Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hf. Ingberler Anzeiger. 
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M 9. 
Samstag, den 15. Januar 
1881. 
Deutsches Reich. 
Müͤnchen, 11. Januar. Vom Ministerium des Inneren 
vird dem Vernehmen nach dem Landtag ein Gesetz in Sachen der 
Fiehseuchen zugehen. Der Reichstag hat in seiner vorjührigen 
Session ein unterm 23. Juni 1880 vom Kaiser sanctionirtes Reichs⸗ 
gesetz angenommen, betr. die Abwehr und Unterdrückung von Vieh— 
Luchen, welches mit 1. April 1881 in Kraft tritt. Dasselbe ord⸗ 
zet'in Fällen der Rotzkrankheit und der Lungenseuche die sofortige 
Tödtung des angesteckten Thieres an, in anderen Fällen läßt es 
gjeselbe zu, und es bestimmi in 8 87, daß für die auf polizeiliche 
Anordnung getödteten oder nach dieser Anordnung an der Seuche 
gefallenen Thiere vorbehaltlich spezieller Ausnahmen eine Enischädig⸗ 
ing gewährt werden muß. Die Bestimmungen darüber, 1) von 
dem die Entschädigung zu gewähren und wie dieselbe aufzubringen 
st, D wie die Entschädigung im einzelnen Falle zu ermitteln und 
astzustellen ist, sind nach & 838 des Reichsgesetzes von den Einzel— 
staaten zu treffen. Der dem Landtag zugehende Gesetzentwurf hat 
ziese Materie zum Gegenstand. 
Kronprinz Rudolph von Oesterreich ist am 12. Jan. 
Morgens in München angekommen. Am Vormittag machte er 
rei saͤmmtlichen Mitgliedern des kgl. Hauses Besuch. 
Wir haben bereits erwähnt, daß in Folge der neuesten Volks— 
ahlung bei der nächsten Wahl zum bayerischen Landtage 
ine erheblich größere Anzahl von Abgeordneten zu wählen sein wird, 
ils im Jahte 1875, wo noch die Volkszählung von 1871 maß- 
gebend war. Die Bevölkerung des Königreichs hat sich seitdem von 
j10 auf reichlich 324 Millionen Seelen erhöht. Während im 
deutschen Reiche die Anzahl der Abgg. zum Reichstage zwar auch 
ꝛer Bebölkerungsziffer foigi, jedoch jeweils ein eigenes Gesetz zur 
HZermehrung der Wahlkreise nöthig ist, ohne daß jedoch ein Zwang 
um Erlasse eines solchen besteht, tritt in Bayern die Erhöhunç 
er Abgeordnetenzahl von selbst ein und hat die Regierung die 
bertheilung auf die einzelnen Kreise nach dem Verhältnisse von je 
kinein Abgeordneten auf 31 500 Seelen der Gesammtbevölkerung 
des Königreichs vorzunehmen. Bisher waren es 156 Abgeordnete, 
ür die Folge werden es in Folge der eben citirten Bestimmung 
des Landiagswahlgesetzes vom 4. Juni 1848 (Artikel 1) 167 Ab⸗ 
jeordnete sein. Vieselben vertheilen sich nach Maßgabe der ver— 
inderten Bevölkerungszahl auf die einzelnen Kreise wie folgt: Ober— 
ayern 30 (bisher 27), Niederbayern 20 (bisher 19), Rheinpfalz 
22 (bisher 20), Oberpfalz 17 (16), Oberfranken 18 (17), Mittel⸗ 
ranken 20 (19), Unterfranken 20 (19), Schwaben 20 (19). Wie 
nan sieht, vertheilt sich die Zunahme ziemlich gleichmäßig auf alle 
creise; nur Oberbayern und die Rheinpfalz erhalten, ersteres wegen 
zes außerordentlichen Wachsthums der Siadt München, eine Ver⸗ 
tärkung von 3 resp. 2 Abgeordneten. Ob sich an diese Verschieb⸗ 
ing der von den einzelnen Kreisen zu stellenden Mitgliederzahl für 
ie Kammer die Hoffnung auf eine veränderte Physiognomie der 
letzteren begründen läßt, ist sehr zweifelhaft. Daß die Regierung 
wber auf Grund der veränderten Bevölkerungsziffer eine vollständig 
aeue, üiberal angehauchte Wahlkreiseintheilung vornehmen werde, 
eiwa nach Art der berüchtigten Wahlkreisgeometrie von 1869, 
glauben wir schon um deßwillen nicht, weil wir eine gewisse be⸗ 
technende Klugheit, welche es mit den Ultramontanen auf alle Fälle 
nicht verderben will, für eine der hervorstechendsten Eigenschaften 
des Ministeriums Lutz betrachten. Bei einer liberalen Majorität 
st der Bestand dieses Kabineis ohnehin noch mehr gefährdet als 
etzt. Gelingt es, alle bisher nicht klerikal vertretenen Wahlkreise 
zu halten, so ist zwar die Möglichkeit einer ein⸗ oder zweistimmigen 
Majorität der Liberalen nicht ausgeschlossen, aber noch keineswegs 
icher in Aussicht zu nehmen. 
Trotz aller Angaben in den Zeitungen ist bisher in Bun⸗ 
desrathokreisen nichts darüber bekannt, wann die vielbe⸗ 
prochenen Ministersitzungen des Bundesraths beginnen werden. Es 
verden sogar Zweifel laut, ob es überhaupt zu diesen feierlichen 
Berathungen kommen werde. Die Vorlagen, welche bis jeßzt an 
»en Bundesrath gelangt sind, sollen ohne Mitwirkung der ersten 
geböllmächtigten der Vundesstaaten berathen werden. Die Angabe, 
der Reichskanzler beabsichtige die Wiedereinbringung auch des Ge⸗ 
setzenwurfs, betreffend Abänderungen der Reichsverfassung — 
Verlängerung der Legislaturperioden, zweijahrige Etalsperioden 
u. s. w. bestätigen sich nicht. Eine Anregung in diesem Sinne 
isi von keiner Seite erfolgt. 
Die deutsche Reichsregierung hat der frauzösischen Re⸗ 
gierung ihre Betheiligung an der diesjährigen allgemeinen Tele⸗ 
graphenausstellung in Paris mitgetheilt. (N. C.) 
Die „Deutsche Petersburger Zeitung“ veröffentlicht an ihrer 
Spitze einen Artikel, worin als eine Thatsache, die außerordentlich 
schwer ins Gewicht falle, die jetzt sehr freundschaftlichen Beziehungen 
wischen Rußland und Deutschland⸗Oesterreich hervor⸗ 
gehoben werden. Man habe sich in Berlin und Wien von der 
friedlichen und aufrichtigen Politik Rußlands überzeugt, und so 
sei ein freundschaftliches Verhältniß zwischen den drei Kaisermächten 
angebahnt. Manche Anzeichen sprechen allerdings für die Erneuer⸗ 
ung des Dreikaiserverhältnisses, wie man sagte, nachdem von einem 
Dreitaiserbündnisse nicht mehr die Rede sein konnte. Es verstärkt 
sich durch diesen allerdings wesentlichen Umstand die Hoffnung auf 
Erhaltung des Friedens. Alle Mächte, mit Frankreich an der Spitze, 
wirken in Konstantinopel und Athen für sie. 
Die „Koln. Ztg.“ erwähnt eines Geruͤchtes daß die türkische 
Negierung deutsche See⸗Offiziere in ihren Dienst zu 
ziehen beabsichtige. Das Blatt hält den Wunsch der Pforte nicht 
für unwahrscheinlich, zweifelt aber an der Verwirklichung desselben. 
Ausland. 
Nach der „Agentur Stefani“ erhielten auf Frankreichs 
Anregung die Vertreter der Mächte in Athen Ordre, Collectivschritte 
zu thun, um Griechenland zur Annahme des Schiedsgerichts zu 
bewegen. 
Aus Athen, 12. Jan. wird berichtet: Ein königliches De— 
kret setzt die Mannschaftsziffer der Armee auf 72,350 fest. Das 
Gerücht, die Anleihe von 120 Millionen sei mißlungen, wird sei— 
teitens der Regierung dementirt. Die Journale sind der Ansicht, 
daß der Krieg eine Frage der Zeit und auch nach einem Schieds⸗ 
spruch unvermeidlich sei. 
Es ist nicht mehr zu leugnen, daß ganz Sũd⸗Afrika jetzt 
die Waffen gegen England ergriffen hat. — Aus Pietermaritz⸗ 
burg ist folgende Depesche aus Natal im Kriegsministerium zu 
London eingelaufen: „Die Marine-Brigade marschirte gestern mit 
zwei Kanonen ab.“ — Es gehen fortwährend Truppenverstärk- 
ungen von England nach Südafrika ab. 
Nachrichten aus Kandahar (Ufghanistan) zufolge herrscht 
große Aufregung in Folge der beabsichtigten Räumung Kandahars 
durch die Engländer. 
So uͤberlegen die Trausval⸗-Boers bis jetzt in ihrem 
stampfe den Engländern an waffenkundigen Männern sind, so 
schmerzlich fühlbar macht sich bei ihnen der Mangel an Geschütz- 
material. Diesem allein ist es zuzuschreiben, daß noch einzelne 
befestigte und mit Kanonen armirte Positionen des Transvallandes 
im Besitz der englischen Truppen sich befinden. Eine amtliche 
Meldung aus Capetown bringt Nachrichten aus Potschefstroom, 
die bis zum 1. d. Mts. reichen. Nach denselben waren die eng⸗ 
lischen Truppen im Fort cernirt, behaupteten sich aber mit Erfolg 
gegen die Angriffe der Boers und waren für noch einen Monat 
min Mundvorrath versehen. Die Frauen und Kinder der englischen 
Residenten befanden sich ebenfalls im Fort. Die Boers beschossen 
das Fort, jedoch ohne Erfolg, aus einer alten Schiffskanone. Wäh— 
rend die Boers also energisch ihre Operationen fortsetzen, nimmt 
in Holland die Agitation zu Gunsten der afrikanischen Stammes⸗ 
genossen eine großartige Ausdehnung an. In der vom Professor 
Zarting angeregten Petition „an das brittische Volk“ wird bekannt⸗ 
uͤch die Unabhängigkeit der Boers im Namen der Gerechtigkeit ge⸗ 
fordert. In holländischen Blättern wird gleichzeitig der Gedanke 
erwogen, in welcher Weise die Niederlande den Boers Hilfe leisten 
könnien. Besonnene Blätter rathen von Waffenlieferungen und 
dirckien Geldipenden ab und befürworten dagegen eine kräftige 
dilfeleistung durch den „Verein des Rothen Kreuzes“ zu Gunsten 
der Verwundeten. Auch ernste diplomatische Vorstellungen werden 
borgeschlagen, dürften aber nach unserer Meinung in London eben