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3.
Samstag, den 5. März
1881.
Deutsches Reich.
(Bayerischer Landtag.) Die Interpellation des Abg.
Heiger: ob die Staatsregierung gewillt ist, Gemeindeg erichte
zuch in Bahern einzuführen, grundet fich auf 8 14 des Reichsge⸗
ichisverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877. nach welchem als
hesondere Gerichte auch zugelassen werden: „Gemeindegerichte, inso⸗
weit denselben die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprůche
bliegt, deren Gegenstand in Geld und Geldeswerth die Summe
hon 80 M. nicht übersteigt, jedoch mit der Maßgabe, daß gegen
die Entscheidung der Gemeindegerichte innerhalb einer gesetzlich zu
vpestimmenden Frist sowohl dem Kläger als dem Beklagten die Be⸗
ufung auf dem ordentlichen Rechtsweg zusteht, und daß der Ge⸗
ichtsbarkeit des Gemeindegerichts, als Kläger oder Beklagter, nur
Personen unterworfen werden dürfen, welche in der Gemeinde den
Vohnsitz, eine Niederlassung, oder im Sinn der 88 18, 21 der
Zivilprozeßordnung den Aufenthalt haben.“ So viel uns bekannt,
ind solche Gemeindegerichte in Sachsen und Württemberg eingeführt.
(Seutscher Reichsstag.) Im Laufe der Debatte bei der
2. Lesung des Etats äußerste Staatssekretär Schelling sich zustim—
nend in Betreff der gewünschten Reform der Altiengesetzgebung
ind sicherte noch im Laufe dieser Session eine Vorlage wegen Ab—
inderung des Gerichtskostengesetzes zu. v. Mennigerode, v. Kardorff,
Zonnemann und Bamberger kuͤndigen eine Debatte über die Gold—
ind die Doppelwährung bei Gelegenheit der Berathung der Denk—
chrift über die Durchführung der Münzreform an.
Im Vorstand und in den Kommissionen des Reichstages
ind die bayerischen Abgeordneten dermalen folgendermaßen ver—
reten: Frhr. zu Frauckenstein ist 1. Vizepräsident, Dr. Buhl (Pfalz)
ind Frhr. v. Soden sind Schriftführer; in der Wahlprüfungs-
ommission sitzen Prof. Dr. Marquardsen und Oberlandesgerichts—
rath Dr. M Th. Mayer; in der Budgetkommission sind Graf
Zchönborn und Frhr. v. Pfetten, in der Petitionskommission Graf
5. Papius und Dr. Westermayer, in der Geschäftsordnungskom⸗
nission Frhr. v. Lerchenfeld, Frhr. v. Soden und Frhr. v. Zurhein.
Enigegen anderweitigen Nachrichten erfährt die „Frkf. Ztg.“
mus guter Quelle, daß das Unfallversicherungsgesetz an⸗
angs nächster Woche an den Reichstag gelangen wird.
Die 'offiziöse „Nordd. Allg. Ztg.“ schreibt: „Ganz müßig
ind aus der Luft gegriffen ist die Behauptung, daß das Gesetz
iber die Unfallverficherung der Arbeiter im Bundes⸗
rathe Schwierigkeiten begegne. So viel wir hören, sind solche
don keiner Seile erhoben worden und es darf daher die Annahme
vesentlich in der Gestalt, in der der Gesetzentwurf vorgelegt wor⸗
»en, erwartet werden.“
Der „Nat.«Ztg.“ zufolge handelt es sich bei den Verhand—
ungen der preußischen Regierung mit Rom um die Diöcesen
Paderborn und Osnabrück, in welchen solche Perfsönlichkeiten zu
Domcapitularen bestellt werden sollen, von denen man erwartet,
aß sie der Pflicht, der Regierung die neu anzustellenden Geistlichen
mnzuzeigen, in aczeptabeler Weise genügen werden.
Der Bericht des deutschen Reichskommissärs für das Aus—
vanderungswesen ist erschienen und daraus ersichtlich, daß die über—
eeische Auswanderung in dem verflosienen Jahre sich fast vervierfacht
und sogar die Auswanderungsziffer des Jahres 1878 übertroffen
‚at. Im Jahre 1872 sind ausgewandert 125,000 Personen, im
Jahre 1873 103,000, im Jahre 1880 106, 190 Personen, nach—
jem die Zahl der Ausgewanderten in den Jahren 1874 bis 1879
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veise hat das Bekanntwerden des Berichtes den Freunden der
neuen Wirthschaftspolitik Veranlassung zu der Mahnung gegeben,
muus der Zunahme der Auswanderung nicht den Schluß zu ziehen,
zaß dieselbe die Folge jener Politik, eine der segensreichen Früchte
des neuen Zolltarifs, sei. Die Warnung war in der That nicht
aͤberflüssig, indessen ist dieselbe nicht an die rechte Adresse gerichtet
vorden. Wie die „Lib. Corr.“ richtig bemerkt, waren es nicht
die Gegner der Zollpolitik des Jahres 1879, sondern gerade die
Freunde und vor allem der Urheber derselben war es, der zuerst
den Versuch machte, Auswanderung und Wirihschaftspolitik in einen
nneren Zuͤsammenhang zu bringen. Es war Fürst Bismarck, der
am 3. März 1879 auf den Umstand hinwies, daß die Auswan⸗
derung am stärksten sei in denjenigen Provinzen, welche hauptsäch—
lich auf den Betrieb der Landwirthschaft hingewiesen seien, und
daraus den Schluß zog, daß einerseits das landwirthschaftliche
gewerbe bei uns durch unser Abgaben- und Steuerwesen und ver—
chiedene andere Einrichtungen (u. a. Aufhebung der Erbpacht)
ingleich beschwert sei, und daß es also für die rein landwirth⸗
chaftlichen Gegenden ein Segen sein würde, wenn sie in ihrem
Umfange eine entwickeltere Industrie fänden, welche sich weiter bilden
vnnte, so daß Beide sich gegenseitig unterstützen. Als Fürst Bis—
narck diese merkwürdige Theorie aufstellte, lag der Bericht des
Reichskommissärs vor, demzufolge die Zahl der Ausgewanderten im
Jahre 1878 24,000 Personen betragen hatte. Im Jahre 1879
fieg dieselbe auf 83,000 Personen, obgleich in diesem Jahre die
Linführung der landwirthschaftl. Zölle beschlossen wurde, welche nach
der Auffassung des Fürsten Bismarck die Lage des landwirthschaftl.
Bewerbes in so fuͤhlbarer Weise verbessern sollten. Daß dieses
ziel nicht erreicht worden ist, bedarf kaum noch der Darlegung.
Dem kleinen Grundbesitzer, der ein so großes Contingent zur Aus⸗
vanderung stellt, haben die Zölle viel mehr geschadet als genützt.
Wäre das neue Wirthschaftssystem richtig gewesen, so hätte die neu⸗
entfaltete Blüthe der Landwirihschaft den Anreiz zur Auswanderung
»ermindern müssen; thatsächlich ist der Anreiz sehr viel stärker ge⸗—
vorden, da die Zahl der Ausgewanderten von 833,000 im Jahre
1879 auf 106,000 im Jahre 1880 gestiegen ist. Damit ist also
ewiesen, daß der Schutz der Landwirthschaft durch Getreide, Holz⸗,
Fleisch⸗? u. s. w. Zolle nicht das geignete Mittel ist, der Auswan—
erung enigegenzutreten. In den Jahren 1876 - 1880 sind im
ganzen 214,067 Personen ausgewandert, während die Bevölkerung
ich um 2,950,601 Personen vermehrt hat. Es bleibt also nach
Abzug der Auswanderung eine Steigerung um 2,745,534 Per⸗
'onen in fünf Jahren.
Seit Beginn der Münzreform bis Ende 1880 sind den deut—
cchen Münzgstätten zur Ausprägung von Reichsgoldmünzen
246,8313,62908 Pfund Feingold auf Reichsrechnung, 809, 724 6880
Pfund Feingold auf Privatrechnung, zusammen 1,256,238 2888
gfund Feingold zugegangen. Die für Reichsrechnung überwiesenen
346, 313,62188 Pfund Feingold ergaben einen Münzertrag von
320,386,611' M. 11 pf., wogegen ihr Anschaffungswerth
11312 155,776 M. 82 Pf. betragen hat. Es ist sonach bei der
Holdausprägung für Reichsrechnung bis Ende 1880 ein Brutto—
Münzgewinn von 8,280,834 M. 209 Pf. entstanden.
Ausland.
Die Verleihung des Schwarzen Adlerordens seitens des
deutschen Kaisers Wilhelm an den französischen Botschafter Graf
St. Vallier beim Berliner Hofe wird in Paris als Zeichen
soher Achtung des Berliner Hofes für den Vertreter Frankreichs,
owie als ein Ausdruck der freundschaftlichen Beziehungen zwischen
Berlin und Paris aufgefaßt.
(England und die Transvaal⸗Bauern.) Das
vaffenklirrende Jahrzehnt, welches wir durchlebten, der Sturm auf
Ddüppel, die Schlachten von Königgrätz, Mars la Tour und Se—
zan, haben uns mit einer Kriegfihrung vertraut gemacht, bei
velcher die Verluste nach zehntausenden von Menschenleben zähl⸗
en. Es ist kein Wunder, daß unter diesen Umständen, die Ge—
echte im Transvaal-Lande im ersten Augenblick klein und unbe—
»eutend erscheinen. Aber man darf nicht vergessen, daß hier in
Furopa Millionen gerüsteter Streiter gegenüberstanden, während
m Süden Afrikas ein dünnbevölkertes Land, wie die Transvaal⸗
republik, alles in Allem nur 8000 kriegstüchtige Männer in das
Feld stellen kann, während in Folge der großen Transportschwie⸗
aigkeiten ꝛc. auch die Engländer nur eine sehr begrenzte Zahl
Soͤldaten ins Treffen führen koͤnnen. Aber es handelt sich bei
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and sind, und eine Fülle natürlicher Reichthümer besitzen. Indeß
nicht nur dies allein. Der Kampf im Transvaal-Lande kaun für
die koloniale Machtstellung Englands von ungeheuerster Tragweite
verden. Nordamerika ist der britischen Herrschaft verloren ge—
Jangen, Indien ist infolge der aussaugenden Wirthschaft schon