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— 2. Sonntag, den 2. Januar 1881.
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Deutsches Reich.
Aus Petersburg in den letzten Tagen in München ein—⸗
getroffene Briefe bringen die erfreuliche Mittheilung, daß der
dayerische Gesandte v. Rud hart von der schweren Krankheit,
von welcher er wenige Tage nach seiner Ankunft in der russischen
Hauptstadt heimgesucht wurde, nunmehr wieder vollständig ge—
nesen ist.
Nach der „Kreuzzeitung“ plant der Reichskanzler eine
Erhöhung der Branntweinsteuer und hat Erhebungen
über die Exportprämie anstellen lassen; auch eine Erhöhung
der Tabaksteuer sei zu erwarten, dagegen scheine das Monopol
„vorläufig als inopportun“ vertagt zu sein. Alle diese Angaben
zirkulirten bereits vor Monaten. wurden aber von den Offiziösen
bisher desavouirt.
Neuerdings zirkulirt wieder einmal das Gerücht von einer
bevorstehenden Auflösung des Reichstags. Aus dem Umstande,
daß die Regierung alle jene Steuer⸗ und sonstigen Vorlagen, welche
in der vorigen Session mit theilweise sehr großen Majoritäten ab—
gelehnt wurden, jetzt wieder hervorsucht, will man den Schluß
ziehen, daß es ihr um die Sammlung des nöthigen Materials zur
Sprengung des Reichstags zu thun sei. Wenn die Regierung den
Reichstag wirklich auflösen will, wird sie einen Grund dazu nicht
lange zu suchen brauchen, aber es ist wirklich schwer zu begreifen,
was sie mit einer Auflösung bezwecken sollte, denn einem solchen
willfährigen Reichstag, wie dem gegenwärtigen, wird sie nach der
nächsten Wahl sich ganz bestimmt nicht gegenüber sehen.
Wie das „Berl. Tagbl.“ hört, hat die deutsche Reichs⸗
regierung die Entsendung eines Kriegsschiffes nach der West—
küste von Afrika angeordnet, um die Kroo-⸗Neger wegen der Plün—
derung des dort gestrandeten deutschen Dampfers „Carlos“ und
wegen der Mißhandlung der Mannschaften desselben zur Rechen—
schaft zu ziehen. Die Dampfkorvette „Victoria“ ist mit diesem
Exekutions-Kommando betraut worden. Die kleine Aktion, deren
Gelingen nicht zweifelhaft sein kann, ist im Interesse eben sowohl
aller im Auslande lebender Deutscher, als auch der deutschen See—
schifffahrt willkommen zu heißen. Im Uebrigen ist es Angesichts
der Vorgänge im Transvaal ganz wünschenswerth, daß ein deutsches
Kriegsschiff dem Schauplatze der dortigen Ereignisse verhältnißmäßig
näher ist. Im weiteren Verlaufe der Boers⸗-Erhebung könnte es
dazu kommen, daß außer den Holländern noch andere Nationen
ihre Stimme und ihren moralischen Einfluß zu. Gunsten der euro—
päischen Abkömmlinge im- Transvaal erheben.
Schulze⸗Delitsch hat soeben das erste Hest einer Reihe
von Erläuterungen zum deutschen Genossenschftsgefetze unter dem
Titel: „Streitfragen im Deutschen Genossenschaftsrecht“ im Verlag
von Ernst Keil erscheinen lassen. Die in diesem Hefte behandelten
Fragen sind folgende: 1) Die Rückzahlung der Geschäftsantheile
an ausgeschiedene Mitglieder einer eingetragenen Genossenschaft,
2) Die Beitreibung der bei der Liquidation von Mitgliedern zur
Vermeidung des Conkurses geleisteten Vorschüsse. 83) Die Heran⸗
ziehung ausgeschiedener Genossenschaften zur Deckung der Schulden
einer eingetragenen Genossenschaft. 4) Die Unterbrechung der Ver⸗
jährung gegen ausgeschiedene Mitglieder in eingetragenen Genossen—
schaften. 5) Die Zuständigkeit zur Berufung der Generalversamm-—
lung in eingetragenen Genossenschaften. 6). Der Paragraph 555
der Reichs-Civilprozeß-Ordnung und die Deutsche Wechselordnung.
Ausland.
Für die Engländer läßt sich der Jahreswechsel nicht gut
an. Denn nach Zeitungsmeldungen aus Durban (Südafrita)
oom 29. d. haben die Boers Derby eingenommen und das Ge—
cichtsgebäude am Potschef⸗Fluß nach 48⸗stuͤndigem Kampfe erobert.
Dieselben belagern jetzt Fort Krüger am Potschef-Fluß. Man
„glaubt“, daß fast alle Bewohner der Stadt Derby von den Boers
gefangen und alle Läden erbrochen und geplündert worden seien.
In Utrecht drohen die Boers jeden zu erschießen, der sich ihnen
aicht anschließe. Sie patrouilliren längs des ganzen Buffalo⸗
Flusses. Die Regierung von Transvaal hat das Standrecht pro—
klamirt. — Die Truppen in Irland erhalten weitere Verstärk
ungen, weil die Regierung die Marine-Infanterie von dort zurück—
zuziehen bedbsichtigt. In Dublin werden von den Militärbehörden
uimfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen. Alle Truppen sind cog⸗
nisirt und die Piquets und Patrouillen vermehrt.
Das türkische Finanzministerium wurde beauftragt, von
allen inländischen in den Provinzen und bei den auswärtigen
diplomatischen Vertretungen verwendeten Beamten die einmonat⸗
lichen Gehaltsbezüge zurückbehalten. (Werden sich freuen! Aus—
genommen von dieser Maßregel sind die Beamten in Konstan⸗
tinopel.
Der künftige Präsident der Vereinigten Staaten,
Beneral Garfield, betont in einem Briefe an den Herausgeber der
„Deutschen Revue“ seine lebhafte Freude über die herzlichen Be—
iehungen zwischen Deutschland und Amerika.
Vermischtes.
* St. Ingbert, 1. Januar. Die Neujahrsnacht ging
jier ziemlich ruhig und fast ganz ohne die herkömmliche Knallerei
»orüber. — Gestern Abend hatte ein Metzgerbursche das Malheur,
zei der Arbeit sich den Daumen der rechten Hand abzuhacken.
*— Die Neujahrsnacht brachte uns auch wieder einmal etwas
vom Winter: eine leichte Schneedecke hatte heute Morgen die Erde
iberzogen. Hoffentlich nimmt es aber das Jahr 1881 mit dem
Winter nicht allzustreng.
Die Stadt Zweiberücken verausgabte a. für Volksschul-
wecke 1870 ca. 10,000 M., 1880 aber 20,000 M. b. für
Straßen⸗Unterhaltungen 1870 ca. 3000 M., 1880 aber 15,000 M.
3. an Gleichstellungs-Umlagen 1870 ca. 5000 M., 1880 aber
52,000 M. d. an Distrikts-Umlagen 1870 ca. 11,000 M. 1880
ber 22,600 M. e. für Schuldentilgung und Zinsen 1870 ca.
200 M., 1880 aber 16,200 M.
„Dei' Wiß, dei' Wiß laft fort!“ so rief am 27. Dez. zu
Wiesbach die Müllerin W. einem Bäuerlein zu. Und in der
That war eine etwa einen halben Morgen große Wiese auf Reisen
jegangen. Das in dem Boden eingeschlossene Wasser hob mit
inem starken Rauschen die ganze Wiese in die Höhe und rieß
dieselbe nicht weniger als 4000 Meter weit mit sich fort. Der
Weg, den die reisende Bergwiese einschlug, ist dabei in der letzten
Zälfte ziemlich eben und gewunden, natürlich jetzt mit Schlamm
Fedeckt und kaum fahr⸗, geschweige denn gangbar. (Pf. Pr.)
* Auf einer Jagd in der Gemarkung von Eppestein hatte
ein jugendlicher Nimrod das seltene Glück, mit einem Schusse einen
dasen, ein Pferd, einen Bauersmann und einen Wirth zu treffen.
die drei Letzteren erlitten dem „F. T.“ zufolge nur leichte Ver—
ietzungen.
Das Mannheimer „Tagbl.“ will wissen, die Abrechnung
der Pfalzgau-Ausstellung werde ein Deficit von ohngefähr 30,000
Mk. ergeben, das den Garantiefondszeichnern zu Lasten fiele.
In den südlichen Probinzen der Nie derlande haben
in den letzten Tagen große Ueberschwemmungen stattgefunden.
Die Dämme zwischen Nieuwknyk und Vlhmen wurden 50 Meter
weit zerstötrt. 18 Dörfer zwischen Altena und Heusden stehen
unter Wasser.
In Lands hut hat eine Sammlung von Zigarrenab⸗
chnitten, welche Herren und Damen längere Zeit hindurch vorge—
tommen, 164 Pfund Tabak ergeben. Von dem Erlöse mit 105
Mark wurden zu Weihnachten sieben Knaben neu gekleidet.
Von dem Schöffengericht zu Straßburg wurde am
30. Dez. der Weincommissionär Jacob Löb aus Ungstein,
veil er zum Zwecke der Taäͤuschung in Handel und Verkehr Wein
aachgemacht, sowie wissentlich nachgemachten Wein unter Verschwei—
zung dieses Umstandes verkauft hatte, zu einer Gefängnißstrafe
»on 1 Monat, einer Geldstrafe von 500 Mark und den nicht
inbedeutenden Kosten des Verfahrens verurtheilt. Zugleich wurde
TFonfiscation der beschlagnahmten Weinvorräthe, die sich ohne Aus—
nahme als nachgemacht erwiesen haben, und Publikation des Ur—
theils verordnet.
F In Elberfeld fuhr der Briefträger im Wagen durch
das plötzlich eingetretene Hochwasser in den Straßen und bestellte
die Briefe mittelst eines klingelbeuntelartigen Instrumentes. Der