Full text: St. Ingberter Anzeiger

f Forbach, 31. März. Heute Morgen ver— 
ziftete sich der Prokurist der hiesigen Vallet'schen 
Glashütte, P......, ein Luxemburger, welchem 
zum 1. April aufgekündigt war, in dem Comptoir 
derselben in Gegenwart eines jungen Mannes, 
welchen er mit den Worten „ich vergifte mich jetzt“ 
zum Mittrinken des in Branntwein aufgelösten 
Arseniks einlud. Die Wirkung des Giftes äußerte 
sich schnell und starb P. trotz sofort angewendeter 
Gegenmittel und ärztlicher Hülfe am Abende mit 
Hiuterlassung einer Frau und 2 Kinder. Ueber 
die Molibe, welche denselben zur That getrieben, 
zirkulieren verschiedene Versionen und bleibt daher 
zähere Aufklarung abzuwarten. Die hiesigen Be⸗ 
vpohner nehmen um so mehr Anteil an diesem für 
die Hinterbliebenen uüͤberaus traurigen Fall, als 
die Ehefrau an einem langwierigen Leiden krank 
zarniederliegt. (Saarbr. Ztig.) 
F Die in Die den hofen erscheinende Mosel⸗ 
und Nied⸗Ztg.“ berichtet über die muthige That 
eines Pfälzers wie folgt: Eine junge Dame, die 
mit dem Mittagszug von Metz gekommen war. 
wollte über den zweiten Perron weg quer über 
das Schienengeleise nach dem Bahnhofe gehen und 
var eben im Begriff ihren Fuß auf das Geleise 
der Linie Diedenhofen⸗Luxemburg zu setzen, als der 
zon Luxemburg kommende 1-Uhr-Zug heranbrauste. 
Die ziemlich große Anzahl von Passagieren, welche 
auf dem Perron standen, sowie die anwesenden 
Fisenbahnbeamten riefen der Dame zu, welche je⸗ 
doch, wie es schien, nicht ahnte, daß das Rufen 
ihr galt. Alles sah voll Entsetzen nach derselben, 
giauvend, daß sie jeden Augenblick durch die Ma⸗ 
schine des heranbrausenden Zuges erfaßt und ge⸗ 
odtet werde. In dem Augenblick jedoch, als der 
Zug auf etwa 2 Schritte sich der Dame genäheri 
datie, sprang der ebenfalls auf dem Perron stehende, 
hier wohnende Herr Gerichtsschreiber Humbert 
aus Bergzabern) hinzu, faßte dieselbe am Arm 
ind zog sie noch so weit zurüd, daß die Maschine 
Jerade dicht an Beiden vorüber fahren konnte. 
xErleichtert jah Alles nach der Geretteten und dem 
Relter, welch' letzterer gewiß auch volle Anerkenn⸗ 
ung verdient. 
4 Laut einer Bekanntmachung der General⸗ 
direktion der Eisenbahnen in Elsaß-⸗Lothringen 
verden im Interesse des reisenden Publikums die 
im Tage vor dem diesjährigen ersten Ostertage 
zur Anforderung kommenden Retourbillete für den 
Ldocalverkehr auf den elsaß⸗lothringischen Bahnen 
und nach bezw. von Stationen der pfälzischen Bahnen 
uͤber Lauterburg, Weißenburg, Saargemünd und 
nach bezw. von Stationen des Eisenbahn⸗Direktions⸗ 
bezirks Koln (linksrheinisch) über Saargemünd, 
Slieringen, Bous, Sterck und Wasserbillig eine um 
inen Tag verlangerte Giltigkeitsdauer erhalten, so 
daß diese Billete zur Rückfahrt nach der Ausgabe⸗ 
zation noch am Tage nach dem zweiten Feiertage 
henutzt werden können. 
FIn Mainz hat sich der Sergeant P. vom 
117. Infanterie⸗Regiment in dem Militärarrestlokal 
erhängt. Er hat die That wahrscheinlich deshalb 
derübt, weil in dem auf Veranlafsung eines Vor—⸗ 
gesetzten geöffneten Schrank des P. Schriften sozial⸗ 
demokratischen Inhalts gefunden worden wären und 
ihm eine erhebliche Strafe in Aussicht stand. Ein 
Frauenzimmer soll die Anzeige gemacht haben. 
— Das Schützenfest in Mannheim ist nun⸗ 
mehr endgiltig auͤf die Tage vom 9. bis 16. Juli 
hestimmt. 
Die Weinfälschungsprozesse vor den badischen 
GBerichten nehmen immer größeren Umfang an. 
In dem bekannten Weinorte Ihringen am Kai— 
serstuhl waren drei Tage lang ein Untersfuchungs⸗ 
richter und ein Chemiker thätig, weil sich Anhalts⸗ 
punkte ergaben, daß dort die Weinfabrikation in 
Flor gekommen. Fünfzehn Bürger und Weinhandler 
aus diesem Orte sind wegen Weinfälschung in Un⸗ 
ersuchung gezogen, der Untersuchungsrichter hat 
zahlreiche mit Wein gefüllte Fasser gerichtlich 
dersiegelt. 
(Ein Aberglaube des Reichskanz⸗ 
lers.) Auch große Männer sind nicht frei von 
Aberglauben. Wallenstein schloß sich oft halbe Tage 
mit seinem Astrologen Seni ein, um sich von dem⸗ 
jelben aus den Sternen die Zukunft entschleiern zu 
assen. Napoleon J. schlich sich heimlich zu der 
startenlegerin Lenormand und lauschte mit gespann⸗ 
sester Aufmerksamkeit, wenn ihm die schlaue Pythia 
die Karten deutete. Des Fürsten Bismarck Aber⸗ 
glauben bezieht sich auf die Dauer seines Lebens 
Röor langer Zeit soll er sich wie der „B. B.⸗C.“ 
erzählt, einmal geäußert haben, daß er das Jahr 
1881 nicht überleben werde. Sechsundsechzig Jahre 
Lebensdauer schrieb er sich zu, sechsundsechzig oder 
— neunundneuͤnzig, welche beiden Zahlen er in 
inen geheimnißvollen Zusammenhang mit sich brachte; 
und da er nicht hoffte, zu neunundneunzig zu 
'ommen, so rechnete er nur auf die kleinere von 
»eiden Zahlen. Jetzt hat er die sechsundsechzig 
Jahre vollsiändig hinter sich, und nun geht's flott 
auf die Neunundneunzig los. 
, Von den Küsten und aus See“, das Or— 
jan der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff⸗ 
zrüchiger, bringt über die Strandungen und Ret 
ungen an den deutschen Küsten im Jahre 1881 
zie folgenden Daten: Es verunglückten 112 Schiffe 
nit einer Besatzung von 489 Personen. Davon 
vurden gerettet: durch Rettungsboote 96, durch 
aketenapparate 13, durch sonstige Hülfe vom Lande 
59, durch Selbsthülfe 147, durch Hülfe in See 110 
Personen, während nachweislich 64 Personen er⸗ 
ranken, und zwar unter Umständen, die eine Ret— 
ung ausschlossen. Der furchtbare Nordwest⸗Sturm 
velcher sich in der Nacht vom 14. zum 15. Olt. 
erhob, gab fast sämmtlichen Rettungsstationen der 
sterdfee Gelegenheit, in Dienst zu treten. Am 15. 
ind 16. Oktober wurden 483 Personen durch Ret—⸗ 
ungsgeräthe der Gesellschaft gerettet, jedoch ist die 
Zahl der Ertrunkenen an diesen Tagen noch größer 
Jjewesen. Allein auf Gratz- und Medemsand vor 
zer Elbe zertrümmerten 3 große Seeschiffe, von 
denen Niemand gerettet werden konnte. 
Aus dem Leben des im vorigen Jahre ver⸗ 
dorbenen preußischen Generals v. Go eben wird 
'olgende interessanie Episode berichtet: Es war im 
Sommer des Jahres 1840, als der damals 28jährige 
arlistische Oberstlieutenant v. Goeben nach Been⸗ 
zigung des Krieges in Spanien in seine Heimath 
urucktehrte. Ein fast ununterbrochener Fußmarsch 
ührte ihn von der spanischen Festung Ternel bis 
rach Frankfurt a. M. Ganz ohne Mittel hatte 
». Goeben die letzten Wochen nur von unreifem 
Obst gelebt und die Nächte auf freiemn Felde zu— 
ebracht. In der sogenannten Eberstädter Tanne 
chloß er sich einem wandernden Bäckerburschen an 
ind sagte ihm, er habe nun das ewige Schlafen 
inter freiem Himmel herzlich satt und wolle sich in 
Darmstadt arretiren lassen, um endlich einmal wieder 
inter Dach und Fach zu kommen. In der Stadt 
mngekommen, meldet er sich auch wirklich beim 
Züͤrgermeister als Vagabond und hofft nun unter 
Schloß und Riegel gebracht zu werden und ein 
Ztück Brod zu bekommen. Er wird jedoch nach 
einen Papieren gefragt, und da stellt es sich heraus, 
zaß sie volllommen in Ordnung, man ihn also 
nit dem besten Willen nicht festhalten kann. Ganz 
rostlos, ausgehungert und todtmüde muß er nun 
veiter ziehen; da hört er — noch in der Stad' 
— im Vorübergehen an ein Fenster pochen, und 
siehe da, es war mein Bäckergesellel“ Zwöll 
dreuzer, die dieser ihm in die Hand drückte, er— 
nöglichten ihm ein Unterkommen in der Handwerker⸗ 
derberge. „Das war mein erster Besuch in Darm⸗ 
jadt,“ so schloß Goeben seine Erzählung. „Das 
weite Mal, im Jahre 1849, wurde ich in Be— 
zleitung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzer 
jon Preußen mit Hof⸗Equipage vom Bahnhof ab⸗ 
Jeholt, und das dritte Mal, im Jahr 1866, rückte 
cch als General an der Spitze meiner Truppen in 
dieselbe Stadt ein. So wechselvoll dann unser 
X 
Gerhaftung von Sozialdemokraten.) 
Ende voriger Woche hielt die Polizei in Born— 
hdeim bei verschiedenen Personen nach sozialdemo⸗ 
iratischen Schriften Haussuchung, was zu mehr⸗ 
jachen Verhaftungen führte. Die Polizei zeigte sich 
n einem Falle sehr genau mit der Oertlichkeit 
zertraut; sie ließ sofort den Kleiderschrank fortrücken, 
hbinter welchem sich ein Wandschrant befand, der die 
ocialdemokratischen Schätze barg, die sie mit dem 
Eigenthümer an sich nahm. 
Die deutsche Reichsregierung ernannte den 
Afrika⸗Forscher Dr. Nachtigal zum kaiserlichen 
Tonsul in Tunis, wohin derselbe alsbald abgereist. 
F Paris. Durch die Presse ging vor einigen 
Tagen die Nachricht, daß Fräulein Mackay, die 
Tochter des reichsten Amerikaners, sich mit dem 
Prinzen Philipp von Bourbon verlobt hätte. Die 
Nachricht war eine Ente und der Schuldige, der 
ñe losgelassen, war der „Figaro.“ 
4 Welche Zweige der Erziehung“, fragte ein 
ich weizerischer Schulrath einen Dorfschullehrer, 
pflegen Sie mit Vorliebe in ihrer Schule?“ — 
„Die Birken⸗ und Haselnußzweige,“ war die Anp 
wort, „weil ohne sie mit den verwilderten Junger 
nicht durchzukommen ist.“ 
F Ueber eine angebliche Rückkehr aus der fran 
zösischen Gefangenschaft wird dem „Pos. Tgbl. 
zemeldet: „Nach dem posen'schen Dorf Duchowe 
kehrte kürzlich ein seit dem französischen Krieg hon 
1870,71 als Vermißter aufgeführter Gatte uͤm 
Familienvater, welcher, wie erzählt wird, in einen 
französischen Bergwerk hat arbeiten müssen, von 
dort aber entflohen ist, zurück. Die Frau desselber 
jatte nach erfolgtem Aufruf wieder geheirathet, und 
nan ist gespannt, wie die Angelegenheit geordne 
verden wird.“ 
4 Gezahlte Gäste) In London ist e— 
benso wie in anderen großen Städten, Sitte, das 
gebildete, heitere Männer von schlagfertigem Wi 
diele Einladungen zu Diners erhalten, und Manche 
die man Dinner-Guts“ nennt, (Auswärts-Speiser 
werden so gesucht, daß sie neuestens beschlossen haben 
„es nicht mehr umsonst zu thun“. So hörte mar 
fürzlich Einen in folgender Weise sich äußern: „Ich 
gehe nicht länger zu Diners um Nichts. Ich has 
sje, denn sie haben meiner Konstitution viel Schader 
Jethan. Es ist Zeit, daß sie mir ewwas Andere 
iniragen als Langeweile und Magenbeschwerden 
In Zukunft dinire ich nur gegen Geld.“ Wirklich 
lursiren in der feineren Gesellschaft Londons kleint 
Tarife von „Auswärts⸗Speisern“, die höher um 
descheidener sind, je nach der Gesuchtheit des Be 
reffenden. So ungefähr: „Mr. Sweet Smyler ha 
freundliche Einladung von Mrs. Soundso erhalten 
aber es werden so viele gleiche Ansuchen an ihr 
zerichtet, daß er aus Gerechtigkeit gegen sich selbf 
vie gegen die geehrten Bewerber beschlossen hat 
nur gegen fire Preise zu erscheinen. Herrendiner: 
ohne Verpflichtung, in Abendtoilette zu erscheinen 
werden akzeptirt gegen eine Fünfpfund-Note; we 
Ladies anwesend sind und Toilette unerläßlich ist 
werden sieben Pfund beansprucht. Für jede Viertel 
stunde mehr nach 10 Uhr Abends wird weiter eir 
halber Sovereigne berechnet.“ — Wie viele arm— 
Teufel zählt London aber, die ein gutes Dine— 
gerne umsonst annehmen würden!? FL 
4 In Athen ist das Gerücht verbreitet, daf 
önig Georgios durch einen Pistolenschuß nicht un 
erheblich verwundet wurde und nun infolge desser 
das Bett hüten müsse. Ueber diesen Fall will de— 
Athener Blatt „Homeritia Nea“ folgendes erfahren 
haben: Der König hätte unlängst spät am Abend 
mutterseelenallein einen Spaziergang im Piräus ge— 
nacht und sei dabei an einem Meilitärposten vor— 
iübergegangen. Dieser habe dem Vorübergehenden 
den er der Finsterniß halber nicht erkannte, das 
uübliche „Wer da?“ zugerufen, und als die Antwor— 
darauf nicht sogleich erfolgte — wahrscheinlic 
zögerte der König, sein Incognito zu verrathen — 
Feuer gegeben. Welche Angelegenheit den Köonit 
in so späler Abendstunde nach dem Piräus geführ 
hdat, darüber herrscht Dunkelheit. 
New⸗Orleans, 31. März. Der Dampfe 
„Goiden City“, von hier nach Cincinnati bestimmt 
ist an der Werfte von Memphis verbrannt, wobe 
35 Personen, meistens Frauen und Kinder, umkamen 
Coruna, 2. April. Das Packetboo 
Douro“, von Brasilien kommend, und de 
panische Dampfer „Yrurac“, mit Fracht voꝛ 
Liverpool nach Portorico, stießen in der Nacht von 
1. April an der Küste von Finisterre zusammer 
und kenterlen beide. Vom „Douro“ wurden nu 
17. vom „Yrurac“ 67 Personen gerettet. 
Die“Lackirten. Anläßlich des Todet 
der Kaiserin von China war es dein chinefischer 
Volke als Zeichen aligemeiner Trauer verboten wot 
den, sich zu rasieren, Diese Trauer sollte einer 
Monat waͤhren; da wurde es dem Burgermeifte 
don Tadon hinterbracht. daß mehrere Elegant 
das Verbot mißachtet und ihr Gesicht in frevel 
hafter Weise mit Messer und Seifenschaum 
VBerbindung gebracht. Bei sämmtlichen Raseur 
wurde eine Razzia vorgenommen, und 60 Indiv 
huen auf der That ertepph. Ihre glatten Gefichte 
wraften ihre Worte Lugen, sie seien nur weger 
des Zopfes gekommen, und in feierlicher Sitzun 
vurde deschlossen, die Ungehorsamen einet strenge— 
Strafe zu unterziehen. Man rasierte ihnen d 
Zopfe uͤnd bededte diese mit einer Lage blaue 
Farbe, die man dann ladierte. Die Unglüclihen 
nüssen sich jede Woche stellen, um während 
janzen Zeit der Trauer mit blauer Farbe vo 
ꝛiner hohen Obrigkeit frisch übertüncht zu werden 
Die armen SGriftsteiler — !