Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler AAnzeiger. 
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AIsi. IJ —— 
Dienstag, den 18. Ignuar 
18sl. 
DSôeutsches Reich. 
Aus München schreibt man dem „Nürnb. Corr.“ „Das 
kgl. Stastsministerium des Inneren hat sich veranlaßt gesehen, 
in Folge des Umstandes, daß die von Berlin ausgehende antisemi⸗ 
tische Vewegung auch in Bayern Boden zu gewinnen sucht, durch 
die kgl. Regierungen die Distrikispolizeibehörden zu beauftragen, 
diesen Verhaͤltnissen die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden und 
dafür Sorge zu tragen, daß veranlaßten Falles durch aufklärende 
Belehrung und, soweit nöthig, durch Geltendmachung gesetzlicher 
Minel der Bewegung im ersten Entstehen wirksam entgegengetreten 
werde.“ 
Aus München geht mehreren Zeitungen die Nachricht zu, 
die bayerische Regierung habe im Sinn, auch einen Eisenbahnrath 
(nach dem Muster des Reichslandes und Badens) einzurichten. 
Bezüglich der Herstellung künstlicher Weine wurde vom Steuer⸗ 
ausschuß der bayerischen Abgeordnetenkammer nach Antrag Buhl 
beschlossen, die Besteuerung dieses Geschäftszweiges nach der Menge 
des Erzeugnisses vorzunehmen und für jeden Hektoliter eine Steuer 
don 10 M. zu berechnen. 
(Bayerische Armee.) Durch ligl. Entschließung wurde 
bestimmt, daß im Rechnungsjahr 188182 von der Ersatzreserve 
1. Klafsse 4629 Mann zu zehnwöchentlichen Uebungen bei der 
Infanterie und Fuß⸗Artillerie einberufen werden sollen. Zur In⸗ 
fanterie des 1. Armeecorps sind 2188 Mann, zu der des 2. Ar⸗ 
meecorps eben so viel, zum 1. Fußartillerie-Regiment 131 Mann 
vom 2. Armeecorps einzurufen. 
Nach Berliner Mittheilungen soll sich der Reichskanzler Fürst 
Bismark körperlich und geistig rüstiger und frischer als seit 
langer Zeit befinden. 
Ausland. 
Zur Stimmung des frauzösischen Volkes wird mitgetheilt, 
daß ein großer Theil gerade der gebildeten Klassen jetzt an Prãsi⸗ 
dent Grévy eine Urt don Schutz gegen Gambetta sucht und der 
letztere sich jetzt häufig zum Gegenstande von Karikaturen gemacht 
sieht. Der Ausgang der Gemeindewahlen in Paris hat sein An⸗ 
jehen zwar nicht erhöht, auf dem Lande aber ist dasselbe offenbar 
noch gewachsen und läßt für das persönliche Duell zwischen ihm 
und Grévy bei den im Herbst bevorstehenden politischen Wahlen 
einen Ausgang zu seinen Gunsten voraussehen. Was aber für 
Furopa und speziell für Deutschland das System Gambetta bedeutet, 
wissen Alle. 
Die bedeutendste Neuigkeit in der sich langweilig hinschleppen⸗ 
den griechisch⸗türkischen Angelegenheit ist die von einem di— 
rekten Eingreifen des deuischen Kaisers. Wie dem Wiener, Frem⸗ 
denblatt“ aus Berlin gemeldet wird, wurden vor einigen Tagen 
durch einen Feldjäger wichtige Depeschen an den Sultan geschickt, 
worin der Rath enthalten war, die Türkei solle sich so lang wie 
möglich in der Defensive gegenüber Griechenland halten, um so 
diesem die Verantwortung fuͤr jede Störung des europäischen Friedens 
auserlegen zu können. In Athen scheint man aber zum Aeußersten 
enischlossen und bespricht die Unvermeidlichkeit des Krieges selbst auf 
die Gesfahr eines voraussichtlich ungünstigen Ausganges hin. Man 
befürchtet dort, jedes Ansehen bei den fünf Millionen unter tür⸗ 
kischer Herrschaft lebenden Griechen zu verlieren, wenn man sich 
nach all dem Säbelgerässel jetzt wieder ruhig verhalten wollte. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert. Die hiesige protest. Pfarrgemeinde ver— 
liert ihren langjährigen Seelsorger: Herr Pfarrer Krieger wurde 
als Pfarrer und Deckan nach Kirchheim bolanden ernannt. 
Fast ein halbes Menschenalter übte er hier die Seelsorge aus, zu— 
—I Okt. 1862 
als Pfarrer. Während dieser Zeit hat er sich um die Entwickelung 
der hiesigen prot. Gemeinde, deren Seelenzahlindessen von etwa 400 
auf etwas über 2000 gestiegen ist, unschätzbare Verdienste erworben. 
Denn hauptsächlich nur sein en Bemühungen ist es zu danken, daß 
die Gemeinde in verhältnißmäßig kurzer Zeit Kirche, Pfarrhaus 
und Diakonissenhaus erhielt, daß in Ensheim Betsaal mit Pfarr⸗ 
wohnung und Schulsaal erbaut und daselbst ein ständiges Vikarial 
errichtet wurde 
*St. Ingbert, 18. Jan. Nächsten Donnerstag, 20. 
ds. Mis., wird Herr kgl. Bezirksamtmann Dr. von Schlag— 
intweit unsere Stadt mit seinem Besuche beehren. 
* In der am Samstag Abend stattgehabten Generalversamm⸗ 
ung des Musikvereins wurden in den Ausschuß wieder gewählt: 
hr. Oberamtsrichter König als 1. Vorst., Hr. Realienlehrer 
Schlick als II. Vorst. Hr. Kaufmann Fischer als Sekretur 
und Hr. Stadischreiber Bayer als Rechner. Von den Altiven 
Jes Vereins waren schon vorher Hr. Sch ade wintz wieder als 
Ddirigent und Hr. J. Schu ster, Schreiner, als Archivar ge⸗ 
wählt worden. 
* Am Sonntag Mittag wurde in der Nähe von Lau tz⸗ 
kirchen ein Bahnwart Namens Keßler, der, nachdem er kurz 
dor Eintreffen des Zuges die Barriere geschlossen hatte, sich nun 
wieder über das Geleise zurück auf seinen Posten begeben wollte, 
von dem inzwischen angekommenen Zuge am Mantel erfaßt und 
eine kurze Sirecke fortgeschleift. Die Verletzungen, die er dabei 
erhielt, follen glücklicherweise nicht lebensgefährlich sein. (Der Ver⸗ 
unglückte sei wie die „Pf. Pr.“ berichtet berrits doch gestorben. 
Er hinterläßt eine Wittwa und zwei Kinder.) 
*In Walsheim bei Blieskastel fiel vor einigen Tagen 
das 4jährige Kind eines Ackerers in ein Gefäß mit kochendem Wasser 
ind verletzie sich dabei so schwer, daß es bald darauf unter fürchs 
erlichen Schmerzen starb. 
* Die Jahresförderung pro 1880 berechnet sich für die kgl. 
dreußäisschen Steinkohlengruben des Saarbezirks auf 5,211,389 
Tonnen (104,227.,780 Etr.) gegen das Jahr 1879 wurden mehr 
gefördert 746,429 Tonnen oder 162 Prozent. 
4Der wissentliche Verkauf von verfälschten Nahrungs- oder 
Henußmitteln unter Verschweigung dieses Umstandes ist nach einem 
Frkenntniß des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 18. Novem⸗ 
ber d. J. (der ersten Enischeidung des höchsten Gerichtshofes in 
Bezug auf das Nahrungsmittelgesetz vom 14. Mai 1879), aus 
z 10, 2 des Nahrungsmittelgesetzes zu bestrafen, auch wenn die 
herfälschung nur in dem Zusatze geringerwerthigen Stoffes zu 
einem höherwerthigen besteht und durch diese Zusammensetzung das 
Nahrungs⸗ oder Genußmittel weder unbrauchbar, noch s chädlich wird.“ 
4 Ein Gläubiger, welcher nach erlangter Kenntniß von der 
Zahlungseinstellung seines Schuldners zu seiner Begünstigung und 
zum Nachtheil der übrigen Gläubiger von dem Gemeinfchuldner 
sich befriedigen läßt, ist nach einem Erkenntniß des Reichsgerichtes 
m Sinne der deutschen Konkursordnung nicht strafbar; auch ist er 
uicht als Theilnehmer dieser auf Seiten des Schuldners strafbaren 
handlung aus 8 49 Str.⸗G.«B. zu bestrafen. 
p In Siegelbach stürzte am Samstag ein gewisser Hein⸗ 
rich Wenzel aus Reunkirchen plötzlich todt auf der Straße nieder. 
der Verstorbene war, wie man der „K. Z.“ berichtet, sehr ärmlich 
sekleidet und hat wahrscheinlich die sehr strenge Kälte zu seinem 
Tode beigetragen. 
Wie dem „Pf. K.“ aus sicherer Quelle mitgetheilt wird, 
zeabsichtigt der kgl. Kammersänger Nach bauer, Mitglied der 
Münchener Oper, wohl der erste Tenorist un serer Zeit, nächsten 
Zonniag den 23. Januar in Gemeinschaft mit Fräul. Susanna 
Schmidit im Saalbau zu Neustadt ein Konzert zu geben. 
Fräul. Schmidt, welche ihre Studien unter dem Maecstro Lamperti 
in Mailand vollendet hat, ist ein pfälzer Kind, Tochter unseres 
geschätzten Abgeordneten Oberstlandesgerichtsrathes Schmidt in 
München. 
4 unter dem Titel „Die Judenfrage“ ist eine vom protestan⸗ 
ischen Pfarrer Piton in Annweiler am 9. ds. Mis— gehaltene 
ßredigt im Druck erschienen (Preis 20 Pf). Piton bringt den 
lten Spruch in Erinnerung: „was du nicht willst, daß man dir 
hu', das füg' auch keinem Anderen zu“, und giebt zu bedenken, 
zaß die Deuifchenhetzen in Petersburg und Pest, über die wir uns 
mit Recht beklagen, genau derselben trüben Quelle entstammten. 
vie bei uns die Judenhetze, daß es immer und überall unrecht ist 
ind bleibt, für Verfehlungen Einzelner eine Gesammtheit büßen 
zu lassen. 
Zu wiederholten Malen wurden neuerdings von der Haupt⸗