Full text: St. Ingberter Anzeiger

Pfaälzisches Schwurgericht. 
II. Quartal 1881. 
Verhandlung gegen Christoph Lischer, 53 Jahre alt, Tagner von 
dachen, wegen vorsaͤtzlicher Brandstiftung. Vertreter der k. Staatsanwaltschaft: 
Zlcatsanwalt Petri. Vertreter des Vertheidigers: Rechtsanwalt sKtönig. Der 
Angeklagte ist ein arbeitsscheuer, dem Trunke ergebener Mensch. Im Jahre 
sn49 wrat er freiwillig beim Militär ein, wurde jedoch im Oktober 1852 
degenyn Diebstahls und Desertion vom Kriegsgericht Nürnberg verurtheilt und 
Jus dem Heere ausgestoßen. Nach verbüßter Sirafzeit trieb ec sich bettelnd 
und stehled im Lande umher und wurde häufig wegen Betitelei, Diebstahl, 
Jaterschlagung, Unzucht ꝛc. 2c. bestraft. Im Jahre 1880 kam er wieder 
inmal in seine Heimaihgemeinde Lachen und begehrte daselbst Unterstützung. 
Auf Gemeindekosien wurde er bei einem Ackerer untergebracht, dem er bei 
einer heimlichen Entfernung nach kurzer Zeit durch Miinehmen verschiedener 
sleidungsfiücke und einer silbernen Täschenuhr lohnte. Wegen dieses Reates 
vburde er vom Schöffengericht Neustadt zu 3, Monaten Gefängniß verurtheilt; 
aach Verbüßung dieser Strafe arbeitete er einige Zeit in Landau und kehrte 
Milte März nach Neustadt zurück, wo er sich, da er etwas bei Geld war, 
teis in Branntwein betrank. Am 19. Maärz begab er sich Morgens nach 
dachen, bat beim Adjunkten um Unterftützung, wurde aber von diesem zum 
Bürgermeister gewiesen. Als dieser nicht zu Hause war, kam er wieder zum 
Adjuünkten, der ihn mit seinem Begehren auf den Abend vertröstete. Unter 
Drohungen, er werde den Gemeindewald anzünden, entfe rnte er sich, begab 
sich sofort in den Gemeindew lddistrikt Langenloch und zündete diesen aus 
ungen Eichen, Espen, Erlen bestehenden, von ho hem durrem Schilfgras be⸗ 
wachsenen Niederwildschlag an. Bei dem ziemlich heftig herrschenden Süd⸗ 
vefiwind wurde ein Thei der jungen Kultur fast vollständig vernichtet und 
cin Schaden in der Höhe von etwa 2500 Mk. veru sacht. Der Ange⸗ 
klagte wurde für seine ruchlose That zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt und 
ym die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 6 Jahren aberkannt. 
21. Iwii. Anklage gegen Georg Franz,; 22 ZJehre alt, Sohn von 
Johann Abam, Ackerer in Alsheim, wegen Meineid. Vertreter der k. Staats⸗ 
ehörde: Staatsanwalt Scherrex. Vertreter des Angeklagten: Rechtsan walt 
Schmidt. 
Dem Ackerer Heinrich Koob von Alsheim wurden im November v. Is. 
zfters Tauben geschossen und hatte sich hiewegen der 17 Jahre alte Konrad 
Renner, Sohn von Jakob Renner, vor dem Schöffengerichte in 
dudwigeshafen zu verantworten. In der Sitzung vom 25. Januar 
und in'“ vder darauf folgenden, Sitzung vom 4. März abhin gab 
der von Renner als Enil stungszeuge produzirte Angeklagte seine 
Aussagen unter eidlicher Erhärtung dahin ab, daß Zeuge Koob, als dieser 
den suchen wollte, der seine Tauben geschossen, gar nicht in den Hof des 
Schowalter'schen Anweseins, woher die Schüsse auf die Tauben fielen, gekom⸗ 
men sei. Diese Angaben standen im Widerspruch mit denen der übrigeu 
Zeugen, weßhalb das Gericht die Inhastnahme des Angeklagten verfügte. Es 
saben die anderen Zeugen mit aller Bestimmtheit ausgesagt, daß Zeuge Koob 
den Schowalter'schen Hof gekommen und daß gleich darauf der junge 
Renner aus dem 'offenen Laden eines Nebengebäudes des Schowalter'schen 
Anwesen heraus in's Freie gestiegen sei. Angesichts dieser und der übrigen 
Belastungsmo mente hat das Schöffengericht den jungen Renner wegen Sach— 
beschüdiguüng zum Nachtheile des Koob verurtheilt. Die Anklage stellt demnach 
mif, daß Franz wider besseres Wissen zu Gunsten des Renner einen Meineid 
zeschworen habe. Der Angeklagte Franz wurde freigesprchen. 
22. Juni. Verhandlung gegen Drra Eugen Jä,gér, 88 Jahre alt, 
Redakteur der „Pfälzer Zeitung“ in Speyer, wegen eines Vergehens gegen 
as Sozialistengejez. Vertreter der Anklage: Staatsanwalt Petri: Verthei⸗ 
diger: Rechtsanwalt Gehart. 
Wie aus einem früheren Berichte unseres Blattes ersichtlich, wurde der 
Angeklagte wegen eines Artikels in seiner Zeitung auf Grund des Sozialisten⸗ 
gesetzes in Anklage versetzt, jedoch durch Beschluz der Strafkammer des kgl. 
Landgerichts Frankenthal außer Verfolgung gesetzt. Heute hat sich nun der 
Angetlagte wegen eines weiteren in seiner Zeitung erschienenen Artikels „Die 
rothe und schwarze Internationale“ (Abdruck aus dem Züricher „Sozialde⸗ 
notrat“) als einer Zuwiderhandlung gegen 8 19 des erwähnten Reichsgesetzes 
vor dem Schwurgerichte zu verantworten. 
Die I. Staalsbehörde führte aus, daß der Angeklagte sich subjektiv, da 
er das Verbot des Zuricher „Sozialde mokrat“ kannte, wie objektiv, da ein 
Verbreiten der sozialdemokralischen Tendenzen durch den betreffenden Artikel 
Statt finden mußie, eines Vergehens gegen das Sozialistengesetz schuldig ge⸗ 
nacht habe, welche Aufstellungen die Vertheidigung als nicht zutreffend bestritt. 
Die Geschworenen sprachen den Angeklagten nicht schuldig, und wurde 
derselbe von dem Schwurgerichte freigesprochen; dem Antrag der Staatsbe⸗ 
hörde auf Konfiskation des inkriminiten Artikels der „Pfälzer Zeitung“ 
vurde nicht Statt gegeben. 
Bermischtes. 
Si. Ingbert, 24. Juni. Unseren Lesern können wir 
die gewiß sehr angenehme Miteheilnng machen' daß Herr Hütten— 
werksbesizer OsSktar Krämer hier sich entschlossen hat, die 
Tandidatur für den Reichstag im Wahlbezirk Zweibrücken-Pirma— 
ens nicht abzulehnen, resp. das Reichstags-Abgeordneten⸗ Mandat 
inzunehmen. Mit diesem Entschlusse sieht die gesammte reichstreue 
Bevölkerung unseres Wahlbezirks einen schon lange gehegten Wunsch 
zxfüllt, und ist bei der Sympakthie, mit der die Candidatur des 
Herrn Krämer im ganzen Wahlbezirk aufgenommen wird, die 
Wahl desselben jetzt schon als eine gesicherte zu betrachten. Jeden— 
jalls kann sich unser Wahlbezirk zu seinem künftigen Vertreter nur 
gratulieren. 
*— Heute Morgen hat sich endlich der längst ersehnte Regen 
aingestellt und brachte die für die Vegetation im Garten und auf 
dem Felde so nothwendige Erfrischung. Hoffentlich wird durch 
denselben die Heuernte nicht geschädigt. 
4 Eine für die Einkommensteuerpflichtigen wichtige und ge— 
wiß nicht unangenehme Entscheidung des kgl. Verwaltungsgerichts⸗ 
hofes in München vom 3. Mai IJ. J. hat dem kgl. Bezirksamt 
domburg zu nachstehendem Zirkular Veranlafsung gegeben: 
Die Theilnahme der Einkommensteuerpflichtigen in der Gemeinde 
Waldmohr an den Umlagen für den Straßenbau Waldmohr-Höchen 
detreffend. Nachdem zufolge einer in vorbezeichneter Angelegenheit 
mierin 3. Mai J. J. ergangenen Entscheidung des kgl. Verwalt. 
ingsgerichtshofes die Einkommensteuern zu den betheiligten Ge. 
neinden geinäß Artikel 32 des Distriktsrathsgesetzes auferlegten 
ßräzipualleistungen für Distriktsstraßenbau nicht beigezogen werden 
innen, so sind die zu diesem Zwecke in den Gemeinden zur Er— 
sebung kommenden Üümlagen bei Vertheilung der Gemeindeumlagen 
ußer Ansatz zu lassen. Demgemäß wird hiermit angeordnet, daß 
ür die Folge sämmtliche auf den Bau von Distriktsstraßen Bezug 
jabenden Einnahmen und Ausgaben, insbesondere die einzelnen 
dapitalsabtragungsraten und Zinsen der aus Anlaß des Straßen- 
zaues kontrahirten Anlehen und der hierdurch bedingten Umlagen, 
in einer besonderen Nebenrechnung zu verrechnen und in den Ge— 
meinde-Voranschlag einzustellen sind. Die für Straßenbauten auf⸗ 
genommenen Anlehen sind genau auszuscheiden und ist sich deßhalh 
nit den betreffenden Einnehmern in's Benehmen zu setzen. Die 
Pepartirung der für 1881 zur Erhebung kommenden Umlagen hat 
hereits hiernach zu geschehen.“ 
In Breifenbach bei Waldmohr hat die 9ijährige 
Tochter eines Bergmaunes beim Grasen mit der Sichel sich das 
inke Auge vollständig ausgehauen und das rechte dermaßen ver⸗ 
etzt, daß sie erblindet ist. 
- Eine Exrtrafahrt des Gewerbevereins Kaisers lautern 
ur Patent⸗ und Musterschutzausstellung zu Frankfurt a. M. 
st auf den 3. Juli festgesetzt. Abfahrtszeit Kaiserslautern 5 Uhr 
3 Min. früh, Ankunft in Frankfurt 9 Uhr früh, Abfahrt von 
‚ort 7 Uhr 6 Min. Abends, Ankunft hier gegen 11 Uhr Abends. 
zei einer Betheiligung von 500 Personen kostet das Fahrbillet 
3 M., bei 1000 Personen 2 M. 10 Pf. Mit den Direktionen 
her Ausstellung, des Palmengartens, des zoologischen Gartens und 
»es Panoramas (in der Nähe der Ausstellung) wird der Ausschuß 
eß Gewerbevereins behufs Erlangung sehr mäßiger Eintrittspreise 
n Unterhandlung treten. Die Route des Zuges ist Kaiserslautern 
dauptbahnhof, Langmeil, Monsheim, Worms, Frankfurt und retour. 
F Beim Abtragen eines Thorbogens in Ha mbach fiel der 
Maurer Weigenand von Winzingen so unglücklich herab, daß er 
— — hinterläßt eine Wittwe 
mit 6 Kindern. 
4Eine historische Merkwürdigkeit befindet sich im Besitze des 
Wirthes Herrn Weyand in Rehborn, nämlich eine Uhr, die 
rüher Eigenthum des berüchtigten Räuberhauptmannes Schinder⸗ 
sannes waͤr. Es ist eine einfache silberne Spindeluhr, die aller— 
ings ziemlich dick ist. Obgleich dieselbe nur einen geringen Geld⸗ 
Werth hat, wurden dem jetzigen Besitzer doch von einem Engländer 
240 M. dafür geboten, doch wollte sich der Erstere von der immer— 
sin merkwürdigen Uhr nicht trennen. 
Vom 22. ds. Mts. an wurde auf den Pfälzischen 
Zahnen im Verkehr mit der Hessischen Ludwigsbahn zum Be⸗ 
uche der deutschen Patente und Musterschutz-⸗Ausstellung in Frank 
urt a. M. an jedem Mittwoch eine Fahrtax-Ermäßigung vor 
30 pCt. in der Weise gewährt, daß die an diesen Tagen gelösten 
infachen Fahrbillete zur Hin⸗ und Rückfahrt berechtigen, wenn 
zleichzeitig eine Eintrittskarte zur Ausstellung zum Preise von 
25 Zhinzugelöst, beide in der Ausstellung vorgezeigt und da⸗ 
Fisenbahn⸗Fahrbillet daselbst behufs Abstempelung auf der Rückseite 
borgelegt wird. Dergleichen Eintrittskarten werden auf den Sta⸗ 
jonen Albisheim a. d. Pfr. Albsheim a. d. Eis. Annweiler, Berg 
abern, Blieskastel, Bobenheim, Deidesheim, Dürkheim, Edenkoben, 
Frankenthal, Freinsheim, Germersheim, Göllheim, Grünstadt Harr⸗ 
seim⸗Zell, Homburg, Kaiserslautern, Hauptbahnh., Kaiserslautern 
ordbahnh. Kirchheimbolanden, Kusel, Lambrecht, Lambsheim, 
Marn heim, Morschheim, Neustadt, Oggersheim, Pirmasens. St. 
Ingberk, Schifferstadt, Speier, Wachenheim, Winnweiler, 
zweibrücken ausgegeben. Die in Ludwigshafen, Oggersheim, Franken 
hal und Bobenheim ausgegebenen Fahrbillete müssen am gleichen Tag 
uͤr Rückfahrt benutzt werden, während die von den übrigen genannten 
Ztationen auch am nächstfolgenden Tage zur Rückfahrt Giltigketi haben. 
In Tiefenthal bei Erfurt kam das einzige, anderthalb 
Jahre alte Kind eines Einwohners auf folgende, wohl noch nie 
sagewesene Weise ums Leben. Die Eltern hatten das Kind in det 
Sube allein gelassen und waren ausgegangen; während dessen er 
letterte das kleine Wesen einen durchbrochenen Rohrstuhl und 
wängte das Köpfchen durch das den Hals umschließende Rohr. 
Zeim Zurückziehen rutschte es aus, so daß der Körper in eine 
hängende Lage kam und strampelte sich in dieser schrecklichen 
Situation ab. Als die Eltern bald darauf zurückkehrten, war ibhr 
armes Kind bereits eiũe Leiche. 
SDienstos Nachrichten. 
Die Stelle eines Kreisbauraths für das Ingenieurfach bei det 
dreisregierung der Pfalz in Speyer ist dem Bauamtmann Joseph 
darg in Bamberg verliehen, der Bauamtmann Friedrich H o h⸗ 
nanen in Kaiserslautern auf sein Ansuchen nach Bamberg ver— 
etzt und die Stelle eines Bauamtmanns in Kaiserslautern det 
Zaͤuamtmann Heinrich Höring in Neuburg auf sein Ansuchen 
ibertragen worden.