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M 88. J F Samstag, den 4. Juni —1881.
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7T. G. C. Die Geheimnisse einer wohlbestellten
Wirthschaft.
Durch tausend Kanäle sucht der Mensch Verdienst, Erwerb,
aberhaupt alle Güter, welche seinen Wohlstand, sein gutes Aus—
sommen bedingen oder durch welche er sich die größtmögliche An—
ngehmlichkeit und Bequemlichkeit des Lebens verschaffen kann, herbei⸗—
zuleiten. Je vollkommner ihm dies gelingt, desto glücklicher wird
gepriesen, desto mehr wird sein Hausstand, seine Wirthschaft
nicht nur ein Gegenstand des Neides, sondern auch der eifrigsten
rrörterungen, Erwägungen und Nachforschungen, wie aus seiner
hdauswirthschaft heraus ein so ahnsehnlicher Wohlstand erblühen
HInnte? Bei der Flachheit und Seichtigkeit der Urtheile des gemeinen
Lebens ist man mit einer Antwort auf diese Frage schnell bei der
dand. Da ist es bald eine ansehnliche Erbschaft, bald ein hübscher
zewinn in der Loiterie, dann eine „gute Partie“ und endlich
berhaupt unbegreifliches Glück in Allem, was der in Rede Stehende
ingreift. Und um die eigene Mittellosigkeit, den Mangel an
zrüchten eigenen Erwerbs genügend zu entschuldigen und sich über
as quälende Bewußtsein hinwegzuhelfen, daß man in keiner Hand
twas habe und deßhalb weit entfernt vom frohen Genusse des
ebens sei, sucht man die Ursachen vom Wohlstande eines anderen
rur in Zufälligkeiten, die herbeizuführen in niemandes Vermögen
tehe. „Das Glück ist wie ein Ochse; wer sein Bruder ist, den
tößt es“, oder: „Dem Dummen glückt's“, sagt der Gedankenlose,
delß aber durch den Spott, der trotz allem seine Ueberlegenheit
ekunden soll, nur schlecht seinen Aerger zu verbergen. Und dieser
agt weiter in ihm fort, wenn er sich dem eignen stillen Nachdenken
jberlassen ist und treibt ihn zu der Frage: „Warum kommt nur
»er Nachbar so vorwärts und wird täglich wohlhabender?“ Und
so sehr er grübelt und sinnt, er kanns nicht finden, denn der Nach—
dar hat kein größeres Geschäft, kein einträglicheres Grundstück; man
lann ihm nicht nachsagen, daß er ein Pfennigfuchser wäre oder sich
und den Seinen gar kein Vergnügen gönnte, auch hat er eine
iemlich zahlreiche Familie zu versorgen. Da man doch zu aufge—
llärt ist, um an einen glückbringenden Drachen oder Kobold zu
lauben, so sieht man sich eben vor einem unbegreiflichen Geheimniß.
Suchen wir den Schleier dieses Geheimnisses etwas zu lüften.
dabei müssen wir uns der längst bekannten Thatsache erinnern,
daß die Entwicklung alles Großen meist mit kleinen Anfängen be—
zinnt und daß nichts so unbedeutend uns erscheinen sollte, daß wir
» der Beachtung überhaupt nicht für werth halten dürften. In
aͤnem Haushalte springt naturgemäß die Thätigkeit des Mannes
am meisten in die Augen, weil ihm ja vorzugsweise der Erwerb,
zie Sorge für die Existenz, der Kampf mit dem feindlichen Leben
ufällt. Die Thätigkeit des Weibes hat als Schauplatz die eng—
degrenzte Häuslichkeit. Ihre unzählig vielen kleinen Verrichtungen,
handgriffe, Besorgungen und Geschäfte, mit welchen sie nach innen
ir den Bestand und die Blüthe des Hauswesens sorgt, erscheinen
m Vergleich zum Wirken und Schaffen des Mannes vielfach un—
xdeutend und nichtig; und doch liegt gerade in dem stillen Schaffen
r Hausfrau eines der wichtigsten Geheimnisse in dem Gedeihen
iner Wirthschaft. Wir haben dabei nicht im geringsten die Fälle
m Sinne, wo die Frau den größten Theil der gewerblichen
chätigkeit des Mannes auf ihre Schultern genommen hat, wie z. B.
n Schankwirthschaften, Handlungsläden u. s. w.; denn in diesen
iüllen ist sie über die gewöhnlichen Grenzen weiblicher Thätigkeit
amausgerückt; sondern wir denken an die Hausfrau, die Mutter
er Kinder, welche „herrschet weise im häuslichen Kreise'“. Soll
in das Kind einer Familie gedeih'n, so muß zur kraftvollen
VBirksamkeit des Mannes das weise Regiment der Frau kommen.
der Mann baut das Haus, die Frau richtet das Innere mit ord—
leudem Sinn ein, indem sie unablässig für die Befriedigung der
mzelnen und kleinsten Bedürfnisse Sorge trägt. Mit zartem Sinn
ind liebevoller Hingebung ist sie unermüdlich, die Heimstätte des
dannes und der Familie wohnlich, bequem, freundlich, sauber und
uch Kräften schön zu machen, damit sie immer geeigneter werde,
en Eindruck wohlthuender Behaglichkeit und traulicher Freundlich—
zu machen. Eine echte Hausfrau sieht ihre Häuslichkeit als
us Heiligthum an, in welchem sie als Vriesterin zu walten, berufen
Jist. Mit emsiger Hand glättet und legt sie zurecht, was den Tag
über in Unordnung gerielh. Ihr Sinn für Sauberkeit und Nettig—
keit verfolgt mit Kehrbesen und Wischtuch Staub und Spinnen—
veben bis in die entlegenste Ecke, und klar, wie der Blick ihrer
reundlichen Augen, fällt der Strahl der Sonne durch die hellen
Fensterscheiben in das freundliche Stübchen. Nicht an ein Prunk—
zemach mit seidenen Portieren und goldenen Spiegeln sollst du bei
dieser Schilderung denken, sondern die Sauberkeit und Ordnung
ist die Folie für dieses Bild eines beglückenden Daheims. Die
fröhlichen Kinder, welche dasselbe beleben, sind alle sauber gekleidet,
und man hat seine helle Freude an ihnen, wenn auch die Alltags-
lleider manchen Flicken zeigen. Die sorgliche Hausfrau schneidet zu
und nähet emsig an der Maschine, um einem kleinen Söhnchen aus
Vaters altmodisch gewordenem Rocke einen Anzug herzustellen,
vährend die älteren Mädchen fleißig stricken. Da steigt der Vater
aus der rußigen Werkstatt herauf. Mit Wohlbehagen schweift sein
Blick von dem blankgeputzten Schloß nach der frischgescheuerten
Diele von der sauberen Gardine nach der fleißigen Familiengruppe.
Zufriedenheit würzt ihm das einfache Mahl, und mu frohem Muthe
Jeht er aus der stillen beglückenden Wohnung in das geräuschvolle,
orgenvolle Geschäftsleben. Hier hast Du das nothwendige Gleich—
Jewicht, dessen der Mann, soll das Hauswesen gedeihen, im Wechsel
)es täglichen Lebens bedarf, hier ist das Geheimniß einer wohlbe—
tellten Hauswirthschaft. Es läßt sich in ein Wort fassen: „Eine
üchtige Hausfrau“ oder auch in drei: „Ordnung, Sauberkeit und
Sparsamkeit im häuslichen Kreise. Das sind die Kobolde, welche
die Schätze bewahren und bei einander halten, die der Mann
durch Kopf und Hand erwirbt.
Deutsches Reich.
Wie ein Correspondent des „Pf. K.“ vernimmt, hat Se.
Maj. der deutsche Kaiser den bayer. Finanzminister v. Riedel
durch Verleihung des Großkreuzes des preuß. Kronenordens aus—
Jezeichnet und auch dem bayerischen Generaldirector der Zölle und
indirecten Steuern, v. May, einen hohen Orden verliehen.
Die Angabe, daß der Bundesrath für den Reichstag noch
zahlreiche Vorlagen vorbereite, ist irrthümlich. Auch von dem
angeblichen Project der Reichsregierung, die Erzeugung von Dyna—
mit zu monopolisiren, ist?an unterrichteter Stelle nichls bekannt.
Der Reichstag setzte am Miitwoch die Berathung des Un—
allversicherungsgesetzes fort. Staatssecretär v. Bötticher sagte, die
Keichsregierung sei in erster Linie für eine Reichsversicherungsan—
talt, die sie für die zweckmäßigste und billigste Einrichtung halte;
illenfalls würde sie sich aber auch Landesanstalten gefallen lassen.
Bei der Abstimmung wurde der Buhl'sche Antrag (Reichsanstalt)
abgelehnt und 8 2 nach dem Beschluß der Commission (Landes-
instalt) mit 145 gegen 100 Stimmen angenommen. Weiter wur—⸗
den 83 bis 11 nach den Commissionsbeschlüssen angenommen.
Verworfen wurden die Anträge auf Streichung der Carrenzzeit,
benso die Anträge der Socialdemokraten auf Erhöhung der Rente
und auf Einsetzung eines Schiedsgerichts für Streitigkeiten über
die Höhe der Rente.
Die deutsch-konservative Fraktion wird, wie die „Kreuzzeitung“
meldet, zur zweiten Lesung des Arbeiter-Unfallversicherungsgesetzes
im Reichstag, die am Dienstag begann, einen Antrag auf
Wiedereinfügung des in der Kommission abgelehnten Staatszu—
chusses einbringen.
Auslanud.
Für Frankreich und seinen augenblicklichen Gambetta—
Taumel giebt es nur eine Erklärung: die Franzosen haben ihre
Regierungsform gewechselt, nicht ihren Sinn; fie jauchsen der
Macht eines Einzigen zu, wenn sein Gestirn im Steigen ist, mag
dieser Einzige Napoleon oder Gambetta heißen. In Frankreich
handelt es sich nicht mehr um freiheitliche Grundsätze, um ein Pro—
gramm, um die Erreichung der höchsten Güter der Menschheit;
es handelt sich nur um die Festigung der Machtstellung Gambettas
und um seinen offenen, wenn auch nicht eingestandenen Kampf
mit Grevh. Was kommen wird, wenn er das Haupt der fran⸗
zösischen Republik geworden sein wird, kann Niemand sagen bei
dem Mangel an Grundsätzen in seiner Politik.