mit den Boeren des Transvaal
angeknüpft. Man scheint demnach in England zu der Einsicht
gekommen zu sein, daß die Boeren keineswegs zu unterschätzende
Jegner sind und daß selbst im günstigsten Falle der Krieg ein
sehr langwieriger und kostspieliger werden könnte. Außerdem be—
teht im Oranjefreistaat eine starke Partei für den Anschluß an
die Transvaalboders und die Oranjeboers haben bereits den Durch—
gang englischer Viehtransporte durch ihr Gebiet verweigert. Ueber
die Art der den Boers gestellten Bedingungen verlautet noch nichts;
jedenfalls dürfen dieselben nicht auf bedingungslose Unterwerfung
auten, denn sonst wären die Boers zur Fortsetzung ihres Wider—
tandes entschieden berechtigt und würden die allgemeine Sympa⸗—
thien für sich haben.