Full text: St. Ingberter Anzeiger

S. Ingberler Anzeiger. 
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M 35. Dienstag, den 1. Maear 1881. 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) In der Samstags⸗Sitzung 
nahm die Äbgeordneten-Kammer das Haus- und Grundsteuergesetz 
m Ganzen mit 128 gegen 2 Stinmen nach den Ausschußan— 
rägen an. 
Prinz Arnulf von Bayern überbrachte dem Prinzen Wil⸗ 
jelm von Preußen anläßlich dessen Vermählungsfeier mit dem 
Zlückwunschschreiben des Königs Ludwig die Insignien des St. 
hubertus⸗Ordens. J 
Am Sonntag vermählte sich in Berlin des deutschen und 
oreußischen Kronprinzen ältester Sohn, Prinz Wilhelm, mit Prin⸗ 
essin Augusta Viktoria von Schleswig-Holstein. Durch all den 
Festeszubel, der durch die Straßen Berlin's dieser Tage braust — 
jenn das loyale Volk der preußischen Hauptstadt hat stets die Fa⸗ 
nilienfeste seiner Fürsten auch ohne Befehl und Ordre von Herzen 
nitgefeiert —, klingt unserem Ohre vernehmbar eine ernste Lehre 
er Geschichte, die von der Vergeltung: Nicht in feindlichem Sinne 
ine rächende Vergeltung, aber doch eine Sühne, eine Versöhnung. 
zu Anfang des Jahres 1867 erklärte Preußen auf dem Schlosse 
ju Kiel die Einverleibung der Herzogthümer Schleswig-Holstein, 
ind 14 Jahre später zieht die älteste Tochter des Mannes, dessen 
rechtmäßiges Erbe, das eines Volkes Liebe ihm auf's Neue zuge— 
prochen hatte, durch einen Federzug des preußischen Königs ge⸗ 
trichen worden, von dem Jubel Tausender umringt in Berlin ein, 
um dem dermaleinstigen Erben der deutschen Kaiserkrone, in deren 
steif Schleswig-⸗Holstein als östliches Kleinod glänzt, die Hand 
zur Ehe zu reichen. Und sollte die junge Fürstin einst den deut— 
chen Kaiserthron und den Thron Preußens besteigen, so wird auch 
das Land sie seine Herrscherin nennen, über das ihr Vater zum 
rechtmäßigen Fürsten bestellt war. 
Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein hat diesen 
tolzen Tag seines Kindes nicht mehr erlebt; ein früh gealterter, 
zramgebeugter Mann ist er vor mehr als Jahresfrist gestorben. 
die Schleswig⸗Holsteiner und die Freunde ihrer Sache haben die 
Wendung der Dinge längst gutgeheißen, sie haben sich nicht nur 
nn die Verhältnisse gefunden, sondern ihnen, wie sie seit 1870 sich 
jestaltet, mit freudigem Herzen zugestimmt. Aber trotz allen Er— 
'olges blieb ein Stachel in ihrer Brust: der Schmerz um erlittene 
Unbill, die die Gewalt ihnen zugefügt. Nun hören sie und wir 
»ie Mahnung an diesem Tage, daß wenn auch spät, nach wech— 
elvollen Schicksalen und in ungeahnter Weise in der Geschichte 
voch die Gewalt sich beugt dem Rechte.“ So bringt dieser Tag 
zine endgiltige und versöhnende Lösung der „schleswig-holsteini— 
chen Frage“. 
Der Bundesrath hat in seiner Freitagssitzung den Wehr⸗ 
steuer⸗Gesetgzentwurf mit der Zusatzbestimmung angenommen, 
zaß der zur Reichskasse fließende Steuerertrag den Bundesstaaten 
nach dem Matrikularfuße überwiesen werden soll. Es wird sich 
uun zeigen müssen, wie der Reichstag sich zu diesem Projekte stellt. 
So weil sich nach den bis jetßzt hervorgetretenen Anzeichen schließen 
äßt, kann man der Wehrsteuer nicht viel Aussicht auf Annahme 
zröffnen. Die Liberalen sind bis in die mattesten Schattirungen 
jegen das Projekt eingenommen, und die allerdings wohl zu zweifel— 
ose Zustimmung der Konservativen allein vermag ihm keinen Erfolg 
u sichern; Alles hängt also vom Zentrum ab, und dieses ist allem 
Unschein nach nicht fuͤr die Wehrsteueridee begeistert. 
Bei der Berathung des Unfallversicherungsgesetzes 
n den Ausschüssen des Bundesraths ist, wie das „B. Tgbl.“ be— 
richtet, der Widerspruch Sachsens und einiger anderen Regierungen 
gegen die Errichtung einer Reichsversicherungsanstalt verhältnißmäßig 
leicht überwunden worden. Um so nachhaltiger aber erwies sich 
zdie Opposition gegen die Bestimmungen des 8 11 der Vorlage 
über die Zahlung der Versicherungsprämien für die Arbeiter, deren 
Jahresarbeitslohn nicht über 750 Mark beträgt. Die ursprüngliche 
Vorlage verpflichtete den Arbeitgeber zur Zahlung von zwei Drittel 
der Prämien, die Landarmenverbände, in deren Bezirk der Betrieb 
iegt, zur Zahlung von einem Drittel der Prämien. Dieser Vor⸗ 
chlag wurde auch von Seiten Preußens beanstandet und beantragt, 
zie Einzelstaaten zur Zahlung dieses Beitrags zu verpflichten. Die