Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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MYs. 
Sonntag, den 19. Juni 
1881. 
Deutsches Reich. 
Die kgl. Entschließung in Betreff det Neuwahl der Landtags⸗ 
ibgeordneten in Bayern, nachdem das Mandat der im Jahre 
1875 gewählten nahezu abgelaufen ist, wird, wie man glaubt, noch 
m Lauf dieses Monats erscheinen. 
Die dreijährige Militärdienstzeit genügt nicht. Wer 
behauptet dies? Der Kriegsminister der französischen Republik. In 
der Deputirtenkammer war der Antrag gestellt, die Dienstzeit nach 
deutschem Muster von funf auf drei Jahre herabzumindern. Ein 
Deputirter erklärte sich gegen diesen Antrag, da man „ebensowenig 
die Militärdienstzeit zum Schaden der nationalen Sicherheit ver⸗ 
mindern könne, als die Steuern auf die Gefahr hin, die Staats⸗ 
dienste zu gefährden.“ Der Kriegsminister bezeichnet es als un⸗ 
noͤglich, innerhalb dreier Jahre Soldaten auszubilden, ohne die 
Armee zu schwächen. Nur nach langer, mühevoller Vorbereitung 
önne in Frankreich eine dreijährige Dienstzeit eingeführt werden. 
da finden unsere Demokraten also Gelegenheit, die öeschränkten 
Ansichten ihrer republikanischen Freunde jenseits der Vogesen auf⸗ 
uklären. 
Die an Christi⸗Himmelfahrt in den prot. Kirchen der 
Pfalz erhobene ColIecte zu Gunsten der protest. deutschen 
tirchengemeinden in Paris lieferte das Erträgniß von M. 2298.58. 
Am Mittwoch Morgen wurde bei Heckendal he i m 
iuf einem Kalkofen eine Mannsperson todi aufgefunden. Da sich 
degitimationen auf zwei verschiedene Namen bei dem Todten vor⸗ 
anden, so konnte seine Persönlichkeit nicht genau festgestellt werden. 
F Morgen (Sonntag, 19 Juni) wird der Zweigverein der 
gustav-Adolph-Stistung für den Dekanatsbezirk Hom⸗ 
hurg sein Jahresfest in Lim bach feiern. 
F Auf dem letzten Wochenmarkie in Dürkheim wurden 
jereits neue Kartoffeln aus der dortigen Gemarkung verkauft. 
f. Die Firma L. A. Jordan in Deid es heim hat auf der 
Ausstellung in Melbourne die erste Medaille für Weine erhallen. 
Auch im Wahlkreise Speyer-Frankenthal soll die 
Aufstellung eines demokratischen Reichstagscandidaten beabsichtigt 
ein. Beĩ den diesjährigen Wahlen können sich, wie es scheint, 
die pfälzischen Wähler gewiß nicht über die Auswahl unter den 
Fandidaten beklagen. 
Der Reichskanzler erläßt folgende Bekanntmachung: „Im 
vroßherzogthum Ba den ist in Folge der stattgehabten Erhoöhung 
er Biersteuer an Stelle der bisherigen Uebergangsabgabe von 
tier eine solche im Betrage von 8M. 20 Pf. pro Helktoliter und 
in Stelle der bisherigen Steuerrückvergütung bei der Ausfuhr vou 
hier eine solche von 2 M. 50 Pf. für das Hekioliter geireten.“ 
F In Höchberg bei Würzburg erhängte sich ein Wittwer, 
in vermögender Mann in den vierziger Jahren, angeblich deshalb, 
weil er ein geleistetes Eheversprechen nicht halten mochte. 
Aus Kissingen wird berichtet: Fürst Bismarck wird 
hjereits nächsten Samstag (also heute, 13 Juni) zum Badegebrauch 
)ahier eintreffen und wie in den Vorjahren auf der oberen Saline 
Bohnung nehmen. Der Fürst sucht zum siebenten Mal an unseren 
ZQuellen Ruhe und Erholung. 
F Wie die „Abdztg.“ vernimmt, hat Se. Maj. der Koͤnig 
von Bay ern der Wiltwe des in Graudenz bei den Schießübungen 
»erunglücten Hauptmanns Engel à la suite des 1. Feld⸗Artillerie⸗ 
segiments seine Theilnahme aussprechen lassen. Dieselbe ist be—⸗ 
sanntlich eine gebbdrene Munzinger aus Landau. 
Schöllkrippen (Spessart). Am hiesigen Amisgerichte 
pielte sich in jüngster Zeit eine Verhandlung ab, die stark an mit⸗ 
elalterliche Zustände erinnert. Der Oekonom Sauerwein auf dem 
hofgute Frohnbügel an der bayerisch⸗preußischen Grenze Geiselbach⸗ 
Z„omborn konnte sich seiner erdrückenden Schuldenlast nicht mehr 
rwehren und beschloß, heimlich sein Anwesen zu verlassen und 
enseits des Oceans ein neues „Heim“ zu gründen. Die Mittel 
zur Flucht konnte er sich nur durch Veräußerung seines todten und 
ebenden Inventars, das aber zu Gunsten einiger Handelsleute ge⸗ 
ofändet war, beschaffen. Ein Ortsnachbar von Geiselbach bot 
zierzu die Hand. In einer Nacht wurde alles Transportabele 
heils nach Geiselbach, theils über die Grenze geschafft und Sauer⸗ 
wein nahm „Reißaus“. Wer nun eine Forderung zu machen hatte, 
war sein eigener Rechtsverhelfer. Die Gebäulichkeiten wurden förm⸗ 
lich geplündert, Thüren ausgehoben, Fenster ausgebrochen, kurz und 
zut, selbst alles Niethe und Nagelfeste fortgeschleppt. Was von 
einem Theil der Bewohner Geiselbachs zurückgelassen wurde, das 
fiel als Beute anderen Langfingern zu. Das ganze Gebäude gleicht 
auf's Haar einem Ueberbleibsel aus dem dreißigjährigen Kriege. 
Nicht minder schauerlich zerstört sehen die Felder aus. Wer Futier 
bedurfte, grasie einfach die Saatfelder ab. Diese Heldenthaten 
wurden mit 10 Wochen bis herunter zu 1 Tag Arrest belohnt. 
Der Romaneiner Ködin. Johanna Goldschmid, 
Tochter eines armen Bäckers Namens Joseph Goldschmid, war vor 
ꝛierzehn Jahren bei dem Chef einer Budapester Oeclfabrik als 
döchin angestellt. Das Mädchen verschwand jedoch plötzlich, so daß 
die Eltern trotz aller Anstrengungen den Aufenthaltsort ihrer Toch⸗ 
er nicht eruiren konnten. Vor zwei Wochen langte nun die schon 
ängst vergessene und todt geglaubte Tochter in Papa an, wo ihre 
ẽltern jetzt leben, und erregte mit hret glänzenden Toilette und 
qrem kossbharen Schmuck wie quch nu sren Ge, 
Ausland. 
Der Nationalrath der Schweiz genehmigte einstimmig ohne 
Debatte den Handelsvertrag mii Deutschland und die Uebereinkunft 
iber den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums. 
Einer Privatnachricht aus Konstantinopel zufolge ist der 
Zultan erkrankt, und zwar in bedenklicher Weise. 
Pfälzisches Schwurgericht. 
II. Quartal 1881. 
Bei der am 20. ds. Mis. in Zweibrücken unter dem Vorsitze des 
errn Oberlandesgerichtsrathes W 1f1beginnenden Schwurgerichtssession 
ro I. Quartal 1881 kommen an den nachverzeichneten Tagen folgende Fälle 
ur Verhandlung: Am 20. Juni, Morgens 8 Uhr. Wilhelm Michel, 46 
4. a., Bäcker, Krämer und Wirth, in Rodalben, wegen betrügerischen Bank- 
utts: Vertreter der Staatsbehörbde: T. Staaisanwan Petri, Vertheidiger: 
dechtsanwalt Gießen. Am 20. Juni, Nachmittags 4 Uhr. Lisscher Chri⸗ 
loph, 53 J. a., Tagner von Lachen, wegen Brandstiftung. Staatsanwalt: 
detri, Vertheidiger: Rechtsanwalt König. Am 21. Juni, Vorm. 8 Uhr. 
ßeorg Franz, 22 J. a, Aderer in Alsheim, wegen Meineid. Staatsan- 
palt. Scherrer, Vertheidiger: Rechtzanwalt Schmidt. Am 22. Juni, Vorm. 
3 Uhr. Tr. Eugen Jäger „38 J., Redakteur in Speyer, wegen Preß⸗ 
»ergehen. Staatsanw.: Petri. Vertheidiger: Rechtsauw. Gebhart. Am 28. 
duni, Vorm. 11 Uhr. Anton S chwalb, 28 3. a., Erdgräber in Hetten⸗ 
eidelheim, wegen Meineid. Staaisanw. Petri, Rechtsanw. Schmidt als 
Bertheidiger. Um 28. Juni, Vorm.s Uhr. Karl Knickel, 28 J. a., 
agner von Kindenheim, wegen Meineid. Vertreter der Staatsanwaltschaft: 
J. Staatsanwalt Dr. Krell, Vertheidiger: Rechtsanw König. Am 28. Juni, 
dachm. 8 Uhr. Stephan Gha ser, 40 J. a., Tagner von Deidesheim 
vohnhaft in Winzingen, wegea Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Ge— 
valt. Staatsanwalt: Hr. Krell, Vertheidiger: Rechisanwalt Gint. Am 24. 
juni, Vorm. 8 Uhr. 1) Barbara Kno fFasky, 42 J. a., Ehefrau von 
bilhelm Worster, Schuster in Zell. 2) Karl Peter Känoffsky, 
5: J. a., früher Kappenmacher, jetzt Fuhrmann in Kirchheimbolanden, diefe 
eiden wegen Meineid und vertheidigt durch Nechtsanw. Rosenberger. 8) Georg 
deinrich Beckmann, 89 a Weinhändler in Reustaht a. H, wegen 
jerleitung zum Meineid. Verireter ver Staatsbehörde: J. Staatsanwalt Scher⸗ 
er, Vertheidiger: Rechtsanw. Gießen. Am 27. Juni, Vorm. 8 uhr. Georg 
—chaumlöffel, 89 J. a., Wagenwärier in Ludwigshafen, wegen 
Neineid. Staatsanw. Petri, Vertheidiger: Rechtsanwali Gebhart. Am 28. 
Inni, Vorm. 8 Uhr. Johann Ludwig Wailer, 51 3. 4. Winzer von 
ainfeld, weren Müunzfälschung und Betrug. Staatsanwalt: Petri, Verthei⸗ 
iger: Rechtskandidat Schuler. Am 29. Inni, Nachm. 8 Uhr. Katharina 
torck, 22 J. a., ledig und gewerblos in Mackenbach, wegen Kindsmord. 
taatsanw. Dr. Krell, Vertheidiger: Rechtsanwalt Schmidt. Am 30. Juni, 
zorm. 8 Uhr. Johannes Bre her, 35 J. a., Ackerer und Wagner in 
wegen Meineid. Staatsanwalt: Scherrer, Vertheidiger: Rechtskandidat 
hormann. 
Vermischtes. 
St. Ingbert, 18. Juni. Nächsten Montag Nachmit— 
ag wird dahier unter der Leitung des Hrn. ik. Dekans Henn von 
—5 durch das Presbyterium die Pfarrwahl vorgenommen 
verden. 
*— Nit Genehmigung der kgl. Regierung sind, einem An⸗ 
tage der Ortsschulkommission entsprechend, die Herbstferien für die 
iesigen Volksschulen in die Zeit vom 1. Septewmber bis 15. Oll. 
erlegt. Bisher dauerlen sie vom 15 August bis 1. Okt