St. Ingberler Anzeiger.
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöͤchentlich mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungeblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei
lage) erscheint woͤchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonutag. Der Abonnementspreis betragt vierieljährlid
4 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 A 60 H, einschließlich 4a0 Zustellgebuhr. Anzeigen werden mit 10 —, von Auswaͤr
mit 13 2 fur die viergespaltene Zeile Blatischrist oder deren Raum, Reclamen mit 30 — pro Zeile berechnet.
M 19.
Dienstag, den 1. Februr
1881.
Deutsches Reich.
(Bayerischer Landtag.) Der Gesetzentwurf zur Aus—
suührung des Reichsgesetzes gegen die Viehseuchen ist am 29.
Mis. in der Sitzung des betr. Kammerausschusses zur einstimmigen
Annahme gelangt. Derselbe hat durch den Ausschuß nur eine
ainzige, aber im Interesse der Landbevölkerung überaus werthvolle
Ibanderung von prinzipieller Tragweite erhalten. Während nach
zem Regierungsentwurf die Entschädigung für wegen Rozzrankheit
der Lungenseuche getoödtete oder an diesen Krankheiten gefallene
Thiere von den betreffenden Viehbesitzern innerhalb des Regierungs-
reises getragen werden sollte, hat der Ausschuß sich einstimmig
zafür erklärt, daß wie in allen übrigen Fällen auch in diesen die
Siaatskasse zu entschädigen hat. Selbstverständlich wurde von dem
hertreter des Finanzministeriums diese weitere Ueberbürdung des
Finanzärars in einem auf 150- bis 200,000 Mt. geschätzten Be⸗
rage lebhaft bekämpft; aber die einstimmige Annahme im Aus⸗
chuß darf wohl als Bürgschaft dafür gelten, daß das in diesem
punkte den ländlichen Interessen bewiesene Entgegenkommen Ge⸗
etzeskraft erhält.
Unsere Kammer der Abgeordneten ist nach ihrer am 26. Jan.
tattgehabten zweiten kurzen Sitzung wieder auf unbestimmte Zeit,
ielleicht auf 8 oder 10 Tage, in „ruhender Aktivität“. Dieser
abnorme Zustand rührt großentheils daher, daß alle, selbst die ein⸗
fachsten, Gesetze, wie z. B. die Körordnung an eigene Ausschüsse
—
u werden. Eine Aenderung wäre hier im Interesse der Steuer—
zahlenden dringend geboten.
Dem Bundesraih ist vom Reichskanzler der Gesetzentwurf über
Bestrafung der Trunkenheit vorgelegt worden. Strafe bis zu
00 Mark oder bis zu 2 Wochen Haft wird darin dem angedroht,
der „in einem nicht unverschuldeten Zustand Aergerniß erregender
Trunkenheit an öffentlichen Orten betroffen wird'; gegen gewohn—
jeitsmäßige Trunkenbolde oder solche, die in den letzten drei Jahren
schon mehrmals wegen Trunkenheit verurtheilt wurden, soll nur
nuf Haft bei geschmälerter Kost (das heißt Wasser und Brod am
l. 8., und 7. Tag der ersten und an jedem 7. Tag der folgenden
Wochen) erkannt werden. Wer sich aber „in einen bis zur Aus⸗
chließung der freien Willensbestimmung gesteigerten Zustand von
Trunkenheit versetzt und in demselben eine Handlung begeht, welche,
venn in freier Willensbestimmung begangen, seine strafrechtliche
Verurtheilung zur Folge haben würde“, der soll, wenn diese Ver—
artheilung auf Tod oder lebenslängliche Freiheitsstrafe lauten müßte,
mit Gefängniß nicht unter einem Jahr, bestraft werden; in allen
anderen Fällen soll er eine Strafe erhalten, welche sich zwischen i
des Mindestbetrages (doch nicht über 6 Monate) und Vs des Höchst⸗
zertages (doch nicht über 8 Jahre) der für die in freier Willens⸗
hestimmung begangenen That angedrohte Strafe bewegt; an die
Ze von Zuchthaus tritt in diesem Fall Gefängniß von gleicher
auer.
Drie Cisenbahnkommission des preußischen Abgeordneten⸗
jauses hat den wichtigen Beschluß gefaßt, die Regierungsvorlage,
hbetreffend den Ankauf der Rhein⸗Nahebahn, einstimmig abzulehnen.
Sie entschied sich aber für die Annahme des vom Abgeordneten
dammacher und der Subkommission entworfenen Gesetzes, wonach
jede Eisenahnverwaltung, wenn das Interesse der Landesvertheidig⸗
ung es erfordert, von der Staatsregierung verpflichtet werden kann.
die nothwendigen Bahnanlagen, insbesondere das Legen zweiter Ge—
leise vorzunehmen.
Die im preußischen Volkswirthschaftsrath stattgehabte Ge⸗—
neraldebatte über das Arbeiter-Versicherungs-Gesetz hat ergeben, daß
die große Majorität dem Prinzipe des Entwurfs sich angeschlossen hat.
Im prenßischen Abgeordnetenhaus bezeichnete der Finanz⸗
minister die Finanzlage Preußens als eine guͤnstige. Die Mehr—
einnahmen im Betrage von 16 Millionen während der ersten 7
Monate seien bis zum Schlusse des dritten Quartals auf 22 Mil⸗
lionen gestiegen. Ebenso hätten sich die Reichseinnahmen vom
Oktober in unerwarteter Weise gesteigert. Der von der Regierung
vorgeschlagene Steuernachlaß könne daher ohne jede Gefahr eintreten.
In militärischen Kreisen macht ein Artikel eigenthümliches
Aufsehen, den das eigentliche Organ des preußischen Kriegs⸗
ministeriums, das „Militärwochenblatt“, dieser Tage gebracht.
In der Form einer rein sachlich⸗militärischen Polemik gegen einen
joldatischen Schriftsteller, welcher bei der Ausbildung der Mannschaften
die Uebung des Bajonett-Gefechtes als durchaus überflüssig beseitigt
wissen wollte, wird in dem genannten Blatte der deutschen Armee
die Nothwendigkeit zu Gemüthe geführt, die seelische Eigenschaft
des Soldaten und vor Allem den offensiven Geist nach besten
sträften zu fördern. Es heißt darin wörtlich: „Denn mögen wir
uns im nächsten Kriege nach Osten und Westen oder nach beiden
Seiten zu wehren haben: ein Kampf steht uns bevor, gewaltigerer
Art als wohl je, ein Kampf um die nationale Existenz auf Tod
und Leben, ein Kampf, der jede Fiber, jeden Nerv auf's Aeußerste
anstrengen wird — ein riesenhaftes, langandauerndes Ringen, bei
dem wir nicht Erfolge von 1866 und 1870 erwarten dürfen, viel⸗
mehr auf harte Schläge und selbst empfindliche Niederlagen gefaßt
sein müssen. Da erst wird der volle und höchste Werth des mora—
lischen Elementes, des energischen Willens sich bethätigen. Mögen
wir dann nicht vergeblich an den Geist des Heeres appelliren; möge
man uns nicht einer Unterlassung zeihen, nicht mit Fug von uns
sagen dürfen: dann rufen sie den Geist an in der Noth und wun⸗
dern sich, wenn er sich weigert, zu erscheinen.“ Welche faktische
Unterlage diese an so autoritativer Stelle gemachten Bemerkungen
haben, ist vielfach Gegenstand der Eröterung.
Der Bundesrath hat beschlossen, die Eingaben gegen die
Concurrenz der Tabakmanufactur in Straßburg ablehnend zu
bescheiden.
Ausland.
Dem „Temps“ zufolge legte Chili folgende Friedensbe⸗
dingungen Peru und Bolivia auf: Abtretung von Autofagastas mit
dem zugehörigen Gebiet, Uebergabe der verbündeten Flotte, Zahlung
von 500 Millionen seitens Perus und 250 Millionen seitens
Bolivias. Bis zur vollständigen Bezahlung besetzt Chili Callao
ind beutet die Guanofelder, die Kupfer und Salpeterminen für
eine Rechnung aus.
Vermischtes.
*. St. Ingbert. Am Sonntag Abend hielt der „Ge⸗
werbeverein“ im Saale des Wirthes Schweitzer auf dem Höfchen
eine sehr zahlreich besuchte Versammlung ab. Der Abend war
theils der heitern Unterhaltung, theils der Belehrung gewidmet.
In einem kurzen Vortrage sprach der II. Vorstand, Herr Schl.,
uͤber geographische Entfernungen. Er nahm dabei Gelegenheit,
die Mitglieder des Gewerbevereins einzuladen, dem am nächsten
Sonntage stattfindenden Vortrage des Hrn. Professors Robert
von Schlagintweit doch ja recht zahlreich beizuwohnen.
Was den musikalischen Theil des Programms anbelangt, so ist
jervorzuheben, daß sich die Leistungen der Sänger in sehr aner—
ennenswerther Weise vervollkommnet haben. Besondern Beifall
fand das komische Terzett: „Die Drillinge.“ Auch der Schwank
„Einträchtige Hausgenossen“ wurde recht qut durchgeführt und bei—
ällig aufgenommen.
— An einem der nächsten Abende wird dahier das Künstler⸗
zaar, die Opernsängerin Frau Müller-Foetssch und der Opern—
änger Hr. Francius Müller wiederholt eine Vorstellung geben.
Dasselbe hat sich durch seine Leistungen am verflossenen Mittwoch
zu diesem zweiten Auftreten dahier bereits bestens empfohlen. Frau
Müller-Foetsch ist eine stattliche fesselnde Bühnenerscheinung,
deren künstlerisch geschulter Sopran eine hinreißende Wirkung besitzi.
Ihr Vortrag hält sich immer auf der Höhe der Kunst. Wenn Hr.
F. Müller neben ihr und durch sie nicht vollständig in den
Schatten gestellt wird, sondern im Gegentheil ebenfalls noch Erfolge
zu erringen vermag, so ist das ein Beweis für die Trefflichkeit
seiner Leistungen. Es kann nicht unsere Absicht sein, hier nach—
träglich kritische Bemerkungen über das Auftreten des Künstlerpaares
am letzten Mittwoch zu machen. Für den, der damals Augen—
und Ohrenzeuge desselben war, ist eine weitere Empfehlung über—
düssig; er wird sich auch zum zweiten Male einen Genuß nicht
ntgehen lassen, der uns hier in so künstlerischer Vollkommenheit