folgenden Tag eine Entschädigung im Betrag von
10 Mark.“ CGGegenwärtig fehlt die Bestimmung;:
„den er ganz oder theilweise am Ort der Ver—
fammlung zubringt“.)
Gleichwie in Baden in der ersten Kammer
ein Antrag an die Regierung gebracht wurde, Er—
hebungen über die hochgradige Verschuldung des
Bauernstandes zu pflegen, so ist auch im
preußischen Landtage ein ähnlicher, die dies
bezüglichen Verhältnisse in der Rheinprobinz in Er—
wãgung ziehender, gestellt worden., Nur geht der
in Preußen von der nationalliberalen Fraction ein⸗
gebrachte Autrag zu gleicher Zeit mit Recht weiter
uünd umfaßt eine Untersuchung über die gesammte
Lage des Kleinbauernstandes, nämlich über dessen
Verschuldung und deren Anwachsen; die Gründe
der Zunahme der Verschuldung, soweit solche constatirt
wird; die Mißstände der Befriedigung des länd—
lichen Credits; die Kostspietigkeit der Stroheinstreu
und die Möglichkeit der Schaffung ven Ersatzmitteln;
die Unzulänglichteit der Einrichtungen für die Nach⸗
zucht des Viehes ic. Man darf auf den Verlauf
dieser Angelegenheit insofern gespannt sein, als sich
Manches in jenen Anträgen findet, was auch
für Bayern und die Pfalz von nicht geringem In⸗
teresse ist.
In einem bemerkenswerthen Artikel der Augsb
Allg. Ztig.: „Die Verstaatlichung der Eisenbahnen
in Preußen“ werden die Consequenzen derselben
für das Reich gezogen. Preußen werde jetzt nach
der Verstaatlichung der Eisenbahnen auch in ganz
Deutschland fast unumschränkter Gebieter sein. Das
Reich werde seine Eisenbahnpolitik nur in Ueber
einstimmung mit der preußischen Verwaltung durch
führen koönnen und dadurch die Eisenbahn-Hegemonit
derselben nur verstärken. „Würden die übrigen
partikularen Eisenbahnjysteme sich der preußischen
Eisenbahnverwaltung einfach unterwerfen? Nach
den Erfahrungen, die bei den Versuchen, zu einem
Reichseisenbahngesetz zu gelangen, gemacht sind
muß man das bezweifeln, alsdann haben wir aber
den EFisenbahnkrieg.“ Der Artikel giebt den Mittel⸗
staaten zu erwägen, ob, wenn jetzt. die preußische
Regierung mit einem Anerbieten, die preußischen
Eisenbahnen an das Reich zu verkaufen, an das
Reich heranträte, nicht darauf einzugehen wäre
Im Reich hätten sie Gelegenheit, die Eisenbahn—
politik zu beeinflussen, in Preußen nicht. Allerdings
würde dann auch bald die andere Frage zu er⸗
wägen sein, „ob nach Uebergang der preußischer
Bahnen an das Reich noch daneben andere selbst—
staändige Landeseisenbahncomplere würden bestehen
tonnen.“ Daß die deutschen Mittelstaaten schon
—I
werden, bezweifeln wir einstweilen; also werden
wir uns wohl auf die andere Alternative gefaß
machen müssen — den Eisenbahnkrieq.“
Ausland.
Wien, 19. Febr. Sämmuliche Morgenblätter
besprechen General Skobeleffß Brandrede, indem sie
im Großen und Ganzen die gleiche Auffassung mit
den Berliner Blättern bekunden. Man würdigt die
ganze Tragweite der Rede, ohne übermäßig alarmir!
zu sein. — Das „Fremdenblatt“ meint, die Ten—
benzen des Panslavismus kannte die Welt auch
vordem, bedenklich sei nur, daß der General es
wagen dürfe, in solcher provokatorischen Weise mit
der Politik seines Kaisers sich in Widerspruch zu
setzen, dies heute auf die Zersetzung der ruffischen
Verhältnisse, welche Rußlands Nachbarn aufmerksam
beobachten müßten. Die „Neue freie Presse“ glaubt,
Frankreich sollte Skobeleff den freundlichen Rath
geben, Paris so bald als möglich zu verlassen; üb—
rigens ist die „Neue freie Presse“ beruhigt, denn
im Kriegsfalle würden Deutschland und Oesterreich
zusammenstehen. Die alte ,Presse“ sagt, General
Skobeleff habe dem Nihilismus offiziell die Hand
gereicht, darin liege die großte Gefahr für Rußland
selbst, welches mehr befürchten müsse, als das Aus—
land. Die „Deutsche Zeitung“ fragt, ob Skobeloff
nicht blos die einstudirte Rolle eines Fanatikers
spiele, in Wirklichkeit aber mit der jetzt allmächtigen
Strömung im Einverständniß handelte. Vielleicht
sei alles eine abgekartete Komodie, um dem General
die Durchführung einer Aktion à la Tschernajeff
zu ermöglichen. Aehnlich urtheilen die übrigen
Blätter; alle sind gespannt, was das offizielle Ruß—
land sagen werde. Auch auf der russischen Bot—
schaft ist man konsternirt, die fremden Botschafts-
sreise sind mehr verwundert als besorgt. Vielfach
wird betont die allgemeine volitische Situation
sei durch die Brandrede in keiner Weise veränder:
worden, der Ernst derselben sei natürlich nicht ge—
wichen, aber auch nicht erhöht.
Der herzegowinische Aufstand ist zwar
noch lange nicht erstickt, doch scheint es, daß es der
Uebermacht der österreichischen Truppen gelinger
wird die Ausbeutung des Aufstandes auch auf Vos—
nien zu verhüten und gleichzeitig demnächsten der
Rebellion Herr zu werden. Die Besetzung strate—
gisch wichtiger Gebirgshöhen und die wiederholtt
Zurückweisung feindlicher Angriffe sollen die Auf
ständischen so stark entmutigt haben daß bereits von
mehreren Orten Unterwürfigkeits-Erklärungen abge—
zeben worden sind. Es wird sich zeigen, ob die—
selben ehrlich gemeint waren.
·Die russischen Kriegshetzer haben vielleicht ge—
zlaubt, daß die neueste Hetzrede Skobeleff's auf die
Franzosen wirken würde, wie ein Zuuder, der
einer gefüllten Pulvertonne nahe gebracht wird
Von einer derartigen Wirkung ist aber bis jetz!
nichts zu verspüren. Die französische Presse hält
sich vorsichtig zurück; das gilt nicht nur von den
ernsteren Blättern, wie „Temps“, „Republique
rrançaise“nn. s. w., sondern auch von dem sonff
so zungenfertigen „Figaro“, dessen Chauvinismus
Abrigens seit einiger Zeit merklich zurücktritt. Nu—
ein gambettistisches Boulevardblatt, der „Voltaire“
commentirt die Rede Stobeleff's auf seine Weise
indem es mit Behagen über eine Unterredung be—⸗
richtet, die einer seiner Mitarbeiter mit dem Genera!
gehabt haben will und in der der Plan einer
russisch⸗französischen Allianz eine Hauptrolle gespielt
haben soll; aber auch dieses Blatt hütet sich klüg—
lich, seine eigene Ansicht über diesen heikeln Punt
zum Besten zu geber. Dagegen bringt der dem
Elysẽe nahestehende „Noetional“? eine kurze Be—
prechung des Zwischenfalls, worin die panslavistischen
Werbungen abgewehrt werden und sehr bündig er—
klärt wird, Frankreich sei ein erustes Land, das seine
Zukunft nicht verspiele. Diese Auffassung darf als
die maßgebende gelten, so lange ein Gredy auf dem
Präsidentenstuhle sitzt und ein Freycinet die Ge—
chäfte leitet.
Kaiser Alexander von Rußland hat, wie
dem D. M.⸗Bl. mitgetheilt wird, in einem Hand
sichreiben an den Fürsten Alexander von Bulgarien
diesem den wohlmeinenden Rath ertheilt, den gegen—
värtigen verfassungslosen Zustand im Fürstenthum
aufzuheben, d. h. die Sistirung der Verfassung
rückgängig zu machen und den früheren konstitutio
nellen Zustand wieder herzustellen.
Nach langer Abgeschlossenheit hat bekanntlich Kaiser
Alexander III. von Rußland vor Kurzem wieder
eine Jagd mitgemacht. Damals wurde die fernert
zftere Theilnahme des Kaisers an den Hofjagden
in Aussicht gestellt. Daß der Czar indeß trotzdem
wieder so zurückgezogen lebt als früher, hat, wie
uns berichtet wird, folgenden Fall zur Ursache
Während der erwähnten Jagd verbreitete sich im
kaiserlichen Schlosse zu Gatschina die Nachricht, der
Czar wäre von Jemanden aus dem Gefolge meuch—
lings erschossen worden. Das Gerücht drang bie
zu der im Schlosse zurückgebliebenen Kaiserin, welche
darauf in eine Ohnmacht fiel. Als sich nachher
die Hiobsbotschaft als erfunden herausstellte, wurd
nach dem Verbreiter der falschen Nachricht geforsch
und dieser auch in der Person eines kaiserlichen
Hausoffiziers eruirt und verhaftet. Bei der hierau'
»orgenommenen Haussuchung sollen zahlreiche den
Offizier kompromittirende Schriftstücke bei ihm vor
gefunden worden sein.
Aus Petersburg berichtet die „Tribüne“:
Die panslavistische Agitation zeigt sich seit einigen
Tagen etwas zahmer. Auf einmal verlautet, man
sei der VPolen nicht sicher; dieselben könnten von
Preußen vielleicht ähnlich benutzt werden, wie die
Bosniaken von den Moskowitern und in der
Ostseelandern stehe man ebenso vor dem Ungewissen
umsomehr als die russische Flotte entschieden der
deutschen nicht Stand halten könne. Unter einigen
Kernflüchen auf den Admiral Popoff, dessen kreis—
runde Schiffe unnütze Millionen kosteten, bricht sick
ilso diese löbliche Etkenntniß Bahn und alsbalt
verden auch andere ängstlichere Gemüther laut,
welche befürchten, Rußland könnte am Ende bis
hinter die Dwina zurückgedraängt werden und aus
»em Schutt der Vergangenheit ein Polen wieder
nuftauchen, sowie ein neues Bulgarien hervorge—
graben wurde.
Lokale und pfaãlzische Nachrichten.
⸗*St. Ingbert, 21. Febr. Vom' Carneva
wwar hier in diesem Jahre auf der Straße wen
zu sehen; desselbe hatte sich fast ganz in den Ball
und Tanzsaal zurückgezogen. Hier wurde ihm dem
auch in ziemlich ausgiebigem Maaße gehuldigt, an
meisten, wie uns mitgetheilt wird, auf dem gesterr
Abend von den, Gemüthlichen“ veranstalteten Masken—
balle. Derselbe soll in Folge dessen auch einer
sehr heitern und amüsanten Verlauf genomme,
haben. Eine von der genannten Gesellschaft au
heute Nachmittag anberaumte Kappenfahrt win
voraussichtlich das carnevalistische Treiben für heue
in unserer Stadt zum Abschlusse bringen.
*St. Ingbert, 21. Febr. Heute besinde
sich das k. Untersuchungsgericht von Zweibrücken in
Oberwürzbach, um Untersuchung wegen Kinds
mords gegen die ledige Elisabetha Becker
24 J. a., Tochter des Ackerers Georg Becker IIl
von dort, zu pflegen. Die genannte Becker, welcht
ihre Schwangerschaft stets geheim gehalten, gebar
am 7. d. M. ein Kind weiblichen Geschlechts, welche—
bei der Geburt lebte, wickelte es in einen Lappen
so daß es wahrscheinlich den Erstickungsstod zu er
leiden hatte, verbarg es zwei Tage in einen
Schranke und will es dann auf dem dortigen Fried
hofe beerdigt haben. Nach den Geständnissen der
Becker dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß
dieselbe absichtlich das Kind ermordet hat. Hoffent:
lich wird die Untersuchung die Sache aufklären.
St. Ingbert, 20. Febr. Den gebildeten
Kreisen unserer Stadt steht ein hoher und seltener
Kunfstgenuß bevor. Professor Wauer, der berühmt⸗
Recitator der Faust-Tragödie, der am 9. April d
Is. in Berlin das Jubiläum seiner 600sten Faust
Recitation feierte, ist durch einen hiesigen Kunst
freund veranlaßt worden, Goethe's größtes Meister⸗
werk nun auch bei uns, selbstredend nur ein Mal
vporzutragen. Der patriotische Künstler, der wäh—
rend des Krieges 18701771 aus den Einnahmer
seiner Vorträge in Berlin mehr als 10,000 Marl
zur Unterstützung der Landwehrfamilien beisteuerte
hat seit 9 Jahren die Recitation der Faust⸗-Tragödit
zu seiner Hauptaufgabe gemacht und demgemäi
dies Meisterwerk in allen namhaften Städten
Deutschlands, von der französischen bis zur ruß—
sischen, von der dänischen und holländischen bi
zur böhmischen und schweizerischen Grenze, und
über die Grenzen hinaus in Rußland, Oesterreich
Holland und der Schweiz, in den großen Städten
fünf und sechs, in Köln zehn, in Potsdam drei
zehn, in Berlin achtzehn Mal vorgetragen und
überall nicht nur das Publikum, sondern auch die
kühlsten Kritiker zur Bewunderung hingerissen
Daß er das riesenhafte Faust-Drama ganz ohn
Buch, frei aus dem Gedächtniß recitirt, wird von
vielen Berichterstattern als nebensächlich und fafß
als das Unwesentlichste an seiner eminenten Leistung
bezeichnet. — Schon als in Hannover die 30010
Recitation stattgefunden, erklärten die dortiger
Zeitungen, daß Herr Wauer mehr als irgend eir
Anderer dazu beigetragen habe, eine richtige, höher⸗
Erkenntniß der wundervollen Schönheiten und Tieser
dieser unvergleichlichen Schöpfung in allen gebildeten
und bildungerstrebenden Kreisen Deutschlands zu
derbreiten. Durfte das schon beim 300sten Vor⸗
trage gesagt werden, um wieviel mehr erst jetzt nad
dem 600sten.
— Kaiserslautern. Am Samstag Nach
nittag wurde hier in feierlicher Weise der erft
Spatenstich zur Lauterthalbahn ausgeführt.
— Der „Eilb.“ schreibi: Ueber ein auf Kauf
mann Scharff, Vertreter der Firma H. Scharf un'
Sohn in Landau gemachtes Attentat wird un⸗
Folgendes mitgetheilt: „Der Genannte kam am
Freitag zu einem Krämer in Meckenheim, un
einige rückständige Posten einzukassiren. Die Frau
des Krämers machte ihm eine Bemerkung wegen
der letzten Lieferung von Oel, worauf sich Beide
in den Keller verfügten, um das Oel, welches an
geblich moussiren sollte, zu untersuchen. In den
eller befand sich der Krämer, welcher die rück
standigen Rechnungen bei sich hatte und Schari
unter der Drohnung, ihn niederzuschießen, zu
Quittirung derselben aufforderte. Herr Schary
derweigerte dies natürlich, worauf der Krämer wirh
lich einen Schuß abfeuerte, der durch den Uebet
zieher Scharff's drang und an der darunter ge
iragenen Geldtasche glücklicher Weise abprallte
Herrn Scharff gelang es, sich des nun auf ihn zu⸗
stützenden Krämers zu erwehren und auf die Straße
zu eilen. Die Verhaftung des Krämers soll sogleidh
erfolgt sein. Diese neue Art, seine Rechnungen 5
hezahlen. wird ihm jedenfalls theuer zu stehen kommen