Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler AAnzeiger. 
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A I3. 
Samstag, den 22. Januar 
1881. 
Deutsches Neich. 
Am verflossenen Dienstag, 18. Januar, waren es zehn 
Jahre, daß in Bersailles unter dem Donner der Kanonen das 
deutsche Reich gebbren wurde. Von Sr. Maj. dem Könige 
son Bayern war im Namen der verbündeten deutschen Fürsten und 
reien Städte an den König von Preußen ver Antrag wegen Ueber⸗ 
iahme der deutschen Kaiserwürde durch denselben gerichtet und von 
dem siegreichen Bundesfeldherrn angenommen worden. Mitglieder 
aller deutschen Fürstenfamilien wohnten dem Albte der Kaiserpro— 
amation im Spiegelsaale des Versailler Bourbonenschlosses bei, 
us dem bayerischen Königshause die Prinzen Otto und Luitpold, 
vährend die Prinzen Leopold und Arnulf im offenen Felde gegen 
sen Feind standen. Seitdem sind zehn Jahre vergangen; zehn 
gahre des auswärtigen Friedens, wie denselben die kaiserliche Pro— 
lamation verheißen hatte, dafür aber freilich der leidenschaftlichsten 
nneren Kämpfe. Wenn dieselben unter den damals in patriotischer 
erhebung einmüthigen deutschen Parteien vielfach Entfremdung und 
Zwiespalt gesäet haben, so läßt sich mitten in dem wirren Kampf 
ieser Tage doch nicht berkennen, daß das deutsche Reich in den 
rerflossenen zehn Jahren wie nach Außen so auch im Innern be— 
festigt worden ist und den dasselbe durchschüttelnden innern Stürmen 
vie ein junge Eiche durch stets festeres Einschlagen der Wurzeln 
zu widerstehen gewußt hat. Jede erste Probe würde das in der 
uͤberraschendsten Weise zeigen. Und in diesem Sinne kann man 
Jeute mit freudiger Genugthuung sagen, daß die an die Wieder— 
herstellung des deutschen Reiches geknüpften Hoffnungen nicht ver— 
jeblich gewesen sind und daß trotz aller Parteikümpfe die Nation in 
hrer unermeßlichen Mehrheit an der Wiederherstellung der ihre 
Staaten und Stämme umschließenden einigenden Bande mit ganzer 
—A 
Aus München, 19. Januar berichtet die C. W.: Die erste 
jffentliche Sitzung der auf heute einberufenen Abgeordnetenkammer 
vird morgen stattfinden. In dieser wird vom Präsidium über den 
Personalstand der Kammer Bericht erstattet werden. Auch wird die 
Staatsregierung die bereits angekündigten Vorlagen machen. — 
Dder Steuergesetz- Ausschuß hat heute seine Berathungen über das 
Zewerbesteuergesetz beendigt. Graf Fugger, ist zum Referenten 
iber dasselbe für die zweite Lesung (im Plenum der Kammer) be— 
tellt worden. 
Müunuchen, 20. Januar. Heute wurde der Landtag eröffnet. 
der Minister des Inneren brachte den Entwurf eines Gesetzes zum 
Bollzug des Reichs-Viehseuchengesetzes und eine Novelle zum Land⸗ 
agswahlgesetz ein. Der Minister hält den Versuch einer um— 
assenden Wahlgesetzreform für verlorene Liebesmühe, dagegen die 
Kevision der Paragraphen 11 und 13 GBildung der Urwahlbezirke 
ind Wahlbezirke) des geltenden Wahlgesetzes, ebenso die Einführung 
tändiger Wahllisten für unerläßlich. Er beantragt Ueberweisung 
der Novelle an einen Ausschuß, was auch geschieht. Nächste Sitz 
ung am 26. do. 
Zur Vornahme der diesjährigen Landwehrübungen in 
Bayern rvzurde die Zeit vom J. April bis 30. Juni festgesetzt; 
zoch ist bei Bestimmung des Zeitpunktes für die Einberufung der 
aAbungspflichtigen Mannschaften den Interessen der dabei am Meisten 
zetheiligten bürgerlichen Berufskreise eine besondere Berücksichtigung 
—XL 
In der Eisenbahn-Kommission des preußischen Abg. 
dauses beantragte Hammacher die Ablehnung der Vorlage wegen 
Verstaatlichung der Rhein-Nahe-Bahn, dagegen Annahme von zwei 
GBesetzentwürfen, betr. die Verpflichtung der Privatbahnen, auf Ver⸗ 
langen der Regierung jede Aenderung im Interesse der Landesver— 
theidigung auszuführen, und ferner betreffend die Ermächtigung, 
die Rhein⸗-Nahe-Bahn mit dem zweiten Geleise zu versehen und 
mit dieser Eisenbahngesellschaft zu einem Ankaufspreis von 12 pCt. 
für die Aktien pro Stück einen Vertrag zu schließen zum Zweck 
der Herbeiführung der Liquidation der Gesellschaft und der Ueber— 
nahme des Eigenthums für den Staat. 
Die Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses 
ehnte einstimmig die Forderung von 280,000 Mark Beitrag für 
den Bau der Mainbrücke bei Offenbach ab. 
Der dem Bundesrath zur Beschlußfassung vorliegende 
Wehrsteuerentwurf ist aus den Berathungen der Ausschüsse 
fast in derselben Gestalt hervorgegangen, wie er im Vorjahre vor⸗ 
lag. Einige Abänderungen, welche die Ausschüsse vorgenommen, 
sind fast lediglich redaktioneller Art. Aller Wahrscheinlichkeit werden 
diese Abänderungen schon deßhalb ganz bedeutungslos bleiben, weil 
der ganze Entwurf auf Annahme im Reichstag nicht rechnen kann. 
Der „Reichsanzeiger“ schreibt: „Die Ausarbeitung des Ent— 
wurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches hat im Laufe des 
letzten Jahres erhebliche Fortschritte gemacht. Im October d. J. 
wird die Commission wieder zusammentreten, um die Theilentwürfe, 
hon denen am Schluß des vorigen Jahres der Entwurf des Sach⸗ 
rechts, der Entwurf des Familienrechts und der Entwurf des 
Erbrechts, während von dem Entwurfe des Obligationenrechts die 
Bollendung und der Druck einer nicht geringen Zahl einzelner Ab— 
schnitte nebst den dazu gehörigen Motiven bewirkt war, in die für 
die Aufstellung des Hauptentwurfs erforderliche Uebereinstimmung 
zu bringen.“ 
Die „Augsb. Allg. Ztg.“ veröffentlicht eine Serie von Ar⸗ 
tikeln unter der Ueberschrift:; „Mohin wir treiben?“ worin 
sie konstatiert, daß alle europäischen Mächte sich auf den unaus— 
bleiblichen gewaltigen Konflikt vorbereiten. „Von allen Seiten“ 
— heißt es zum Schlusse — „dringen Nachrichten über Kriegs— 
vorbereitungen in die öffentlichen Blätter. Die Pforte befestigt 
Arta und Janina und die historisch denkwürdigen Pässe, welche 
zon Griechenland in die thessalische Ebene führen. Sie ruft die 
Redifs zu den Fahnen und versenkt Torpedos in die Dardanellen⸗ 
Straße. Rußland erweitert das Neztz seiner breitspurigen Eisen⸗ 
bahnen bis unmittelbar an die deutsche Grenze, und schloß soeben 
mit der bekannten Firma Krupp in Essen einen Lieferungs-Vertrag 
über Kriegsmaterial im Werthe von drei Millionen Rubel. Frank⸗ 
reich zieht an die Gränzen von Tunis Truppen zusammen, und 
entsendet 80 Generalstabsoffiziere zu „‚Terrain-Aufnahmen“ nach 
Algier. Italiens Festungsbauten an seiner Nordgränze, die Ver— 
tärkung der Besatzungen an den Alpenstraßen sind längst kein 
Heheimniß mehr. England trifft Anstalten seine Haupthäfen in 
Vertheidigungszustand zu setzen; es kursierten sogar Gerüchte über 
die Anwerbung einer Fremden-Legion. Deutschland endlich ist 
längst vorbereitet jeden Kampf aufzunehmen — und wäre cs gegen 
eine Welt in Waffen. So gehen wir mit keineswegs friedever⸗ 
heißenden Aussichten in das neue Jahr hinein; ja, es mehren sich 
die Zeichen, daß der Streit um die Trümmer des Osmanen-Reiches 
ihnliche gewaltige Dimensionen annehmen witd, wie der ungeheure 
dampf um die spanische Erbschaft am Anfange des vorigen Jahr⸗ 
hunderts. Daß selbst der Sturz des liberalen Kabinets in Eng— 
land diese bedrohliche Situation nicht wesentlich bessern würde, liegt 
auf der Hand.“ 
Ausland. 
Frankreich hat seine Zurückziehung des Schiedsgerichts- 
Vorschlages mit der Erklärung begleitet, daß es nach wie vor an 
den Bemühungen des europäischen Concertes für eine friedliche Lö— 
sung der griechischen Frage theilnehmen werde, aber die Initiatibe 
zu weiteren Vorschlägen Anderen überlasse. 
Eine Proklamation des Vicekoönigs von Irland ordnet die 
Verstärkung der Polizei in der Grafschaft Clare und in drei 
Distrikten der Grafschaft Sligo an wegen der dort herrschenden 
Erregung. 
Die „Köln. Ztg.“ erhält eine Correspondenz aus Italien, 
die nicht verfehlen wird, großes Aufsehen zu machen. Wir ent— 
nehmen derselben folgende Stelle: Belege, die kaum einen Zwei⸗ 
fel zulassen, machen es wahrscheinlich, daß Garibaldi und seine 
Anhänger im kommenden Frühjahr einen Putsch gegen Triest be— 
absichtigen. Der Held von Mentana ist rücksichtslos genug, Ita— 
lien ein so gefahrvolles Wagniß auf den Hals zu laden, und es 
sind augenblicklich in Italien wie im Auslande geheime Subscrip— 
tionslisten für das Unternehmen im Umlauf. Indem ich Ihnen 
dies schreibe, bin ich mir wohl bewußt, eine Mittheilung in die 
Welt zu senden, in der manche eine Sensationsnachricht werden 
ehen wollen und die überdies fast selbstverständlich den Wider⸗