Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðt. Jugherter Amziger. 
Amtliches Organ des königl. Autsgerichts St. Ingbert. 
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e 485. 
Samstag, 4. März 1882. 
doliti Ho Gefühle beständiger Freundschaft des 
Politische Uebersicht. Kaisers dee Der Sultan sprach 
Deutiches Reich. sein aufrichtiges Verlangen aus, die zwischen beiden 
Reichen bestehenden Freundschaftsbeziehungen zu er— 
halten und zu befestigen. Er würde deßhalb nich— 
ermangein, Alles aufzubieten und anszuführen, was 
dieses Ziel im höchsten Maße verwirklichen könne. 
Der preußische Volkswirthschaftsrath er⸗ 
ledigte in der Generaldiskussion die Novelle zur Ge⸗ 
werbe⸗Ordnung. Die meisten Redner sprachen sich 
'm großen und ganzen für die Novelle aus, welcht 
»em permanenten Ausschuß überwiesen wurde. 
Ausland. 
Wien, 1. März. General Skobeleff traf 
don München kommend heute Morgen hier ein und 
iuhr nach vierstündigem Aufenthalt um 11 Uhr mit 
»em Eilzuge nach Warschau. In seiner Begleitung 
befand sich, wie bestimmt versichert wird, ein Beamter 
der russischen Botschaft in Paris. 
Auf dem südjlawischen Insurreltionsgebiete 
st es den Oesterreichern nach längerer Pause end 
lich gelungen, wieder einen Hauptschlag gegen 
die Insurgenten zu führen. Nach mehrtägiger 
heschwerlicher Aktion haben die österreichischen Truppen 
den eigentlichen Stützpunkt des Aufstandes, das 
sohe Karstplateau der Zagorje und der Krebljinga, 
hesetzt und dadurch verhindert, daß die Insurrektion 
nach Bosnien hineingetragen und die Verbindung 
wischen Serajewo und Mostar unterbrochen werde 
Die Eroderung dieses Plateaus dürfte gleich der 
Erstürmung von Ledenice und Risano einen nach 
haltigen moralischen Eindruck auf die Insurgenten 
machen, da dieselben diese Position für uneinnehm— 
bac hielten. Die von Zagorje und Krebljina ver⸗ 
triebenen Insurgentenschaaren werden sich vermutlich 
aach den Positionen von Korito und Bulek an 
der montenegrinischen Grenze verziehen und hier 
wird der nächste entscheidende Schlag gegen die 
Insurgenten zu erwarten sein. 
Im franzöfischen Ministerrathe machte der 
Minister des Innern den Vorschlag, zu dem die 
AUusweisung von Ausländern betreffenden Gesetz; 
vom Jahre 1849 folgende Beschränkungen hinzu— 
jufügen: Durch einfachen Polizeibefehl können nur 
olche Fremde ausgewiesen werden, welche bereits 
don einem französischen Tribunal einmal verurtheilt 
worden sind. Soll Jemand ausgewiesen werden, 
der noch nie verurtheilt wurde, so hat der Minister 
diese ausnahmsweise Maßregel vom gesammten 
Ministerrathe bestätigen zu lassen. Dies modifizirte 
Besetz wird der französischen Kammer demnächsi 
dorgelegt werden. 
Aus dem Orient wird eine durch Deutsch 
land vermittelte starke Annäherung der Pforte an 
Desterreich gemeldet. Dieselbe soll jetzt einsehen, 
doß der Panslavismus nach gelungener Schwächung 
sofort an die Vernichtung der Türkei gehen würde; 
jede Betheiligung der Albanesen an der dalmatin⸗ 
ischen u. s. w. Bewegung ist strenge untersagl 
worden. In Negypten soll die jetzt vollständig an 
das Ruder gelangte Nationalpartei ein Sparsystem 
einführen wollen und zwar durch Abzüge von den 
Einkommen der Angestellten, vem Khedive an bis 
zum kleinsten Beamten. Auch die Armee sosls 
monatlich drei Gagentage einsparen. 
Der große Nihilisten prozeß in Peters⸗ 
hurg, in dem die Häupter der Verschwörung vor 
Hericht standen, hat, wie hereits kurz gemeldet, 
in der Nacht vom 27. zum 28. Februar seinen 
Abschluß gefunden. Die Anklage⸗Akte präzisirte 
Jf perichiedene herhrecherische Anichläge von welchen 
München, 2. März. Der königliche Erlaß 
es 23. Febr. hat auf die Parteipresse der Kammer— 
ngehrheit seines Eindruckes nicht verfehlt; der „Bayer. 
snrier“ findet durch den Wortlaut desselben die 
mnfänglich von seiner politischen Bedeutung ver⸗ 
zreiteten Ansichten bedeutend überboten und den 
dampf gegen das Ministerium fortan unmöglich. 
zu einem Kampf zwischen Fürst und Volk dürfr 
derselbe nicht ausarten. Man müsse jetzt den Weg 
zur Verständigung suchen und dem erlauchten Sohne 
Maximilians II. des Vaters Königswort zurückgeben: 
Wir wollen Frieden haben mit unserem Monarchen.“ 
Prinz Arnulph von Bayern (Kommandeur 
des Leibregiments) hat sich in Wien mit der Prin⸗ 
zeisin Therese von Liechtenstein verlobt. (Prinz 
Arnulph ist der jüngste Sohn des Prinzen Luitpold 
und ist geb. am 6. Juli 1852. Die Prinzessin 
Therese von Liechtenstein, mit irdischen Glücksgütern 
ehr reich gesegnet, ist geb. am 29. Juli 1850). 
Die kaiserl. Verordnung über das gewerbsmäßige 
Lerkaufen und Feilhalten von Petroleum ist 
unmehr erschienen; sie tritt mit 1. Januar 18838 
in Wirksamkeit. 
Nach der „Köln. Ztg.“ kann es kaum mehr 
mem Zweifel unterliegen, daß der Reichstag im 
Mai zur Erledigung des Tabakmonopol⸗Ge⸗ 
etzes einberufen wird. Ebensowenig erscheint das 
Zchicksal dieser Vorlage zweifelhaft; sie wird mit 
dedeutender Majorität abgelehnt werden. Selbst 
die Anhänger des Monopols geben zu, daß der 
Fntwurf in der vorliegenden Fassung nicht Gesetz 
verden könne. Vielfach wird angenommen, der 
ẽntwurf sei überhaupt nicht ernst gemeint, im 
dintergrunde stehe vielmehr das Rohtabakmonopol 
oder eine weitere Erhöhung der Gewichtsteuer 
Sachverständige behaupien, daß bei den von der 
Regierung festgesetzten Preisen für die geringeren 
ind am meisten konsumirten Rauchtabake sich ein 
iennenswerther Vortheil überhaupt nicht erzielen 
lasse. Ueber das muthmaßliche Schicksal der Vor⸗ 
age im Reichstag schreibt die „Köln Ztg.“: Wenn 
wir nach einem unglücklichen Kriege vielleicht fünj 
Milliarden zu zahlen hätten, dann ließe sich über 
cine, unser gauzes wirthschaftliches Leben so von 
Grund aus umstürzende Maßregel verhandeln; 
aber heute ohne solche zwingende Rücksicht aus 
hründen der Staatsallmacht einen der bedeutendsten 
Zweige unserer Industrie auf den Kopf zu stellen, 
st eine Zumuthung, die im deutschen Volke auf 
inen guten Empfang nicht rechnen kann. Der 
baherische und sächsische Landtag haben sich mit 
mposanter Mehrheit unzweideutig gegen das Monopol 
nisgedrückt; es wäre vielleicht angezeigt, auch im 
dreußischen Abgeordnetenhause die Meinung der 
Parteien schon heute fest legen zu lassen, damit 
Die Arbeiten beschleunigt würden. Soll der Reichstag 
wegen des Tabakmonopols aufgelöst werden, so 
kann der preußische Landtag bei aller Abneigung 
gegen den parlamentarischen Particularismus dem 
Reichskanzler den Gefallen thun, ihm zu zeigen, 
daß er die Auflösung jetzt schon vornehmen könne, 
ohne erst die außerordentliche Session anzuberaumen. 
bs wäre das eine gewiß auch der Reichsregierung 
wünschte Klärung der Lage, welche die kommenden 
Geschäfte vereinfachen und erleichtern würde. 
Der „Reichsanzeiger“ bringi die Ansprache 
des Fürsten Radziwill an den Sultan bei 
der Ueberreichung des schwarzen Adler⸗Ordens. In 
dieser heißt es er jei beauiftragf dem Sultan di— 
17. Jahrg. 
Racht gegen das Leben des Kaisers Alexander II. 
gerichtet waren. Von den 22 Angeklagten find 10 
zum Tode, darunter eine Frau, und die andern zu 
Zwangsarbeit verurtheilt. Die Verhandlungen 
wurden bei verschlossenen Thüren geführt, nur 
wenigen Auserwählten war der Zutritt gestattet, 
und was der Telegraph uns — auf indirektem 
Wege — mittheilte, beschränkt sich auf dürftige 
Notizen und es fehlt daher ein Einblick in den Ton 
und Geist des Prozesses. Wir wissen vor Allem 
nicht, was die Angeklagten zugestanden, wie sie 
hre Verbrechen motivirten und was sie ableugneten. 
Soviel räumte aber auch ber offiziöse Telegraph 
ein, daß die Vertheidigungsrede des angetlagten 
ehemaligen Marineoffiziers Suchanoff einen tiefen 
TFindruck auf die Zuhorer hinterließ. Der Peters- 
burger Correspondent der Köln. Ztg. bemerkt, daß 
nuch die Richter tief ergriffen von der Rede waren. 
Suchanoff setzte nämlich ausführlich auseinander, 
was ihn zum Revolutionär gemacht habe. Aller 
Wahrscheinlichkeit nach gehört er zu Denen, über 
die das Todesurtheil gefällt wurde, weil er bei den 
begangenen Verbrechen eine Hauptrolle spielte. 
Neben dem General Skobeleff machen die 
finanziellen Zustände Rußlands der 
Regierung des Czaren jetzt Beschwerden. Der 
Finauzminifter greift zu verzweifelten Mitteln. Die 
Eisenbahnsteuer, über welche alle am Verkehr inte— 
ressirten Kreise seufzen, schafft er nicht ab. Die 
Zölle und die Wechselstempelsteuer schraubt er noch 
jöher, als sie ohnehin schon sind. Gegen wirth— 
chaftliche Erfahrungen ist er unzugänglich. Die 
Zolleinnahmen des vorigen Jahres, in welchem be—⸗ 
kanntlich die Einfuhrartikel ohne Ausnahme 
mit höheren. Abgaben belegt wurden, sind trotzdem 
uni 194 Millionen Rubel gegen 1880 zurückge— 
blieben. Das ist ihm aber weiter nicht belehrend, 
als daß — eine abermalige Erhöhung von einzel⸗ 
nen Tarifpositionen nothwendig sei. Auch die 
Ausfuhr, und zwar schon im Jahre 1880, war 
um 130 Millionen Rubel im Werthe gegen das 
Jahr vorher gesunken und wurde von der Einfuhr 
um 124 Millionen überragt, welcher Mehrbetrag 
also durch baares Geld gedeckt werden mußte. Da— 
für scheint dem Finanzminister überhaupt das Ver⸗ 
tändniß zu fehlen, sonst würde er doch kaum die 
Verkehrsmöglichleiten im eigenen Lande beschränken. 
Die Goldausfuhr erreichte im Jahre 1880 die Höhe 
von 29 Millionen. Der greise Finanzminister weiß 
sich dazu ebensowenig einen Vers zu machen: er 
belastet den Wechselverkehr. Und Skobeleff will die 
Welt glauben machen, daß Rußland nur groß, 
ttark und frei werden könne durch einen Krieg 
gegen das Deutschthum! Es würde zerbröckeln. 
In Odessa (Südrußland) soll ein Korps von 
üdslavischen Freiwilligen für den Kampf in der 
Herzegowina gebildet werden. — Die feierliche 
Zarenkrönung zu Moskau ist jetzt angeblich 
auf den 22. August alten — 3. September neuen 
Styles festgesetzt. Das wäre der fünfte Jahrestag 
der Schlacht von Lowischa, der eigentlichen bul— 
garischrn Siegesschlacht Skobeleff's. Wenn das 
ein Zufall ist, ist es ein merkwürdiger. 
London, 1. März. Die, Times“ besprechen 
die Rede Skobeleff's und die Bestrebungen der 
Panslavisten und sagen: Europa kann solche ver— 
zweifelte Experimente nicht billigen. Es hat seine 
eigenen Interessen zu wahren, stellt sich deshalb 
auf den Standpunkt der feierlichen Verträge von 
1878, welche diese Interessen verbürgen. Es be— 
gehrt vor allem Frieden und eine ehrliche Vrob— 
fir die wenrre OrArunag der Din