Full text: St. Ingberter Anzeiger

zremierminister Frankreichs als Angebinde 
kabtretung Elsaß⸗Lothringens und (da dies 
noch nicht genug wäre) auch nohh die An⸗ 
es Großherzogthums Luxemburg zu Frank⸗ 
rsprochen hat, und zwar unter folgenden, 
tehr billigen Bedingungen: 1) Ersatz der 
ur die in Metz, Straßburg u. s. w. ausge⸗ 
Bauten; 2) Schleifung aller Festungen 
othringens; 8) Frankreich leistet Deutsch⸗ 
ir die künftige Annexion Hollands seinen 
d; 4) es schließt mit den drei Kaisern einen 
gegen die Radikalen und Sozialisten, weist 
zieren aus und erläßt Gesetze gegen den 
mord und überhaupt gegen alle polit'ischen 
hhen. — Jetzt wissen wir's. 
ris, 16. Olt. (Communisten-Spek— 
) An dem auf heute Nachmittag einberufenen 
jeeting in der Salle Tivoli-Waur-Hall be— 
len sich ewwa 8000 Personen. Zum Vor— 
n wurde unter lürmenden Hochrufen auf die 
uune der Ex⸗-General Eudes ernannt, der mit 
cuier so heiseren Stimme ausgestattet ist, daß man 
die größte Mühe hatte, seine Worte zu verstehen. 
Wider alles Erwarten fand sich schon vor Beginn 
der Sitzung Louise Michel ein, von der es geheißen 
hatte, daß sie in der Versammlung, welche zu der— 
selben Stunde Tony Revillon in Belleville hielt, 
sprechen und einen Zug nach dem Elysée in Scene 
setzen sollte. Zuerst verlas Eudes eine Reihe von 
Zuͤschriften auswärtiger sozialdemokratischer Vereine, 
darunter auch eine solche aus Deutschland, 
welcher die Äufhebung aller Landesgre nzenunddie 
Verbrüderung der Völker verkündete. Dann unter⸗ 
nahmen mehrere Redner, die aber auf die Zuhörer⸗ 
schaft nur geringen Eindruck machten. eine wüste 
Kritik des jetzigen Regimes, gewürzt mit den üb— 
ichen Schmähungen gegen Gambetta, „den Tyran— 
— 
Saale nicht eher still, als bis Louise Michel in 
ihrer leidenschaftlichen Weise das Wort ergriff, ihr 
Evangelium von der allgemeinen Umwälzung über 
Leichen und Blutlachen hinwegpredigte und den 
„Baͤnditen“ Gambetta für vogelfrei, „hors la loi 
thors INHumanité“ ertlärte. Je mehr sie sich er— 
eiferte, desto wüthender brüllte die fanatisirte Menge 
Beifalt. Die Resolutionen liefen im Wesentlichen 
auf die Nothwendigkeit, Gambetta und das Mini— 
tterium in Anklagezustand zu versetzen, hinaus. 
Man schien im Saale zu erwarten, daß Louise 
Michel ihre Freunde zu der Promenade nach dem 
Elysée auffordern würde; allein der Anblick der 
zahlreichen längs der rus de la Donane bis zur 
place de la République aufgestellten Stadtsergean⸗ 
sen mochte den streitbaren Patrioten denn doch 
einige Bedenken eingeflößt haben, da sie es vor— 
zogen, ganz geräuschlos auseinanderzugehen. 
Der russische Kaisser weilt seit dem 18. d. 
M.in Gatschina. Petersburg gilt für unsicher. 
Koslow entfaltet rastlose Thätigkeit. Die kaiser— 
lichen Schlösser, die Bahnhöfe und die ftädtischen 
zahlreichen Brücken, deren innere Wölbungen Nachts 
erleuchtet sind, werden besonders streng überwacht. 
Großes Aufsehen erregt, daß fast alle Generäle zu 
gleicher Zeit in Petersburg versammelt sind. 
Die rußsische Regierung bemüht sich in jüngster 
Zeit immer mehr und mehr, die Verhandlungen 
über die Modifikation des Asylrechts und 
wegen Auslieferung politischer Verbrecher in ein 
rascheres Tempo zu bringen. Die gegenwärtige 
Reise des russischen Botschafters bei der französischen 
Republikt, Fursten Orlo w, nach Petersburg hängt, 
wie man zu wissen glaubt, ausschließlich mit diesem 
Gegenstande zusammen. Fürst Orlow wird dem 
Petersburger Kabinet die Ansichten der franzoͤsischen 
Regierung näher auseinandersetzen und neue In⸗ 
struͤctionen personlich vom Kaiser Alexander ent— 
gegennehmen. Der Fürst bleibt nur einige Tage 
in Petersburg und kehrt alsdann direkt nach Paris 
zurück. Auf dem Rückweg ist nur noch eine Zu⸗ 
ammenkunft mit dem Fürsten Bismarck in Au⸗sicht 
zenommen. Seit geraumer Zeit schon ist Fürst 
Srlow mit dem deutschen Reichskanzler sehr befreundet. 
Er gehört sogar, wie man weiß, zu den Intimen 
der Familie Bismarck. 
London, 17. Ott. In Limerik (Irland) 
anden gestern Ruhestörungen statt. Die Menge 
zriff wiederholt die Polizei und die Truppen an, 
velche von den Waffen Gebrauch machten und die 
Ruhestörer zerstreuten. Beiderseits sind viele Ver⸗ 
vpundungen vorgekommen. 20 Personen wurden 
verhaftet. Auchs'in Dublin sind am Samstag 
ruhestorende Kundgenungen vorgekommen. Die Polizei 
erstreute jedoch die Menge. 
Man schreibt dem „Deutschen Mont.⸗Bl.“ aus 
rdondon: Die Expedition der „Freiheit“ — 
Rost's Organ — die einstweilen von seinen Ver— 
retern herausgegeben wird, versendet soeben, auch 
inter mannigfachster Emballirung, nach Deutsch— 
ind ein Fluͤgblatt, welches von den „Genossen“ 
nenergischster Weise Wahlenhaltung am 27. 
)ttober fordert und sie davor warnt, mit den po— 
tischen Gegnern zu paktiren. Zudem gebe es 
tzi in Deuischland, — seitdem Most in England 
eot — keinen vertra uenswürdigen sozialistischen 
zührer. Soviel aber die bis jetzt aus den Wahl— 
reisen mit stark sozialistischen Neigungen vorliegen⸗ 
en Nachrichten erkeunen lassen, wird die Mahnung 
der Freiheit: „Wahlenthaltung“, schwerlich Beach— 
ung finden. 
In Irland wurde nun auch der zweite Haupt⸗ 
etzer der Landliga, John Dillon, Mitglied des 
Zzaͤrlaments, verhaftet und nach dem Gefängniß 
eilmainham abgeführt. Ferner verhaftet wurde 
)Brien, Redakteur des „Irishman“, der De— 
utirte O'Kelly, während der Deputirte Healy 
ich der Verhaftung durch die Flucht entzogen hat. 
Rom, 15. Okt. Die „Agencia Stefani“ sagt 
ber den Handelsvertrag mit Frank— 
eich: Die Regierung setzt die Verhandlungen mit 
rrankreich fort. Sie hat den Wunsch, den Ab— 
hluß durch billige, beiden Theilen annehmbare 
zedingungen zu beschleunigen. Die dreimonatliche 
zerlängerung des bisherigen Vertrages könne als 
zeweis eines günstigen Verlaufes angesehen werden. 
Washington, 15. Ott. Der deutsche Ge⸗ 
undte von Schlözer ist von dem Präsiden- 
en Arthur in Audienz empfangen worden und 
rückte demselben das Beileid des deutschen Kaisers. 
es Kronprinzen und des Fürsten Bismarck anläß- 
sch des Todes des Präsidenten Garfield aus. — 
die französischen und deutschen Gäste, welche zur 
heilnahme an den Festlichkeiten in York— 
»w n hier eingetroffen sind, wurden gestern auf 
em Kapitole von dem Präsidenten Arthur und 
tichtern des obersten Gerichtshofes und bürgerlichen 
nd militärischen Notabilitäten empfangen und be— 
aben sich darauf zu dem Senat, welcher seine 
Sitzung suspendirte. Später fand das zu Ehren 
zer Familie Steuben veranstaltete Diner statt. Am 
Ibend waren die Häuser der Stadt festlich illuminirt. 
Washington, 15. Okt. Guiteau wurde 
zestern dem Gerichte vorgeführt unter der Anklage 
der Ermordung Garfields. Guiteau bekannte sich 
nicht für schulbig. Der Gerichtshof bewilligte auf 
Antrag des Vertheidigers eine Vertagung bis zum 
7. Nobember. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*æ St. Ingbert. Die Herbst-Kontroll— 
ßersammlungen pro 1881 finden für den 
R.Kompagnie-Bezirk Blieskastel, Land— 
vehrbezirks Zweibrücken, statt zu St. Ingbert 
m Oberhauser'schen Saale am Mittwoch, den 
.November, Vormittags 9 Uhr, für 
mmiliche Kontrollpflichtigen des Bürgermeisteramtes 
5t. Ingbert; zu Ensheim im Fries'schen 
zaale Donnerstag, den 10. November, 
Rormittags 10 Uhr, für sämmtliche Kontroll— 
flichtigen der Bürgermeisterämter Aßweiler, 
zebelsheim, Ensheim, Niederwürzbach 
ind Ommersheim,; zu Blieskastel auf dem 
Narktplatze Freitag, den 11. November, 
zormittags 9 Uhr, für sämmtliche Kontroll⸗ 
flichtigen der Bürgermeisterämter Blieskastel, 
»erbitzheim, Rohrbach und Walsheim. Die 
rontrollpflichtigen haben bei diesen Versammlungen 
iieselben Vorschriften zu beobachten, wie schon 
rüher, und können wir darum von dem Abdrucke 
er letzteren wohl abstehen. 
* St. Ingbert, 18. Okt. Dieser Tage ge⸗— 
angte an den Vorstand des hiesigen Gewerbevereins 
ine Zuschrift des Gewerbevereins Zweibrücken, in 
velcher um Aufschluß darüber ersucht war, wie sich 
munserer Stadt der Verein gegen Hausbettelei 
ewährt habe. Wie wir hören, wird die günstige 
ẽrfahrung, die man hier mit diesem Verein gemacht 
sat, den Gewerbeverein in Zweibrücken bewegen, 
juch in dieser Stadt zur Gründung eines Vereins 
jegen Hausbettelei die Initiative zu ergreifen. 
— Wie in Kaiserslautern, Zweibrücken u. a. 
Irten, soll auch in Landau ein Kinder— 
jarten nach Fröbel'schem Shystem ins Leben 
jerufen werden. Zur Gründung dieses Institutes 
ind bereits Schritte geschehen. 
Wic or p. Hig. mitgetheilt wird, har 
ie Familie des früheren Regierungspräsidenten der 
Pfalz v. Stengel dem Bürgermeisteramte der 
Stadt Speyer 300 Mark zur Vertheilung unter 
die Armen übergeben. 
— Vom Rhein, 14. Oktbr. Am 4. Nov. 
nächsthin kommt vor dem Civilsenate des Reichs- 
gerichts in Leipzig ein Fall zur Entscheidung, der 
ür das pfälzische Bahnpersonal von größter Be— 
eutung ist. Es kommt bei dieser Sache die Frage 
mplieite zum Austrage, ob die Bahnverwaltung 
ꝛine unbeschräntte Disciplinargewalt über ihr 
Dienstpersonal besitzt, und ob sie bei jedem Ver— 
gehen schon die höchste Strafe der Dienstentlassung 
iussprechen kann, oder sich an eine Strafscala zu 
jalten hat. Das Landgericht Frankenthal hat in 
erster Instanz zu Gunsten des Klägers, eines 
wegen ungeziemenden Benehmens gegen Passagiere“ 
entlassenen Eisenbahnschaffners, und das Oberlandes⸗ 
zericht Zweibrücken hat zu Ungunsten des Klägers 
ntschieden, demselben alle Entschädigung ab⸗ und 
die Gerichtskosten zugesprochen. Man sieht dem 
Ausgange des Prozesses mit großer Spannung 
entgegen. (Pf. Pr.) 
Vermischtes. 
p Die Anzahl der Gesuche um Bewilligung fa— 
ultativer Staatsbeiträge zu Kultus und Unterrichts— 
hauten, welche keine Berücksichtigung im ba yer— 
njschen Budget finden konnten, beläuft sich auf 75; 
davon treffen auf Oberbayern 4, Niederbayern 7, 
pfalz 42, Oberpfalz und Regensburg 6, Ober⸗ 
franken 5,Mittelfranken 8, Unterfranken und 
Aschaffenburg 6. Schwaben und Neuburg 2. 
F Von der Lahn, 7. Oktober. Eine originelle 
Verfügung hat in Neustadt (Amts Rennerod) der 
Hgemeinderath erlassen. Derseibe hat nämlich durch 
ie Klingel bekannt machen lassen, daß der Name 
edes Bewohners von N., welcher bis zum 15. 
Iftober seine Kommunal-Umlagen nicht entrichtet 
jabe, in den Wirtschaftslokalitäten des Ortes öffentlich 
ingeschlagen werde. Außerdem soll den Wirthen bei 
Strafe von drei Mark verboten sein, den genannten 
Zzündern geistige Getränke zu verabreichen. Mehr 
ändlich als sittlich! 
—Gie reichsten Leute in Preußen.) Die offizielle 
Nachweisung der Einkommensteuer gibt folgende 
Auftlärung über die reichsten Leute in Preußen: 
In der 67. Stufe, bei einem Einkommen von 
2,340,000 bis einschließlich 2, 400,000 M. und 
inem jährlichen Steuersatz von 70,200 MA, gibt 
s nur eine Person, und zwar den Freiherrn v. 
stothschild in Frankfurt a. M., in der 68. Stufe 
nit 68,400 A. Steuer ebenfalls eine Person im 
stegierungsbezirk Wiesbaden (wie man glaubt, Ban— 
suier Erlanger in Frankfurt a. M.) Es folgen 
odann im Regierungsbezirk Düsseldorf Krupp mit 
59, 400 M. (in der Gründerzeit war Herr Krupp 
»em Baron v. Rothschild „über“), eine Person mit 
39,600 A6G im Regierungsbezirk Oppeln (v. Thiele⸗ 
Winkler), eine Person mit 34,200 M in Berlin, 
ind zwar der jüngst verstorbene Commercienrath 
dZeckmann, je eine Person mit 32, 400 A. Steuer 
n Berlin (v. Bleichröder), und im Regierungsbezirk 
Ippeln (Graf Henckel von Donnersmarck); je eine 
Person mit 30,600 Ac in Berlin Gorssig'sche Er⸗ 
»en) und Breslau; zwei Personen mit 27,000 Ach 
ine Person mit 23,400 AM. im Regierungsbezirk 
Münster; eine Person mit 21,600 A in Berlin 
ind drei Personen im Regierungsbezirk Köln (Frhr. 
o. Oppenheim, Graf Fürstenberg und Haniel) ⁊c. 
f In Preußen hat der Minister der öffent⸗ 
iichen Arbeiten die königl. Eisenbahn-Direktionen 
rmächtigt, die Fenster der 3. Wagenklasse mit Vor—⸗ 
zängen von ungebleichter Leinwand zu versehen. 
Diese Verfügung wird ganz gewiß allseitige Befrie— 
digung hervorrufen. Mancher wird freilich denken, 
diesen Sommer schon wäre diese Verfügung nöthig 
—V—— 
dieselben gekommen sein. 
Aus Görlitz (Preußen) wird berichtet, daß 
die dortige Gewerbeschule ohne einen einzigen 
Schüler das neue Schuljahr eröffnete. Der sonder— 
are Zustand ist dadurch veranlaßt, das der Cultus— 
ninister die schon seit einem Jahre beantragte Auf⸗ 
jebung dieser Schule bis jetzt noch nicht genehmigt hat. 
F Gelehrte Ochsen.) „Unbegleitetem Vieh 
sst dieser Weg verboten“ (COhemin interdit auxr 
estiaux non accompagnés) lasen wir auf einer 
Warnungstafel bei Dijon. Lafontaine hat sich be— 
mügt, die Thiere reden zu lassen; die Gemeinde— 
zehörde von Le* hei Dijon setzt voraus, daß sie 
zuch lesen können.