Sf. Ingberler Ameiger.
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BR 72.
Samstag, den 7. Mai
Issi
B. T. Schulsparkassen und Postsparkassen.
Arbeitsam und Sparsamkeit, das sind die Grundlagen der
anzen Existenz des Einzelnen, wie der Gesammtheit. Deshalb
iegt es im Interesse eines jeden Staates, daß er den Sparsinun
einer Bevölkerung möglichst auszubilden sich angelegen sein lasse.
daß dieses zunächst durch Errichtung von Sparanstalten, durch
interstützung derselben vermittelst einer zweckmäßigen Gesetzgebung
reschehen kann, ist längst überall eingesehen und ausgeführt wor—
»en. Die Früchte sind auch nicht überall ausgeblieben. So haben
ich z. B. in Preußen die Ersparnisse pro 100,000 Einwohner
n dem zehnjährigen Zeitraume von 18605 bis 1875 von 1,720,091
uf 5, 410,282 Mark gehoben. Der französische Schriftsteller Herr
. Malarce weist darauf hin, daß von 210 Millionen Europaͤern
nur 14 Millionen bisher die öffentlichen Sparanstalten benutzt
saben und daß diese trotzdem bereits 8 Milliarden Francs er—
zart haben.
Vergegenwärtigen wir uns, was das Sparen eigentlich will.
her Sparende gewöhnt sich daran, einem augenblicklichen Genusse
u entsagen, um in der Zukunft etwas Besseres zu haben und mit
em gleichen Werthe einer dereinst drohenden Sorge begegnen zu
onnen. Er häuft also nicht Geldmassen auf, weil die Anhäufung
hm Genugthuung gewährt, sondern er thut es in der Hoffnung,
oäter einmal für die Entbehrungen, die er sich auferlegt, entschä—
„igt zu werden. Er lernt sich selbst bezwingen, er lernt in weiser
zoraussicht die Wechselfälle des Lebens in der Zukunft in Betracht
sehen und dafür sorgen, daß er aus eigener Kraft würdig und
mabhängig deren verderbliche Wirkungen abzuwenden oder zu mil—
ern vermöge. Das ist der sittliche Werth des Sparens.
Die Sparkassen suchen dieses Ziel bei den ärmeren Bevöl—
erungsklassen dadurch zu erreichen, daß sie die kleinen ersparten
capitaltheile derselben sofort dem augenblicklichen Anreiz zur un—
ützen Verausgab ung entziehen und dieselben durch Vereinigung
jeler zu einem größeren Kapitale alsbald fruchtbringend verwer—
jen. Sie wollen die arbeitenden Klassen wirthschaftlich seloͤst⸗
ändiger, kreditfähiger machen, in ihnen den Sinn für Eigenthum
vecken und pflegen und somit die wirthschaftliche und sittliche Wei—
rbildung des Volkes fördern. Die Sparkassen bilden nur einen
Irt für die allmälige Ansammlung und die einstweilige produk⸗
we Aufbewahruug kleiner Kapitaltheile und deren Verwerthung
ur die Gesammtwirthschaft der Nation, bis sie zu einem größeren
dapital herangewachsen und anderweitig definitiv fruchtbringend
ingelegt werden können. Deshalb müssen die Sparkassen im gan—
en Lande die ausgedehnteste Verbreitung haben, sie müssen auch
vie kleinsten Summen zur Anzahlung annehmen, sie müssen der
Arbeiterkllasse so viel wie möglich zur Benutzung offen stehen und
»er großen Menge die Ueberzengung absoluter Sicherheit ge—
oahren.
Die Sparkassen in Deutschland entsprechen diesen Anforderungen
ais jetzt noch nicht ganz. Die Gesammtzahl der Annahmestehen
verselben beläuft sich im deutschen Reiche mit Ausnahme Bayerns
und Württembergs auf 2479, so daß auf je 179 Quadrat-Kilo—
neter und 14,450 Einwohner immer erst eine kommt, deren Be⸗
autzung häufig in Bezug auf die Zeit des Geschäftsverkehrs und
uuf den Minimalbetrag der Spareinlagen eine sehr beschränkte ist
ind deren lokale Organisation weiteren Kreisen die Benußung nicht
ehr selten erschwert.
Eine Reform ist hier dringend nöthig und die deutschen Re—
gerungen erstreben sie in anerkennenswerther Weise nach dem Vor—⸗
ange anderer Länder auf dem Gebiete der Poste und Schulspar⸗
assen.
Die Schulsparkassen gehen von dem Grundsatze aus, daß schon
e Jugend möglichst früh an das Sparen gewöhnt werden müsse,
aß namentlich der Volksschule die Aufgabe zufalle und daß die—
elbe auf diesem Wege auch rückwirkend eine erziehliche Einwirkung
uuf das Haus ausüben könne. Diese Einrichtuüngen haben in an⸗
ꝛeren Lündern bedeutende materielle Erfolge erzielt. Wie Herr
von Malarce mittheilt, ist in Frankreich die Zahl der Einzahlenden
ei den Schulsparkassen von 2,170,000 im Jahre 1874 auf
3300,300 im Jahre 1878 gestiegen, und von den Sparpfennigen,
welche die Kinder ihrem Lehrer übergaben, sind 378 Millionen
Franks im Jahre 1874 und 1012 Millionen im Jahre 1878
usammengebracht worden, die sicher in Zeiten der Noth manches
flend in den Arbeiterfamilien abgewendet oder gemildert haben.
Man macht gegen diese Institute hauptsächlich pädagogische
Bedenken geltend, welche zum großen Theil allerdings nicht stich⸗
zaltig sind. Die Schule soll dem Kinde nicht nur eine Summe
don Wissen und Fertigkeiten beibringen, sondern es nach Kräften
ür das praktische Leben befähigen. Wirthschaftlich ist hierzu in
jervorragendem Maße nöthig und diese Tugend darf nicht blos
»en Kindern, welche wirthschaftliche Eltern haden, im Hause, son⸗
dern sie muß noch viel mehr den Kindern, welche ein solches Vor⸗
bild im Hause nicht vor sich sehen, in der Schuͤle anerzogen wer⸗
den. Die Idealität der Jugend wird durch Geldsparen in ge⸗
vissen Grenzen nicht beeinträchtigt, denn auch im Sparen liegt,
vie wir Eingangs nachwiesen, ein idealer Inhalt. Etwaigen bö⸗
en Wirkungen, wie dem Hang zu Geiz und Habsucht, dem prah⸗
lerischen Hervorthun der besser Situirten vor den Aermeren, der
unrechtmäßigen Aneignung der Sparpfennige wird die erziehliche
Finwirkung des aufmerksamen Lehrers rechtzeitig vorzubeugen ver⸗
nögen. Technische Schwierigkeiten sind allerdings dabei zu über—
winden. Der eigentliche Schulzweck darf nicht gefährdet, der Leh—
rer nicht allzu überlastet werden. Diese Schwierigkeiten sind in—
deß nicht unüberwindlich, wie andere Länder zeigen, und wir hal⸗
en deshalb die Einrichtung von kostenfreien Sparbüchern in Volks—
chulen für Beträge bis zu einer Mark und deren spätere Ueber⸗
ührung in öffentliche Sparkassen für durchaus empfehlenswerth.
Was die Schulsparkassen für Kinder, sind die Postsparkassen
rür Erwachsene. Gleich günstige Resultate liegen in anderen Län—
)ern in Betreff ihrer vor. Im Gegensatz zu unseren jetzigen Spar⸗
assen, ja sogar zu den besser organisirten englischen Pennybanken,
gewähren sie namentlich der wandernden Arbeiterbevölkerung durch
hre einheitliche Organisation über das ganze Land alle Vortheile
iner guten Sparkasse: leichte Ein- und Auszahlung kleiner Be—
räge, ausgedehnte und stetige Zugänglichkeit, verbunden mit abso⸗
uter Sicherheit. Dieselben müssen nur durch geeignete Vorschrifien
iber Verzinsung und Belegung der Spargelder, sowie über die
Zündigungsfristen vor jeder Zahlungsstodung gesichert werden.
Nach dem Vorgange der Niederlande, Frankreichs und Englands
nüßte den Einzahlern, wenn die Sparsumme einen gewissen Mari⸗
nalbetrag erreicht hat, kostenfrei dafür ein zinstragendes Siggis-
papier zur Verfügung gestellt werden — eine Maßregel von weit⸗
ragender sozialpolitischer Bedeutung.
Ohne auf die technischen Organisationsfragen näher einzu⸗
zehen, schließen wir mit deim Wunsche, daß die Pläne in dieser
Beziehung im wirthschaftlichen und politischen Interesse unse—
tes an Selbsthilfe gewohnten Volkes bald verwirklicht werden
nögen.
Deutsches Reich.
München, 5. Mai. Die Kammer der Reichsräthe nahm
das Gewerbesteuergesez einschließlich des Steuertarifs nt
jeringen Aenderungen der von der Abgeordnetenkammer beschlosse—
nen Fassung an.
Berlin, 4. Mai. Die Kommission des Reichstags hat
jestern den 8 1 des Gesetzes betr. die Vestrafung der Trunkenheit
n folgender Fassung angenommen: „Mit Geldstrafe bis zu 60 M.
anstatt 100) oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft, wer
n einem selbstverschuldeten Zustande ärgernißerregender Trunkenheit
m einem öffentlichen Orte betroffen wird.“
(Reichstag.) Die Innungs-Kommission nahm eine Re—
olution an: Den Reichskanzler aufzufordern, einen Gesetzentwurf
ur Regelung der Bildung von Gewerbekammern für alle Gewerbe—
reibende vorzulegen. Die Kommission beendete die Berathung im
Wesentlichen der Vorlage zustimmend.
Die Stempelsteuer-Kommission- setzte den Stempelbetrag fol⸗
gendermaßen fest: Für in⸗ und ausländische Aktien 5 pro Mille,
ür in⸗ und ausländische Renten und Schuldenverschreibungen 2
»ro Mille, für Anleihen von Provinzen, Kreisen, Gemeinden,
ändlichem und städtischem Grundbesitz und einheimische Bahnpriori—