Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker AMyzeiger. 
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Donnerstag, den 21. April 1881. 
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Deutsches Reich. 
GBayerischer Landtag.) Die nunmehr vorliegenden 
zeschlüsse, welche der Ausschuß der Kammer der Reichsräthe über 
yen Gesetzentwurf bezüglich der Einkommensteuer in zweiter Lesung 
gefaßt hat, zeigen gegenüber den Beschlüssen der Abgeordnetenkam- 
ner folgende wesentliche Aenderungen: Zu Art. 4 wurde nach An—⸗ 
nrag des Reichsraths Grafen zu Ortenburg eine veränderte Steuer⸗ 
scala angenommen, deren Zwed sein soll, die Einkommengröße in 
den einzelnen Classen gkeichheitlicher zu vertheilen und das Procent⸗ 
maß allmählich zu steigern; für das Anfangs-Einkommen bis zu 
1000 M. bringt die Scala eine kleine Erniedrigung, dagegen bei 
yen höheren Classen eine Erhöhung. Zu Art. 11 beantragte Frei⸗ 
serr zu Franckenstein, daß von der Einkommensteuer befreit sein 
ollen „Jene, welche ein Einkommen von weniger als 400 M. 
haben“. Diesem Antrag trat der Finanzminister entschieden ent— 
jegen und erklärte, daß er es sich vorbehalten müßte, ernstlich zu 
xwägen, ob die Steuergesetze Sr. Maj. dem König zur Sanction 
orzulegen seien, wenn der Antrag Franckenstein angenommen würde; 
s würde sich durch denselben ein ungedeckter Ausfall von 100,000 
MN. ergeben und zudem eine große Anzahl von Personen des Land⸗ 
— 
Antrag Franckenstein mit 4 gegen 8 Stimmen angenommen. 
Die Vorarbeiten für die nächsten Landtagswahlen in Bayern 
ind im Ministerium des Inneren, wie man vernimmt, in der 
‚auptsache bereits beendet, so namentlich die Eintheilung der Wahl⸗ 
reise und die Festsetzung der Zahl der in jedem Wahlkreis zu 
vählenden Abgeordneten. Mehrere bisherige Abgeordnete, und zwar 
yon beiden Fractionen, haben bereits erklärt, daß sie eine Wieder— 
vahl nicht annehmen werden, und andererseits ist es außer Zweifel, 
daß verschiedene Wahlkreise an ihren bisherigen Vertretern im 
Landtag nicht festhalten werden. Die neue Abgeordnetenkammer 
wird deshalb, ganz abgesehen von einer etwaigen Veränderung durch 
derschiebung der Parteiverhältnisse, zu einem vielleicht beträchtlichen 
Theil aus neuen Männern bestehen und zwar auf beiden Seiten 
des Hauses. Die Landtagswahlen werden erst in der ersten Hälfte 
oder Mitte des Monats Juni Statt finden. 
Bezüglich des Abschlusses des nächsten Budgets bemerkte der 
hayerische Finanzminister v. Riedel in der Sißung des Steuer⸗ 
Ausschusses der Kammer der Reichsräthe, daß Ausfälle bei den 
jotsten und den Zöllen eingetreten seien, andererseits bestehe die 
gewißheit, um 4 Mill. mehr Matrikularbeiträge zahlen zu müssen. 
Der am 10. Mai Statt findenden Hochzeilsfeier des Kron— 
pcinzen Rudolph von Oesterreich und der Prinzessin Stephanie von 
belgien wird im Auftrag Sr. Mai.' des Konias von Bauern 
brinz Leopold beiwohnen. 
Nach Berliner Nachrichten beruhen alle Angaben über den 
Lermin der nächsten Reichstagswahlen vorläufig nur noch 
uuf Vermuthungen, da Beschlüsse darüber vor Beendigung dei 
—ED 
u erwarten sein dürfen. 
Die Nachricht von der Adoption des Prinzen Ludwig von 
daden durch den Herzog von Braunschweig erweist sich als 
Sensationsmacherei einer gewissen Berliner Schwindelpublizistif 
Ausland. 
Der schweizerische Bundesrath hat in Folge der Unan— 
nchmlichkeiten, welche dem Lande durch das Treiben der Revolu— 
onäre erwgchsen, eine strengere Controle der Fremden angeordnet. 
Ider muß durch Paß oder Geburtsschein legitimirt sein. Das 
vanze ist natürlich mehr als ein Zeichen der Aufmerksamkeit den 
anderen Regierungen gegenüber zu betrachten; dürfte jedoch kaum 
iner eigentlichen Beschränkung des Asylrechts gleichkommen. 
Die irische Landbill, die vom englischen Unterhause be— 
its angenommen ist, bestimmt u. A.: 1. Die 500,000 gänzlich 
vm guten Willen des Eigners abhängigen Haushaltungen haben 
don nun an eine gesicherte Existenz. 2. Sie bewilligt die soge— 
annten 3 Pdes irischen Programms, nämlich die Firxirung der 
Jacht durch die 18jährige Pachiperiode, die Freiheit des Verkaufes 
yt an der Pacht erworbenen Rechte und die Regelung der Pacht- 
lͤhe (kair rents durch einen eigenen Gerichsshof. 3. Sie ermög⸗ 
licht die Bildung eines freien Bauernstandes und den Uebergang 
der Pachtung in freies Eigenthum. Die waichtigste Maßregel ist 
die Einsetzung eines Bodengerichtshofes oder einer Landkommission 
aus drei Personen, von denen ein Mitglied des obersten Gerichts⸗ 
hofes sein oder gewesen sein muß. Diese Kommission wird in 
Dublin residiren und behufs Vornahme von Untersuchungen Unter⸗ 
Zommissionen in alle Theile des Landes entsenden dürfen. Unter 
chren ausgedehnten Vollmachten ist die bemerkenswertheste der Bei⸗ 
stand, den sie den Pächtern zur Erwerbung ihrer Pachtländer durch 
Vorschüsse bis zu drei Vierteln des Kauffchillings leisten darf. 
Die nächstwichtige Maßregel ist die allgemeine Anerkennung des 
Pächterrechtes. Der Pöächter kann in jedem Falle sein Pachtrecht 
uind Ansprüche auf Entschädigung verkaufen und wird darin von 
obigem Gerichtshofe geschützt; der Eigenthümer hat das Verkaufs⸗ 
recht. Der Verkauf des Pachtrechtes ist nur an zwei Bedingungen 
zeknüpft. Er darf nur an Eine Person erfolgen, und der Pächter 
muß dem Gutsherrn von seiner Absicht des Verkaufes seiner Pacht 
Nachricht geben. (Diese Bestimmungen schließen einen werthvollen 
Fortschritt für Irland ein.) 
Nach der „Nat.⸗Zeitung“ brachte eine der während der Bei— 
etzung Alexanders U. in Petersburg anwesenden fürstlichen 
—V——— gebende Verfassung; 
joch erstaunt darüber, brauste der Czar mit den Worlen auf: 
Wozu bin ich denn da?“ Als ihm erwidert wurde, daß nur ein 
Theil der auf ihn drückenden Last durch ein Parlament abgenommen 
vürde, wurde der Czar unwillig, ließ sein Gegenüber siehen und 
chlug die Thür zu. Außer dem englischen Botschafter Lord 
Dufferin wünschen noch andere Diplomaten, Petersburg wegen der 
ingemüthlichen Atmosphäre zu verlassen; der Czar sei entschlossen, 
einen eigenen Weg zu gehen. Nach kiner Mittheilung desselben 
Blattes beschloß der Czar, Ersparungen zu machen, die sich nament⸗ 
ich auch auf militärische Ausgaben wie auf die in Polen begonnenen 
großen und höchst kostspieligen Befestigungsarbeiten erstrecken sollen (2). 
Aus Petersburg wird der „Irkf. Ztg.“ gemeldet. Ein 
Hauptmitglied des Exekutiv-Comites, Ramens Tschustk, ist verhaftet 
worden. (Nach anderen Berichten ist aber zu vermuthen, daß die 
Polizei da einen falschen Griff gethan hat, oder so ungeschickt zu⸗ 
zelangt habe, daß ihr die kompromittirenden Schriftstücke entgingen.) 
Aus Petersburg schreibt man der „Tribüne“: Es ist 
aicht bald zu erwarten, daß eine Strömung der Versöhnlichkeit in 
den Maßnahmen der Regierung stattfinden wird; im Gegentheil 
deuten mancherlei Anzeichen darauf hin, daß man in der Umgeb⸗ 
ang des Kaisers zur Abschreckungstheorie auch ferner hinneigt. 
Bei einem unter dem Vorfiß des Kaifers stattgefundenen Minister⸗ 
rath, zu dem auch mehrere andere hohe Würdenträger zugezogen 
varen, rief der bei dem Kaiser sehr eiuflußreiche, durch Heirath 
nit der Getzt verstorbenen) Großfürstin Maria ihm sehr nahe ver— 
vandte Graf Stroganoff aus: „Noch 200,000 Nihilisten müssen 
zehenkt werden.“ Freilich entgegnete ihm Loris-⸗Melikoff, daß durch 
olche Schreckensmaßregeln gewiß noch zwei Millionen Nihilisten 
geschaffen werden würden; jedoch die Ansicht; Stroganoff's, daß vor⸗ 
äufig nur von einem unbedingten Schreckensregiment Rettung zu 
exrwarten sei, fand die zahlreichere Zustimmung. Vor kurzem ist 
der Kaiser nach dem von Petersburg weit abgelegenen, räumlich 
ehr beschränkten Schlosse in Gatschino übergesiedelt, das seit dem 
dergangenen Jahrhundert unbewohnt war. Kin sechsfacher Militär— 
Cordon ist um das Schlößchen aufgestellt. 
Die Franzosen gehen gegen die Krumirs in fünf Colonnen 
vor, welche zusammen 82 Bataillone Infanterie, I6 Schwadronen 
Reiterei, 9 Batterieen, 3 Compaanieen Geniesoldaten und 10 Com— 
pagnieen Train zählen. 
Vermischtes. 
F Die pfälzischen Bahnen vereinnahmten im 1. Quartal 1881 
Januar, Februar, März) um 313,767 M. 96 Pf. weniger, als 
in dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs. 
F Aus Zweibrücken berichtet die „Pfälz. Vzig.“: Einer 
Wittwe, die mit ihrem jetzigen Geliebten das Weile suchen wollte, 
tand ein Hinderniß im Wege, sie hatte nämlich lange vorber schon