Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberker Avzeiger. 
her St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
age) erscheint wöchentlich vlermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementévreis betragt vierteljährlich 
M 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 146 60 , einschließlich 420 Zustellzebüuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswäris 
mit 15 — fuür die viergespaltene Zeile Blattschrit oder deren Raum, NReclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet. 
. 
Samstag, den 9. April 
1881. 
X 
— 
Deutsches Reich. 
Die „Neust. Zig.“ erfährt aus „bestunterrichteter Quelle“, 
aß unserem Reichstagsabgeordneten Dr. Buhl vom Reichskanzler 
ie Zusage gemacht worden sei, er werde einen Gesetzentwurf 
iher das Verbot der Kunstweinfabrikation an den Reichstag 
jelangen lassen. 
Wie der „Fr. Ztg.“ aus München gemeldet wird, sollen 
ie Wahlen für die bayerische Abgeordnetenkammer schon am An— 
ang oder spätestens Mitte Juni Statt finden. 
Aus dem Referat des Reichsraths Grafen v. Lerchenfeld 
ber den Entwurf eines Gesetzes über die Einkommensteuer ersehen 
oir, daß sich der Steuergesetzausschuß der bayerischen Reichs⸗ 
athskammer in Uebereinstimmung mit dem Beschlusse der Abge— 
xdnetenkammer gegen das Princip der allgemeinen Einkommen⸗ 
teuer ausgesprochen hat. 
Die bayerische Abgeordnetenkammer nahm am Mittwoch 
en Antrag Hafenbrädl auf Abschaffung des siebenten Schuljahres 
a namentlicher Abstimmung mit 77 gegen 62 Stimmen an. Die 
tinke stimmte geschlossen gegen die Rechte. Bei der Berathung ver⸗ 
heidigte Ministerpräsident Dr. v. Lutz die Verordnung vom 5. 
sovember 1880 und erklärte, daß die Regierung die Hand zur 
lufhebung des 7. Schuljahres nicht bieten könne. Von 1831 bis 
856 haben die Kammern des Landtages um das 7. Schuljahr 
zetitionirt und zwar stammten die bezüglichen Anträge zumeist von 
veistlichen. Nachdem jetzt die Opfer, welche die Einführung des 
Schuljahres veranlaßte, gebracht seien, solle man zu den alten 
zuständen zurückkehren, obwohl es der größere Theil des Landes 
icht wolle? Die 156 Petitionen um Abschaffung des 7. Schuljahres 
erschwänden gegen die 8000 Gemeinden Bayerns. 
Der Reichstag ist am Mittwoch in die Ferien gegangen. 
zin Rückblick auf seine Thätigkeit in der letzten Session ergibt ein 
m Wesentlichen negatives Resultat. Von den Steuervorlagen ist 
illein die Börsensteuer mit einiger Aussicht auf Annahme übrig 
eblieben und mindestens ist es fraglich, ob das Unfallversicherungs- 
ind das Trunksuchtsgesetz die Zustimmung des Reichstags finden 
oerden. Der Reichskanzler soll übrigens mit dem Schicksal seiner 
Steuervorlagen nicht unzufrieden sein, weil er dadurch im Stande 
it, mit um so größerer Bexechtigung mit dem Tabaksmonopol vor 
jen Reichstag zu treten. Man wird sich daher mit dem Gedanken 
jertraut machen müssen, daß auf dem Programm des Reichskanz⸗ 
ers für die allernächste Zeit die Einführung des Tabaksmonopols 
tehen wird. 
Die Commission des Reichstags für das Unfallversicher⸗ 
uingsgesetz hat sich in folgender Weise constituirt: Frhr. zu 
zranckenstein (Centrum), Vorsitzender; Stumm (conserv.), Stell—⸗ 
ertreter desselben; Holtzmann, Frhr. v. Soden, Freund, Schriftführer. 
Die bei dem Reichstag eingelaufenen Petitionen (mit mehr 
ds 130,000 zusammengepreßten Unterschriften) um Beseitigung 
er obligatorischen Civilehe kommen, wenn überhaupt, ersf 
ach Ostern zur Berathung im Reichstag. Trügt der Schein nicht, 
qhaben diese Petitionen wenig Aussicht auf durchgreifende Be— 
X 
Die „Provinzial-Korresp.“ bezeichnet in einem Artikel über 
Arbeiterreform als die Aufgabe des Staates dem Aus— 
manderfallen der natürlichen Kräfte durch Zusammenfassen der 
ttlichen Kraft zu steuern; dieselbe betont die Nothwendigkeit, daß 
er Staat nicht geschehen lasse, was geschieht, sondern“ daß er 
andelnd wirke. Darin sei die Arbeiterpolitik des Reichskanzlers 
egründet. Die Mehrheit erkenne die Bedeutung der Reformvor⸗ 
hläge des Reichskanzlers an; doch fehle es im Einzelnen an der 
zilligung und Aneignung seiner letzten Schlußfolgerungen. Es sei 
hoffen, daß die parlamentarischen Parteien sich nicht in Wider⸗ 
tuch setzen werden mit der Bevölkerung, mit der sie jetzt wieder 
anähere Berührung kommen. In der Bevölkerung, wo der 
imschwung als vollzogen gelten dürfe, werde man für falsche Be⸗ 
enklichkeit und Unentschlossenheit auf diesem Gebiete ebensowenig 
lerständniß haben, wie man sich für die Bemühungen der wirth— 
haftlich liberalen Partei, ihre Grundsätze wieder zu Ehren zu 
rringen, begeistern werde. 
In bestunterrichteten Kreisen Berlins verlautet, daß der 
enge Anschluß Rußlands an Deutschland als vollzogen zu betrach— 
sen sei, der Plan einer Erneuerung des Drei-Kaiser-Bündnisses 
äich perfektionire und deshalb ein reger Ideenaustausch zwischen 
Wien und Berlin stattfinde. 
Der russische Kaiser wird zum Besuch des preußischen 
Hofes Ende Mai in Berlin erwartet. 
Die Reise des deutschen Kaisers nach Wiesbaden 
st der „Provinzial-Korrespondenz“ zufolge für die dritte Woche 
im April in Aussicht geommen. 
Ausland. 
Paris, 6. April. Einer Meldung aus Algerien zufolge 
vird die Absendung dreier tunesischer Generale in das französische 
Lager erwartet. 
Die afrikanischen Besitzungen haben Frankreich schon viel Blut 
uind Geld gekostet und die neuesten Ereignisse an der kunesischen 
Gerenze drohen aufs Neue große Opfer nothwendig zu machen. 
Die Beduinenstämme gehen immer feindlicher gegen die französischen 
Truppen in Algerien vor und vor einigen Tagen fiel der mächtige 
Stamm der Krumir, welcher unter tunesischer Regentschaft steht, in 
Algerien ein. Der Zusammenstoß zwischen den Wilden und den 
ranzösischen Soldaten war sehr ernsthaft, er dauerte elf Stunden. 
Sechs Tribus der Krumirs nahmen au dem Kampfe Theil, mehrere 
Tribus zögern noch, sich mit den Angreifern zu verbinden, doch 
Jeißt es, daß alle Grenzstämme geneigt find, sich beim ersten Signal 
u erheben. Dazu kommt noch ein anderer Zwischenfall den wir 
n der letzten Nr. des „Anz.“ schon kurz erwähnten. Von 
Seiten der französischen Regierung war Oberst Flat iers entsendet 
vorden, um die günstigste Linie für die Saharabahn, jene kühn 
yrojectirte Eisenbahnstraße von Algerien mitten durch die unwirth- 
ame Wüste hindurch nach Timbucktu, zu finden. Die Expedition 
»rach Ende November vorigen Jahres auf. Sie war ziemlich stark 
setwa 100 Mann) und unler den Mannschaften keine geringe An— 
jahl von eingeborenen Freiwilligen aus den südlichen Districten 
Algeriens. Es sind nun vier dieser Eingeborenen am 28. März 
mit der Meldung nach der französischen Niederlassung Ouregla ge— 
kommen, die Expedition sei fast vollständig vernichtet worden. — 
Die französische Regierung hat sofort Maßregeln getroffen, um ihre 
bedrohte Position zu schützen. Zwei Armeecorps werden mobilisirt. 
Der Bey von Tunis soll aufgefordert werden, die räuberischen 
Stämme zur Ocdnung zurückzuführen und durch die Züchtigung 
der Schuldigen Frankreich Genugthuung zu geben. Für den Fau 
der Weigerung oder der Unfähigkeit soll ihm mit der Besetzung 
don Tunis gedroht werden. Die Italiener, die bekanntlich selbst 
ein Auge auf Tunis geworfen haben, sehen diesen Vorgängen, die 
Frankreich zum Herrn der Lage machen, mit wachsender Eifer— 
ucht zu. 
Gerüchtweise wird aus Madrid von einer republikanischen 
Erhebung in Oporto (Portugal) gemeldet; die Aufständischen sollen 
fich im Theater festgesetzt haben. 
In Petersburg wurden abermals Proklamationen mit Be⸗ 
drohung des Kaisers gefunden. Es gab zweierlei Proklamationen, 
eine große und eine kleine. Die zweite hatte folgenden Inhalt: 
„Alexander U. hat 26 Jahre regiert. Alexander III. wird 26 
Tage regieren.“ 
Was Gerüchte über nihilistische Attentats-Versuche erzählen, 
ibersteigt alle Grenzen, unter Anderem, daß Kerzen, welche während 
des Trauergottesdienstes von distinguirtesten Personen gehalten werden 
ollten, mit Erxplosions-Stoffen gefüllt gefunden wurden. Zwei 
Iffiziere hätten vor dem Gottesdienst ein verdächtiges Knistern an 
»en Dochten wahrgenommen, die Kerzen rasch verlöscht, auf den 
Schnee geworfen und dort gefahrlos zur Explosion gebracht. 
Petersburg ist jetzt von einem Kosakenkordon umringt, Nie— 
mand darf ohne strenge Kontrole hinein oder heraus. 
Als vor Kurzem Rumäntien zum Königreich erhoben wurde, 
hieß es, daß auch Serbien bald diesem Beispiele folgen werde, 
da die Serben kaum hinter den Rumänen zurückstehen wollten. 
sunmehr meldet man, die serbische Skuptischina beabsichtige die 
Broclamirung Serbiens zum Köniareich