Full text: St. Ingberter Anzeiger

rNattenkonig. Emen eigenthümlichen Fund 
nachte, wie die „Fr. Pr.“ erzählt, neulich in der 
Begend von Hagen ein Naturfor'cher, als er, nach 
Spätlingen suchend, durch den Wald streifte. An 
einem großen Steine hörte er plötzlich ein ängst⸗ 
iches Piepen und Stöhnen, und als er näher tiat, 
eigte sich hinter dem Steine am Felsen eine kleine 
Höhle, in der er nur mit Hilfe seines Feuerzeuges 
was entdecken konnte. Zu seinem nicht geringen 
Staunen sah er hier sechs Ratten mit den Schwänzen 
zusammengewachsen, die bei dem Scheine des Lichts 
nach allen Seiten fliehen wollten und nun in ra— 
sender Geschwindigkeit sich um ihren gemeinschaft— 
iichen Mittelpunkt drehten. Nachdem er mit seinem 
Siocke einige getödtet, gelang es ihin. der anderen 
sabhaft zu werden. 
F Große Heiterkeit erregte im deutschen 
Reichstage folgende Nachricht der „Tribüne“: Ge— 
legentlich der Debatte über den Zollanschluß Ham— 
burgs hatte Abg. Windthorst die Bemerkung gemacht, 
in Hamburg bekomme man nichts geschenkt und darum 
wolle er den Hamburgern auch Nichts schenken. Vor 
»inigen Tagen hat nun Herr Windthorst ein Fäß⸗ 
hen Caviar als Geschenk von einigen ungenannten 
Verehrern aus Hamburg erhalten. 
F Eine Feldzugsfreundschaft. Im 
Feldzuge von 1870 71 hatte sich auch die sechzehn⸗ 
ährige Tochter des in Schleswig gefallenen Majors 
»on Jena der Pflege der Verwundeten in den La— 
zarethen gewidmet. Im Lazareth zu Kreuznach 
virkte das junge, im Schooße des Reichthums auf—⸗ 
gewachsene Mädchen mit Aufopferung, und als 
vislkommene Unterstützung in ihrem Liebeswerke 
erhielt sie von ihrer Mutter noch 50 Thaler monat⸗ 
lich zugesandt, die sie für ihre Pfleglinge verwandte. 
stach Beendigung des Krieges errichtete Fräulein 
»on Jena in Halle ein Mädchenstift, als dessen 
Oberin sie seitdem fungirt. Unter diesen Pfleglingen 
befand sich auch ein braver 24er, Namens L., der 
hei Mars la Tour einen Schuß in die Brust er— 
halten hatte. Dank der aufopfernden Pflege des 
Fräulein von Jena genas er und wurde als In—⸗ 
zalide in die Heimath entlassen. L., von Profession 
Bildhauer, verheirathete sich später und ist heute 
Vater von vier Kindern. Doch sein Geschäft geht 
etzt schlecht, und der arme Mann kam in arge 
Bedrängniß. Er wandte sich schließlich in seiner 
Noth an die in Berlin wohnende Mutter seiner 
Pflegerin, die in reichlicher Weise für ihn und die 
Seinen sorgte. Bald durauf aber erhielt er aus 
Hhalle ein Schreiben seiner einstigen Pflegerin, wo— 
rin diese ihm die vakante Stelle eines Portiers 
nn dem von ihr zeleiteten Stift anbot. L. nahm 
das Angebot freudig auf und fungirt seit einigen 
Tagen in seiner neuen Stellung, in welcher er mit 
seiner Familie vor Sorgen geschützt ist. 
Welche wunderlichen Blüthen das 
moderne Vereinswesen mitunter treibt, möge aus 
der ergötzlichen Thatsache erhellen, daß in Herne 
ein „Verein für unglücklich Liebende“ ins 
Leben getreten ist und bereits 14 Mitglieder zählt. 
Unter diesen befinden sich auch einige Auswärtige, 
die mehr oder weniger schwer an den ihnen von 
hartherzigen Schönen an den Hals gehängten Kör— 
ben tragen. Den Vorsitz führt ein aus mehreren, 
ihm von Amors Pfeilen beigebrachten Wunden heftig 
hlutender 532jähriger Hagestolz. 
F Neue Brillen. Durch die glänzenden Ent⸗ 
deckungen des berühmten Physiologen Douders auf 
dem Gebiete der Augenheilkunde ist die Therapie 
der Refractionsanomalien in früher ungeahnter 
Weise gefördert worden. Freilich blieben noch immer 
zahlreiche Fälle übrig, in welchen durch Krümmungs- 
beränderungen der Hornhaut des Auges von dem 
gewöhnlichen Typus abweichende Brechungsverhält⸗ 
nisse geschaffen wurden, die der Wirkung aller bis— 
her bekannten Brillen wiederstanden. Mit diesem 
Uebel behaftete Leute inußten sich nur geringfügiger 
Verbesserung des Sehens wegen langdauernden Be—⸗ 
handlungen und Operationen unterziehen. Wie wir 
einem kürzlich erschienenen Werke von Dr. Benaky 
(Du steratocone et dé sa correction par les vorres 
coniques par le Dr. Benaki. Paris, Baillière et 
fils. 1881.) entnehmrn, ist es neuerdings durch 
höchst sinnreiche Versuche dem Professor Baehlmann 
in Dorpat gelungen, in vielen Fällen dieser Art 
mittelst besonders geschliffener Brillengläser den er— 
wähnten Fehler des Auges auszugleichen. Zu den 
bisher bekannten sphärischen und cylindrischen Bril— 
lengläsern kommen jetzt hyperbolische hinzu. Ueber 
die durch diese FComhbination erzielfen hedenftenden 
sErfolge bringt das oben genannte Werk eine Reihe 
eingehender Beschreibungen. Wenn wir nun be— 
denken, daß viele hier in Betracht kommende Pa— 
fienten, die seither bis zur Hilflosigkeit augenschwach 
waren, dank diesen hyperbolischen Gläsern von Baehl— 
mann eiue beträchtliche Sehkraft erhalten, so stehen 
wir nicht an, die neue Erfindung mit Professor 
Dor in Lyon als „une nouvolle conquête pour 
l'oculistique“ zu bezeichnen. 
(Der kluge Hutmacher.) In Wien sah 
man in dem Schaufenster eines Hutmachers einen 
ichwarzen Herrenhut, der nichts außergewöhnliches 
hot. Da las man aber in dicker Schrift; „Preis 
1000 Gulden!“ Erstaunt tritt die Menge hin, um 
sich das Wunder aller Hüte anzuschauen, bis man 
hdei näherer Betrachtung ein kleines Postskript be— 
nerkte: „Wer gleich bar bezahlt, erhält 996 Guldeu 
Rabatt.“ 
Der de utsche Turnverein in Paris feierte 
am Samstag in dem Saale des „großen Orient“ 
inter lebhafier Theilnahme der vaterländischen Ko— 
onie sein achtzehnjähriges Stiftungsfest; denn 
vie der hochverdiente Präsident Dr. Eduard Meyer 
in seiner schwungvollen Festrede mit gerechter Be⸗ 
riedigung ausführte, dieser im Jahre 1863 ge— 
gründete und rasch emporgeblühte Verein hat auch 
die schwere Prüfung, welche die Ereignisse von 
1870 über ihn verhängten, glücklich, wenn auch 
nicht ohne Mühe, bestanden und kann nun aus 
eine ersprießliche und ehrenvolle Wirksamkeit von 
18 Jahren zurückblicken. Auf die Festrede folgte 
iine Reihe musikalischer und deklamatorischer Vor— 
räge, durchaus Leistungen von Mitgliedern des 
Pereins, von denen gleichwohl manche in dem an— 
pruchsvollsten öffentlichen Konzert mit Ehren hätten 
iguriren können. Ein Bankett, zu dem man ersi 
n später Nachtstunde gelangte, bildete den Schluß 
der schönen Feier. Fürst Hohenlohe war durch das 
»iplomatische Diner, welches Herr Gambetta gab, 
zu erscheinen verhindert; aber die meisten übrigen 
Mitglieder der deutschen Botschaft und der baye— 
rische Geschäftsträger nahmen an dem Feste theil. 
Aus Calais wird gemeldet, daß während des 
etziten Sturmes fast sämmtliche dortigen Fischer— 
zarken auf dem Meere überrascht wurden; viele 
qJüchteten sich nach Ostende. Von 29 fehlen bis 
jetzt alle Nachrichten. 
1.800,000 Dollats befinden sich im Unter— 
ichatzamt zu New-York, welche zur Einlösung 
von bisher nicht präsentirten Postanweisungen be— 
reit liegen. Dieser große Betrag hat sich seit 18 
Jahren angesammelt und dürfte wohl zum großen 
Theil von deutschen Auswanderern oder deren An— 
Jehörigen herstammen. New-York ist die Central— 
Jerrechnungsstelle des Geldanweisungsdienstes, se 
daß jene 1,800,000 Dollar für unerhobene Post— 
anweisungen von sämmtlichen Vostämtern des Landes 
herstammen 
Gemeinnütziges. 
Vertilgung von Holzwürmern. Die „Illustr. 
Gewerbe-Zeitung“ bringt folgendes einsache Mittel, 
die lästigen Holzwürmer aus den Möbeln zu ver—⸗ 
reiben: Das Insekt vermag den Geruch des Ben⸗ 
ins nicht zu vertragen, und sobald die Bohrlöcher 
nit der Flüssigkeit inprägnirt sind, sterben Insekten, 
ꝛdarven und Eier bald. Bei den Möheln und Holz— 
chnitzereien wendet man dasselbe Mittel an. Die 
Möbel und Holzschnitzereien, welche schon sehr von 
den Angriffen der Insekten gelitten haben, werden 
n verschließbare Räume gebracht. Wenn in ihnen 
»ei der Wärme des Sommers eine Schale mit 
Benzin verdampft ist, muß eine neue aufgegossen 
ind diese Operation so oft wiederholt werden, bis 
nan größere Mengen todter Insekten oder Larven 
indet. Um neue Holzarbeiten zu schützen, sollen 
dieselben mit einem Ueberzug von Leim versehen 
verden. Der Leim ist thierischen Ursprungs und 
es steht fest, daß das Thier nur von Vegetabilien 
ebt. Um den Leimüberzug wirksamer zu machen, 
ann man auf ein Liter der Lösung noch 2 Gramm 
Quecksilberchlorid zusetzen 
Sterbiälle. 
Gestorben: in Münsterappel die Gattin von 
Karl Bohley, Philippine geb. Reiß, 38 J. a.; 
in Sausenheim Frau Anna Maria Grün, geb. 
Michel: in Landau Jobann. 2 J. a. S.n 
Mich. Guntyer; in Speier die Diakonissin 
Barbara Gläßner; in Duttweiler Wittwe 
Amalie Luise Doll, geb. Bergdolt 45 J. a.; 
in St. Johann a. d. S. Frau Johanna Kiehl, 
geb. Peters. 
Dienstesnachrichten. 
Es wurden der int. Verweser der prot. Schulverweserjtelle 
in Blieskastel, Kaͤrl Wüst, zum Verweser, der int. Ver— 
weser der prot. Lehrerftelle in Standenbühl, Georg 
Schwartz, der int. Verweser der kath. Lehrerftelle zu 
Neualtheim, Johann Wolf, zu Lehrern ernannt. 
Neueste Nachrichten. 
Berlin, 5, Dec. Bei dem gestrigen Em 
pfang des Reichstags-Präsidiums sprach der 
saiser sein Bedauern aus, daß er den Reich« 
tag nicht habe persönlich eröffnen können. Er 
hetonte, daß die Botschaft den vollsten Ausdruck 
seiner innersten Ueberzeugung wiedergebe, daß 
er nur wünschen könne, die Arbeiten des Reichs 
tags möchten in dieser Richtung zum Heile des 
Vaterlandes und zum Wohle der Nation ihre 
Erledigung finden. 
Berlin, 5. Dec. Die Budget-Com— 
mission nahm mit allen gegen 3 Stimmen 
drei für den Kaiser-Palast zu Straßburg ge— 
forderte Posten an 
Straßburg, 5. Dee. Der Landesaus— 
schuß wurde heute eröffnet. Das frühere Prä— 
sidium, Schlumberger, Zorn, v. Bulach 
Jaunez, wurde wiedergewählt. 
Briefkasten der Redaktion. 
Wir dachten in vorletzter Nro. in Sachen Pecheur 
zegen uns unser letztes Wort gesprochen zu haben. 
Wider unsern Willen sehen wir uns aber veran— 
laßt, heute noch einmal auf Herrn Pecheur zurück— 
zukommen. Derselbe stellt nämlich in der gestern 
erschienenen Nro. 90 der „St. Ingb. Ztg.“ einen 
»on uns in Nro. 202 unseres Blattes erwähnten 
Vorfall so dar, daß es aussieht, als ob wir ihm 
Unrecht gethan hätten. Die Sache verhält sich nach 
unseren, sofort nach dem Vorfall gemachten Auf⸗ 
zeichnungen also: Am Freitag, 30. Sept., früh 
8 Uhr erschien der Drucker des Hrn. P. bei uus 
mit einem Exemplar des „St. Ingb. Anz.“, in 
dem die Annonce der kgl. Kreisbaugewerkschule ent—⸗ 
halten war, und fragte unter Ausrichtung einer 
Empfehlung und im Auftrage des Hrn. P. an, 
ob die betr. Annonce nicht vielleicht für die „St. 
Ingb Ztg.“ bestimmt gewesen sei. Nachdem ihm 
in höfl. und gemessener Weise bedeutet war, daß 
hier kein Irrthum vorliege, indem außerdem die 
betr. Annonce bisher alljährlich an den „St. Ingb. 
Anz.“ gelangt sei, stellte er das Ersuchen (!!), ihn 
das Manujskript sehen zu lassen. Als der Abge— 
sandte des Herrn P. in dieser Weise, wie wir an— 
nehmen mußten, in des Letztern Auftrag, Zweifel 
in die Wahrheit unserer Angabe setzte, riß uns der 
Beduldsfaden und wir wiesen ihn kategorisch zurecht. 
Im Weggehen drohte er noch, Herr P. werde weitere 
Untersuchung anstellen lassen. Wir wandten uns 
darauf an das Rektorat der kgl. Kreisbaugewerk⸗ 
chule und erhielten die Bestätigung, daß die betr. 
Annonce nicht durch ein Versehen an uns gelangt 
sei. Was berechtigte nun Hrn. P. zu der Annahme, 
daß dieselbe irrthümlich an uns gegangen sei? 
Konnte ihm nicht auch die Vermuthung kommen, 
daß hinsichtlich der Adresse der ihm zugegangenen 
Postkarte ein Irrthum möglich sei? Hätte übrigens 
herr P., als er das Ansuchen an uns stellen ließ, 
seinem Drucker Einsicht von dem uns vorgelegenen 
Manuskripte nehmen zu lassen, uns selbst Einsicht 
von der in seinen Händen befindlichen Postkarte 
gewährt, wir hätten ihm (natürlich nur Hrn. P. 
selbst) dann recht gerne den Auftrag des kgl. Rek— 
torats an uns zur Einsichtnahme vorgelegt. Wo 
liegt nun da taktloses Benehmen? Das zu ent— 
scheiden überlassen wir dem vorurtheilsfreien Leser, 
da wir für die Folge auf weitere Erörterungen 
verzichten. 
Far die Redaltion verantwortlich F. XR Deme