Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒSt. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 33. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 13. Febr. Die Reichsräthe ha⸗ 
en den Beschluß der Abgeerdneten, betr. Abminder⸗ 
ing der Militärlasten, nach Antrag Fries abge— 
ehnt die Bestrafung des Concubinats aber nach 
em Antrag Haubenschmied angenommen. 
München, 12. Febr. (Das Malzaufschlag⸗ 
esetz.) Das Gesetz vom 15. Dezember v. J., den 
Malzaufschlag betr, hat bekanntlich nur eine drei⸗ 
nonatliche Dauer — Januar bis März d. Is. — 
chalten, weil die Majorität der Abgeordnetenkammer 
er Ansicht war, daß die Frage über eine weitere 
hauer des erhöhten Malzaufschlags erst bei der 
Jerathung und Feststellung des Finanzgesetzes für 
nie laufende Finanzperiode zur Entscheidung gelangen 
oslte. Das ist und konnte nur in der Voraussetzung 
eschehen, daß das Finanzgesetz bis Ende März zur 
zFereinbarung und Publicierung gelangen werde; 
ach dem Stande der Arbeiten der Kammer ist 
ber jetzt ichon sehr zu bezweifeln, ob das Finanz⸗ 
eseß vor dem 1. April publizirt werden kann. 
benn das nicht der Fall ist, dann muß ein aber— 
aaliger Gesetzentwurf bezüglich des Malzaufschlags 
m die Kammern und von diesen zur Annahme ge— 
angen. Denn außerdem würde der erhöhte Malz⸗ 
ufschlag nicht weiter erhoben werden können. 
(Bayerischer Landtag.) In der Sitzung, 
nelche der zur Berathung des Antrages auf Ab⸗ 
haffung des 7. Schuljahres besonders gewählte 
lusschuß abgehalten, hat Se. Excellenz der Herr 
dinister v. Lutz, durch die sachlichen Auseinander⸗ 
tzungen unseres Abgeordneten Märcker (Bürger⸗ 
ieister in Zweibrücken) veranlaßt, wesentliche Zu⸗ 
igen zur Beseitigung der vielfach bestehenden 
lagen wegen zu strenger Handhabung der Schul⸗ 
esee gegeben. Da demnächst obige Frage im 
lenum der Abgeordnetenkammer zum Austrag 
mmt, werden diese beruhigenden Erklärungen des 
)errn Ministers, vor der Kammer wiederholt, ihre 
ute Wirkung im Lande nicht verfehlen. (3w. 3.) 
Berlin, 18. Febr. Die Angelegenheit be— 
teffend die Maincanalisation wird, sicherem Ver—⸗ 
ehmen nach, in allernächster Zeit von Preußen 
ot den Bundesrath gebracht werden, nachdem alle 
ersuche, ein Uebereinkommen mit Hessen⸗Tarmstadt 
1treffen, erfolglos geblieben ist. Damit ist 
e die Frage endailtig ihrer Entscheidung 
—X 
Berlin, 13. Febr. Die erste Strafkammer 
ees Landgerichts verurtheilte den Redakteur Klausner 
om „Vörien⸗Courier“ wegen einer Beleidigung 
es Hofpredigers Stöcker zu 300 Mark Buße. 
Der „Krieg in Sicht“ Ariilel der Berliner 
Tribime“, dessen Inhalt wir in vor. Nr. kurz da⸗ 
in angedeutet haben, daß der Krieg zwischen Rusß⸗ 
and und Oesterreich unvermeidlich sei, hat 
Ugemeine Sensation hervorgerufen. Das Be⸗ 
gerkenswertheste an dem Artikel ist, daß er aus 
zatschina (dem Aufenthalte Alexanders III.) datirt 
4. Die Nachrichten, welchen das genannte Blatt 
ese Herkunft unterschiebt, sind allerdings meistens 
uf sehr gut unterrichtete, wenn auch nicht gerade 
Gatschina zu suchende Kreise zurüchzufuͤhren. — 
twas Wahres mag demnach und muß ja 
v auch daran sein, daß die Beziehungen zwischen 
dien und Petersburg sehr gespannte sind und daß 
ner Kaiserhof die angestrengteste vermittelnde 
katigkeit zu Gunsten des Friedens entfaltet. 
denso wahr dürfte es sein, daß die „Aklion“ 
Dienstag, 14. Februar 1882. 17. Jahrg. 
von welcher der Berichterstatter der „Tribüne“ als 
einer jetzt schon beschlossenen Thatsache redet, — 
»ann wenigstens unvermeidlich ist, wenn Herr von 
hiers seinen Posten als Leiter des auswärtigen 
Umtes in St. Petersburg aufgiebt. Denn in der 
That hängt der Friede zur Zeit längst nicht mehr 
»on der Friedensliebe unseres, des Wiener oder des 
detersburger Kaiserhauses ab. In dieser Hinsicht 
agt der angeführte Artikel aus Gatschina ganz zu—⸗ 
reffend: „Alexander III. herrscht, aber er regiert 
nicht mehr; selbst gegen seinen Willen thut man 
ereits, was bisher ohne sein Wissen geschah; er 
vird vor der Katastrophe stehen, ohne schließlich 
nehr thun zu könnnen, als einen Brief des Be— 
»auerns nach Berlin zu schicken.“ — Dem Frieden 
st auch durch den Rücktritt des großen Brand⸗ 
tifters Gambetta von der Regierung in Frankreich 
richt zu größerer Beständigkeit verholfen. Denn 
her Chauvinismus und Rachedurst der „großen 
Nation“ dürfte im entscheidenden Augenblick in's 
ßewicht fallen und „in Frankreich die Situation 
ibermals verändern und im Glanze der Racheaus— 
ichten aufs Neue den unentbehrlichen foun furieux 
in Frexinet's Stelle setzen.“ — Die einzige Ge— 
vähr des Friedens ist Herr von Giers. Er aber 
st noch im Amte, — trotz aller panslavistischen 
Unfechtungen und aller Wühlereien in Rußland, 
zalidien und den Donauländern, — und wir 
lauben deshalb, der Gewährsmann der „Tribüne“ 
at weniger aus eigener, innerer Ueberzeugung den 
krieg in Sicht gestellt, als vielmehr Deutschland 
»arnen wollen, den Dingen in Rußland noch 
inger ihren Lauf zu lassen. Unter diesen Ge— 
chtspuntt wird der allarmirende Artikel um so 
jer zu bringen jein, als er mit einem nicht miß⸗ 
uverstehenden Hieb auf die römisch⸗czechisch⸗pol⸗ 
isch⸗slovenische Wirthschaft des Grafen Taaffe in 
Desterreich und einem kräftigen Appell an die 
eutsche Regierung schließt, dieselbe solle, wenn es 
richt schon zu spät, der Wiener Clique ein derbes 
)alt! gebieten. — In merkwürdiger Uebereinstim⸗ 
nung mit den Darlegungen der „Tribüne“ befindet 
ch übrigens ein Brief des notorisch bestunter⸗ 
ichteten Petersburger Correspondenten der „Köoln. 
ztg.“, worin wir u. A. Folgendes lesen: „Es ge—⸗ 
hehen Wunder in Rußland; die Steine fangend 
in zu reden, die amtlichen Blätter beschäftigen sich 
eit einiger Zeit mit auswärtiger Politik! Erst 
iberfiel das amtliche Marineblatt, der „Kronstadter 
Zote“, das ahnungslose Deutschland mit einem mit 
Festungen und Panzerschiffen drohenden, Zwietracht 
aenden Aufsatze, und in den letzten Tagen erhebt 
»gar der ehrwüdige russische Reichs-Anzeiger, der 
„Regierungsbote“, seine Stimme zu leidigen polit⸗ 
schen Liedern. Der „Regierungsbote“, der vom 
Ninisterium des Innern aus redigirt wird, hat 
rüher nie daran gedacht, sich politische Bericht⸗ 
rstatter zu halten, denn seine ganze gedankenlose 
khättigkeit bestand lediglich darin, als Regierungs— 
prachrohr für innere Angelegenheiten zu dienen. 
dun erwacht zu unser aller Schrecken dieses Schein⸗ 
eschöpf plötzlich zu politischem Leben und die erste 
That, wodurch es dieses neue Dasein bekundet, ist, 
»aß es sich mit rückhaltloser Offenheit mit den 
„unterdrückten Slaven“ auf der Balklanhalbinsel 
dand in Hand gehend, drohend gegen Oesterreich 
vendet. Der Berichterstatter des ‚Regierungsboten“ 
n Ceitinje, irgend eine geheimnißvolle Persönlichkeit, 
rklärt sogar, Montenegro konne es sich nicht 
zefallen lassen, daß Oesterreich es rings mit Truppen 
mringe. Es ist recht auffällig. daß die offiziellste 
Zeitung der Welt eine solche Sprache führt, 
niachdem Skobelew und Aksakow schon gesprochen 
ind man den Eindruck erwogen hatte, den solche 
Auslassungen in Europa hervorgebracht. Im aller⸗ 
inschuldigsten Falle macht sich hierdurch das Re— 
zierungsblatt doch wenigstens einer moralischen 
Unterstützung des Aufstandes schuldig und der Artikel 
vird nicht wenig dazu beitragen, den Haß der 
Slaven gegen Oesterreich zu schüren.“ ... Man 
virg sich erinnern, wie der orientalische Krieg ein⸗ 
geleitet worden ist, welche Leute dazu geirieben 
zaben, welche Rolle russische Soldlinge dabei spielten, 
vie stufenweise der Aufstand erst in der Herzegowing, 
Bosnien und Bulgarien und dann der Krieg mit 
)en türkischen „Schutzstaaten“ losbrach, und wie 
ndlich sich Rußland in's Mittel legte, nachdem es 
die Türkei genugsam geschwächt glaubte; denn nach 
donstantinopeler Meldungen bedurfte es damals 
aur einiger russischer Brigaden, um den kranken 
Mann nach Asien zu jagen. Es ist leicht, eine 
Jroße Aehnlichkeit der damaligen und heutigen Fälle 
jerauszufinden.“ ... „Wir haben ein Ministerium 
Ignatiew, einen säbelrasselnden Skobelew, einen 
olitisirenden Regierungsboten, einen zum Geheim⸗ 
rath ernannten, vielleicht auch zukünftigen Unter⸗ 
cichtsminister Katkow. Es ist kaum glaublich, daß 
Giers sich in solcher Umgebung lange hält.“ 
Ausland. 
Wien, 12. Febr. Ungeachtet aller officiösen 
Beschwichtigungen vermag hier keine freundlichere 
Auffassung der Lage Wurzel zu fassen. Selbst die 
vesentlichen Erfolge unserer Truppen in den letzten 
Tagen in Süddalmatien gegen die Aufständischen 
erbesserten die Stimmung nicht, weil gleichzeitig 
er Aufstand in der Herzegowina derart ange— 
vachsen war, daß erhöhte Vorbereitungen nöthig 
vurden, wodurch dort der Beginn einer entscheiden- 
den Aktion um mehrere Tage verschoben wurde. 
Ille in den letzten Tagen längst der montene⸗ 
rinisch⸗ herzegowinischen Grenze stattgehabten Zu⸗ 
ammenstöße endeten mit der Versprengung der 
ufständischen Banden, aber auch jedesmal zogen 
zie Versprengten, trotz des offiziellen Kordons der 
Nontenegriner, anstandslos nach Montenegro sich 
urüch, von dort gelegentlich wieder hervorbrechend. 
Ddies bildet den springenden Punkt der ganzen 
Zituation. 
Die Radicalen in Frankreich hatten den 
Zturz Gambetta's mit Jubel begrüßt; dem in vieler 
Zeziehung gemäßigteren Ministerium Freycinet kamen 
ie mit fast wohlwollender Neutralität entgegen. 
Benn sie jetzt wieder mehr aus ihrer Zurückhaltung 
jeraustreten, so geschieht auch das nicht, um dem 
ieuen Cabinet Schwierigkeiten zu machen, sondern 
unächst nur, um Gambetta und seinem Anhange, 
ie sich wieder in Schlachtordnung aufzustellen be— 
sinnen, den Rückweg zur Gewalt zu verlegen. Die 
jambettistischen Blätter kündigen an, daß der Ex— 
ninister nach seiner Heimlehr — über deren Zeit— 
zunkt die Angaben schwanken — vor seine Wähler 
n Belleville treten wolle, um vor ihnen einen 
ffentlichen Rechenschaftsbericht zu erstaiten. Die 
adicale Presse greift das, Anerbieten begierig auf, 
ind Rochefort's „Intransigeant“ erhebt seinerseits 
m Namen der Wäahler von Belleville, die wieder 
Aaus ihren Höhlen hervorgekrochen“ seien, die 
Forderung, daß Gambetta sich vor ihnen verant⸗ 
vorte. Die Erinnerung an die wüsten Tumulte, 
ie sich vor den Wahlen in einer Belleviller Ver— 
ammlung zutrugen, läßt für eine Wiederholung 
ener Versammlung nichts Gutes ahnen. Die „be—