Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Anzeiger. 
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P 147. 
Donnerstag, den 15. September 1881. 
Deutjiches Reich. 
*Die Frage nach der Berufung des Reichstages, welche 
nach der Fixirung des Wahltermins auf den 27. October auf⸗ 
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jetzt von verschiedenen Seiten versichert, daß die Berufung des 
Reichstages sogar noch vor dem preußischen Landtage erfolgen 
dürfte. Ob die bezüglichen Dispositionen in der That geändert 
worden sind, läßt sich zur Zeit allerdings noch nicht beurtheilen, 
falls aber Fürst Bismarck wirklich die Absicht hegt, den Reichstag 
aoch vor dem preußischen Landtage einzuberufen, so ließe sich der 
Grund hierfür unseres Erachtens unschwer erkennen. Jedenfalls 
wird aber die Verufung des preußischen Landtages nicht eher er⸗ 
tolgen, als bis die Regierung sicher ist, mit einem Ergebnisse der 
kirchenpolitischen Verhandlungen vor denselben treten zu können. 
Der deutsche Kaiser wohnte in den letzten Tagen in 
bestem Wohlsein mit großem Gefolge den Manövern des 9. Ärmee— 
orps in Schleswig — Holstein bei. Ueberall wurde er von 
der zahlreich herbeigeströmten Bevölkerung mit lauter Begeisterung 
—X 
Johann Deffland; derselbe ist ebenfalls verheirathet und Voter 
von 5 kleinen Kindern. Die Beiden arbeiteten schon Jahre lang 
heisammen in der preußischen Grube. Auf dem Heimwege von der 
Arbeit geriethen dieselben gestern Nachmittag in Gegenwart des 
Bergmannes Hemmerling, eines Schwagers von Becker, in einen 
Disput, der sogar in Thätlichkeiten überging. Zu Hause angekom— 
nen scheint sich Deffland mit einem Messer bewaffnet zu haben. 
Er begab sich sodann aus seiner Wohnung in der Haselerstraße in 
die Kohlenstra ße in die Nähe der Wohnung des Beder, um diesem 
aufzulauern. Als sich Becker später auf der Straße zeigte, überfiel 
hn Deffland und versetzte ihm mehrere Stiche. Ein Stich traf 
zen Angegriffenen in die Nase, ein anderer in den linken Arm über 
dem Ellenbogen, zerschnitt die Pulsader und verursachte eine weite 
laffende Wunde bis auf den Knochen. Becker scheint sich vor 
einem Angreifer geflüchtet zu haben; denn bedeutende Blutspuren 
ühren durch die Wiesen hinter dem Seibel'schen Hause, durch den 
Paulus'schen Garten und hinüber in den Garien des Tüncher⸗ 
neisters Kimmel, durch dessen Hausgang bis auf die Treppe, wo 
Becker um Hilfe rief und dann in Folge des enormen Blutver— 
ustes ohnmächtig zusammen brach. Herbeigeeilte Nachbarn brachten 
hn sofort nach Hause. Trotzdem ärztlicher Beistand bald zur 
Stelle war, so konnte Becker doch nicht mehr gerettet werden, kuͤrz 
arauf starb er an Verblutung. Becker hatte vor seinem Tode noch 
die Kraft, Deffland als seinen Mörder zu bezeichnen. Dieser wurde 
noch am Abend in seiner Wohnung verhaftet. Er leugnete zwar 
die That, doch wird ihm das wenig helfen, da die Beweise zu 
iberzeugend gegen ihn sprechen. Machschrift: Heute, Don— 
nerstag, traf das kgl. Untersuchungsgericht von Zweibrücken zur 
Untersuchung und Festsetzung des Thatbestandes hier ein.) 
*St. Ingbert, 185. Septbr. Zufolge höherer Anord⸗ 
nung wird von morgen ab die schon längst gewuͤnschte und gewiß 
allexdeits freudig begrüßte Einrichtung getroffen, daß die Höfe: 
Ad Rohrbacherglashütte, Geisttircherhof, Reichenbrunn, 
Zengscheid und ee nach welchen die Postboten bisher 
aicht kamen, von diesen in dem Falle begangen werden, wenn 
Briefe oder Packete für diese Höfe vorliegen. 
*St. Ingbert, 18. Sept. Wie die Leser aus der 
Bekanntgebung der letzten Sadtrathsbeschlüsse im Inseratentheil 
dieses Blattes ersehen, hat die Schlacht hausfrage einen 
Schritt nach vorwärts gemacht. Mit der Errichtung eines Schlacht⸗ 
jauses dahier ist man, wie uns mitgetheilt wird, im Stadtrathe 
im Prinzige vollständig einverstanden. Eine aus den Herren Büt— 
germeister Cusster, Adjunkt Graffion, Thierarzt Wei— 
gand und Bauschaffner Hausser bestehende Commission soll 
nun zunüchst von Schlachthäusern in anderen Städten (Pirmasens, 
Homburg ꝛc.) Einsicht nehmen und über die Erfahrungen, die man 
an diesen Orten gemacht hat, in nächster Sitzung berichten. 
*— Aus unserem Referate über das am Sonntag Abend 
tattgehabte Conzert des „Cäcilien -Vereins“ kann in Folge eines 
leinen Druckfehlers gefolgert werden, daß die zum Vortrage ge— 
kommene vierte Nr. aus der „Schöpfung“ von Haydn sehr bei—⸗ 
fällige Aufnahme fand. Es ist aber das ein Mißverständniß. In 
inserem Referate sollte gesagt sen, daß sämmtliche 4 Nummern 
aus der „Schöpfung“ von Hapdn sehr beifällig aufgenommen 
wurden. 
*Das pfälzische Schwurgericht verurtheilte in der 
Nachmittagssitzung vom 12. ds. die beiden Angeklagten Anton 
Pouth, Kellner, und Daniel Endres, Bäcker, beide 18jährig 
und aus Trier, wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen bezw. 
Beihilfe hiezu zu je zwei Jahren Gefängniß. — 13. Sepi. An— 
klage gegen Georg Kosh, 48 J. alt, Lumpensammler aus Dreisen, 
wegen Versuchs der Brandstiftung. Wegen mangelnden Beweises 
erfolgte Freisprechung. — 14. Sept. Vormittags. Der wegen be—⸗ 
rügerischen Bankerotts angeklagte Schuhwaarenhändler Joseph 
Weber von Pirmasens wurde zu 6 Monaten Gefängniß ver— 
urtheilt. 
ꝙ Aus dem Bliesgau, 14. Sepi. Mit Eintritt der 
besseren Witterung sind unsere Landleute eifrig beschäftigt, die 
Brumet- und Obsternte einzuheimsen. Grumet gibt es ziemlich 
Ausland. 
* Die französischen Staatsmänner sind unermüdlich darin, 
die Schleußen ihrer Beredtsamkeit zu ziehen, oft aber bringt der 
Redestrom schon dagewesenes wieder. Bedeutungsvoll ist aber jeden— 
jalls die Rede des Ministerpräsidenten Ferry in St. Dié, in wel—⸗ 
cher er die Niederlage der Intransigenten und Monarchisten bei 
den letzten Wahlen constatirt, welche letztere vielmehr die Zustimm⸗ 
ing des Landes zu der bisherigen ministeriellen Politik bekundet 
zätten. In Bezug auf die nächsten Aufgaben der Regierung be— 
zeichnete Ferry die Reform des Richterstandes und die Herabsetzung 
der Militärdienstzeit als die ersten der vorzunehmenden Reformen. 
Aus der Rede verdient außerdem noch hervorgehoben zu werden, 
daß der Ministerpräsident in der neuen Kammer mit Sicherheit 
auf eine regierungsfreundliche Majorität aus den Reihen der Linken 
und der republikanischen Vereinigung rechnet, die vielbezweifelte 
Allianz zwischen Ferry und Gambetta scheint sich demnach zu 
obollziehen. 
Fünf französische Kriegsschiffe befördern im Laufe dieser 
Woche weitere 5000 Mann von Toulon nach Tunis. 
Das „Journal de St. Petersbourg“ konstatirt, daß die euro— 
zäische Presse im Allgemeinen, und in erster Reihe die deutsche 
Presse, die Kaiserzusammenkunft in Danzig in ihrer wahren Be— 
)eutung erfaßt und dargelegt habe, nämlich als Kundgebung der 
jerzlichen Sympathie zwischen den beiden Kaisern, welche zu gleicher 
Zeit eine Bürgschaft für die Sicherheit aller Nationen sei. Wenn 
die „Times“ von den legitimen Interessen Englands und der Mili⸗ 
tärreiche“ gesprochen, so will das „Journal de St. Petersbourg“ 
ich auf die Erklärung beschränken, daß die eiazigen legitimen Inte— 
ressen, um die es sich bei der Zusammenkunft habe handeln können. 
die allgemeine Ruhe und der Weltfriede gewesen seien. 
* Die Waldbrände in dem nordamerikauischen Staate 
Michigan haben große Verheerungen angerichtet; zahlreiche Ver⸗ 
luste an Menschenleben und Eigenthum sind durch sie verursacht 
worden. 1500 Familien mit 10,000 Köpfen sind der Hungers— 
noth preisgegeben, wenn nicht bald Hülfe kommt. — Während 
der Ablösung der mit der Bewachung des Attentäters Guiteau be— 
nuftragten Wachmannschaften schoß der Unterofficier Mason auf 
Zuiteau, doch streifte die Kugel nur leicht den Kopf Guiteau's: 
Mason wurde verhaftet. 
Die Besorgnisse wegen der Lungenentzündung, die den Prä— 
identen Garfield befallen hat, haben sich gemindert; die behandeln⸗ 
en Aerzte legen dieser Krankheitserscheinung keine ernstliche Be⸗ 
deutung bei. 
„erunt qter. 
*Sit. Ingbert, 14. Sept. Gestern Abend und heute 
Vormittag versetzte eine abscheuliche Messeraffaire, bei der leider 
ein fleißiger und braver Familienvater um's Leben kam, unsere 
Stadt in nicht geringe Aufregung. Der Umgekommene ist der 89 
Jahre alte Bergmann Christian Beccker, verheirathet und Vater 
bon 4 unerzogenen Kindern. Sein Moͤrder ist der Bergmann