Full text: St. Ingberter Anzeiger

augenschließ nde Hörer glaubt, er habe eine Theater— 
vorstellung vor sich, und zwar eine Muster vor— 
stellung, in der jede Rolle durch einen bedeu— 
jenden Künstler dargestellt wird. Bedenkt man, 
wie außerordentlich schwer es ist, auch nur eine 
Rolle kunstgerecht darzustellen, und wie selten und 
hochgeehrt die wenigen Künstler sind, die das kön— 
nen, so scheint es kaum möglich, daß eine mensch— 
liche Kraft im Stande sei, sämmtliche Rollen eines 
Drama's in dieser Weise durchzuführen; aber Hugo 
Wauer hat uns gestern bewiesen, daß er es ver— 
mag und daß er in dieser schwersten allex Künste 
eine fast unglaubliche Höhe erreicht hat...“ — 
Züricher Tageblatt: „.... „Diese Jaust⸗ 
Recitation wird Jedem, der sie hörte, unvergeßlich 
bleiben, denn der Eindruck, den sie bhinterließ, ist 
ungleich mächtiger und nachhaltiger, als der einer 
Theater⸗Aufführung.“ — Fränkischer Kurier: 
„München: „... Wenn wir nach den so über— 
aus günstigen Berichten bedeutendster Preßorgane 
eine hohe Leistung erwarteten, so wurde diese Er⸗ 
wartung doch unendlich übertroffen. Die Wirkung 
welche der Meisterredner erreichte, ist eine geradezu 
erstaunliche, überwältigende, unvergeßliche. Mir 
erschien dieser Vortrag wie eine ausgewählte Blu— 
menlese des Besten und Vorzüglichsten, was die 
hervorragendsten Darsteller dieser Tragodie geleiste! 
haben, zu einem' kostbaren Gesammtbilde verwachsjen, 
getragen von einem Verständniß und wiedergegeben 
mit einer Meisterschaft, die ebenso vorzüglich als 
selten find. 
— Für die nächste Periode des pfälzischen 
Landraths sind zwei katholische und ein protestan— 
tischer Pfarrer zu wählen. Für die Wahl der 
katholischen Pfarrer werden folgende zwei Wahlbe— 
zirke bestimmt: 1. Wahlbezirk mit dem Wahlorte 
Speyer, welcher die katholischen Dekanate in den 
königl. Bezirtsämtern Speyer, Bergzabern, Franken⸗ 
thal, Germersheim, Landau und Neustadt a. H 
begreift; 2. Wahlbezirk mit dem Wahlorte Kaisers— 
lautern, welcher die katholischen Dekanate in den 
königlichen Bezirksämtern Kaiserslautern, Homburg, 
Kirchheimbolanden, Kusel, Pirmasens und Zwei⸗ 
brüchen umfaßt. In jedem dieser beiden Wahlbe⸗ 
zirke ist ein Mitglied des Landrathes und ein Er— 
jatzmann zu wählen. Die sämmtlichen protestantischen 
Dekanate der Pfalz bilden für die nächsten Wahlen 
nur einen Wahlbezirk mit dem Wahlorte Speyer 
wo ein Milglied des Landraths und ein Ersatz 
mann zu wäaͤhlen ist. Die Dekanate beider Con⸗ 
fessionen haben sofort zur Wahl der Wahlmänner 
zu schreiten. — Die Wahlen für den Landrath 
haben am Dienstag den 21. März l. Is. Vor⸗ 
mittags 10 Uhr ftattzufinden. Die Distriktsräthe 
der Pfalz werden in 16 Wahlbezirke eingetheilt 
In jedem Wahlbezitke ist ein Abgeordneter zum 
Ldandtath und ein Ersatzmann zu wählen. 
— Zweibrücken, 27. Febr. Herr Verwal⸗ 
tungs⸗Assistent Heuser dahier hat für hervorragende 
Leifiungen im russisch-türlischen Feldzug als Sta— 
tionsvorsteher in Adrianopel noch nachträglich den 
kaiserl. russ. Jos.-Stanislaus-Orden III. Klasse 
(Komthurkreuz) erhalten. (Zw. Zig.) 
— Bei der am 22. Febr. zu Matzenbach 
Statt gehabten Minderversteigerung des neuzuer⸗ 
bauenden Schulhauses der Gemeinde Eisenbach 
wurden nach der „Kais. Ztg.“ folgende Abgebote 
erzielt, und zwar: Erd⸗, Maurer⸗ und Steinhauer 
Arbeiten, veranschlagt zu Mk. 7816, 15*10 pCt. 
unter dem Kostenanschlag, Zimmermannsarbeiten 
Mk. 2738, 13210 pCt. unter dem Kostenanschlag, 
Dachdeckerarbeiten, Mk. 821, 930 pCt., Verpuß⸗ 
und Gypserarbeiten, Mt. 1047, 117/10 pCt., Schrei⸗ 
nerarbeiten, Mk. 1400, 12710 pCt., Glaserarbeiten 
Mt. 695, 28*110 pCt., Blechschmiedearbeiten, Mk 
161, 4510 pCt., Tüncherarbeiten, Mk. 591 
467140 pCt. (Auch ein Zeichen der Zeit.) 
— Frankenthal, 24. Febr. Gestern Nach— 
mittag wurde die Leiche des verlebten Landgerichte 
Direklors Koch zur Erde bestattet. Die zahlreiche 
Betheiligung an dem Trauerzug sowohl von Seite 
der hiesigen Beamten, wie der Bürgerschaft und 
auch von Auswärtigen legte Zeugniß ab von der 
Beliebtheit, deren sich der Verstorbene, als Jurist 
Pflicht macht, sich ein selbstständiges Urtheil über 
seine bewunderungswürdigen Leistungen zu bilden.“ 
— Stuttgart. Schwäbischer Merkur: ... 
Wir müssen ausdrücklich hervorheben, daß Professon 
Wauer nicht etwa eine trockene ‚Vorlesung“ hält 
sondern daß er jede Person der Tragödie mit voll— 
ändig veränderter Stimme so vorführt. daß der 
wie als Mensch gleich achtungswerth, mit Recht — fuß im Geleise gefunden hatte und nach dem Korpe 
erfreut hatte. erst suchen mußte. Derselbe fand sich dann aug 
auf der Strecke am Deutzerfeld. Es war die gräß 
lich verstümmelte Leiche eines Bremsers des ebe, 
vor dem Courierzuge in ein anderes Geleise ge 
fahrenen Güterzuges. Der Verunglückte hatte einer 
Fehltritt beim Aufsteigen gethan. war unter di 
Räder gerathen und eine Strecke mitgeschleift wor 
den. Dieses gräßliche „memento mori‘, und da— 
auf den Aschermittwoch, wird den Passagieren un 
vergeßlich bleiben. Ein Schaffner, der schon J 
Jahre lang eben diesen Köln-⸗Mindener Courierzu 
begleitet hat, behauptet, er sei bei vielen Unglück 
fällen zugegen gewesen, aber eine Fahrt wie di 
heutige habe er noch nicht erlebt. 
F* Düsseldorf. Dieser Tage wurde 36— 
Mitgliedern der Gewerbebank das vollstreckbar er 
klärte Urtheil zugestellt, nach welchem noch 109— 
haftbare Mitglieder vorhanden sind, deren jede 
nach dem Vertheilungsplane 3950 Mi. 862/6 Pf 
bezahlen soll, denn das Desizit beträgt noch imme 
4,421,698 Mtk. 78 Pf., scheint also, anstatt sid 
zu vermindern, noch immer mehr zu werden 3i 
diesem Defizit aber kommen noch einige Kleinig 
keiten an Kosten und der Stempel des Urtheils 
velcher blos 2612 Mtk. beträgt. 199 Persone— 
haben als verpflichtet nicht erachtet werden können 
heils weil deren Erwerb der Mitglirdschaft nich 
eststeht, wie das Urtheil sagt, theils weil der Ver 
lust der Mitgliedschaft außerhalb der regreßpflichtiger 
Zeit nicht anzunehmen war. 
F Eine glückliche Gemeinde.) Kürzlich wurd 
in Aachen ein Schuster zu 2* Jahren Zucht 
haus verurtheilt und in den öffentlichen Blätterr 
als aus Vicht bei Stolberg stammend bezeichnet 
Dagegen legt nun die Gemeinde Vicht ganz ener 
gischen Protest ein, die gar nichts von einem solcher 
Gemeinde⸗-Mitgliede wissen will und besonderen 
Nachdruck darauf legt, daß noch niemals ein An 
gehöriger der Gemeinde Vicht vor dem Schwur 
gerichte gestanden habe. 
F Der Pferdefleisch-Konsum gewinn 
in Solingen einen derartigen Umfang, daß mar 
sich dort mit dem Gedanken trägt, sowohl eine obli 
gatorische Pferdefleischbeschau, wie eine Pferdeschlacht 
halle einzurichten. Die Zahl der im vorigen Jahre 
in Solingen geschlachteten und verzehrten Pferd 
beträgt 253. 
FEssen. 24. Febr. Gestern Abend ist de 
Buchhalter und Kassier Calons von Zeche Hagen 
beck bei Borbeck unter Mitnahme von 37,500 Mt. 
die für heute zur Auslohnung der Bergleute be 
stimmt waren, verschwunden. Die Telegrapher 
spielten heute nach allen Seiten, doch wird be 
zweifelt, daß es gelingen wird, des schlauen Bur⸗ 
schen, der Beziehungen in Belgien und Frankteid 
hat, habhaft zu werden. 
F Von der preußisch-holländischen 
Brenze wird über ein blutiges Treffen mit 
Schmugglern aus Bentheim berichtet: In wie hohem 
Maßstabe noch immer die Schmuggelei betrieben 
wird, davon zeigt ein Rencontre, welches an einem 
der letzten Abende zwischen Schmugglern und Auf⸗ 
—IX 
Ganzen 26 Personen mit Contrebande an Kaffee 
und Tabak auf dem Plane und 15 Beamte! Eir 
Schmuggler, der letzten Krieg als Kavallerist mit 
gemacht, ist schwer durch einen Schuß in die Bruf 
verwundet und nach Gildehaus gebracht worden 
Zwei andere Schmuggler sind leicht verwundet 
und einer ist unverletzt festgenommen worden. 
F Um erbärmliche 40 P., um welche er von 
seiner „Mamsell“ sich betrogen glaubte, erließ der 
„Rittergutsbesitzer“ M. zu Groß⸗-Stöverin, 
Holstein, ein Inserat in der „Kieler Ztg.“ mil 
der Aufforderung, ihm den Aufenthalt der Mamsel 
Marie B. anzuzeigen, um sie wegen Unterschlagung 
belangen zu können. Die vier Groschen waren, wie 
das Mädchen dehauptet, an die Frau des Ritter 
gutsbesitzers abgeliefert worden. Das Kieler Land⸗ 
gericht verurtheilte den edlen Rittergutsbesitzer zu 
70 Mark Geldbuße und 90 Mark Entschädigung 
an das beleidigre Madchen. Der Verurtheilte hat 
auch die Koften für zwei Instanzen zu tragen. 
(Sächsische Gemüthlichkeit.) Ein 
wohlbeleibter alter Herr aus Sachfen fährt mi! 
der Eisenbahn. Vor dem Einsteigen in das Koup⸗ 
schärft er dem Schaffner ein, ihm Bescheid zu sagen 
wenn der Zug auf Station „Remlinghausen“ an⸗ 
gekommen sei. Die Fahrt geht vor sich, und der 
alte Herr schläft ein. Da endlich kommt man in 
N. an. Großes Gepränge wenig Aufenthalt. De 
Vermischtes. 
7 GEine „Thomas-Affaire.“) Bereits 
in einer der letzten Nummern wurde mitgetheilt, 
daß die Entstehungsursache des in der Nacht zum 
Mittwoch in einem Güterschuppen des Stettiner 
Bahnhofes zu Berlin ausgebrochenen Brandes mi 
einem geheimnißvollen Uhrwerk in Zusammenhang 
zebracht werde. Die weiteren Nachforschungen er— 
gaben, daß die Kiste von dem Agenten Bader mi 
einem deklarirten Inhalt, angeblich bestehend aus 
Sammet, Federn und Pelzwaaren, und versichert 
mit 8750 Mark am 21. d. M. Abends nach Stettin 
aufgegeben worden war. Dieser höchst auffällige 
Umstand der hohen Versicherung, verbunden mit 
weiteren Verdachtsmomenten, ließen keinen Zweifel 
darüber, daß das auf der Brandstätte gefundene 
Uhrwerk bei der in der Kiste stattgehabten Explosion 
aus der Kiste geschleudert worden, und daß das 
Uhrwerk dazu gedient hat, die Explosion herbeizu— 
ühren und so für den vernichtenden Inhalt der 
Kiste die hohe Versicherungssumme zu erlangen. 
Bei der Vernehmung seitens des Kriminalkommissärs 
gab Bader an, daß die fragliche Kiste in ber— 
jchlossenem Zustande ihm von einem aus Ameriko 
hierher gekommenen Freunde vor mehreren Monaten 
übergeben worden sei, damit er (GBader) den kom 
missiunsweisen Verkauf ihres Inhalts: kostbar 
Pelzwerke, Putzfedern und Sammet übernehme 
Ddiese Angaben erwiesen sich in Folge der don den 
— 
vollständig falsch. Das in der Kiste befindlich ge— 
wesene Uhrwerk ist nach der Angabe von Sachver— 
tändigen eine sog. amerikanische Uhr, die zu Billard⸗ 
zwecken benußt wird und 48 Stunden lang läuft 
An diese irgendwo erlangte Uhr hat Bader ein 
weiteres Rad angefügt, durch welches der Lauf der 
Uhr nach erfolgtem Aufziehen auf 12 Stunden be— 
ichränkt wurde. An diesem Rad befindet sich ein 
Stift, der, sobald er an eine bestimmte Stelle ge— 
angt, eine Feder erfaßt, durch welche in demselben 
Augenblick die Explosion des damit verbundenen 
Sprengstoffes bewirkt wird. In dem Komptoir des 
Bader sind eine Anzahl von Zeichnungen derartiger 
Ahrwerke gefunden worden, in weiche nachträglich 
ein zweites Rad, gleichwie das oben erwähnte, ein⸗ 
zezeichnet worden. Die Beschränkung des Laufes 
»er Uhr auf 12 Stunden erfolgte offenbar zu dem 
Zwede, daß die Kiste vor resp. während der Bahn⸗ 
beförderung explodire. 
F GSelbstmorde in Berlin,) Wie die 
Berliner Blätter melden, haben sich in Berlin die 
Selbstmorde in den jüngsten Tagen in einer ge— 
radezu schrechenerregenden Weise gesteigert. Nach 
den Angaben des amtlichen Polizeiberichtes sind in 
Berlin in den letzten vierzehn Tagen nicht weniger 
als 28 Selbstmorde und Selbstmordversuche antlich 
jemeldet worden, und zwar in der vorletzten Woche 
17 und in der verflossenen Woche 17 Fälle, im 
Durchschnitte also täglich zwei Selbstmorde. Der 
Polizeibericht hat sogar an einem Tage 7 Selbst 
nordanfälle auf einmal verzeichnet. 
Der redselige Skobeleff ist bereits dem Börsen⸗ 
Kalauer verfallen. Finer der blutigsten wurde an 
der Berliner Börse verübt. Man kolportirt⸗ 
den Gegersatz zwischen Moltke und Skobeleff 
Moltke ist ein stummer Denker. — Wenn unsert 
Zerehrten Leser die fettgedruckten Buchstaben versetzen 
jo haben sie den Kalauer. 
F (Eisenbahn-Unglück) Aus Köln 
interm 22. d. M. wird mitgetheilt: Der heute 
MNorgen fahrplanmäßig um 7 Uhr 50 Minuten 
ällige Berliner Courierzug traf diesen Morgen ers 
11 Uhr 30 Minuten hier ein. Es war eine Reise 
mit Hindernissen theilweise grauenhafter Art. Zuerst 
nußten mitten auf der Lüneburger Haide die Passa⸗ 
ziere umsteigen und das Gepäck in einen andern 
Zug umgeladen werden, weil dort ein Güterzug 
erart entgleist war, daß beide Geleise der Bahn 
vollständig gesperrt waren. Erst 5 Uhr Morgens 
sraf dadurch der Zug in Hannover ein. In Min—⸗ 
den mußten die Passagiere eines Wagens erster 
stlasse aus⸗ und einsteigen, weil derselbe in Brand 
zerathen war. Zwischen Bielefeld und Hamm 
perieth der Postwagen in Brand und mußte der⸗ 
elbe ebenfalls aus⸗ und eingeladen werden. Das 
Hräßlichste wartete aber der Passagiere in Mühl⸗ 
heim am Rhein um 11 Uhr Morgens. Der Zug 
dielt hier. weil man einen abgefabrenen Menschen