Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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M 3. 
Donnerstag, den 24. Februar 1881. 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) Die Abg eordnetenkammer 
nahm das ganze Einkommensteuergesetz mit geringen Modifikationen 
nit 122 gegen 25 Stimmen nach den Ausschußanträgen an. 
In den zustehenden Ausschüssen des Bundesraths sezzt 
man die Berathung über das Arbeiter-Versicherungsgesetz fort und 
jat jene über das Innungswesen begonnen. Bezüglich des Ver— 
iicherungsgesetzes wickeln sich, außerem Vernehmen nach, die Dinge 
zar nicht so rasch ab als man anfänglich annahm. Es liegt eine 
sehr große Reihe von Verbesserungsanträgen vor und scheint die 
Annahme gerechtfertigt, daß schon im Bundesrath der Gesetzentwurf 
zrhebliche Abänderungen erfahren wird. 
Daͤs Unfallversicherungsgesetz wird in der Form, 
mn welcher es jetzt vorliegt, bei den Vertretern der Mittelstaaten 
m Bundesrathe eine ernsihafte Opposition finden. Das ist schon 
etzt trotz der vorsichtigen und konzilianten Erklärung des Ministerg 
. Lutz auf die Interpellation des Abgeordneten Jörg absolut sicher. 
Die saͤchsische Regierung zum Beispiel bleibt dabei, daß die Wirk— 
ing des Gesetzes, wenn es so, wie im Entwurfe vorliegt, zu Stande 
tame, keine andere sein würde, als die, die Einzelstaaten und ihr 
deben eines wesentlichen und werthvollen Theils ihres Inhaltes 
und ihrer Zuständigkeit zu entkleiden. 
Auslaud. 
Der hochkonservative „Reichsbote“ bringt einen Artikel, der 
nuf die großen Rüstungen Fraukreichs unter Gambetta's Leit— 
ung hinweist, namentlich auf die starke Vermehrung des Eisenbahn 
malerials. Der „Reichsbote“ schreibt: „Da nun in dieser Bezieh— 
ung das deutsche Eisenbahnnetz dem französischen an Güte und 
Menge des Rollmaterials überlegen ist, wurden die Direktionen 
»er Ost-, Nord- und Orleansbahn veranlaßt, 860 neue Lokomo— 
tiven zu bestellen. Diese gewaltige Zahl von Maschinen wurde 
an einheimische und österreichische Fabriken mit dem Lieferungster⸗ 
min zum 1. April 1881 vergeben. Zu gleicher Zeit mußte die 
paris-⸗, Lyon- und Mittelmeerbahn von den gleichfalls unter fran— 
osischer Bevormundung stehenden österreichischen Bahnen viele hundert 
Wagen auf ein, sage ein Jahr miethen. Diese Wagen wurden 
Janz ruhig über die dayerischen Staatsbahnen nach Frankreich be— 
ordert, bis endlich eine energische Anfrage der „Augsburger Post- 
zeitung“, welcher das Verdienst der Aufdeckung dieser Machenschaften 
ukommt, der weiteren Ausfuhr des österreichischen Eisenbahnparkes 
ein Ziel setzte.“ 
In der französischen Deputirtenkammer hat Gambetta 
eine Rede gehalten, die allerwärts Aufsehen erregte. Von einem 
Mitglied war an die Regierung die Anfrage gestellt, ob dieselbe 
das Versprechen gegeben habe, an Griechenland Waffen zu liefern. 
Der Ministerpräsident bestritt dies ganz enschieden. Gambetta nahm 
Veranlassung, die Gerüchte zu widerlegen, als spiele er hinter den 
Toulissen und suche der Revancheidee Boden zu bereiten. Er sagte: 
Ich werde meine Reserve nicht aufgeben, bis mein Land mich auf 
einen thätigeren und größerer Verantwortlichkeit verbundenen Posten 
zeruft. Gambetta rechnet also zuversichtlich darauf, Grevy's Nach— 
tolger zu werden. 
Dem „Standard“ zufolge ist bald ein Waffenstillstand zwi— 
chen Engländern und Boeren zu erwarten. 
allgemeine Abschiedsfeier zu Ehren des Herrn Decan Krieger zu 
rinnern. Die Feier ist eine öffentliche, zu der Jedermann freien 
Zutritt hat. Möge die freundliche Einladung zu derselben die 
derdiente Beachtung finden!/ 
Der „Bayer. Kur.“ schreibt: „Ueber die fernere Stellung 
des Staates zu den Pfälzischen Bahnen haben kürzlich 
zei der kgl. bayerischen Staatsregierung sehr eingehende Berath— 
ungen stattgefunden, welche aber noch nicht zum Äbschluß gelangt 
jein sollen; demungeachtet hält man es nicht für unwahrscheinlich, 
daß eine hierauf bezügliche Vorlage noch an den gegenwärtigen 
Landtag gelangt.“ 
F Im Jahre 1879 betrug der Briefpostverkehr an den kgl. 
bayer. Posten 73,484,516 Brief ꝛc., um 3,589, 466 mehr als 
im Vorjahre. Zeitungsnummern wurden im genannten Jahre 
31,845,704 befördert, um 164,029 weniger als 1879. Von ven 
jeförderten Zeitungen und Zeitschriften trifft 1I Exemplar auf 14 
Einwohner. 
F Die „Zw. Ztg.“ berichtet: Sicherem Vernehmen nach hat 
der Landesausschuß von Elsaß-Lothringen in seiner letzten Sitzung 
äch dahin geeinigt, die Fortsetzung der Eisenbahn bis an die 
hayerische Grenze (Zweibrücken-Bitsch) unter der Beding— 
ung zu bauen, daß die pfälzische Ludwigsbahn die Anschlußstrede 
bis nach Zweibrücken weiterführt. 
Im Laufe des Winters 1879)180 sind im Bezirksamt 
Zweibrücken 62,463 tragbare Obstbäume erfroren, darunter 
14,412 Apfelbäume, 28,369 Zwetschenbäume, 7899 Kirschbäume, 
5448 Birnbäume, 5031 Pflaumenbäume, 1757 Wallnußbäume 
und 47 Edelkastanien. An Obstbäumen, welche noch nicht im 
Ertrage standen, sind von den verschiedenen Sorten 8909 Stück 
erfroren. 
Die Hamm'sche Glockengießerei in Kaiserslautern 
welche dieser Tage versteigert werden sollte, wurde wegen Minder— 
gebot nicht zugeschlagen. 
Der Schwindler Hentzzel von Waldfischbach, der kürzlich 
in der Druckerei von J. Kayser in Kaiseslautern Druck— 
'achen anfertigen ließ, die er dazu benutzen wollte, um unter falschen 
Vorspiegelungen, namentlich unter Angabe, ein Glied der Jamilie 
Jentzer in Waldfischbach zu sein, verschiedenen Personen Geldsummen 
herauszulocken, wurde vom kgl. Landgericht zu 2 Jahren Zuchthaus 
und djährigem Ehrverlust verurtheilt. 
F.Die Steingutfabrik Kaiserslautern vertheilt pro 
1880 800 Dividende. Seit zwei Jahren hat das Etablissement 
inter einer neuen Direktion sich derart emporgearbeitet, daß eine 
Vergrößerung ins Auge gefaßt werden kann. 
. Dem Geflügelzuchtverein in Kaiserslautern ist be— 
hufs Verleihung eines Staatspreises für ausgezeichnete Leistungen 
ꝛines bayerischen Geflügelzüchters bei der im April dort Siatt 
iindenden allgemeinen Geflügelausstellung ein Zuschuß von 200 
Mark bewilligt worden. 
— Die am Sonntag in Rülzheim abgehaltene Versamm— 
ung der Centrumspartei war nach der „Pf. Zig.“ gut besucht. 
Diejenige der Konservativen in Enkenbach nach einer Mittheilung 
»er „Pf. Pr.“ dagegen nur schwach. In letzterer führte Herr 
Professor Dr. W. Medicus-Kaiserslautern den Vorsitz. Er sprach 
eine Befriedigung darüber aus, daß sich in der Pfalz bezüglich der 
Bewerbe⸗Innungen immer mehr die Prinzipien der konservativen 
Partei geltend machten. Tanach dürfte es auf dem nächsten 
Sonniag in Kaiserslautern abzuhaltenden Delegirtentage des pfälz— 
ischen Gewerbevereins-Verbandes wohl zu eingehenderen Debatten 
nach dieser Seite hin kommen. 
F In Iggelheim hat der Gemeinderath Antrag auf Ab— 
stellung der Abendschulen gestellt. 
F Gegenüber den immer auf's Neue wieder auftauchenden 
Berüchten von der Entvölkerung Elsaß-Lothringens ist 
es nicht uninteressant, das provisorische Resultat der Volkszählung 
bom 1. Dez. 1880 kennen zu lernen. Hiernach beträgt die Ge— 
ammtbevölkerung 1,571,971 Seelen gegen 1,831,804 im Jahre 
1875, was eine Zunahme von 40,167 Seelen bekundet. 
* (Militärjustiz. Der Mühlenbesitzer und Bäcker⸗ 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 24. Febr. In der gestrigen Sitzung 
»es hiesigen Schöffengerichts kamen folgende Verurtheilungen vor: 
Zwei Frauenspersonen von hier erhielten wegen Dienstbeleidigung 
eẽ 2 Tage Gefängniß und ein Mann von Sulzbach wegen Ge— 
werbsteuer⸗ Contrabention 1 M. Geldstrafe; wegen Körperverletzung 
wurden verurtheilt: Zwei Männer von hier, der eine zu 20 der 
andere zu 10 Tagen Gefängniß, und ein Dritter von Schnappbach 
erhielt ebenfalls 10 Tage Gefängniß; wegen Mißhandlung wurde 
ein Mann von Schnappbach mit 3 M. Geldstrafe belegt und zwei 
des Bettels überführte Stromer wurden zu 80 und 21 Tagen 
Haft verurtheilt. 
* St. Ingbert, 24. Febr. Wir erlauben uns, die Leser 
auf die heute Abend im großen Saale bei Oberhauser stattfindende