Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ausland. 
Petersburg, 8. Müärz. Anläßlich eines 
Artikels der „Nordd. Allg. Ztg.“ bemerkt das 
„Journal de St. Petersbourg“: Bei der Revision 
des Zolltarifs sei man bemühl, alles zu vermeiden, 
was die Handelsbeziehungen Rußlands zu ver— 
schiedenen Ländern hemmen könnte. Das Journal 
könne versichern, Deutschland werde keinen Grund 
zur Klage haben; es handele sich um Artikel, welche 
Deutschland nicht producire. Uebrigens verspreche 
man sich von der Revision des Zollreglements ernste 
Ekgebnisse zur Erleichterung des internationalen 
Handelsverkehrs und Verringerung der Contrebande. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
St. Ingbert, 10. März. Heute weilte 
der kgl. Bezirksautmann Herr Dr. Schlagint— 
weit hier, um an zwei Prüfungen in den hiesigen 
Volksschulen Theil zu nehmen. 
*St. Ingbert, 10. März. In der heu— 
tigen Distriktsrathsversammlung wurden als Aus⸗ 
ichußmitglieder gewählt die Herren: 
1) Heinrich Krämer 
2) Kahn Wolfgang 
3) Wolter G., von Eschringen 
4) Urban Jacob., Bürgermeister von Rohrbach 
59 Hoffmann Il., von Ommersheim 
6) Karren, Adjunkt von Ensheim. 
*St. Ingoert, 10. März. Wir erlauben 
uns hiermit, unsere Leser auf das nächsten Sonntag 
Nachmittag bei Oberhauser dahier stattfindende 
Conzert'der Heinitzer Bergkapelle beson⸗ 
ders aufmerksam zu machen. Die genannte Kapelle 
ist durch frühere Leistungen hier vortheilhaft bekannt 
und wird, wie nicht zu bezweifeln, auch am nächsten 
Sonntage ihrem Renommée alle Ehre machen. 
— Zum Oberpostmeister der Pfalz 
wurde der k. Oberinspektor an der Generaldirektion 
in München, Hr. Eduard Seifert, ernannt 
(Derselbe bekleidete ichon in den sechziger Jahren in 
Speyer die Stelle eines Telegrapheninspektors.) 
Für die Bestellung der Postsendungen 
durch Eil boten sind vom 1. März ab folgende 
Bestimmungen versuchsweise in Kraft getreten: Bei 
Vorausbe zahlung des Eilbestellgeldes für Sendung 
nach Landorten kommt wie bei Telegrammen eine 
Gebühr von 80 Pf. für Briefe, Postanweisungen 
und Geldbriefe, dagegen für Packete eine solche von 
b M. 20 Pf. ohne Unterschied der Entfernung zur 
Ecrhebung.“ Für die Eilbestellung im Ortsbezirk 
der Postanstalten kommt im Fall der Vorausbezahlung 
die seitherige Gebühr von 25 Pf. für alle Gegen⸗ 
stände außer den Packeten, für letztere der Satz 
von 40 Pf. in Anwendung. Ist das Eilbestellgeld 
nicht im Voraus entrichtet, so hat der Empfänger, 
wenn er die Sendung annimmt, den vollen Boten⸗ 
lohn zu zahlen. Den Eilboten werden Geldbriefe 
und Werihpackete bis zum angegebenen Werth von 
100 Mart, Postanweisungsbeträge ebenfalls bis 
zur Höhe bvon 400 Mark mitgegeben. Eilpackete 
im Gewicht von mehr als 5 Kg. werden nur in⸗ 
soweit abgetragen, als die Postanstalt am Bestim⸗ 
mungsortes für angängig erachtet. Bei Voraus⸗ 
bezahlung des Eilbestellgeldes ist unter dem die 
Eilbestellung verlangenden Vermerk der Zusatz „Bote 
bezahlt“ zu machen. 
Blieskastel. Die Bierbrauerei von 
Philippi wurde um den Preis von 36,000 Mark 
hon Herrn Max Seyffert ersteigert. (Pf.3) 
— Zweibrücken, 8. März. In der un⸗ 
jer dem Vorsitze des kgl. Oberlandesgerichtsrathes 
Nössel unterm 13. d. M. beginnenden Schwur⸗ 
gerichtssession des 1. Quartals 1882 kommen fol⸗ 
gende Faälle an den beigesetzten Tagen zur Ver—⸗ 
handlung: 
Am“ 13. März, Vormittags 822 Uhr: l 
Pirrung, Jakob, 26 Jahre alt; 2) Jene, Jakob, 
21 Jahre alt, beide Ackerer von Lettersweiler. 
Ersterer der Körperverletzung mit nachgefolgtem 
Tode, Letzterer der Körperverletzung mittelst gefähr⸗ 
lichen Werkzeuges angeklagt. Vertreter der kgl. 
Siaatsbehörde: 1. Staatsanwalt Petri. Verthei⸗ 
diger: Rechtsanwalt Gebhardt. 
Am 14. März, Vormittags 814 Uhr: Ruffing, 
Andreas, 27 Jahre alt, Aderer von Niederbexbach 
eines Verbrechens wider die Sitilichkeit ange⸗ 
klagt. — Vertreier der lgl. Staatsbehörde: 2. 
Staatsanwalt Dr. Krell. Vertheidiger: Rechts- 
praktikant Trier. 
Am 15. März, Nachmittags 8 Uhr: Ded, 
Nikolaus, 18 Jahre alt, Dienstknecht; 2) Noll, 
Zafob 16 Jahre alt. Taqner, beide von Kandel: 
beide angeklagt wegen Verbrechens wider die Sitt⸗ 
lichkeit. Vertreter der kgl. Staalsbehörde: 1. Staats— 
anwalt Petri. Vertheidiger: Rechtspratktikant Loew 
Am 16. März, Vormittags 82 Uhr: Bach, 
Barbara, 22 Jahre alt, ledige Fabrikarbeiterin von 
Kirchheimbolanden, — des Meineids angeklagt. — 
Verleeter der kgl. Staatsbehörde: 3. Staatsanwalt 
Wagner. Vertheidiger: Rechtspraktikant Chormann 
Am 17. März, Vormittags 83 Uhr: Schwarz 
David, 18 Jahre alt, Schreibgehilfe von Karls— 
berg, — der Urkundenfälschung und Unterschlagung 
angeklagt. — Vertreter der kgl. Staatsbehörde 
2.“Staatsanwalt Dr. Krell. Vertheidiger: Rechts— 
praktikant Lipps. 
Am 18. März, Vormittags 83 Uhr: 1, 
Fischer, Georg, 46 Jahre alt, Gärtner; 2) Fischer, 
JFaköb, 20 Jahre alt, Wagnergeselle; beide von 
Dürkheim, — angeklagt wegen Münzverbrechens. 
Vertreter der k. Staatsbehörde: 3. Staatsanwalt 
Wagner. Vertheidiger: ad 1 Rechtspraktikant 
dilier, ad 2 Rechtsprattikant Schulz. 
Am 18. Mätz, Nachmittags 8 Uhr: Griese— 
nann, Karl Friedrich, 59 Jahre alt, Tagner von 
Rheingönnheim, — angeklagt wegen Verbrechens 
vider die Sittlichteit. — Vertreter der k. Staats 
dehörde: 3. Staatsanwalt Wagner. Vertheidiger: 
Rechtspraktikant Bartel. 
Am 20. März, Vormittags 82 Uhr: Brixius 
Johann, 18 Jahre alt, Uhrmacher von Alsenz, — 
ingeklagt der Gefährdung eines Eisenbahntrans- 
»oxts. — Vertreter der kgl. Staatsbehörde: J. 
Staatsanwalt Petri. Vertheidiger: Rechtsanm alt 
Gebhardt. 
Am 21. März, Vormittags 82 Uhr: Barbara 
Feß, 22 Jahre alt, ledige Dienstmagd aus Ball⸗ 
weiler, zuletzt in Zweibrücken, — des Kindesmords 
angetlagt. — Vertreter der kgl. Staatsbehörde: 
3.“ Staͤutsanwalt Wagner. Vertheidiger: Rechts⸗ 
prattitant Gießen. 
— Ramstein, 8. März. Auch der zweite 
der auf der Böcking'schen Ziegelei beim Einsiedel 
verunglückte (erschüttete) Arbeiter, der ledige 
Leithaäuser von hier, ist heute früh im Hospital 
zu Kaiserslautern in Folge der erlittenen Verletz⸗ 
ungen gestorben. 
— Mit Bezugnahme auf die gestrige Nachricht 
uüber einen Unglücksfallein Kaiserslautern 
wird dem „Kais. Stadtanz.“ aus zuverlässiger Quelle 
nitgetheilt, daß das Kind des Zimmermannes Graf 
rach Aussage des Gerichtsarztes eines natürlichen 
Todes gestorben ist. 
— Speyer, 8. März. Gestern fuhr ein mit 
meist jüngeren Landbewohnern aus unserer nächsten 
Umgebung Dudenhofen, Harthausen ⁊c. —X 
beseßter und mit Kränzen geschmücter Leiterwagen 
in die Stadt ein, dessen Insassen den Weg in das 
gelobte Land Amerita veschreiten wollten. Auch in 
S-peyer und Frankenthal dereitet sich eine größere 
Lnzahl Fomilien zur Ansmanderung vor. 
Vermischtes. 
4 Zwei junge Frankfurter beabsichtigen eine 
Vergnügungsstour per Velociped nach Paris 
zu unternehinen. Sounntag soll die Abreise erfolgen 
ind acht Tage spaäter hoffen die Herren in der 
französischen Hauptstadt einzutreffen. 
FIn Berlin sind wegen betrügerischen Banke— 
rotts, resp. Anstiftung und Theilnahme, die Kauf 
leute Brauer, Pizuch und Falk verhaftet worden. 
Im vorigen Jahr wurde in der Heiligegeiststraße 
daselbst unter der Bezeichnung „Johann Gottlieb 
Bergrath & Comp.“ ein Materialiengeschäft einge- 
richtet, das nur mehrere Wochen bestand, aber 
niemals in's Firmenregister eingetragen war. Die 
angebliche Firma bestellte in Kempten GBayern) für 
1500 Mark Käse durch den Berliner Agenten der 
vetreffenden Käsegroßhandlung, den erwähnten Brauer. 
Die Käsegroßhandlung lieferte die Waare, denn sie 
ꝛrhielt von einem Auskunftsbureau über die Firma 
„Bergrath & Comp.“ gute Nachrichten, welche der 
stechercheur des Auskunftsbureaus, der gleichfalls 
rwaähnte Falk, ein Freund Brauers, auf dessen 
Anstiften geliefert hatte. Pizuch betrieb das Schwin⸗ 
zelgeschäft ia der Heiligegeiststraße. Die Betrüger 
chlugen die Waare für ein Spottgeld los und 
heilten sich in den Raub, die Kemptener Handlung 
rhielt nichts. Aus den bei Brauer vorgefundenen 
Forrespondenzen geht hervor, daß das Schwindelge⸗ 
chaft noch von vielen andern Firmen Waaren auf Cre⸗ 
dit entnommen oder zu entnehmen versucht hat, 
die jedoch bisher bei der Strafbehörde keine Anzeige 
gemacht haben. 
In Köln ist Leon Pelzer, der muthmaßu 
Mörder des Advokaten Bernays in Antwerpen, 
auf dem Bahnhofe verhaftet worden. Er soll seine 
Identität mit dem Henry Vaughan, dem Unterzeich— 
ner des an den „Coroner der Stadt Brüssel“ ge. 
richteten Briefes, den man neben der Leiche des 
Bernays gefunden hat, eingestanden haben. 
7 GMillionenerbschaft.) Kaum wird 
eine Millionenerbschaft entschieden, so ist es schon 
wieder eine andere, welche die Gemüther aufregt 
und in freudige Spannung versetzt. Neuerdingt 
vird, wie der „Fränk. Ztg. geschrieben wird, ĩr 
der Gegend am Hesselberg viel von der Springer'schen 
Erbschaft gesprochen, gegen welche die Ott'sche nur 
eine Kleinigkeit sein soll. Das Nähere, was man 
darüber im allgemeinen hört, ist folgendes: Zu 
e5nde des 17. Jahrhunderts wanderte ein gewissen 
Springer von unserer Gegend nach Amerika aus. 
Sin kinderloser Nachkomme dieses Mannes starb vor 
einigen Jahren und hinterließ ein Vermögen — 
heils baar Geld, theils Besitzungen — von über 
150 Millionen Mark. Eigenthümer dieses Namen⸗ 
deren es in unserer Gegend eine große Anzahl 
zibt, welche meinen, ein Anrecht auf einen Erbtheil 
zu besitzen, müssen ihren Stammbaum an, einer 
ameritanischen Advokaten Namens Mundlauf, z. 3 
in London, einsenden. Letzterer selbst ist Verwandte 
und Erbe des Erblassers und leitet die geschäftlichen 
Angelegenheiten. Die einzelnen Stammbäume 
werden von einem Komité geprüft und zusammen— 
Jestellt und behufs Herausgabe der Erbschaft den 
imerikanischen Gerichten präsentirt. Es soll sich bereits 
zine beträchtliche Anzahl von Bewerbern gefunden haben. 
(Abnahme der Verbrechen.) Wenn 
immer über Zunahme der Verbrechen und Ueber— 
üüllung der Zuchthäuser geklagt wird, so ist es wohl 
zuch angemessen, einmal das erfreulichere Gegen 
theil zu berichten. Nach statistischen Erhebungen 
befanden sich in 35 Zuchthäusern Preußens im 
Jaͤhre 1879 1880 im Ganzen 27, 028 Verbrecher, 
darunter waren 3641 Frauen, also noch nicht 14 
»Ct. In 22 preußischen Gefängnissen waren 
30,450 Gefangene, darunter 6211 weibliche unter— 
zebracht. Die letzteren machten also nur wenig 
iber 20 pCt. der Inhaftirten aus. Neu einge— 
iefett wurden im Vorjahr 6553 Männer und 1211 
Frauen, im letzten (folgenden) Jahre aber 6067 
Männer, also fast um 8 pCt. weniger, Frauen im 
Vorjahr 1211, im letzten 10738, also über 11 pCt 
veniger. Diese Abnahme der Verbrechen ist außer— 
odentlich erfreulich und es ist überhaupt bemerkens. 
verth, daß die Frauen, namentlich in den letzten 
Jahren, viel weniger zu den Straffalligen gehören 
vie früher und kaum ein Viertel der Inhaftirten 
hilden. Solchen Zahlen gegenüber kann man doch 
nicht umhin, auf die größere Sittlichkeit der weib⸗ 
ichen Natur zu schließen. Will man ein größeres 
Fernbleiben von Mord und Todischlag ihrer Körper—⸗ 
chwäche zuschreiben, so ist dagegen der Kindsmord 
ein jpeziell weibliches Verbrechen. Gelegenheit zu 
Betrug, Diebstahl ꝛc. bietet sich aber den Frauen 
nicht minder, wie den Männern. — Wir glauben 
nicht fehlzugreifen, wenn wir diese Abnahme der 
Verbrechen beider Geschlechter dem verbesserten Schul⸗ 
ind Armenpflegerwesen, der Erleichterung der Ehe⸗ 
chließungen ꝛc. zuschteiben, wie allen Bildung— 
zlementen, welche durch Vereinsbemühungen auch 
den ärmeren Classen zugeführt werden. Es ist dies 
ein Trost in und für die Zeit, in der man so ojt 
nur über das Sinken der Moral klagen hört und 
zugleich ein Sporn für Alle, die sich an jenen 
Vereinen betheiligen, in ihren Bestrebungen nicht 
müde zu werden. Die Abnahme der weiblichen 
Verbrecher hat ganz gewiß ihren Grund in der 
Verbesserung der Mädchenschulen (7), der Erweiter⸗ 
ung der weiblichen Erwerbsfähigkeit und der Abe 
nahme der verächtlichen Behandlung, unter welche 
die weibliche arbeitende und dienende Classe sonf 
zu leiden hatte. Denn je mehr von einem Men— 
ichen gehalten wird, je mehr hält er auch schon auf 
und von sich selbst. Selbstachtung ist immer det 
beste Halt und Schutz gegen das Versinken in —X 
Jeit, Laster und Verbrechen. (Tr. Ztg.) 
F Die Zahl der deutschen Auswanderet 
aͤber die drei deutschen Auswanderungshäfen Bremen 
Hamburg und Stettin betrug im Jahte 1881 
184,369 gegen 94,966 im Jahre 1880. Außet 
dem wurden im Jahre 1881 von Antwerpen au 
26,178 deutsche Auswanderer befördert gegen 11.224 
im Vorjahre. 
(Was Paris in einem Monat ißt 
Nach der Verproviantierungs⸗Statistik von Vatis