Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M55. 
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Dienstag, den 5. April 
1881. 
Deutsches Reich. 
Se. Maj. der König von Bayern hat den Kanzler des 
Deutschen Reiches Fürsten Bismarck am 1. April zu seinem 67. 
geburtsfeste beglückwünscht. 
Die Meldungen über bevorstehende Veränderungen im bay⸗ 
erischen Kriegsministerium und im Kommanvo des l. 
Armeekorps sind Münchener Nachrichten zufolge völlig unbegründet. 
Am 1. April hat der Reichstag die erste Berathung des 
Besetzentwurfs über die Unfallversicherung der Arbeiter 
„egoͤnen, aber noch nicht zu Ende gebracht. Unbedingt für den 
Gesetzentwurf in der Fassung in welcher er dem Reichstag jetzt 
vorliegt, sprach sich keiner der Redner aus; jeder derselben aber 
rkannte bereitwillig den großen Gedanken an, welcher demselben 
zu grunde liegt. Insbesondere namens der nationalliberalen Partei 
prach der Abg. Oechelhäuser Zustimmung zu den großen Grund⸗ 
zügen desselben aus und versprach freudiges Mitarbeiten, damit 
auf dieser Grundlage ein Gesetz zu Gunsten der Arbeiter zu stande 
tomme; er wünscht aber Ausdehnung desselben auch auf die Land⸗ 
und Forstwirthschaft, auf die Binnenwirthschaft und auf das Hand— 
werk. Der konservative Abgeordnete v. Marschall bekannte, daß 
seine Parteigenossen erhebliche praktische Bedenken haben, namentlich 
ob die Arbeiter nicht dadurch daran gewöhnt werden, sich auf den 
Staat statt auf die eigene Kraft zu verlassen. 
Der Reichstag setzte am 2. April die erste Berathung des 
Hesetzentwurfs über die Unfallversicherung der Arbeiter fort, be— 
endigte dieselbe aber noch nicht. Auf gegen den Entwurf, be— 
ziehungsweise gegen die Betheiligung des Reichs erhobene Einwände 
rklärte Fürst Bismarck, er sehe nicht ein, wie der Zwang zur Ver⸗ 
icherung ohne Betheiligung des Reiches an der Versicherung durch— 
zuführen sei; bei den nächsten Wahlen würden die Arbeiter fich 
darüber zu entscheiden haben, ob sie seine Pläne billigen oder nicht. 
Abg. Lasker bekämpfte den Gesetzentwurf, er ist für Verbesserung 
»es Haftpflichtgesetzes. 
Der „Köln. Ztg.“ wird aus Berlin gemeldet: „Das Ar⸗ 
„eiter⸗ Unfallversicherungsgesetz hat keine Aussicht, noch in dieser 
Session zur Annahme zu gelangen. Das hat der Reichskanzler im 
Reichstage selbst angedeutet, indem er hinzufügte, sein Interesse an 
der Sache würde schwinden, wenn der Gedanke der staatlichen Ver— 
sicherung und des Versicherungszwanges beseitigt werde. Das 
ind aber gerade die beiden Punkte, welche den meisten Anstoß er⸗ 
regen. Den Grundgedanken aber, daß die Haftpflicht zu erweitern 
ei. haben alle Parteien angenommen.“ 
In einer Besprechung von Reichstagsmitgliedern aller Frak— 
ionen mit Ausnahme der Sozialdemokraten wurde beschlossen, den 
Antrag Windthorst's über die Beschränkung des Ashlrechtes unver⸗ 
üglich im Reichstag einzubringen, mit der Modiffcation, daß 
in Ausländer, der einen Mord oder Mordversuch begangen hat, 
auf Ansuchen der Regierung des Staates, in dem das Verbrechen 
erübt worden ist, an diesen auszuliefern sei. 
Das Londoner Blatt „Standard“ sagt, es sei für den Sommer 
ine Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland, 
Desterreich und Rußland in Ems beabsichtigt. 
Ausland. 
Die Vermählung des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich 
mit Prinzessin Stephanie von Belgien, ist auf den 10. Mai 
festgesetzt. 
Gambetta führt den Frieden im Munde, aber die mili—⸗ 
ärischen Vorbereitungen werden in Frankreich deßhalb nicht 
dergessen. Die „France“ kann mit Befriedigung konstatiren, daß 
die Mobilmachung der französischen Armee jetzt in allen ihren 
Theilen und in einer Weise, die jeden Vergleich herausfordern kann, 
geregelt ist. 
In Clocher, Grafschaft Mahyo in Irland, fand am 
Samstag ein Zusammenstoß zwischen dem Volk und der Polizei 
statt; letztere feuerie scharf, wobei 8 rdan getödtet und 32 
derwundet wurden, darunter 4 Personen gefährlich. 
Spanien steht vor einer schweren Krise, ja man will be⸗ 
haupten, daß ein Buürgerkrieg, resp. eine ernste Erhebung gegen 
das Königthum, gegen den Thron Alfonso's XII. nicht zu den 
Eventualitäten gehören, die man auch nur für eine längere Zeit 
als unbedingt ausgeschlossen betrachten könnte. Eine Bewegung, 
die sich schon jetzt ziemlich bedenklich anläßt, ist in Spanien that⸗ 
ächlich vorhanden, und zwar sollen bei derselben die Republikaner 
uind die Sozialisten zusammenwirken. 
Die Wiener Presse“ liefert zur Charakteristik des Kaisers 
Alexander UI. von Rußland folgende, angeblich authentische 
Aeußerung dieses Monarchen: „Hat mein Vater die Leiber befreit, 
so werde ich das Gewissen meines Volkes befreien und das Land 
—X 
Vermischtes. 
* St. Ingbert. In der Nacht von Samstag auf Sonn⸗ 
ag wurde in dem Tuchladen des Schneidermeisters Märker ein⸗ 
zebrochen. Am Morgen zeigte es sich, daß aus demselben mehrere 
ertige Bukskin⸗Anzüge entwendet waren. Die Diebe hatten eine 
Fensterscheibe herausgeschnitten und dann die Thüre von innen 
Jjeöffnet. Zur Ausführung ihres Geschäftes hatten dieselben vor⸗ 
ichtig eine Stunde gewählt, in der sie weder von der Polizei und 
Rachtwache, noch von sonst Jemand belästigt wurden. Ihre Ermitt⸗ 
ung ist bis jetzt noch nicht gelungen. 
x Eine Erleichterung für Vormünder wurde infolge Verfügung 
er kgl. Kreisregierung seitens der kgl. Hypothekenämter der Pfalz 
jeschaffen, indem die Kosten der Vormundschaftseinschreibungen nicht 
nehr an diese direkt eingesendet werden müssen, sondern bei den 
einschlägigen Rentämtern bezahlt werden können. 
F In Zweibrücken ist am J. April die neue Infantrie— 
harnison, das 2. Bataillon des 18. Regiments, abtheilungsweise 
ingetroffen. Die städtische Vertretung hieß die Truppentheile bei 
hrer Ankunft am Bahnhofe willkommen. Das Stadthaus war 
dem Tag zu Ehren beflaggt. 
Wie die „Zw. Zig.“ aus glaubwürdiger Quelle vernimmt, 
jat ein in Nordamerika lebender, aber aus Zweibrücken stammender 
derr Hil gard, auf dessen Kosten soeben zum Vortheil der 
Stadtkasse ein Arbeiter-Musterwohnhaus an der Auerbacher Straße 
u Zweibrüen erbaut wird, dem dortigen Diakonissen-Vereine 
»ie Summe von 4000 M. und einen gleichen Betrag der Klein⸗ 
inder⸗Bewahranstalt daselbst überwiesen. — Die Bürgerschaft von 
zweibrücken kann stolz auf ihren noblen Landsmann sein, der sich 
einer Heimath in der Ferne nicht entfremdet, sondern ihr ein 
varmes theilnahmvolles Herz bewahrt hat. 
Die Remonte⸗Ankaufs⸗Kommission hat in Zweibrücken 
wei und in Landstuhl drei Pferde angekauft. in Homburg 
seines. Die Gesammtzahl der diesmal von der Kommission in der 
Pfalz angekauften Pferde beträgt nur 6. 
Die Maul⸗ und Klauenseuche ist in Pirmasens in 
ieben Ställen, in Vinningen in einem Stall und in Trulben in 
einem Stall amtlich konstatirt. 
F In Steinfeld starb in Folge Erschreckens beim Ein⸗ 
schlagen des Blitzes in dortiger Gemarkung der Ackerer Josef Ott. 
F Die nächste Wanderversammlung der „Pollichia“ soll zu 
Kaiserslautern am 8. Mai abgehalten werden, wobei der 
derzeitige erste Vorstand, Dr. Recknagel, einen Vortrag über die 
Methode der wissenschaftlichen Forschung halten wird. 
Der Madenburg- Verein, bekanntlich gegründet zur 
Erhaltung des Eschbacher Schlosses, hat für seine Zwecke bis 1. 
Januar 1881 die Summe von 12,873 M. aufgebracht. 
F Die nächste ordentliche Generalversammlung der pfäl z⸗ 
ischenn Eisenbahngesellschaften ist auf Freitag den 29. April 1881, 
Morgens 10 Uhr, ausgeschrieben; abgehalten wird dieselbe im 
Direktorialgebäude zu Ludwigshafen. 
.Von den 18 jungen Leuten, welche sich der in den letzten 
Tagen in Speyer abgehaltenen Prüfung für den einjährig-frei⸗ 
villigen Militärdienst unterzogen, haben 11 dieselbe bestanden. 
Dem „Allg. Anz.“ in St. Johann-Saarbrücken 
vird Folgendes mitgetheilt: „Ein Reservist des 40. Regiments, 
herheirathet, machte 1870 das Gefecht bei Spichern mit, von wo 
ab er verschollen war. Seine Frau heirathete nach fünf Jahren 
wieder und lebt jet in Forbach; aus der zweiten Ehe sind drei