Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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1881. 
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Deutsches Neich. 
Am Donnerstag begann in der bayerischen Kammer 
der Abgeordneten die Berathung über den dritten der vier Steuer— 
gesetzentwürfe, Abänderungen an den Gesetzen über die allgemeine 
Grund⸗ und Haussteuer betr. An der Diskussion betheiligten sich 
». Hörmann, Frhr. v. Soden, Minister v. Riedel, Sellner, Minister 
y. Pfeufer. Dr. Frank. Am Freitag wurde die Berathung fort⸗ 
esetzt. 
bwn der Donnerstag Sitzung des Reichstags theilte Schatz⸗ 
ekretäͤr Scholz mit, das Rechnungsjahr 1879/80 habe in der 
steichskasse einen Ueberschuß von 28 Millionen Mark ergeben. 
Man ging dann an die erste Berathung des Voranschlags des 
Reichshaushalts für 1881/82, und hier kam es sofort zu einem 
charfen Redekampf zwischen dem Abg. E. Richter und dem Fürsten 
Bismarck. Richter rügte, daß, indem alles auf die zwei Augen 
des allmächtigen Reichskanzlers gestellt sei, kein selbststäudiger Mann 
nehr Minister sein wolle, daß in dieser Art das persönliche Regi⸗ 
nent immer mehr zunehme und alles in Verwirrung gerathe und 
ntmuthigt werde. Der Reichskanzler erwiderte sehr gereizt, Richter 
ergehe sich in Uebertreibungen; man solle sich nur in Europa um⸗— 
ehen, ob irgend ein Land mehr Ruhe und Sicherheit genieße als 
Deutschland. Richter möge sich doch nicht die Mühe geben, ihn 
Bismarck, noch erziehen zu wollen; er, Bismarck, sei jetzt 66 Jahre 
ilt, da sei nicht mehr viel an ihm zu bessern; man müsse ihn 
iehmen, wie er sei, oder ihn beseitigen. So künstlicher Mittel, 
um sich der Minister zu entledigen, wie ihm in der letzten Zeit 
antergeschoben worden seien, habe er sich nie bedient. Die Reichs— 
»erfassung kenne nur einen Reichskanzler als verantwortlichen 
Minister, der aber nicht blos dem Reichstage, sondern vor allem 
dem Kaiser verantwortlich sei. Ein schüchterner und zaghafter 
Reichskanzler, der auf jeden Wink des Reichslages lausche und keine 
ꝛigene Meinung habe, vielmehr solche von den Parteien einhole, 
würde überflüssig sein. Dazu sei er, B., nicht gemacht. Wenn 
er sich mit einem Minister nicht mehr habe verständigen können, so 
habe er stets gesagt: Wir beide zusammen können nicht mehr im 
Amte bleiben. Uebrigens sei es vornehmlich der wenig höfliche 
Ton in den Parlamenten, welcher die Minister zum Gehen vberan⸗— 
asse. Den Vorwurf, daß er oft seine Ansichten geändert habe, 
nüsse er zurückweisen. Sein einziger Leitstern, seine erste Frage 
ei: was frommt dem Vaterland, was dem Heile und Ruhme der 
Nation, ihrer Selbstständigkeit nach Außen und ihrer Ruhe und 
Wohlfahrt im Inneren? Ob das durch eine conservative, eine libe— 
cale oder eine dictatorische Richtung zu erstreben sei, stehe in zweiter 
Linie. Er greife zu dem einen wie zu dem anderen, wie es seinem 
Ziel fromme. Von der Erreichung des Hauptz ieles aber sei er 
aiemals abgewichen. 
Nachdem Herr Subrektor Barnikel mit beredten Worten die 
Verdienste des Herrn Dekan Krieger um seine Gemeinde geschildert 
und unter lebhafter Zustimmung auf denselben toastet hatie, ergriff 
Herr Bürgermeister Custer das Wort, um Dank und Anerkennung 
dem Scheidenden, den er einen Ehrenmann in des Wortes bester 
Bedeutung nannte, auszusprechen und ihn zu versichern, daß St. 
Ingbert ihm ein bleibendes Andenken bewahren werde. Herr 
Dekan Krieger dankte in längerer Rede mit bewegten Worten. Er 
vünschte zum Schlusse seiner Ansprache den hier bertretenen Kon⸗ 
essionen einen festen Frieden unlier einander und der Stadt 
Ingbert, der sein Hoch galt, ein fröhliches Blühen, 
Wachsen und Gedeihen. 
Noch manches treffliche Wort wurde gesprochen. Herr Pfar—⸗ 
rer Lichnock von Dudweiler feierte den Scheidenden als guten 
Nachbar und treuen Freund, Herr Lehrer Drumm erinnerie an 
eine Verdienste auf dem Gebiete des Volksschulwesens, Herr Vikar 
März brachte ihm den Dank der Gemeinde Ensheim. Toaste 
olgten noch auf das deutsche Vaterland, auf S. M. König Lud⸗ 
vig II. von Bayern, S. M. den deutschen Kaiser, auf unser 
engeres Vaterland Bayern u. s. w. Der Vorstand des Comites, 
herr Fabrikant Weyland, dankte für die zahlreiche Theilnahme, 
amentlich den Nichtangehörigen der prot. Gemeinde und ließ die 
Finigkeit unter den Confessionen hoch leben. 
Den musikalischen Theil der Feier hatten die aktiven Mit⸗ 
zlieder des Musikvereins und der Sängerchor des Gewerbevereins 
gemeinschaftlich unter ihren Dirigenten (den HH. Schade witz 
und Güntheny), trefflich unterstützt von Hrn. Seiker, über⸗ 
nommen. 
So verrannen unvermerkt die Stunden und erst nach Mit⸗ 
ternacht begann sich der Saal zu leeren. Den Wünschen aber, 
die an diesem Abend für den, dem die Feier galt, laut wurden, 
fügen wir noch den einen hinzu: Mögen jene alle in Er— 
rüllung gehen! 
*St. Ingbert, 26. Febr. Die Gesellschaft „Gemüth— 
ichkeit“ hat für Fastnacht-Dienstag einen carnevalistischen Zug durch 
die Stadt projektirt und dazu, wie wir hören. umfassende Vorbe— 
reitungen getroffen. 
F Nach der „K. Z.“ ereignete sich in Miesen bach kürz⸗ 
lich ein eben so komischer als seltener Vorfall. Dem wackeren 
achtwächter und Polizeidiener dorten flog nämlich, als er die 10. 
Stunde blies, ein Enterich, der in den monotonen Tönen wohl 
»en Ruf des zarten Geschlechtes vermuthete, so stark an das Horn, 
aß er (der Enterich) todt niederfiel, und das Horn dem zu Tode 
erschrockenen Nachtwächter eine Strecke weit fortgeschleudert wurde. 
Eine schöne Entel)) 
F Aus Hinterweidenthal schreibt man dem „A. W.“: 
Arm, aber ehrlich! dachte ich, als ein Mitreisender im Omnibus 
solgenden Vorfall erzählte, der sich vor einigen Tagen ereignete. 
kin nach Dahn gehender Mann verlor in Busenberg den Betrag 
hon 600 Mark und vermißte denselben erst, als er nach Dahn 
am. Ein armer Schneider von Busenberg hatte den verlorenen 
Betrag gefunden und eiligst dem Verlierer durch einen Burschen 
iachgesandt. An einem guten Lohn für die Ehrlichkeit des Finders 
oll es, wie versichert wird, der Verlierer nicht haben fehlen lassen. 
Ddas Bewußtsein der guten That dürfte jedoch des ehrlichen Finders 
chönster Lohn sein. 
7 Von den Opfern des verhängnißvollen Künstlerfestes in 
München ist um das neunte gestorben. 
Der berühmte bayerische General von der Tann 
ist seit mehreren Tagen nicht unbedeutend erkrankt. 
F Vom 1. März ab kann im Verkehr zwischen Deutsch⸗ 
jand und den Niederlanden die Einziehung von Geldern 
dis zum Betrag von 250 Mark bezw. 150 Gulden im Weg des 
Postauftrags Statt finden. — Von demselben Termine ab kann 
m Verkehr zwischen Deutschland und Rumänien die 
inziehung von Geldern bis zum Betrag von 600 Mark bezw. 
750 Franken im Weg des Postauftrags Statt finden. 
Ausland. 
„Morning-Post“ erführt, Peru habe die Vermittelung Eng— 
ands, Frankreichs und Italiens bezüglich der chilenischen Friedens 
dedingungen nachgesucht. 
Die Nachrichten aus Afrika lauten für die Engländer höchst 
ungünstig. Der Aufstand der Eingeborenen an der Goldküste nimmt 
zroßen Umfang an. 90,000 Krieger sollen die Aschantis angeblich 
ins Feld stellen können. — Auch in Indien gährt es bedenklich. 
Neunzehn Theilnehmer an dem s. 3. von der Regierung abgeleug— 
aeten Complotte in Kolapore find des Hochverraths schuldig be⸗ 
unden worden. Man scheut sich jedoch das Urtheil zu verkünden, 
veil deßhalb eine Erhebung der Eingeborenen zu befsürchten steht. 
Vermischtes. 
St. Ingbert. Die von Freunden und Bekannten des 
derrn Dekan Krieger diesem zu Ehren am Donnerstag Abend im 
Oberhauser'schen Saale veranstalteie Abschiedsfeier war überaus 
sahlreich besucht und verlief in der gehobensten Stimmung. Der 
zroße Saal war mit Gästen dicht besetzt; auch aus der Umgegend 
varen Kollegen und Freunde des Scheidenden herbeigeeilt. Aner— 
ennend erwähnt zu werden verdient, daß nicht blos Angehörige 
der protestantischen Kirchengemeinde erschienen waren, sondern daß 
ie Feier auch von Katholiken und Israeliten zahlreich besucht war. 
Fur die Redaction verantwortlich: F. X. Deme 
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