St. Ingberler Anzeiger.
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M 59. Dienstag, den 12. Aprii
1881.
Deutsches Reich.
Die bayerische Abgeordnetenkammer hat nun auch ihre
Osterferien angetreten. Ihre nächste Sitzung kann erst dann statt—
finden, wenn die Beschlüsse der Kammer der Reichsräthe über die
Steuergesetzentwürfe zur Berathung vorliegen und dies wird kaum
bor dem 26. ds. Mis. der Fall sein können, zumal iene Beschlüsse
zuvor noch im Steuergesetz-⸗Ausschuß der Abgeordnetenkammer zur
Berathung kommen muͤssen. Unmittelbar nachdem eine Vereinbar—
ung über die Steuergesetze zwischen beiden Kammern erzielt ist,
wird der Schluß des Landtags erfolgen.
Von Berlin wird auswärtigen Blättern gemeldet: „Fürst
Bismarck soll sich bezüglich der griechisch-türkischen Grenzfrage dahin
gelußert haben, daß die Griechen genug an Gebiet erhalten haben
and sich damit werden bescheiden müssen. Im hiesigen auswär—
tigen Aite betonte man, Griechenland stehe isoliert und habe mehr
Territorium erhalten, als Deutschland nach dem französischen Kriege.“
Wie das „Mont.⸗Bl.“ von angesehener Seite erfährt, dürfte
die Vorlage, beireffend die Erweiterung des preußischen Volks-
wirthschafisraths zu einem deutschen, worüber die Ausschüsse des
Bundesrathes ihre Berathungen beendet haben, das Plenum des
letzteren bald beschäftigen, und vielleicht wird auch der Reichstag
noch in dieser Session mit der Angelegenheit befaßt werden, obschon
die Kreirung des Volkswirthschaftsrathes auf dem Wege der Ver—
ordnung erfolgen sollte.
Nach der „Magdb. Zig.“ ist davon die Rede, daß die deutschen
Fürsten dem Herzog von Braunschweig zu seinem Regierungs-
ubiläum die Wuͤrde eines Großherzogs antragen wollen.
Wie man der „Mgdb. Z.“ aus Weimar schreibt, hat der
Großherzog von Weimar nach seiner Rückkehr aus Petersburg
äch sehr bestimmt darüber ausgesprochen, daß der Czar Alexander II.
in der auswärtigen Politik Rußlands und namentlich in den Be—
ziehungen zu Deutschland nicht von der Haltung seines Vaters
abweichen werde und vielmehr großes Gewicht darauf lege, in einem
recht freundschaftlichen Verhältniß zum Berliner Hof zu bleiben. —
Mit seinem Oheim Konstantin soll der Czar, nachdem dessen Sohn
verhaftet worden war, eine sehr heftige Unterredung gehabt haben.
Wenn die griechisch-türkische Frage friedlich⸗ beigelegt wird, und
trotz aller neuhellenischen Rodomondaten hat es heute den Anschein,
aAls ob man sich in Athen dem europäischen Machtspruch fügen werde,
dann ist die Beseitigung einer ernsten Kriegsgefahr abermals der
—
zu danken. Das diplomatische Korps von Athen hat das Verdienst
Deutschland um den Erfolg der Friedensaktion denn auch anerkannt
und seiner Anerkennung bestimmten Ausdruck gegeben, indem es
den Vertreter Deutschlands, Herrn v. Radowitz, bei der Uebergabe
der identischen Note am 7. ds. Mis. zu seinem Wortführer wählte.
König Georgios wird die entschiedene Sprache der Mächte nicht
mißverstehen und innerlich darüber jubeln, daß der sanfte Zwang
hm einen schicklichen Vorwand gibt, abzustehen von einem aus⸗
ichtslosen Kriege, für den es ihm an Waffen, Truppen und Geld
jehlt und zu dem ihn nur der Terrorismus einer Rotte chauvini⸗
tischer Schreier drängen wollte.
Ausland.
Die Wiener „Presse“ bringt ein Gutachten Bluntschli's über
zas Asylrecht und die Auslieferungspflicht, worin
i1. A. ausgeführt wird, daß der Mord ein gemeines, kein poli—
sisches Verbrechen und es Wahnsinn sei, das Leben des Monarchen
weniger zu schützen, als wie dasjenige irgend eines Landstreichers.
In der französischen Kammer wurde die Kreditforderung
bon 5,695,000 Fr. zu der Expedition gegen die Krumirs (Tunis)
einstimmig genehmigt, ebenso im Senat.
Der französische Minister des Aeußern erklärte in der
Senatskommission auf eine Anfrage: Frankreich wünsche nicht die
Annexion von Tunis, aber es bezwecke, dort ein unbestrittenes
französisches Uebergewicht herbeizuführen.
Die Franzosen kennen, sobald es „losgeht“ keine Partei,
ind wer nicht zur herrschenden gehört, der schweigt klüglich, um
sich nicht als schlechten Patrioten zu verdächtigen. So auch jetzt.
Von der „Paix“ Grevys zur „Roͤpublique“ Gambettas. vom „Jour⸗
nal des Debats“ Barthelemy Saint-Hilaires bis zum „Temps“
und hinüber zu Dufaures „Parlament“ und weiter zum, Rappel“
1. s. w. sind sie alle ein Herz und eine Seele für Zerhauung des
unesischen Knotenzs. Die Theilung der Türkei, das Seitenstück
zur Theilung Polens, ist an der Tagesordnung, man muß sich
heeilen!
In dem Petersburger Alttentats-Prozeß Russakow und
BZenossen verkündete der Gerichtshof am 10. April morgens nach
reistündiger Berathung den Urtheilsspruch, wonach sämmtliche An⸗
zeklagten dem Tode durch den Strang unterliegen. Der Urkheils⸗
pruch gegen die Perowskaja als einer Adeligen wird einem aller⸗
höchsten Gutachten unterbreitet.
Die „Agence russe“ dementiert die Nachricht von einer Drei⸗
kaiserzusammenkunft im Monat Mai.
Aus Tunis wird gemeldet, die französischen Rüstungen
zätten auf den Bey einen tiefen Eindruck gemacht, und sei er an
ich wohl zu Zugeständnissen geneigt. Indeß übte der italienische
donsul eine starke Gegenwirkung auf ihn aus, und habe dieser
auch einen Protest eingereicht. Der Bey habe bemerkt, daß sich
er englische Konsul diesem Schritte des italienischen Konsuls an—
geschlossen hätte.
Vermischte⸗.
St. Ingbert, 11. April. Unsere Leserinnen finden
n dem Inseratentheil der heutigen Nummer eine Anzeige von Frl.
elbig, welche hier einen Zuschneide- und Näh-Unterricht für
Damen zu geben beabsichtigt. Wir machen unsere praktischen
Mütter und Hausfrauen auf diese Gelegenheit, ihre Töchter, Ver⸗
vandte ꝛ⁊c. etwas gründlich erlernen zu lassen, was im elterlichen
dause als auch später im eigenen Haushalt vom größten Nutzen
st, um so lieber aufmerksam, als Frl. Helbig gute Empfehlungen
zur Seite stehen. Ueber deren Unterricht in Saarbrücken wird u.
1. Folgendes berichtet: „Von den Damen, die dem Zuschneide⸗
Anterricht der Frl. Helbig beiwohnen, wird allgemein gerühmt,
daß der Unterricht ein durchaus klarer, verständlicher und nach⸗
jaltiger ist, so daß die Unterrichtnehmenden große Erfolge erzielen
ind der Lehrerin volle Anerkennung zollen u. s. w.“ — Aehn—
iche Urtheile hört man auch von andern Orten, in denen FIrl.
delbig Unterricht ertheilte.
*ä In der Nacht von Samstag auf Sonntag brannten in der
Bemeinde Ommersheim 6 Wohnhäuser und eine Scheuer
nieder. Das Feuer entstand in der Wohnung des Kalkbrenners
Adam Hartz und nahm alsbald große Dimensionen an, daß alle
röschversuche fruchtlos waren. Der Schaden ist um so empfind⸗
icher, als nur drei der Abgebrannten versichert haben.
— In der Sitzung des weiteren Ausschusses des pfälzischen
Feuerwehr-Verbandes vom 7. April wurde die Berath—
uing über den Entwurf des „Uebungsbuches“ fortgesetzt und zu
Ende geführt, so daß nun das Erscheinen dieses vielbegehrten
Schriftchens gegen Ende des Monats zu erwarten sein dürfte. —
Zuschüsse zur Mannschaftsausrüstung wurden an 20 Feuerwehren
m Gesammtbetrag von 2465 M. bewilligt; zwei im Dienste zu
Schaden gekommenen Feuerwehrleute erhielten Zuwendungen, der
Fine im Betrag von 200 M., der Andere von 7 M. 65 Pf.
Das Kreiskomite des landwirthschaftlichen Vereins der
Pfalz hat Preise ausgeschrieben für besondere Leistungen in Neu—
anpflanzung von Obstbäumen. Wie nöthig das sei, geht aus
NRachfolgendem hervor. Im Jahre 1879,80 sind in der Pfalz
erfroren: Birnbäume 34554, Apfelbäume 88290, Kirschbäume
34256, Zwetschgenbäume 265599, Pflaumenbäume 8663, Ka—
tanienbäume 419, Aprikosenbäume 2345, Maulbeerbäume 15,
Mandelbäume 178, Nußbäume 5975, Wallnußbäume 1828,
Quittenbäume 25, Pfirsichbänme 555, Mirabellenbäume 932,
Reineclaudes 330. Im Ganzen sind in der Pfalz erfroren
163,964 Obstbäume, welche nach der Schätzung der einzelnen Be—
sirkkkomites einen Werth von 5,0604,745 M. gehabt haben. (In
Anterfranken, wo aber die erfrorenen Weinstöcke noch miteingerechnet
ind, beträgt der durch den Winter 1379/80 verursachte Schaden
20 Millionen Mark.)