Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Nnzeiger. 
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Dienstag, den 15. März 1881. 
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Deutsches Reich. 
Die bayerische Abgeordnetenkammer berieth am Freitag 
über den Antrag des Abg. Sauerbrey, welcher eine Abänderung 
des Art. 31 des Distriktsrathsgesetzes in der Art bezweckt, daß 
zum Maßstab der Vertheilung der Distriktsumlagen auch die Ein— 
ommensteuer miteinzubeziehen sei. Nach längerer Debatte wurde 
dem Antrag in erster Lesung beigestimmt und derselbe sofort auch 
in zweiter Lesung mit 101 gegen 28 Stimmen angenommen. 
Man spricht davon, daß der deutsche Kaiser im nächsten Mo— 
aat Wiesbaden aufsuchen werde. 
In Karlsruhe hat am 12. März, wie amtlich kund ge⸗ 
geben wird, die Verlobung des Kronprinzen Gustav von Schweden 
(geb. 16. Juni 1858) mit der Prinzessin Viktoria von Baden 
geb. 7. August 1862) im engsten Familienkreis stattgefunden. 
Ausland. 
Das Touloner Vlatt „Le petit Var“ macht folgende Bemerkung:; 
Seit fünf Jahren hat die französische Mittelmeer⸗Flotte in Folge 
von verschiedenen Unfällen mehr Verluste erlitten, als sie bei einem 
neuen Trafalgar hätte erleiden können. Der „Seignelay“ verbrannt 
während der Auftakelung; der „Magenta“ in die Luft gesprengt; 
die „Revanche“ Explosion des Dampfkessels; die „Reine Blanche“ 
gescheitert; der , Janus“ dienstuntauglich geworden; die „Arrogante“ 
antergesunken und mit, ihren Werth übersteigenden Kosten gehoben; 
der „Forbin“ zwei Mal verunglückt und wieder hergestellt; diese 
traurige Reihe schließt mit dem kürzlich stattgehabten Brande des 
„Richelieu“, welcher über 20 Mill. Francs gekostet hatte. 
Petersburg, 14. März. Der „Russ. Regierungsbote“ 
publizirt eine Proklamation an das russische Volk betr. den Re— 
gierungsantritt des Kaisers Alexander III., in welcher er das vor 
seinem Vater abgelegte heilige Gelübde wiederholt, nach dem Ver—⸗ 
mächtnisse seiner Vorfahren sein ganzes Leben der Fürsorge um die 
Wohlfahrt, die Ehre und die Macht Rußlands zu weihen. 
Unsern Lesern haben wir schon gestern durch Extra-Blati 
Nachricht von dem Attentat auf den Kaiser Alexander von 
Rußland gegeben. Es war am Sonntag zum fünften Mal, 
daß sich Mörderhände gegen denselben erhoben, diesmal leider mit 
dem beabsichtigten Erfolg. Die meuchlerischen Angriffen vom 4. 
April 1864 im Sommergarten von Petersburg, vom 14. April 
1879 am Winterpalaste, vom 1. Dezember 1879 mittelst einer 
Explosion auf der Bahnstrecke in der Nähe von Moskau und am 
17. Februar 1880, durch welch letzteres ein Theil des Winterpalastes 
in die Luft gesprengt und der Kaiser nebst Familie nur durch einen 
Zufall, durch verspätetes Erscheinen beim Souper, vor dem Unter—⸗ 
gang bewahrt geblieben ist, während 35 Soldaten von der Palast⸗ 
wache unter den Trümmern begraben wurden, diesen grauenhaften 
Anschlägen ist nun der vom 18. März 1881 gefolgt. Das von 
den Nihilisten seit geraumer Zeit beobachtete Schweigen hat sich 
sonach gezeigt als die Ruhe vor einem furchtbaren Gewitter. Als 
der Kaiser am Sonntag Nachmittag von einer Parade aus der 
Michaels-Reitbahn nach dem Winterpalaste zurückkehrte, wurden zwei 
Spreng⸗Bomben geworfen, wodurch er an den Beinen schwer ver⸗ 
wundet wurde. Er wurde bewußtlos in den Palast gebracht, wo 
er am Nachmittag der Verwundung erlag. Nähere Nachrichten 
jehlen noch. 
Ueber den durch Mörderhand herbeigeführten Tod des Kaisers 
Alexander II. sagt ein Telegramm des „Reuter'schen Bureau's“ 
nachträglich: Die erste Bombe habe zwei Tscherkessen getroffen, welche 
den Wagen des Kaisers begleiteten; darauf sei die zweite Bombe 
zeplatzt und habe dem Kaiser beide Beine dicht am Unterleib weg⸗ 
gerissen. (Vom ersten Berichte abweichend.) Derjenige, welcher die 
erste Bombe geworfen hatte, soll auf dem Fleck verhaftet worden 
sein; sein Name wäre Dowrojetzki; der andere hätte sich in der 
Volksmenge verloren. Großfürst Michael, welcher hinter 
dem Kaiser fuhr, leistete demselben die erste Hilfe; das 
Attentat ereignete sich nächst dem Park, welcher zu dem Palast des 
Großfürsten Michael gehört. — 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 15. März. Zu der gestern Abend im 
„Hotel zur Vost— ftattgehabten Generalversammlung des hiefigen 
Vorschußvereins hatten sich von den 485 Mitgliedern gegen 40 
ꝛingefunden. Herr Cassier J. Beer erstattete den Geschäftsbericht 
pro 1880. Sodann wurden die Vorschläge des Verwaltungs— 
rathes bezüglich der Vertheilung des im abgelaufenen Jahre er— 
zielten Reingewinnes berathen, und beschlossen, von der dem Del⸗ 
rederefond zu überweisenden Summe 50 Mk. in Abzug zu brin⸗ 
zen, die zu einem Stipendium für Schüler der k. Lateinschule 
dahier bestimmt sind. Die übrigen Vorschläge des Verwaltungs⸗ 
rathes wurden unverändert aczeptirt. Die statutengemäß aus dem 
Verwaltungsrath ausgeloosten drei Mitglieder (die HH. S. Kahn, 
J. Hellenthal und H. Fischer) wurden wieder gewählt. 
Die von der Generalversammlung zu wählende Revisions-Commission, 
die bisher 2 Mitglieder zählte, wurde um 1 Mitglied verstärkt. 
Derselben gehören für die zwei nächsten Bilanzen an die HH. J. 
Fiack, H. Martin und J. B. Martin. Herr Realien— 
lehrer Schlick lehnte eine Wiederwahl in dieselbe entschieden ab. 
— In hiesiger Lateinschule scheint man mit scharfen 
Besen zu kehren. Denn, wie wir erfahren, wurde heute bereits 
der dritte Schüler für dieses Jahr aus der Anstalt entlassen. 
Recht so! Wer nicht hören will muß fühlen. 
Wie die Motive zur Novelle zum Gerichtskosten⸗ 
gesetz entnehmen lassen, ist zunächst nur eine Aenderung bezüg— 
lich der sogenannten Nebenkosten, nämlich: 1) der gerichtlichen 
Schreibgebühren und 2) der Gerichtsvollziehergebühren im Sinne 
ꝛiner Verminderung dieser Kosten beabsichtigt. 
Gegenüber den im „Fr. T.“ enthaltenen Klagen über an⸗ 
zebliche Unregelmäßigkeiten bei der Ziehung der Ludwigs— 
hafener Kirchenbau-Lotterie erklären die Herren A. und B. 
Schuler in Zweibrücken, daß dieselben vollständig grundlos 
eien. Namentlich sei die Behauptung vollständig unrichtig, daß 
die Nummern 1 bis 1000 von den Gewinnen voillständig ausge- 
chlossen gewesen seien. Es geht dies daraus hervor, daß auf 
sene Nummern nicht weniger als fünf Gewinne gefallen sind. 
F Militärpferde werden angekauft in Langenkandel 
im 23. März, in Offenbach bei Landau am 24., in Pirmasens 
im 26., in Zweibrücken am 28., in Homburg am 29., in Land⸗ 
tuhl am 80., in Frankenthal am 31. März. Die Pferde müssen 
m Alter von 3 bis einschließlich 6 Jahren stehen; die Größe für 
Reitpferde m 57 cm und 1m 62 em, für Zugpferde 1m 
30 em bis 1m 65 em. 
Am 8. ds. Abends wurde ein Geschäftsmann aus Roden 
hei Saarlhouis zwischen Nalbach und Diflen mit zerschmetter— 
tem Schädel aufgefunden. Kurz darauf verschied er. Gegen 8 
ühr war er von Piesbach, wohin er zu einer Güterversteigerung 
geritten war, aufgebrochen. «Da Portemonnaie und Geld nicht bei 
ihm vorgefunden wurden, vermuthet man einen Raubmord. 
F In Mannheim haben die Wittwe und die Erben des 
derstorbenen Raph. Hirsch zum Andenken an denselben eine Stiftung 
bvon 30,000 Mark Kapital errichtet, aus welcher bedürftige hiesige 
Wittwen und Waisen unterstützt werden sollen. 
F In Passau erregte die in einer dortigen Tabakfabrik 
erfolgte Beschlagnahme einer Sorte Tabak, welche angeblich zum 
zrößten Theile pures Holz enthalten soll, großes Aufsehen. Auch 
in einzelnen Kaufläden hat die Palizeimannschaft Umschau gehalteu, 
ob nicht von der fraglichen Sorte Tabak auf Lager liegt und ver— 
kauft wird. 
F Zur Zeit wird in München die Mannschaft des Leib-Re— 
ziments auch in dem Gebrauch von Feuerspritzen und anderen 
Feuerwehroperationen eingeübt; gewiß eine recht praktische Arbeit, 
velche die Leute auch noch als nicht mehr waffenpflichtige Bürger 
zereinst zum Schutze der Person und der Habe ihrer Mitbürger 
derwerthen können. 
7 Die anhaltend nasse Witterung der letzten Wochen hat an 
zielen Orten Deutschlands Erdrutsche veranlaßt, den bedeu— 
endsten ganz in der Nähe von Dienheim in Rheinhessen, bei 
Dppenheim, wo nicht weniger als 500 Morgen guten Landes, 
darunter 150 Morgen vorzügliche Weinberge, derart zerstört wur⸗ 
den, daß ihre Wiederherstellung enorme Kosten beanspruchen wird. 
* In einer Braunkohlengrube bei Hamersleben (preuß.