Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Aunzeiger. 
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VVOä 
1881. 
Deutjches Neich. 
Die Berliner officiöse, Prov.Corr.“ veröffentlicht eine Reihe 
von Artikeln, Zur Geschichte der Fortschrittspartei“ mit einem Artikel 
Die erste That der Fortschritts-Partei“. In diesem weist sie 
nach, die erste That der Fortschritispartei sei der Sturz der neuen 
Aera (Auerswald, Schwerin) gewesen. Auch damals sei die Fort⸗ 
chrittspartei — wie jetzt wieder — unter dem Schutz der großen 
ijberalen Partei aufgetreien, um bald alle Gemäßigten zu verdrängen. 
Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Deutschland haben 
un 13. Juli mit ihren Töchtern und Gefolge London verlassen, 
um sich über Portsmouth nach der Insel Wight zu begeben, wo 
ihnen der Herzog von Bedford sein Schloß Norris Casile zur 
Herfügung gestellt hat. 
der Entwurf einer allgemeinen deutschen Militär⸗ 
Ztrafproceßordnung liegt nun vor. Die Verhandlungen 
harüber zwischen Preußen und Bayern ergeben namentlich in Hin⸗ 
icht auf die Ausgleichung mit zeitgemäßen bayerischen Einrichtungen 
manche Schwierigkeit. 
Betreffs neuen Allianzen der Staaten schreibt die , Kreuzztg.“; 
„So weit es sich um allgemeine, sich Jedermann durch die ver— 
chiedenen Ereignisse aufdrängende Betrachtungen handelt, wird es 
ich nicht leugnen lassen, daß denselben manches Wahre zu Grunde 
üege, wovon man im Allgemeinen europäischen Friedensinteresse 
mit um so größerer Befriedigung Akt nehmen wird, als es sich im 
vanzen und Großen sich doch um Konstellationen handelt, die nur 
zeeignet sein können, die aufrichtige, auf die Herbeiführung eines 
zauernden Friedenszustandes gerichtete Absicht aller Mächte noch 
bestimmter zum Ausdruck zu bringen. Ein Anlaß aus diesen all⸗ 
»emeinen Erörterungen, die namentlich, was die italienische Presse 
„etrifft, in besonders lebhafter Weise der Eventualität eines An⸗ 
ichlusses Italiens an das deutsch-österreichische Bündniß gewidmet 
werden, einen Schluß auf wirkliche Vorbereitungen für neue Ver⸗ 
zindungen zu ziehen, ist jedoch nicht vorhanden, denn daß solche 
Beränderungen nach der einen oder anderen Richtung den Gegen⸗ 
stand irgend eines diplomatischen Gedankenaustausches gebildet 
hätten, möchten wir bezweifeln. 
Die conservativen englischen Journale erörtern zur Zeit wie 
es scheint mit ziemlichem Ernste die Haltung des deutschen Reichs— 
anzlers gegenuüber gewissen europäischen Fragen und sie erblicken 
in ihm den Träger neuer Anschläge gegen den europäischen Frie⸗ 
den. Diese Anschläge sollen sich jetzt gegen England richten, das 
uus dem europäischen Staatensystem verdrangt und dessen Erzeug⸗ 
nisse vom großen continentalen Markte ausgeschlossen werden sollen. 
zum Frommen dieses Planes ist das große Bünduiß zwischen 
deutschland, Oesterreich und Frankreich geschlossen worden; seine 
Zatzungen bleiben vorläufig ungeschrieben; aber es hat schon seinen 
Ausdruck gefunden in der Einnahme Tunesiens durch Frankreich; 
w wird besiegelt durch die demnächstige Annexion von Tripolis, 
und wenns den Franzosen dann einfällt, dürfen sie auch nach 
Aeghpten und Syrien gehen; der Kanzler sagt sein Amen dazu, 
vorausgesetzt, daß die Frage Elsaß-Lothringen vollständig von dem 
itanzösischen Programm verschwindet. Um den Kitt dieses Bünd⸗ 
nisses zu festigen, tritt Frankreich in den mitteleuropäischen Zoll⸗ 
derein ein, dessen Spitze gleichfalls gegen England gerichtet ist ꝛc. 
diese Sauregurkenpolitik wird jetzt in England mit ziemlichem 
krnste erörtert; die conservativen Organe messen ihr vollen Glau⸗ 
den bei während die liberalen Organe sie zwar mit einer Ueber⸗ 
iegenheit des Tones, aber immer mit einem fühlbaren Mißbehagen 
urüdweisen. Zwei Punkte lassen sich nicht mehr bestreiten; Frank— 
reich hat sich sowohl in Tunis wie in Handelsvertragssachen Eng⸗ 
land gegenüber sehr schroff benommen; denkt man dazu noch die 
wiederholten Sympathieen, die Bartheͤlemy Saint-Hilaire für 
Deutschland kund gegeben, so gewinnt das Gerede von einem 
—XR— 
englische Begriffe. 
Auslaud. 
In Oesterreich sind durch die Aufhebung der sogenannten 
Militärgrenze die letzten Reste einer absolutistischen Gestaliung ver⸗ 
chwunden. Durch ein kaiserliches Manifest an die Bewohner der 
roatisch⸗slavonischen Militärgrenze ist die Einverleibung dieses 
Hrenzgebietes in Kroatien verfügt worden, zugleich sprach der Kai⸗ 
jer denselben seinen Dank für die von ihnen gehaltene treue Wacht 
an der Südgrenze der Monarchie aus. 
Die große Hitze, welche bei der am französischen Nationalfest 
bei Paris abgehaltenen Parade herrschte, hat schwere Opfer ge⸗ 
rostet. Das Kriegsministerium selbst gibt zu, es sei ein Mann 
odt geblieben und 136 erkrankt. In Wirklichkeit sollen es aber 
aoch mehr sein. Vom 146. Infanterie-Regiment allein stürzten 
50 Mann auf dem Paradefeld, 20 Mann auf dem Heimweg, 3 
Mann noch im Kasernenhof und 1 starb, als er in der Stube sich 
den Tornister abschnallte. Kann man es verantworten, solche 
Schauspiele um den Preis solcher Opfer zu veranstalten? 
Während in London der Kongreß der Revolutionäre mehr 
oder minder bluttriefende Reden hält, bestätigt es sich nach einem 
Telegramm aus Zürich, daß die Sozialisten ihren projektirten Welt⸗ 
ongreß, auch wenn das schweizerische Bundesgericht das regierungs⸗ 
räthliche Verbot bestätigen sollte, auf dem Gebiete dieses Kantons 
abhalten wollen. Obgleich ihr Rekurs erst soeben an das Bundes⸗ 
zericht abgegangen ist, hat das dortige Partei-Komitee doch bereits 
den auswärtigen Kongreßbesuchern die Einladung zugehen lassen, 
ihre Theilnahme am Kongresse endgiltig anzumelden, um für ihr 
Unterkommen in Zürich bei Zeiten sorgen zu können. Tritt der 
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Zoͤlnijchen Zeitung aus Bern schreibt, ohne öffentlichen Skandal 
laum abgehen. 
Die Nachrichten aus Petersburg lauten neuerdings be— 
denklich. Wie man uns aus der russischen Hauptstadt meldet, 
assen einzelne Vorfälle, namentlich die zunehmende Strenge der 
ZJolizeimaßregeln vermuthen, daß die revolutionäre Partei ihre Exi⸗— 
tenz wieder fühlbar macht. Die Ermordung des Geheimpolizisten 
Brim, wegen Verraths, ist nach den umlaufenden; Gerüchten nicht 
die einzige Unthat der Revolutionäre während der letzten Woche. 
Am vergangenen Montag wurden im Walde der dem Fürsten 
Belosselski⸗Beloserski gehörenden Insel Krestowski, einer beliebten 
Sommerfrische der Residenzbewohner, zwei Männer, einander gegen⸗ 
iber erhängt gefunden, die — so wird wenigstens behauptet — 
im Dienste der Polizei standen. Auch in diesem Verbrechen will 
nan das Werk der Revolutionäre sehen. 
Der russische, Regierungsbote“ veröffentlicht einen kaiser⸗ 
ichen Befehl, wonach die gegen die Verschwörerin Jesse Helff— 
mann (bei dem Attentat auf Czar Alexander der II. betheiligt) 
rkannte Todesstrafe in lebenslängliche Zwanasarbeit umgewandelt 
vird. 
Der Bey von Tunis hat, nachdem er die Einnahme von 
Sfarx erfahren, den franzoͤsischen Ministerpräsidenten beglückwünscht 
und seine Befriedigung über die Wiederherstellung der Ordnung 
ausgedrückt. So melden französische Blätter. Der Bey that, was 
er nicht lassen konnte. Innerlich wird er gewünscht haben, die 
Franzosen hätten Hiebe bekommen. 
Es stellt sich jetzt heraus, daß ganz Tunis sich im Aufstande 
gegen die Franzosen befindet; die Meuterei verbreitet sich wie die 
Flamme in dürrem Grase. Aus der Stadt Tunis selbst sind sechs— 
hundert tunesische Soldaten desertirt und haben sich den Aufstän— 
dischen angeschlossen. Hätten die Franzosen nicht Sfaks genommen, 
hre gesammte Lage wäre wohl ernstlich gefährdet gewesen. Die 
panische Regierung hat eine Kommission zur Ermittlung des den 
Spaniern in Algier zugefügten Schadenbetrages niedergesetzt. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 22. Juli. Unsern Lesern haben wir hereits 
gestern Abend das Resultat der Abgeordnetenwahl für den Wahlkreis 
ZweibrückenPirmasens durch Erxtrablatt zur Kenntniß gebracht. 
Gewählt sind, wie vorauszusehen war, die Candidaten der liberalen 
Partei und zwar Bürgermeister Theodor Märcker in Zweibrücken, 
. Oberstlandesgerichtsrath E. Schmidt in München und Bürger— 
neister und Ockonom Jakob Höh in Gerhardsbrunn. Die Wahl 
var wegen der Zersplitterung der liberalen Stimmen eine sehr 
hartnäckige und wurde erst im dritten Wahlgang gegen 7 Uhr