Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Her St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
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134. 
Dienstag, den 23. August 
— 
Deutsches Reich. 
* Die Commission zur Ausarbeitung und Vorberathung des 
Eniwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das 
deutsche Reich wird im October d. J. zusammentreten, um 
die Theilentwürfe in die für die Aufstellung des Hauptentwurfs 
erforderliche Uebereinstimmung zu bringen. Die von den einzelnen 
Redactoren bestimmungsmäßig auszuarbeitenden fünf Theilentwürfe, 
nämlich: Allgemeiner Theil, Sachenrecht, Obligationentecht, Fami— 
lienrecht und Erbrecht, sind theils ganz, theils nahezu fertiggestellt. 
Die Commission wird die Entwürfe berathen und auf Grund der 
Ergebnisse dieser Berathung wird ein Gesammtentwurf des deuischen 
Civilgesetzbuches aufgestellt werden, der nach abermaliger, vollstän— 
diger Berathung durch die Commission den Bundesregierungen mit— 
getheilt, sowie veröffentlicht werden soll. 
(Fürst Bismardck und das Tabaksmonopol.) „Zur 
Durchführung meiner socialpolitischen Reformen bedürfen wir vor 
Allem bedeutender Mittel und diese Mittel soll das Tabaksmonopol 
derschaffen.“ So äußerte sich der Reichskanzler bei einer Unter— 
redung mit dem Professor Adolf Wagner. Ferner bemerkte der 
Reichskanzler: „Der ganze Gewinn, der jetzt auf dem Wege vom 
Fabrikanten durch den Zwischenhandel bis zum Consumenten verloren 
geht, soll auf den Staat übertragen werden. Natürlich müssen bedeutende 
Entschädigungen für Fabrikanten und Händlergezahlt werden, aber selbst 
dann werden bedeutende Ueberschüsse übrig bleiben. In Oesterreich 
herrscht das Tabaksmonopol. Es wird dort ein Reingewinn erzielt von 
70 bis 80 Mill. jährlich. Es wird bei uns mehr geraucht, und 
jo werden wir in Anbetracht der beiderseitigen Bevölkerungsziffern 
mindestens eine Einnahme von 160 Misllionen Mark erzielen. 
Rechnen wir hiervon ab Zinsen und Amortisationen, so bleibt 
immerhin noch ein jährlicher Reingewinn von 130 Millionen Mark. 
Die Einnahmen werden von Jahr zu Jahr steigen, und nach 
ziniger Zeit werden wir 150 bis 200 Millionen Mark jährlich 
jaben. Mit solchen Summen läßt sich etwas machen, und diese 
Summen sollen der Arbeiterklasse, der Arbeiterbevölkerung zu Gute 
kommen. Wir haben also durch Bewilligung dieser Steuern die 
heste Aussicht, die Arbeiterversicherung ins Leben zu rufen.“ Bis— 
her hieß es immer, die Erträgnisse aus dem Tabakmonopol sollten 
r Entlastung der Einzelstaaten verwendet werden; davon ist jetzt 
ietae Rede mehr. Sollte diese Entlastung doch herbeigeführt wer— 
der, ð müßte man neue Steuern schaffen, für die sich wahrschein— 
lich aich wieder neue Verwendung finden würde. Das Eude der 
Anspannung der Steuerkraft des Volkes läßt sich demnach nicht 
absehen. 
Die „Karlsruher Zeitung“ dementirt amtlich die Nachricht von 
der Erhebung des Großherzogthums Baden zum Koͤnig⸗ 
reich und schließt mit den Worten: „Die Anschauungen, von 
velchen einst Karl Friedrich sich leiten ließ, als er die angebotene 
dönigskrone ablehnte, werden auch heute noch vom Großherzog 
Friedrich als ein weises Vermächtniß bewahrt.“ 
Auslanud. 
* Während sich die Parteien in Frankreich zum Wahl—⸗ 
ampf rüsteten, hat auch die Windstille, welche in den auswärtigen 
Beziehungen Frankreichs herrschte, einer lebhafteren Strömung, von 
ẽengland ausgehend, Platz gemacht. Eine merkbare Verstimmung 
außert sich allmählich zwischen Frankreich und England infolge der 
ranzösischen Politik in Nordafrika; aus Tunis wird gemeldet, 
daß die englische Regierung die Ordnung der Enfida⸗Angelegen⸗ 
heit, welche die tunesischen Verwickelungen seiner Zeit mit veran— 
aßte, zu erschweren sucht. Bei einer solchen Stimmung ist es er— 
llärlich, daß die Verhandlungen über den englisch- französischen 
Handelsvertrag vollständig zu scheitern drohen, zumal da sich Frank— 
reich entschieden weigert, in die von England gewünschte Verlänger— 
ung des Vertragsverhältnisses zu willigen; England hat es abge— 
lehnt. die Verhandlungen am 22. d. M. wieder aufzunehmen. Es 
st demnach leicht möglich, daß die beginnende Entfremdung der 
ꝛeiden Staaten sich in nächster Zeit noch stärker äußert. 
Von den französischen Deputirtenwahlen waren heute 
Montag) aus 230 Bezirken die Ergebnisse bekannt. Gewählt sind 
201 Republikaner, 20 Gewählte gehören gegnerischen Parteien an, 
29 Stichwahlen sind erforderlich. Die Republikaner gewannen 28, 
die Bonapartisten verloren 4 Sitze. Wiedergewählt sind: 
Minister Constans, Bischof Freppel, Minister Ferry Cochery, 
Choiseul Marcère, Rouvier; nicht wiedergew hUt Leon 
Renault, Bardour. In den beiden Belleviller Wahlbezirken ist 
ßambetta gewählt. Im ersten Belleviller Wahlbezirk er— 
hielt Gambeita 4519 von 8904. Gegenkandidat Lacroix erhielt 
3536; im zweiten Belleviller Wahlbezirk erhielt Gambetia 4895 
von 10,046; sein Gegenkandidat Revillon erhielt 4116 St. 
Bambetta siegte hier mit nur einer Stimme 
iber die absolute Majorität. In Paris sind außerdem gewählt: 
Pelletan, Clemenceau (radikal), Greppes, Spuller (Gambettist). 
Delavorge, Casse, Floquet, Lockroy, Barodet, Brisson, Allain⸗Targé, 
damessan, Frehault, Marmottant, Herisson, Foͤrard, Cantagrel, 
douis Blanc, Brelay, Farch, sämmtliche Republikaner. (Nach aͤner 
päteren Nachricht waren von den 540 Wahlen 364 bekannt, da— 
yon 279 für die Republikaner günstig. So viel läßt sich erkennen, 
daß der allgemeine Charakter der Wahlen als eine Niederlage der 
Bonapartisten und als ein großer Erfolg der gemäßigten Republi— 
saner zu bezeichnen ist.) 
Die Gerüchte über eine Reise des Königs von Italien 
in den österreichischen Hof und die dadurch erhärtete Annäherung 
Italiens an den österreichisch-deutschen Bund erfahren jetzt eine 
zewisse Bestätigung, indem von Wien aus offiziös erklärt wird, 
nan habe von Italien aus auf außerdiplomatischem Wege über 
zie eventuelle Aufnahme des Königs Humbert bei einer Reise nach 
Desterreich sondirt. 
* Die griechischen Truppen, welche zur weiteren Occu— 
sAirung der von der Türkei abgetretenen Gebietstheile bestimmt sind, 
saben am 20. August ihren Vormarsch angetreten. — Die Pforte 
neabsichtigt, behufs Festsetzung der Beitragsquoten Griechenlands, 
Zulgariens, Serbiens. Rumäniens und Montenegros zur kürkischen 
„taatsschuld eine Circularnote an die Mächte zu richten. 
In Susa (Tunis) sind neue Unruhen ausgebrochen, bei 
denen vier Europäer getödtet wurden. Wie es heißt, ist eine 
ꝛandungscompagnie des englischen Kriegsschiffes „Monarch“ an's 
Land gesetzt worden, um die Europäer zu schützen. Auch fran— 
ösische Kriegsschiffe sind nach Susa abgegangen. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 28. Aug. Anläßlich des am nächsten 
Donnerstag stattfindenden Geburts. und Namensfestes Sr. Maj. 
»es Königs wird, wie schon bekannt, im Hotel „Zur Post“ ein Fesi— 
diner abgehalten. Der Kriegerverein hat für den Festabend einen 
vall arrangirt, zu dem auch Nichtmitglieder gegen ein Entree von 
30 Pf. zugelassen werden. Die Knappschaft wird den Tag in 
Jjergebrachter Weise festlich begehen. Festessen und Tanzunterhaltung 
inden für dieselbe im Hotel Laur und in der Wirthschaft des Hrn. 
dorst statt. Die Bürgerschaft wird hoffentlich ihre altgewohnte 
Anhänglichkeit zu dem vielgeliebten Landesherrn durch reichliches 
Keflaggen der Häuser zum Ausdrucke bringen. 
* — Auch hier wurde der zweite Komet do8. Is. in 
der Nacht von Samstag auf Sonntag, wie in der darauffolgenden 
Nacht von verschiedenen Personen deutlich bemerkt. Seine größte 
delligkeit erlangt derselbe bis zum 26. d. M. 
* — Vom besten Wetter begünstigt hatte sich die Schen a pp⸗ 
bach zu ihrer Kirchweih am Sonn- und Montag eines fehr zahl— 
reichen Besuches von Auswärts zu erfreuen. Doch soll sich, wohl 
in Folge der „schlechten Zeiten“, gegen früher ein Rückgang im 
Lonsum von Speisen und Getränken bemerkbar gemacht haben. 
* Am verflossenen Sonntag wurde in Heckendalheim 
im Beisein des Hrn. k. Bezirksamtmannes Dr. Schlagintweit, der 
ein lebhaftes Interesse an den Verhandlungen bekundete, der dies⸗ 
jährige Feuerwehrverbandstag des Bezirks Zweibrücken abgehalten. 
Von 11 dem Verbande angehörigen Feuerwehren waren Y ver—⸗ 
treten, darunter auch unsere hiesige Feuerwehr. Den Jahr esbericht 
exstattete Herr Losch aus Zweibrücken, dem auch der Vorsitz über— 
ragen war. Der nächste Verbandstag wird in Hornbach stattfinden. 
In dem neu gewählten Ausschuß sind die Feuerwehren von Zweibrücken, 
St. Ingbert, Hornbach und Ensheim vertreten.