Full text: St. Ingberter Anzeiger

xondon, 16. Roob. (Aus Irrand) meider 
der Telegraph einige agrarische Gewaltthätigkeiten 
welche beweisen, daß trotz der strengen Handhabun 
der Zwangsgesetze die Wacht der Landliga noch nich 
ganz gebrochen ist. Am vorigen Samstag Abend 
kurz nach 8 Uhr betraten fünf vermummte und mil 
Gewehren bewaffnete Männer das Haus eines Pächters 
Namens Thomas Colvin in Dooneen, unweit Gastle⸗ 
Island, Grafschaft Kerry, und fragten ihn ob er 
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nöthigten sie ihn, niederznknieen, und fragten ihn, 
ob er es vorziehe, erschossen zu werden oder daß ihm 
die Ohren abgeschnitten werden. Er erwiderte, er 
wolle lieber sterben als verstümmelt werden. Die 
Vösewichte feuerten hierauf mehrere Schüsse anf den 
Unglücklichen ab und verwundeten ihn in der Hüfte. 
Dann begannen sie, ihn mit den Kolben ihrer Ge⸗ 
wehre zu bearbeiten und hielten erst inne, als die 
Mutter Colvins sich auf den Körper ihres Sohnes 
warf, um denselben gegen weitere Mißhandlungen 
zu schützen. Aus Killavullen, Grafschaft Cork, wird 
eine ähnliche Ausschreitung berichtet. — John Tobin, 
der Fenier, in dessen Haus in Bradford die Polizei 
Revolver, Schießbedarf und hochverrätherische Schrift⸗ 
stücke beschlagnahmte, hatte gestern vor dem Poli— 
zeirichter von Bradford sein erstes Verhör zu be— 
stehen. Wie schon erwähnt, ist Tobin ein rühriges 
Mitglied einer gewissen Brüderschaft“, welche die 
Herstellung einer irischen Republik bezweckt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 18. Nov. Das gestern 
Abend im „Hotel zur Post“ stattgehabte Ab— 
schiedsessen zu Ehren des von hier scheiden— 
den Herrn Notärs K. Auffschneider war, 
wie nicht anders zu erwarten, sehr gut besucht, ein 
sicherer Beweis von der allseitigen Beliebtheit, die 
sich der betreffende Herr hier zu erfreuen hat. Nach 
dem ersten Gange ergriff Hr. Kaufmann Fischer 
das Wort, indem er zunächst dem Bedauern Aus— 
druck gab, den nun bald Scheidenden, der uns als 
Beamte und Mensch gleich werth geworden sei, 
verlieren zu müfssen. Doch sei es auf der anderen 
Seite angenehm, denselben in seiner Beamtenlauf⸗ 
bahn weiter aufrücken zu sehen. Auch an seinem 
neuen Wirkungsorte werde sich Herr Auffschneider 
sicher bald die Liebe und Hochachtung seiner Mit— 
bürger erwerben und es werden ihn dahin von 
hier aus die besten Glückwünsche begleiten. Herr 
Notär Auffschneider dankte später für die ihm ge— 
wordene ehrenvolle Anerkennung und betonte dann, 
daß auch ihm St. Ingbert während seiner öjäh—⸗ 
rigen Wirksamkeit in demselben lieb geworden 
sei; das Scheiden werde ihm darum nicht so 
ieicht und immer werde er mit Liebe der Stadt 
St. Ingbert und der daselbst verlebten Tage ge— 
denken. — Manches Glas wurde während des 
Abends auf das Wohl des Scheidenden geleert und 
in ungezwungener froher Unterhaltung, die zum 
guten Theil auf Rechnung der vorzüglichen Leist⸗ 
ungen von Küche und Keller des Herrn Conrad 
gesetzt werden muß, verflossen nnr zu schnell die 
Stunden. 
Zweibrücken, 15. Nob. Sicherem Ver—⸗ 
nehmen nach hat die Aktienbrauerei Tivoli da⸗ 
hier ihr Geschäftsjahr 1880/81 in günstiger Weise 
abgeschlossen, so daß die nächstens stattfindende 
Generalversammlung fich wieder einmal mit dem 
leider außer Uebung gerathenen Geschäft des Ge⸗ 
winnvertheilens wird zu befassen haben. Die gün⸗ 
stige Wendung verdankt man der neuen Verwal⸗ 
lung, deren vom Erfolg begünstigte Thätigkeit auch 
noch den Vorzug der Billigkeit hat. Das jüngste 
Jahresergebniß ist geeignet, die Zweifel an der 
Lebensfähigkeit des Unternehmens völlig zu ver— 
scheuchen. (Zw. Zig.) 
— Zweibrücken, 17. Nov. Das hiesige 
Oberlandesgericht hat am 15. d. M. erkannt, daß 
der Vollstreckungsbefehl im Mahnverfahren keine 
Urtheilshypothet begruͤnde. Diese höchst bestrittene 
Frage wäre demnach zum ersten Mal in der Be— 
rufungsinstanz entschieden worden; das Urtheil 
des Landgerichts zu Frankenthal wurde hierdurch 
reformirt. (Zw. Zig.) 
— In Siegelbach hat ein Wähler in der 
Hitze des Gefechts statt des Stimmzettels einen 
Waldfrevelschein in die Urne gelegt, jedenfalls eine 
frevelhafte Abstimmung! 
— Aus Breitenbach wird berichtet, daß 
dort eine Frau verhaftet wurde, welche acht Wochen 
auch ihrer Hochzeit ein Kind geboren hat und oas— 
selbe aus Furcht vor ihrem Manne in den Abort 
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— Wie der „D. Anz.“ hört, ist der wegen des 
im Sonntag in Wachenheim verübten Mordes bezw. 
Todtschlages des Schreinergesellen Gentsch mit in 
Antersuchung gezogene Ernst Peter, Maurer aus 
Brethen, welcher gleichfalls gestochen wurde, seinen 
Wunden in Frankenthal, wohin er verbracht war, 
erlegen. 
— Zu der gegenwärtig in Speyer stattfin— 
denden Prüfung für den Einjährig Freiwilligen⸗ 
dienst sind 24 Candidaten erschienen. Für den 
eutschen Aufsatz waren folgende Themata gegeben: 
l. Warum kann der Herbst als das Bild des dem 
ende sich zuneigenden menschlichen Lebens gelten? 
2. In wiefern sind Kenntnisse Reichthum zu nennen? 
3. Mit welchem Rechte sagt Herder: „Lerne 
schweigen, o Freund; dem Silber wohl gleichet die 
— zur rechten Zeit schweigen ist lauteres 
old?“ 
Vermischtes. 
FSaarbrücken, 17. Nov. Der kurzilich 
auch im „Anz.“) erwähnte Hexenprozeß 
uus Malstatt-Burbasch fand heute vor dem 
Schöffengericht hier ein rasches Ende. Bekanntlich 
jatte ein Ehepaar aus genannter Stadt behauptet, 
ein Säugling sei durch die Ehefrau des Haus— 
eigenthümers, bei welchem sie wohnten, behext ge⸗ 
vorden, das Weib habe es dem armen Wurm „an⸗ 
zethan“. Ferner hatten die Eheleute bei ihrer 
amtlichen Vernehmung deponiert und auch allen 
dachbarn erzählt, sie seien im katholischen Pfarr⸗ 
saus zu St, Johann gewesen und der dortige 
Pastor und Kaplan hätten zur Bannung der Hexe 
»as Manöver mit dem hinter die Thüre gestellten 
Zesen angerathen. Die als Here bezichtigte Frau 
var infolge dessen beschimpft worden und sämmt— 
iche Hausleute zogen aus dem verrufenen Hause 
mus. Frau und Mann haben deßhalb Klage we— 
sen Beleidigung und Vermögensbeschädigung er— 
joben, über welche verhandelt wurde. Der Be⸗— 
lagte sammt seiner Frau räumten die Beleidigung 
»ein, halten aber die Behauptung aufrecht, nach den 
hm im Pfarrhaus gewordenen Instruktionen be— 
hufs Bannung der Hexe gehandelt zu haben. Es 
vird indes konstatiert, daß dies eine Unwahr⸗ 
heit sei, daß sie im Pfarrhause nur wegen einer 
Nothtaufe vorgesprochen und daß man sie dort im 
Hegentheil vor dem stupiden Aberglauben gewarnt 
jabe. Der Vorsitzende, Hr. Amisrichter Zwicke, 
konstatierte ausdrücklich, daß das Benehmen der 
atholischen Geistlichkeit im konkreten Falle ein 
urchaus angemessenes und takt— 
»olles war, und stellte betreffs Ermitelung 
)esjenigen, welcher das beklagte Ehepaar zu einer 
olch lügnerschen Aeußerung veranlaßt habe, eine 
veitere Untersuchung in Aussicht. Für heute wurden 
die angeklagten abergläubischen Leute für schuldig 
im Sinne der Anklage befunden und Mann und 
Frau zu je 8 Tagen Gefängniß verurtheilt. Die 
Ztaatsanwaltschaft hatte gegen ersteren 14 Tage 
Befängniß beantragt, mit Rüchsicht auf die Schwere 
»er Beleidigung angesichts der abergläubischen Be— 
»ölkerung und in Betracht der dem klägerischen 
Ehepaar entstandenen Vermögensentschädigung, 
zurch Leerstehen des von allen Miethern verlassenen 
dauses, das förmlich in Verruf gekommen ist, und 
ür welches sich sobald neue Miether nicht finden 
dürften. (Saarbr. Ztg.) 
F Frankfurt, 16. Nov. Eine verrätherische 
Visitenkarte. Der Reisende eines großen Magde⸗ 
urger Geschäftshauses der sich wochenlang in Frank⸗ 
urt und Umgegend aufzuhalten hatte, schickte vor⸗ 
zestern, hier angelangt, seinem Chef durch Eilboten 
zine kurze aber wichtige Mittheilung zu, die er rasch 
— wie er glaubte — auf seine Visitenkarte schrieb. 
Der Chef war einigermaßen verwundert, daß die 
hetreffende Nachricht auf eine Karte geschrieben war, 
velche die Adressr einer Dame trug und auf 
velcher die Worte standen: „Liebster Theodor, sei 
morgen Abend in Deinem Hotel, ich komme um 7 
Ahr zu Dir.“ Im Comptvoir erregte diese Karte 
nicht geringe Heiterkeit, aber wenige Stunden später 
rfuhr von der Sache durch Einen aus dem Geschäft 
auch die Frau des Reisenden, die, schon längst an 
der Treue ihres Gatten zweifelnd, rasch entschlossen 
mit dem nächsten Zuge nach hier abreiste und gestern 
spät Abends nach ihrer Ankunft in Frankfurt sich 
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wie sie wußte, wohnte. Ihre Behauptung, daß 
die Frau des Reisenden X. sei, begegnete zunäch 
einigen Zweifeln bei dem Wirthe, welcher erwiderte 
daß seines Wissens Herr X. allerdings beweibt sei, 
aber heute Abend, wie immer bei seinem Abstieg 
im Hotel, seine Frau mitgebracht habe. Die Frau 
wies dem Wirthe nach, daß sie die legitime Gattin 
sei; sie wurde daher auf ihr Verlangen in das 
Zimmer ihres Gatten geleitet und überraschte dorl 
den sauberen Ehemann in Gemeinschaft mit seiner 
hiesigen Geliebten. Die Folge war eine Scene 
von solcher Heftigkeit, daß die Polizei einschreiten 
und Ruhe gebieten mußte. Die betrogene Frau 
reiste am andern Morgen wieder ab und wird selbst⸗ 
verständlich Scheidung beantragen. 
4Frankfurt, 17. Nov. Theurer Irrthum. 
Gestern Morgen fehlte ein Schöffe, weßhalb er in eine 
Geldstrafe von 50 M. genommen wurde, heute stellte sich 
einer zu viel ein. Drei Bürger stritten sich um die Ehre, 
den curulischen Stuhl einnehmen zu dürfen, und 
als der Amtsrichter ihre Namen feststellte, ergab 
iich, daß der gestern wegen Versäumniß bestrafte 
Schöffe heute erschienen war. Der Irrthum in dem 
Datum kam somit dem Manne theuer zu stehen. 
Rhein-Nahe-Eisenbahn. Der 
Hherwaltungs-Ausschuß wird, wie die Frkf. B.⸗s u. 
d.⸗Z.“ mittheilt, in den nächsten Tagen eine 
außerordentliche Generalversammlung auf den 22. 
Dezember c. einberufen, deren einziger Gegenstand 
die Beschlußfassung bildet über die neuerdings von 
der Staatsregierung gemachte Offerte betreffend den 
llebergang des Rhein⸗Nahe-Unternehmens auf den 
Staat. 
Eine schöne Sitte. Köln, 31. Nov. Wie 
eit 31 Jahren, fand auch gestern die Speisung 
»on 72 Greisen, zum Andenken an die vor 31 
Jahren erfolgte Erhebung des verstorbenen Erz bi— 
chofes Johannes v. Geissel zur Kardinalswürde, 
um 1 Uhr Mittags im großen Saale des Hotel 
Metz statt. Sämmtliche geladenen 72 Greise— 
welche ein Gesammtalter von 5224 Jahren oder 
ein Durchschnittsalter von 72 Jahren 673 Monaten 
zarstellten, waren erschienen. 
F (Ein edler Mann.) Je scheinheiliger 
ichtscheue Gesellen über die Gefühlsarmuth unserer 
geit winseln, desto mehr muß man jeden einzelnen 
zug edler Hochherzigkeit notiren. So ist jüngs 
‚as Testament eines Mannes bekannt geworden. 
zas eine Reihe von Vermächtnissen enthält, welche 
n wahrhaft humaner Weise die Noth der Armen 
ind Leidenden bedenken. Der Testirer, Kaufmann 
zauer aus Nürnberg, hat sich damit ein unvergeß— 
iches Andenken gestiftet. Unter den zahlreichen 
ꝛegaten befinden sich 100,000 Mk. zu Schul- und 
Wohlthätigkeitszwecken des Marktfleckens Redwitz; 
20,000 Mt. zur Bildung eines für Ferien-Kolonien 
irmer Nürnberger Kinder; 20,000 Mk. zu einer 
Stiftung zum Badbesuche dienstunfähig gewordener 
türnberger Volksschullehrer; 1000 Mt. dem bayer— 
schen Lehrerwaisenstift; 2000 Mk. dem Rettungs⸗ 
zaus Veilhof u. s. w. 
fStuttgart. Großes Aufsehen macht hier 
olgender Vorfall: Ein junger Wein⸗ und Pferde⸗ 
sändler Namens Baumann hat am Sonntag den 
Obersthofmarschall am hellen Tage beohrfeigt. Ver⸗ 
mlassung zu diesem Attentate gab der Wunsch des 
Obersthofmarschalls, daß Baumann, ein Sohn des 
Obersthofkoches, sich einen andern Platz zur Aus—⸗ 
ibung seiner Reitkünste suchen möge, als die könig— 
ichen Anlagen. Der junge Baumann fühlte sich 
yb dieser Zumuthung tief gekränkt, und sein etwas 
tark sozialdemokratisch angehauchtes Gemüth for⸗ 
herte „gleiches Recht für Alle“ — wogegen der 
Ibersthofmarschall kurz und bündig entschied: 
Eines schickt sich nicht für Alle!“ Darauf zäumte 
Baumann seinen Klepper, ritt in die Anlagen und 
lauerte seinem Gegner auf. Als der Obersthof⸗ 
narschall herankam, drängte Baumann sich an ihn 
und — — — die Katastrophe war da. 
Der Humor des Telephons treibt oft 
seltsame Bluͤthen. Ein Berliner bedeutender Bankier, 
der mit dem neuen Apparat noch nicht allzu— 
sehr vertraut war, unterhielt sich kürzlich telephonisch 
mit einem Geschäftsfreund. Um am Schluß der 
rein merkantilen Unterhaltung noch einige Hoflich⸗ 
teiten hinzuzufügen, ruft der Bankier hinüber! 
„Man hat Sie ja schon seit einer Ewigkeit nicht 
gesehen. Was machen Sie denn?“ — „Ich war 
eine Zeit lang sehr krank,“ lautete die Antwort. 
— „So?“ entgegnete der Bankier, „Sie sehen 
aber schon wieder recht wohl aus“ ... Man kann