Full text: St. Ingberter Anzeiger

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M 142. 
Dienstag, den 6. September 
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1881. 
Die politische Lage in Frankreich. 
Seitdem in Frankreich die Wuͤrfel in der großen Wahlschlacht 
zefallen sind, richten sich dorten nun Aller Augen mit er— 
höhter Spannung auf Gambetta und dessen politische Zukunfts- 
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hambetta jetzt energisch zur Durchführung derselben schreiten wird. 
Zwar hat es der Abgeordnete des ersien Belleviller Wahlkreises noch 
nirgends ausgesprochen, daß sein ganzes Streben sich darauf konzen— 
rirt, den Präsidentenstuhl der Republik zu besteigen, aber es ist 
ies auch nicht nöthig, denn seine Bestrebungen sprechen dafür. 
Vorläufig scheint Gambetta die Zeit noch nicht für gekommen zu 
jalten, die ihn mit der höchsten Würde der Republik bekleiden soll, 
abet er ist bestrebt eine neue Etappe auf dem Wege zu seinem 
Ziele zu erreichen und diese Etappe ist die Uebernahme der 
deitung des Kabinets aus den Händen der Ferry's, für welche 
jetzt die Anhänger des Kammerpräsidenten in ihren Blättern, wie 
.B. dem „Temps“, fortgesetzt so energisch eintreten und es fragt 
ich jetzt daher nur, wie die Chancen für ein Ministerium Gam— 
hetta stehen. 
Was zunächst die Wahlen vom 21. August anbelangt, so 
jaben dieselben allerdings einen glänzenden Sieg aller republi⸗ 
lanischen Parteien sowohl über die Anhänger des Lilienbanners 
als auch über die Bonapartisten ergeben, aber dieser Sieg ist nicht 
ausschließlich ein Erfolg Gambetta's. Ein Blick auf die Zusam⸗ 
nensetzung der republikanischen Majorität der neuen Kammer zeigt 
deutlich, daß Gambetta sich mit den Gemäßigten Republikanern 
n die Früchte des Wahlsieges theilen muß. Die neue Kammer— 
najorität besteht, wenn man von den noch außenstehenden Stich— 
wahlen absieht, aus etwa 40 Mitgliedern des linken Centrums, 
aus etwa 160 Anhängern des jetzigen Cabineis, aus 175 — 180 
der republikanischen Union (Richtung Gambetta) Angehörigen und 
ungefähr 30 Ultraradicalen und Intransigenten, die nur auf Cle— 
menceau schwoͤren. Gegenüber den monarchistischen Bestrebungen 
verschmelzen sich diese verschiedenen republikanischen Fraktionen zu 
iner einzigen großen Partei, die aber sofort wieder in ihre 
Schattirungen zerfällt, wenn es sich um die andern Fragen han⸗ 
delt. Gambetta's Partei besitzt nun in der neuen Kammer durch⸗ 
aus nicht die absolute Majorität, ganz abgesehen davon, daß sich 
in der Gefolgschaft des Kammerpräsidenten so mancher unfichere 
deerespflichtige befindet. Will aber Gambetia sich eine ergebene 
dammermajorität verschaffen, so müßte er bei Bildung eines Mi⸗ 
nisteriums auch Vertreter der anderen republikanischen Fraktionen 
heranziehen — würden aber konservative Republikaner von der 
Kichtung Greby⸗Ferry mit Leuten vom Schlage Clemenceau's in 
einem Cabinet sitzen wollen? Schwerlich, lediglich gestützt auf die 
republikanische Union, würde aber ein Ministerium Gambetta sich 
wohl kaum lange halten können und der berechnende Ex⸗Diktatot 
sat dies jedenfalls auch mit in den Kreis seiner Combinationen 
sezogen. Diese an die persönliche Machtstellung Gambetta's ge⸗ 
müpften Combinationen sind nun aber neuerdings durch das Her⸗ 
vortreten anderer bedeutsamer Anschauungen über die politische Lage 
n Frankreich vollständig zurückgedrängt, denn während die eifri⸗ 
en Anhänger Gambetta's von der Nothwendigkeit eines Minisier— 
wechsels sofort nach den Wahlen sprachen, sind der Präsident der 
depublik, Herr Grevy und der Ministerpräsident Ferry gerade der 
utgegengesetzten Meinung und sehen mit Recht in dem Ergebniß 
er Wahlen ebenfalls ein Vertrauensvotum für das Ministerium. 
der Ministerpräsident Ferry schrieb auch an seine Wähler, daß das 
kegebniß der Wahlen die vollftändige Zustimmung zu der von der 
icherigen Kammermehrheit und dem Ministerium verfolgten Poli⸗ 
ik dargethan habe und das Land keine Aenderung der gemäßigten 
axtschrittlichen Politik wolle, desgleichen ließ der Präsident der 
sepublik in den ihm zur Verfügung stehenden Preßorganen ver⸗ 
ünden, daß alle Gerüchte über Ministerberänderungen unbegründet 
en. Die Zeit ist also noch nicht gekommen, wo Gambetta die 
errschaft über Frankreich als reifer Apfel in den Schooß fällt, 
wehrgeizige Staatsmann muß noch warten und weiter kämpfen, 
enn er zu seinem Ziele gelangen will. 
Deutsches Reich. 
München, 5. September. Der Landtag ist auf den 
September einberufen. 
München, 8. Sept. Außer dem jüngeren Jocobini wird 
jetzt auch der Bischof von Montefiscone Msgr. Rotelli gerüchtweise 
als künftiger hiesiger Nuntius genannt. 
* Die vergangene Woche hat uns in Bezug auf einzelne 
chwebende Angelegenheiten unserer inneren Politik nicht unwichtige 
Entscheidungen gebracht. Hervorzuheben ist zunächst, daß dem neu⸗ 
ernannten Bischof von Trier, Dr. Korume nunmehr auch 
die landesherrliche Bestätigungsurkunde zu Theil geworden ist, wo⸗ 
durch sich die Hoffnungen auf die baldige Vereinbarung eines 
veitergreifenden modus vivendi zwischen Preußen und Rom be— 
estigen. Was die Königliche Anerkennungs⸗Urkunde, welche der 
Bischof Dr. Korum erhalien hat, anbelangt, so unterscheidet sich 
dieselbe in der Form nur wenig von dem früheren Anerkennungs- 
Formular; es muß nur herborgehoben werden, daß dieses Mal 
ausdrücklich auf die Bestimmungen der Bulle de salute animarum 
Bezug genommen wird. Der Bezug der Temporalien wird dem Bi— 
chof in der üblichen Weise angewiesen. — Ferner hat die ver⸗ 
Jangene Woche endlich die Antwort der Reichsregierung auf die schon 
'o lange gestellte Frage nach dem Reichstagswahl· Termin gebracht; 
aut kaiserlicher Verordnung vom 31. August sollen die Wahlen 
um Reichstage am 27. Oktober d. J. staitfinden, so daß jetzt die 
Fixirung des Wahltermins der Wahlbewegung hoffentlich einen ge⸗ 
cegelteren Charakter verleihen wird. 
* Die Anwesenheit des Kaisers bei den Manövern in 
Hannover wird sich bis Mittwoch den 7. Sepiember, erstrecken, 
an welchem Tage der Kaiser nach Berlin zurückkehrt, um sich be⸗ 
reits am folgenden Tage zu den Kavallerie- Mansödern bei Konitz 
u begeben. Von hier trifft der Kaiser am Sonnabend, den 10 
Zeptember, wieder in Berlin ein, am 11. September erfolgt so⸗ 
dann seine Abreise nach Itzehoe zu den dorligen Manövern, nach 
deren Beendigung sich der Monarch direkt nach Baden-Baden be— 
Jjeben wird, wo man seine Ankunft für den 18. September erwartet. 
Dorthin wird voraussichtlich auch die Kaiserin von Coblenz 
tommen. 
Die „Danziger Ztg.“ meldet, daß in Danzig am 9. Sept. 
der russische, Kaiser mit dem deutschen Kaiser, wahrschein⸗ 
ich auch dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm zusammen 
kommen werde. 
Ausland. 
Paris, 5. Sept. Es sind bis jetzt 34 Stichwahlen 
zekannt. Gewählt sind 32 Republikaner, eine Bonapartist und ein 
Monarchist. Unter den 82 Republikanern befinden sich 15 In⸗ 
ransigenten oder Angehörige der äußersten Linken. Die Republi⸗ 
aner gewannen je drei Sitze von den Bonapartisten und Royalisten. 
In Paris wurden Passh, Ranc, Maret und Revillon gewählt. 
Revillon war Gambetia's Gegenkandidat bei der Wahl um 21. 
August in Belleville II, Charonne.) 
New. Yort, 4. Sept. Das Bulletin von gestern Abend 
neldet anhaltende Besserung im Befinden Garfelds. Die 
Aerzte beschlossen, denselben baldmöglichst nach Long⸗ Branch bringen 
zu lassen, 
New⸗-NYork. Gerüchtweise verlautet, der amerikanische Ge— 
aeral Carr sei mit 7 Offizieren und 110 Soldaten von den 
Apachen-Indianern in Neumexiko überfallen und niedergemetzelt 
vorden. — Das Gerücht von der Niedermetzelung der Carr'schen 
Brigade bestätigt sich. Es sollen dabei zwei Kavallerie-Kompagnien 
dernichtet sen. Es gehen Truppen nach Arizona ab. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 6. Sept. Das am Sonntag Abend im 
Oberhauser'schen Saale veranstaltete Conzert der Pianistin Fel. 
A. Lehmann und ihres Vaters, des Tenoristen Herrn Le h⸗ 
mann, aus Kaiserslautern hatle sich eines zahlreichen Besuches 
zu erfreuen. Das Programm, welches 9 Nummern umfaßte, theils 
hesangs⸗, theils Musikpiecen, enthielt Erzeugnisse der bedeutendsten 
Meister. Schon gleich nach der ersten Rummer des Programms,