Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Ameiger. 
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6. 
Dienstag, den 19. April 
1881 
Deutsches Reich. 
(Bayerischer Landtag.) Die Kammer der Reichsräthe 
vird nächsten Donnerstag eine Sitzung halten, in welcher über die 
geschäftliche Behandlung einiger von der Abgeordnetenkammer in 
keyterer Jeit beschlossenen Anträge, insbesondere in Betreff Auf⸗ 
ybung des siebenten Schuljahres Beschluß gefaßt und dann der 
Heseßzentwurf über die Einkommensteuer zur Berathung gelangen 
wird. Am Mittwoch wird der Steuergesehausschuß dieser Kammer 
iber den Gesetzentwurf bezüglich der Kapualrentensteuer in Berath— 
ing treten und dieser sich die Berathung des Gesetzentwurfs be— 
suglich der Gewerbesteuer anschließen, da Herr Reichsrath v. Neuffer 
das bezügliche Referat nun ebenfalls vollendet hat. Die Erledigung 
der vier Steuergesetze Seitens der Kammer der Reichsräthe bis 
Ende dieses Monats ist indessen nicht mehr möglich. 
Bayern hat im Bundesrath bei den im Bundesrath abge— 
ehnten Anträgen die Revision der Gewerbeordnung betreffend für 
die Einführung von Arbeitsbüchern gestimmt; ebenso auch für die 
Frweiterung der Kompetenz der gewerblichen Schiedsgerichte. 
Dem Bundesrathe ging ein Antrag des Reichskanzlers 
zu, wonach mit Rücksicht auf die um fast 21 Millionen gestiegene 
ziffer der Reichsbevölkerung die allmähliche Ausprägung von wei— 
cren 15 Millionen silberner Einmarkstücke aus den im Reichsbesitz 
defindlichen, aus 339 000 Pf. bestehenden Silberbarren erfolgen soll. 
Es werden von Seiten der Reichsregierung alle Hebel in Be⸗ 
vegung gesetzt, die Unfallversicherungsvorlage in gegen⸗ 
wärtiger Reichstags⸗Session zu Stande zu bringen. Fürst Bis— 
marck hat sich guiem Vernehmen nach, jüngst dahin ausgesprochen, 
daß er sich schlimmsten Falles sogar ganz wesentliche Modificationen 
Jefallen iassen wolle, nur von einer Erweiterung der Haftpflicht 
wolle er unier keinen Umständen etwas wissen. Im konservativen 
dager ist diese Auffassung sehr wohl bekannt. Es liegen auch be— 
reiis Anzeichen vor, daß man derselben sogar im Gegensatz zu 
früheren Erklärungen Rechnung zu tragen gewillt ist. 
Der Kaiser wird, wenn nicht unvorhergesehene Hindernisse 
eintreten, mit dem Kronprinzen, den Prinzen Friedrich Karl, Frie— 
drich Leopold und August von Württemberg, mittelst Extrazuges. 
am 24. d. Mis. zur Veglückwünschung des Herzogs von Braun—⸗ 
schweig zu seinem 50jährigen Regierungsjubiläum nach Braun— 
schweig reisen, von dort aber noch am selben Tage wieder nach 
Berlin zurückkehren. 
Die ‚Nordd. Allg. Zig.“ und andere Zeitungen schreiben, ent⸗ 
jegen einer bezüglichen Meldung der „Prov.-Corr.“, über die Reise 
zes Kaisers nach Wiesbaden sei noch keine Festsetzung getroffen. 
Ausland. 
Die französischen Operationen gegen Tunis sollten mit 
18. April beginnen. 
Die Eugländer haben mit der Räumung Kandahar's in 
Afghanistan begonnen. 
Aus Petersburg schreibt man der „Köln. Ztg.“: Tröst⸗ 
ich ist, daß die äußere Politik Rußlands eine friedliche zu sein 
zerheißt. Der neue Czar ist in der Richtung fest entschlossen: 
rein Krieg, keine Unternehmungen nach außen, keine Eroberungen, 
reine Ausgaben über das Nothwendigste hinaus für die äußere 
Stessung. Alexander III. ist nach langer Zeit der erste Czar, der 
uüberhaupt den Werth des Geldes kennt. Seit hundert Jahren hat 
ein Czar sich um Geld gekümmert, obwohl Rußland stets das 
irmste Land Europas war. Auch Alexander II., der reichste Pri- 
atmann Europas und zugleich Beherrscher des ärmsten Volkes, 
jatte keinen Begriff vom Werthe des Geldes. Er warf Millionen 
iort, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, und doch konnte er 
nief ergriffen werden von dem Elend in der Hütte. Dieser Wider⸗ 
pruch hat unendlich viel in den verschiedensten Richtungen hin 
berderblich gewirlt, ohne ihn hätte es z. B— wahrscheinlich keinen 
strieg von 1877 gegeben. Und es ist daher als ein Segen zu 
derzeichnen, daß Alexander Ul. nicht diesem Widerspruch in solchem 
Naße wenigstens underworfen ist. Die äußere Politik wird den 
tinfluß dessen eben so gut verspuüren als die innere. 
In Petersburg erfolgle am Morgen des 15. April die 
Anrichtung der Kaisermörder. Sie starben alle gefaßt, waren aber 
bis auf Sophie Perowska, die sogar geröthete Wangen hatte, sehr 
hleich; sie hielten sich bis auf Russakow, der nachdem ihm der 
Leinensack übergezogen war, oben auf der Treppe schwach wurde, 
alle fest; vor der Hinrichtung küßten die Verurtheilten das Kreuz, 
das ihnen der Pope enigegenhielt, und verneigten sich nach allen 
Seiten. Auf dem Richtplatze und in den angrenzenden Straßen 
jatten sich große Menschenmassen angesammelt, die Ordnung ist 
nirgends gestört worden. 
Aus Petersburg wird der, National⸗Zeitung“ telegraphirt: 
„Im unteren Gerichtshaus, wo die verurtheilten Kaisermörder ver⸗ 
vahrt wurden, sind zwanzig Revolutionäre verhaftet worden. Einer 
zrößeren Zahl gelang es, sich der Verhaftung durch gewaltsamen 
Widerstand zu entziehen und zu entkommen. Den Verhafteten 
vurden zwanzig Pfund Dynamit abgenommen. Ein dumpfe und 
gedrückte Stimmung herrscht in der Stadt. Wer irgend in der 
dage ist, verläßt dieselbe. In Moskanu ist der kleine Belager⸗ 
ingszustand erklätt worden. Der Verkehr aller Ein⸗ und Aus⸗ 
zassirenden wird unter strengste polizeiliche Ueberwachung gestellt.“ 
Russische Krondiamanten von bedeutender Größe sind wie die 
„Russ. Corr.“ berichtet, bei dem Begräbniß des Kaisers Alexander II. 
aus dem Reichsschild verschwunden und bisher noch nicht entdeckt 
wvorden. 
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4 Die kgl. Kreisregierung der Pfalz hat verfügt, daß ver⸗ 
chiedene Hilfsbüchlein, „welche sich nach und nach in verschiedenen 
Schulen Eingang verschafft haben, obgleich dieselben in dem Ver⸗ 
zeichniß der seitens des kgl. Staatsministeriums des Innern für 
dirchen- und Schulangelegenheiten zur Einführung in den Volks⸗ 
chulen gebilligten Bücher nicht enthalten sind', vom Beginn des 
Schuljahres 1881/82 an bei Vermeidung disciplinärer Einschrei— 
tung außer Gebrauch zu setzen sind. Als solche Bücher benennt 
die Verfügung namentlich Janton's Sprach⸗ und Aufgabebüchlein 
für Volksschüler, Röhms Geographie für die Oberclassen der Volks⸗ 
schule ꝛc., Hussong's und Hähns Geschichtsbilder, dann die in 
fathol. Schulen bisher hie und da noch gebrauchte biblische Ge⸗ 
schichte von Schuster. Was die Lesebücher betrifft, welche mit dem 
nach Ostern beginnenden Schuljahr 1881/82 an Stelle der laut 
Ministerialentschließung außer Gebrauch zu setzenden Haesters'schen 
Lesebücher treten sollen, so wird in Aussicht gestellt, daß demnächst 
hierüber weitere Entschließung ergehen wird. 
— Die diesjährige Versammlung der Lehrer an den pfälzischen 
Praͤparandenschulen findet am Pfingstdienstag in Kusel statt. 
Dem Bezirksbauschaffner Schmeißer in Kusel wurde 
für S50jahrige Dienstleistung die Ebrenmünze des Ludwigsordens 
derliehen. 
F Die Bürgermeisterversammlung in Obermoschel ge⸗ 
nehmigte das Sekundär⸗Bahn-Anlehen mit 154 gegen 6 Stimmen. 
FKaiserslautern, 18. April. Das nach München 
gerichtete Gesuch um Errichtung eines Nebenzollamtes mit erweiter⸗ 
sen Befugnissen in hiesiger Stadt nach der Verlegung des Haupt⸗ 
zollamtes ist dem Vernehmen nach genehmigt worden. 
4 Ein Artikel der „Neustadtet Ztg.“ bezeichnet es als ein 
Mißverstaändniß, daß der Reichskanzler Herrn Dr. Buhl seine 
Beneigtheit ausgesprochen haben soll zum Verbot der Wein— 
fabrikation die Hand zu bieten. Herr Dr. Buhl habe bei 
einer letzten Anwesenheit in Berlin keine Gelegenheit gehabt, darüber 
direlt mit dem Reichskanzler zu verhandeln; dagegen wurde dem 
Herrn Reichstagsabgeordneten von anderer Seite die Geneigtheit 
zusgesprochen, auf Grund des Nahrungsmittelfälschungs-Gesetzes 
die Verwendung von Glyzerin und Weinsäure zur Fabrikation von 
Wein zu verbieten. Ein allgemeines Verbot der Weinfabrikation 
liege dagegen noch in weiter Ferne und werde wohl kaum durch⸗ 
zusetzen sein. (Leider!! Da wird denn die Weinfabrikation lustig 
weiter floriren und den Weinbau immer mehr ruiniren?) 
'In Landau hat nach der „Pfälz. P.“ eine Stiefmutter 
hr 10.jähriges Mädchen durch Schläge, mangelhafte Nahrung und 
Fleidung derart mißhandelt, daß die Polizei eingeschritten ist. Zwei 
fleinere Kinder sollen von der Rabenmutter schon zu Tode geschun⸗