St. Ingberler Anzeiger.
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Donnerstag, den 12. Mai 1881.
Deutsches Reich.
(Bayerischer Laudtag.) Der Steuerausschuß
der Kammer der Abgeordneten hat die Modifikationen der ersten
Kammer über die Skala in Art. 4 des Einkommen⸗ und Art. 2
des Kapitalrentensteuerentwurfes abgelehnt. Die Majorität gab
wiederholt dem Gedanken Ausdruck, daß durch die Erhöhung die
sapitalrentensteuer zu den anderen Steuergattungen außer Ver⸗
hältniß komme, der Rückgang des Hypothekenzinsfußes und die
Konvertirung von Staats- und industriellen Papieren den Kapital—
ertrag gemindert habe, die Gefahr der Hinterziehung durch allzu
hohe Besteuerung sich steigere und die Verhälinisse in unserem
engeren Vaterland in dieser Beziehung etwas anders gelagert seien,
als auswäris.
Der Reichstag hat es angezeigt gefunden, sich eine ganze
Woche zu vertagen und wird infolge dessen seine nächste Sißung
erst am 16. dieses Mts. abhalten. Die Kommissionen können das
nassenhafte Material nicht schnell genug durcharbeiten, um dasselbe
iür die Berathung im Reichstage fertig zu machen. Ununterbrochen
arbeiten sie am Unfall-Versicherungsgesetz, an der Abänderung des
Berichtskostengesetzes und an der Resorm des Innungswesens.
Außerdem bringt die Reichsregierung noch immer neue Vorlagen ein,
o daß das Ende der jetzigen Session noch gar nicht abzusehen ist.
Die Gerichtskostenkommission des Reichstags in Ber—
un beschloß, die Ermäßigung der Gerichtskosten in den Injurien-
sachen zu befürworten, und einigte sich über eine Resolution,
welche die Reichsregierung zur Abänderung der Anwaltsge—
zührenordnung dringend auffordert.
In den letzten Tagen konferirte Fürst Bismarck mit dem
französischen Botschafter Grafen St. Vallier. Dem Vernehmen
nach hat Fürst Bismarck wiederholt die Zusicherung ertheilt, daß
deutschland dem französischen Vorgehen in Tunis in keiner Weise
rgend ein Hinderniß in den Weg zu legen gedenke.
Ausland.
In Oesterreich nimmt die Vermählung des Kronprinzen,
deren feierlichster Act am Dienstag vor sich gegangen isi, die auge—
jemeine Aufmerksamkeit vollständig in Anspruch. Auch Deutsch⸗
and begleitet dieselbe mit seiner lebhaftesften Theilnahme. Seine
zeiden ersten Fürstenhäuser sind bei derselben durch den Vetter
Sr. Maj. des Koönigs Ludwig II., den Schwager des Bräutigams,
Prinzen Leopold von Baiern, wie durch den Enkel und praͤsum⸗
tiven zweiten Nachfolger des deutschen Kaisers Prinzen Wilhelm
von Preußen, nebst deren Gemahlinen vertreten.
Der gambettistische „Voltaire“ erklärt, daß Frankreich
Tunesien nicht angreifen werde; die Lösung werde eine Art von
Schutzherrschaft, ein etwas vollständigerer modus vivendi sein,
us der für Egypten angenommene; Frankreich werde, nachdem es
seine Kriegskosten zurückerhalten, sich mit der Verwaltung des Lan⸗
des beschäftigen, um den Ackerbau und den Handel zu eniwickeln
und den Güteraustausch sicher zu stellen; die persönliche Stellung,
velche man dem Bey bereiten werde, hängt von dessen Haltung ab.
der „Voltaire“ verlangt aber, daß Tunesien sich sofort in die ürme
Frankreichs werfe; Dies sei das einzige Mittel, wie der Bey sich
m Augenbkick, wo die französischen Truppen vor den Thoren vor
Tunis ankommen, seine Stellung sichern könne.
Nach einer Meldung des Reuter'schen Bureaus“ aus
stonstantinopel begab sich der französische Gesandte Tissot am
. Mai zur Pforte und erklärte: „Die französische Regierung er—
ielt Kenntniß von der Absendung türkischer Panzerfahrzeuge nach
ꝛem Mittelmeer und legt, falls dieselben nach Tunis gingen,
brotest ein. Die Schiffe würden, wenn sie vor Tunis anliefen,
ranzösischerseits mit Geschützfeuer empfangen werden.“ Die Pforte
vird wegen der französischen Drohung eine Zirkularnote an die
Nächte richten.
Fürst Alexander von Bulgarien erließ eine Proklamation,
worin er unter Hinweis auf den gegenwärtigen Zustand Bulga⸗
niens, das nach Außen diskreditirt, im Innern desorganisirt sei,
aklart, daß er, da dieser Zustand die Erfüllung seiner Aufgabe,
ꝛas Glück des Landes zu fördern, unmöglich mache, auf Grund
er Konstitution beschlossen habe, die Nationalversammlung, das
Organ des höchsten nationalen Willens, einzuberufen und ihr die
Krone mitsammt der Verantwortlichkeit für die Geschicke Bulga⸗
ciens zurückzustellen. Wenn — so sagt die Proklamation — der
gegenwärtige Zustand sich nicht ändert, so bin ich entschlossen, den
Thron zu verlassen; ich werde es mit Bedauern thun, aber mit
dem Bewußisein, meine Pflicht bis ans Ende erfülli zu haben.
(Fürst Alexander von Bulgarien ist ein geborener Prinz von
hessen (Prinz von Battenberg), Sohn des Prinzen Alexander von
dessen, der Fürst ist also ein Cousin des letzteren; er ist geboren
am 5. April 1857 und seit 29. Aug. 1879 Hertscher von Bul⸗
garien. Dieses der Türkei tributpflichtige Fürstenihum, als sol—
hes eine Schöpfung Rußlands nach dessen letztem Sieg über die
Türkei, zählt 1,859.000 Seelen.)
Vermischtes.
*St. Ingbert, 12. Mai. In gestriger Schöffengerichts-
situng kamen 3 Fälle zur Verhandlung und wurden verurtheilt:
Fin Mann von Schnappbach wegen vorsätzlicher Körperverlehßung
zu einer Geldstrafe von 3 M., ev. 1Tag Gefängniß, ein
Mann von hier wegen desselben Reates zu einer Geldsirafe von
5 M., ebd. 1 Tag Gefängniß und ein Mann von Spiefen wegen
bier Vergehen des wissentlichen Verkaufs von verdorbenem Fleisch
unter Verschweigung dieses Umstandes zu einer Gesammtgefängniß—
trafe von 3 Monaten und 14 Tag, ferner zu einer Geldstrafe von
150 M., ev. 35 Tag Gefängniß; auch wurde Publikation des er⸗
gangenen Urtheils, durch Einrückung in zwei Blätter, angeordnet.
Am Himmelfahrisfest nächsthin wird in den protestantischen
Kirchen der Pfalz eine Kollekte für die deutschen Kirchen—
gemeinden in Paris erhoben werden. Dieselben bestehen großentheils
aus hessischen, bayerischen, also auch pfälzischen Zugewanderten,
weßhalb ein Erlaß des protestantischen Konsistoriums diese Kollekte
den Gemeinden dringend empfiehlt.
An Brandkassebeiträgen für das Jahr 1880 kommen im
Ganzen 18 Pf. für je 100 M. Versicherungskapital zur Erhebung
und zwar 8 Pf. als Rest für 1880 und 10 Pf. als Vorschuß
für 1881.
0 Aus dem Bliesgau. Mit Eintritt der besseren
Jahreszeit mehren sich die Klagen der Landwirthe über den Scha—
den, den die Wildschweine an Feldfrüchten anrichten! In Erf—
weiler wurden mehreren Bürgern Weizen- und Haferäcker von die—
sem Schwarzwilde so aufgewuͤhlt, daß eine Ernte kaum mehr mög—
iich ist. Um diesen Mißständen zu begegnen, veranstalteten die
Jagdbesitzer von Erfweiler und Ballweiler Treibjagden vergangene
Woche, die jedoch zu keinem Resultate führten. Wie ich höre, will
das kgl. Bezirksamt die Sache regeln und mehrere Gemeinden
auffordern, gleichzeitig Schwarzwildjagden abzuhalten. Für
die Folge dürfte es dienlicher sein, im Winter fleißig nach—
zuspüren.
ꝙ Aus dem Bliesthale. Kürzlich brach in Wolfers⸗
heim ein Dieb bei einem Krämer ein und entwendete ca. 20 Mk.,
jowie Kaffee und Zucker u. s. w., ohne erwischt zu werden. Bis jetzt
zat man keine Spur von dem Thäaͤter.
F In Zweibrücken sind zur Fahnenweihe des 2. Ba⸗
taillons des kgl. b. 18. Inf'-Rgts. eingetroffen: Se. Exz. General
der Infanterie v. Orff, des 2. b. Armeekorps. Se. Erz. General⸗
ieutenant Freiherr v. Horn, Gommandeur der 4. Division, Herr
Generalmajor Freiherr v. Gumpenberg, Commandenr der 8. Inf.
Brigade, und Herr Oberst Lindhamer, Commandeur des 18. Inf.⸗
Regts., sämmtliche mit Adjutanten.
F Die neulich abgehaltene Prüfung für den Eintritt in den
pfälz. Bahndienst haben aus dem Bezirksamt Zweibrücken
bdestanden die Herren: Ballwein Einj.«Freiw. in Zweibrücken,
Bayer von Sschifflic. Hornung und Kraus von Zwei—
brücken, Eud wig von Webenheim und Briam von Blieskastel.
An der neulichen Sensationsgeschichte der „Pf. V.“, wonach
bei einer Eidesleistung vor dem Schöffengerichte zu Zweibrücken
ꝛine Frau dem Schwörenden zugerufen haben soll: „Der Schlag
oll dich rühren, wenn du falsch schwörst‘', worauf derselbe vom
S„chlag getroffen worden sei, ist nur so viel richtig, daß ein als