Sl. Ingberler Anzeiger.
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M 40.
Donnerstag, den 10. März
1881.
Deutsches Reich.
Jedes der beiden bayerischen Armeecorps hat im nächsten
Spätsommer innerhalb der für die Divisionsübungen bestimmten
Zeit ein Mannöver des versammelten Armeecorps gegen einen mar⸗
uͤrten oder supponirten Feind, sowie einige Feldmanöver der Divi⸗
fionen gegen einander vorzunehmen. Saͤmmtliche Truppen sollen
hot dem 28. September wieder in ihre Garnisonen einrücken. Zur
Verstärkung der an den größeren Uebungen theilnehmenden Truppen
sind die erforderlichen Mannschaften des Beurlaubtenstandes einzu⸗
berufen, so z. B. beim 1. Armeecorps 2230, beim 2. Armeecorps
2040 Mann Infanterie.
Die baherische Abgeordnetenlammer nahm den Gesetzent⸗
wurf uber die Wahlreform in der General⸗ und Specialdebatte mit
147 gegen 1 Stimme (Kopp, von der Rechten) an.
Gegenstand eines Gesetzentwurfs sollen (Nachrichten aus Berlin
zufolge) werden: Abänderungen der Gewerbeordnung in Bezug auf
den Hausirhandel, die Wanderlager und Auktionen derselben; zur
Zeit ͤt aber noch nicht abzusehen, ob derselbe dem Reichstage noch
in dieser Session vorgelegt wird.
Im Bundesrath gelangten zur Annahme nach den Aus—
schußanträgen das Arbeiter⸗Unfallversicherungsgesetz, das Innungs⸗
gesetz und die Wehrsteuervorlage.
Im Reichskag begann am Dienstag die Debatte über den
Vorschlag der Reichsregierung, daß der Haushalt des Reichs künftig
immet auf 2 Jahre (statt, wie jetzt, auf 1 Jahr) festgestellt und
daß die Reichstagsmitglieder auf 4 Jahre (etzt auf 3 Jahre) ge⸗
wahlt werden souen. Lasker und v. Bennigsen sprachen sich ent⸗
schieden gegen, der konservative Abg. v. Marschall sowie Abg. Stumm
aber für den Vorschlag aus, von welchem der Minister v. Bötticher
ausdrucklich sagte, eine politische Bedeutung habe er nicht, wohl
aber seien die Bundesregierungen durch die Erfahrungen der letzten
Jahre in der Ueberzeugung bestärkt worden, daß die beantragte
Einrichtung nothwendig sei, um dem Mißstand aus dem Weg zu
gehen, daß Landtage und der Reichstag gleichzeitig tagen müssen;
die Rechte des Reichstags schmälern zu wollen, liege den Regier⸗
ungen fern.
Wie die „National⸗-Feitung“ mittheilt, hat der Bischof von
Mejgz gleich dem Bischof von Straßburg, der päpstlichen Anord⸗
nung entsprechend, das Kirchengebet für den Kaiser und die kaiser⸗
liche Familie vorgeschrieben.
Ausland.
England soll unter gewissen Einschränkungen die Unab.
hangigleit Transvaals respeltiren wollen. Diese Nachricht wird
falls degründet, in ganz Europa eine lebhafte Befriedigung hervor⸗
rufen. Dieselbe ist freilich recht unklar, es kann darunter sehr viel
und sehr wenig verstanden sein, eine Stellung ähnlich derjenigen
der australischen Kolonieen (d. h. vollste Selbstverwaltung innerhalb
des englischen Kolonialverbandes), oder auch ein Verhältniß wie
das frühere Serbiens, das gegenwärtige Bulgariens zur Türkei
(d. h. vollkommenste staatliche Unabhängigkeit und bloß dem Namen
nach bestehende Unterordnung unter einen fremden Souverän). Da
dii Boeren selbst sich zur Annahme der britischen Schutzherrschaft
dereit erklärt haben, so ist wohl an die gänzliche, uneingeschränkte
Unabhängigkeit kaum zu denken.
Aus Südrußland kommt die Nachricht von Hungersnoth un⸗
ter den deutschen Wolgakolonisten. Speziell im Gou⸗
dernement Saratow leben 250,000 Deutsche, namentlich Würt⸗
temberger. Mehrere Mißernten haben das Volk in jene traurige
Lage gebracht. Aber wie eine Zuschrift auseinandersetzt, in Deutsch⸗
land hat man zwar Tausende für die Bekehrung irgend eines
Hottentottenknaben übrig; um die Kirche, den Glauben und die
ristenz Hunderttausender von Stammes- und Konfessionsgenossen
n Auslande kümmert sich bei uns Niemand. Es ist nicht fremd⸗
landisch genug.
auf bis jetzt unerklärliche Weise Feuer ausgebrochen. Die
Mannschafien retteten soviel wie möglich ihre Habseligkeiten, allein
hon dem Mobiliar und den in den Montirungskammern und den
Werkstätten der Sattler, Schneider, Schuster, Büchsenmacher ꝛc.
ich befindenden Gegenständen, und Kleidungsstücken, Schuhen,
Zliefeln, Leder und Lederwaaren, Waffenröcken, Sätiel ꝛc. konnie
uichts gerettet werden, und soll der Schaden ein sehr beträchtlicher
ein. Das Gebaude selbst wird wohl bis auf den Grund ab⸗
jebraunt sein, da das viele Holzk des in Fachwerk aufgeführten Ge⸗
zäudes dem Feuer Vorschub leistete, die Mannschaften werden des⸗
jalb in der Stadt einquartirt werden müssen. —
Das pfälzische Lehrerwaisenstift hatte pro
1880 eine Gesammteinnahme von 31045 M. eine Gesammtausgabe
von 30172 M. und einen Vermögensstand von 62,666 Mark.
4 In den Einlauf unserer Abgeordnetenkammer gelangte eine
Petition von dem Distriktsrath des Kantons Waldmohr, die
Beiziehung des Bergwerksbetriebes zur Gewerbsteuer, sowie die
Besteuerung der pfälzischen Eisenbahnen betreffend.
4 (Wie der Bauer um sein' Sach kommt.) In dem Dörf⸗
hen Falkenstein bei Winnweiler braucht ein Bauersmann
dringend Geld. Er ist kränklich, hat deßhalb seine Aecker auf 9
Jahre für den jährlichen Pachtzins von M. 122,50 vermiethet,
oslte demnach für 9 Jahre M. 1102,50 erhalten. Da kommt er
auf die glückliche Idee, seinen Pachtzins zu verhandeln. Der stets
gefällige Handelsmann ist bereit, das Geschäft zu machen unter
der Bedingung, daß er sich für Zins incl. Provision im ersten
Jahre 13 PCt., für die folgenden 8 Jahre 7 pCt. abziehen darf.
der Bauer geht auf den Vorschlag ein und bekommt für die
102,50 baare M. 508 ausbezahlt. Dabei klagt man über hohe
Z„teuern. (Pf. V.)
7 Aus Wald see schreibt man der „Pf. Ztg.“; Der hie—
ige Gemeinderath hat den Beschluß gefaßt, etwa 30 der ärmsten
Familien auf Gemeindekosten nach Amerika zu befördern.
4 Ein Hauptgewinn der Lüudwigshafener Kirchenbau—
otterie von 12,000 M. ist dem Gerbermeister Holzemer in Ge⸗
münden (Unterfranken) zugefallen. Nach der „Fr. Ztg.“ wurde
her Haupttreffer von einem Dienstknecht in Seckenheim bei Mann—
heim gewonnen, während der glückliche Gewinner eines Treffers
don 6000 M. ein Landmann in Freudenheim bei Mannheim ist.
F In Speyer hat am Samstag Abend eine Versammlung
bon 250 bis 800 Handwerkern Statt gefunden, welche sich gegen
die Gewerbefreiheit und für Zwangsinnungen erklärte. Nur etwa
15 Anwesende machten den Vorbehalt, daß sich durch freie Inn—
ungen mit korporativen Rechten Dasselbe erreichen ließe.
Von der Strafkammer zu Saarbrücken wurde ein 60
Jahre alter Taglöhner aus Ormesheim wegen Jagddiebstahls und
Widerstandsleistung gegen den ihn festnehmenden Gendarmen zu
einem Jahre Gefängniß verurtheilt. Es ist dies derselbe, der im
Januar abhin auf dem Wege nach Saarbrücken erwischt wurde,
als er in einem Sacke ein Reh trug, das er mittelst Schlingen in
den Waldungen der HH. Gebr. Krämer gefangen hatte.
Wie wenig der Pfälzer Heimath und Landsleute vergißt,
heweisst wieder der Umstand, daß sich in Frankfurt a. M.
neuerlich ein landsmannschaftlicher Verein „Pfälzer Club“ gebildet
jat, der den löblichen Zwec verfolgt, in seinen Mitgliedern durch
jfteres Zusammensein das Andenken an die Heimath wach zu halten,
owie nothleidenden Landsleuten in Frankfurt eine Unterstützung zu
‚ewähren. Als Motto wählte sich der Verein das alte Stoßgebet
ines jeden Pfälzers: „Fröhlich Pfalz, Gott erhalts!“ Dem löb—
ichen Vorhaben und edlen Zweck ein herzliches Glück auaͤftft
In Caub am Rhein scheinen die seit längerer Zeit zum
Stillsiande gekommenen Erdrutschungen wieder beginnen zu wolln.
Am unteren Theile der Siadt hat sich eine Fläche von ca. 40,000
Quadratfuß in Bewegung gesetzt, in Folge dessen einzelne Häuser⸗
gruppen gegen den Rhein zu vorgerückt sind.
Die Lehrkurse zu Wuͤrzburg und Erlangen für pfälzische
hebammen werden am 15. Jul wieder beginnen. Gesuche um
Zulassung zu demselben sind bis zum 15. April l. J. bei den kgl.
dezirkzamtern einzureichen.
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Vermischtes.
* Vorgestern ist in der neuen Kaserne in dem von den
—T Schleswig⸗ Holst. Dra⸗
goner⸗Regimentis Nr. 18 belegten Wohnhaus zu St. Av olnd
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