Full text: St. Ingberter Anzeiger

wahnte Versammlung derjenigen Herren aus dem 
Kanton St. Ingbert statt, welche sich bis jetzt er— 
boten haben, bei der Aufnahme der allgemeinen 
Berufssiatistik am 5. Juni nächsthin als Zähler zu 
fungiren. Herr Bezirksamtmann Dr. Schlag⸗ 
intweit besprach mit den Erschienenen eingehend 
das Verfahren, welches bei den Erhebungen zu be— 
obachten ist. Für unsere Stadt haben bis jetzt 32 
Herren ihre Mitwirkung als Zähler zugesagt. Do 
aͤber das Zählgeschäft ein außerordentlich compli⸗ 
cirtes ist, so ist diese Zahl offenbar zu gering 
Hoffentlich gelingt es darum, noch andere zur Be⸗· 
theiligung zu gewinnen. 
*St. Ingbext, 23. Mai. Gestern weilte 
eine Commission von höheren Beamten, dabei ein 
Ministerialrath und ein Oberbaurath aus München 
und Bauamtmann Giese aus Kaiserslautern, hier, 
um hinsichtlich des Gefängnißneubaues Erhebungen 
zu pflegen. Wie wir vernehmen ist der Plan des— 
selben bereits genehmigt und soll mit dem 1. Juli 
mit den Bauarbeiten begonnen werden. Einer 
weitern uns gewordenen Mittheilung nach soll das 
Gefängniß einen größeren Umfang bekommen, do 
die Absicht besteht, in demselben auch Gefangene 
mit längerer Strafdauer unterzubringen. 
— Die bei der bevorstehen Berufszählung mit 
dem Zähleramt betrauten Persönlichkeiten müssen 
nach den vom Bundesrath ertheilten Vorschriften 
besonders verpflichtet werden. Diese Verpflichtung 
gewährt den Zählern gegenüber allenfallsiger Wider— 
spenstigkeiten einzelner Haushaltsvorstände oder 
anderer zu zählender Personen jenen gesetzlichen 
Schutz, welcher bei früheren Zählungen bisweilen 
seht uͤngern vermißt wurde, indem sie dem Zähler 
die Eigenschaft eines öffentlichen Beamten für den 
Zaählungszweck beilegt. Wer dem verpflichteten 
Zähler gegenüber die Beantwortung der durch die 
Zahlungssormularien gestellten Fragen verweiger! 
oder diese Fragen wissentlich wahrheitswidrig be— 
antwortet, ist nämlich mit Geldstrafe bis zu 830 
M. zu bestrafen. 
— Die nach neuer Ministerialverordnung in 
Betr. „der Neuaufnahme der Schüler in 
die deutschen Volksschulen“ noch zur Aufnahme zu— 
zulassenden Kinder dürfen in diesem Jahre 
nicht mehr aufgenommen werden. Die 
Verordnung tritt erst im nächsten Jahr in Kraft 
— Bei einem Brand in Dörrmoschel wurden 
die in den 70ger Jahre stehenden Ackersleute Gauch 
so schwer durch Brandwunden beschädigt, daß die 
Frau in der darauf folgenden Nacht starb und auch 
ihr Ehemann waäahrscheinlich seinen 
Wunden erliegen wird. 
— Vom unteren Gebirg wird dem „Pf. 
K.“ berichtet: Wenn auch bei uns nicht wie im 
Elsaß, in Baden und am oberen Gebirg, die Tem⸗ 
peratur in den letzten Tagen unter Null sank, so 
wollen doch mehrere Kenner das Wachsthum der 
Reben nicht mehr geheuer finden. Infolge des 
Sinkens der Temperatur und des längeren rauhen 
Windes ist das Blätterwerk schlappig geworden 
manche Stengel zeigen beim Durchreißen eine schwärz⸗ 
liche Färbung, und auch das Rothwerden der 
Samendolden läßt auf eine starke Saftstockung inner⸗ 
halb des Gewächses schließen. Wenn nicht baldige, 
durchgreifende und anhaltende Aenderung in der 
Witierung eintritt, fürchtet man vielfach ein soge⸗ 
nantes „Durchfallen“ der Blüthe. Entscheidend 
wird für viele unserer noch zweifelhaften Rebstöcke 
am unteren Gebirg das Wachsthum der nächsten 
14 Tage werden. 
— Landau, 19. Mai. Das Opfer eines 
unter kuriosen Umständen verübten Diebstahls 
wurde dieser Tage ein Nußdorfer Schneider. Der⸗ 
selbe hatte in einem hiesigen Geschäfte zwei Reste 
Bukskin für zwei Anzüge gekauft und einen derselben 
seinem Gesellen, das andere seinem Lehrling zur 
Nachhausebeförderung übergeben. Unterwegs schlug 
der Geselle einen Wettlauf vor, und um die Partie 
gleich zu machen, erbot er sich das Stück Tuch des 
Lehrlings zu tragen. Beide rannten los und der 
Lehrling gewann einen Vorsprung. Keuchend und 
athemlos kam er in Nußdorf an; von dem Gesellen 
und dem Bukskin aber ist bis zur Stunde nichts 
mehr gesehen worden. (Eilb.) 
— Landau, 20. Mai. Herr Simon Scharff 
hier erhielt von einem Bienenstock gestern den 
vritten Schwarm in diesem Jahr. Der erste flog 
schon am 4. Mai aus. 
— Lachen, 18. Mai. Aus Lachen⸗Speier⸗ 
dorf sind in der verflossenen Woche elf Personen 
ausgewandert, um über dem großen Ocean sich ein 
neues Heim zu gründen. Aus unserer Nachbarge— 
meinde Duttweiler hört man, daß vor ca. 17 Jahren 
ein Schneider nach Amerika mit Hinterlassung seinen 
Ehefrau und eines Kindes ausgewandert ist. Der⸗ 
selbe ist vor einigen Tagen wieder zurückgekehr⸗ 
und soll derselbe ein Vermögen von 70,000 M 
mitgebracht haben. Der Schneider ließ seine Ehe⸗ 
frau in ein dortiges Wirthshaus rufen und be— 
fragte sie, ob sie ihren Mann, wenn er wieder 
zurückkehren würde, wieder annehmen wolle, woraus 
dieselbe dies mit Freuden bejahte. Derselbe gab 
sich hierauf der Frau als ihr Ehemann zu erkennen 
und freudestrahlend erneuerten sie wieder den Bund, 
der 17 Jahre unterbrochen war. Die in dem nahen 
Böbingen als Dienstmagd sich befindliche Tochter 
mußte sofort ihren Dienst verlassen, um mit ihren 
Eltern das so unvberhoffte Glück fürderhin zu theilen 
(Gf. Pr.) 
Vermischtes. 
4Ger nächste Komet.) Ende Mai und 
Anfang Juni ist (wie bereits erwähnt) das Er⸗ 
cheinen eines. prachtvollen Kometen zu erwarten, 
desselben, der am 18. März in Amerika entdeckt 
vurde, wo er die Helligkeit eines Sternes zehnter 
Hröße hatte. Anfangs Juni soll derselbe nun der 
Sonne ungemein nahe kommen, bis auf etwa 
300,000 Meilen — das wäre der fünfundzwan— 
igste Theil der Entfernnng von Sonne und Erde 
Dabei steigt seine Helligkeit ungemein, so daß e 
Anfangs Juni vielleicht bei Tage sichtbar sein wird. 
In den kommenden Tagen steht er im Sternbilde 
des Cepheus; sein Ort ist leicht zu finden, wenn 
man von den zwei Sternen des großen Bären, die 
mit dem Polarstern in gerader Linie stehen, eine 
Linie zu diesem und über ihn hinaus sich denkt, 
der Komet steht dann nahe auf dieser Linie halb 
so weit vom Polarstern, als der große Bär. Er 
zieht im Laufe des Mai zwischen der Cassiopeja 
und dem Polarstern gegen die Capella, in deren 
Nähe er am 1. Juni gelangt. Bis dahin ist er 
die ganze Nacht sichtbar. Dann nähert er sich rasch 
der Soune und wird am 9. Juni 2 Grad (4 
Sonnenbreiten) südlich von ihr vorüberziehen und 
dann schnell an Helligkeit abnehmen. Eine größere 
Annäherung an die Erde ist nicht zu erwarten. 
p'Saarbrücen, 22. Mai. Unser Dragoner⸗ 
Regiment wird am 23. und 24. d. Mts. auf dem 
großen Exerzierplatz einer Inspektion der einzelnen 
Schwadronen unterworfen werden. Es treffen zu 
diesem Behufe heute Abend S. Excellenz der kom⸗ 
mandierende General des 8. Armeekorps Herr v. 
Thile, sowie der Brigadekommandeur Herr Obers 
b. Detmering hier ein. Morgen wird auck 
Se. Excellenz der Divisions-Kommandeur Herr v 
Wichmann zu gleichem Behufe hier eintreffen. 
(Saarbr. Ztg.) 
FEin blutiges Drama spielte sich am 
16. Mai in Metz ab. Seit längerer Zeit stand 
der Premierlieutenant v. Manowski⸗Manow von 
Dragoner⸗Regiment Nr. 9 mit der Wittwe Pe 
tersen, einer der bessern Gesellschaft angehörigen 
28 Jahre alten Dame, in einem vertrauten Ver— 
jältniß. Zwischen beiden soll es in den letzten 
Tagen mehrfach zu Zwistigkeiten gekommen sein 
Am genannten Tage Morgens gegen 10 Uhr nun 
begab sich Herr v. Manowski, nachdem er seinen 
dienstlichen Obliegenheiten in der gewissenhaftesten 
Weise nachgekommen war, zu der Wohnung der 
Frau Petersen und feuerte nach kurzem Wortwechsel 
zuf die Dame einen Revolberschuß ab, der ihr in 
den Mund ging und unter dem Ohr wieder her— 
nus kam, ohne die Getroffene zu tödten. Frau 
Petersen stürzte hierauf hilferufend aus dem Zim— 
mer, sank aber vor der Thür ohnmächtig zusammen. 
Fhe noch Jemand hinzukam, hatte Herr v. Ma— 
rowski die Waffe gegen sich selbst gerichtet und 
hurch einen zweilen Schuß seinem Leben ein Ende 
zemacht. Die Katastrophe hatte bald eine groß— 
Menschenmenge herangelockt, die stundenlang das 
Haus umstand. Nachdem der Frau Petersen die 
erste ärztliche Hilfe geleistet worden war, wurde sie 
nach dem Mathildenstift gebracht; Manowski's 
Leiche wurde ins Obduktionshaus geschafft. Die 
Verwundung der Frau Petersen wird zwar als sehr 
schwer, jedoch als nicht lebensgefährlich bezeichnet. 
4 Erfinder-Schicksale. Jahre lang 
hatte sich ein Berliner Schneidermeister abge— 
müht, durch eine Erfindung die Unsterblichkeit zu 
rringen. Endlich gelang es ihm, ein Mieder zu 
sonstruiren, das durch einen originellen Mechanis— 
mus beliebig erweitert und verenger werden 
Der glückliche Erfinder ließ sich seine Erfindun 
patentiren. Allein es war ihm nicht vergönnt 
Fruchte des Patents einzuheimsen, da er sehr bau 
»arauf verstarb. Der Pfleger der Nachlaßmaß 
ordnete die Versteigerung des Nachlasses an. 3 
den Auktionsobjekten gehörte auch das dem Ver 
storbenen verliehene Patent. Das Meistgebo 
welches dafür abgegeben wurde, betrug 8, seh 
Drei Mark, wofür das Patent zugeschlagen wurd 
Zu der Herstellung seiner Erfindung hatte der der 
storbene Schneidermeister ebenso viele Tausende vos 
Mark aufgewendet, als einzelne bei der Versteiger 
ung erzielt wurden. 
f Der Uebel größtes aber ist der Durp 
Denn sehn Se, Herr Jerichtshof, hätte uns nid 
so gedurschtert, denn wären wir nicht zu Wien— 
strucken gegangen, un wären wir nicht zu Wien— 
strucken gegangen, denn hätten wir uns keene 
Affen nicht geholt un blos der Affe hat uns in 
des Handgemenge rinngebracht!“ Dies war de 
Schluß einer fulminanten Vertheidigungs- oder viel— 
mehr Entschuldigungsrede, mit welcher der Tischlen 
Friedrich Wilhelm Adolf Solhger, der mit den 
Tischler Bedzinsky vor dem Schöffenrichter zu 
Berlin unter der Anklage der Körperverletzung 
mittels eines gefährlichen Werkzeuges stand, sein 
That zu erläutern versuchte. „Ueberhaupt waren 
wir Beide in Thran und da weeß der Mensch nich 
immer wat er nicht duht“, fügte Bedzinsky hinzu 
— Präs.: Sie sollen dem Barbier Ulfert im Haus 
flur des Wienstruckschen Schanklokals aufgelauer 
und ihn mit einem Hausschlüssel arg zugerichte 
haben. — Angekl. Solger: Is mich Alles unbe 
wußt. Wie ich Sie sage, mir hatte sich een Aff 
feste gebissen un des Unthier verrungenirte mi 
meinen Verstandeskasten. — Präs.: Wollen Si 
etwa sagen, daß Sie sinnlos betrunken gewesen 
seien? — Angekl.: Ick weeß blos, des et keenen 
rechten Sinn hatte, so ville hinter de Halsbind 
zu gießen. Na, aber unser Eener hat en unge 
wöhnliches Gefälle. — Präs.: Die Zeugen haber 
wohl bemerkt, daß Sie angetrunken waren, abe 
finulos sollen Sie keinesfalls gewesen sein. — 
Angekl.: Des liegt mehr inwendig. Wie ick mi 
kenne, schlage ick sonst keenen Menschen en Loqh 
in' Kopp. — Präs.: Waren Sie denn mit Ulfer 
verfeindet? — Angekl.: Zum Freund hätt' ickihn 
mir wenigstens nich genommen. — Präs.: Wa⸗ 
hatten Sie denn gegen den Mann? Sie sollen fic 
doch schon im Lokal geäußert haben, daß Sie e⸗ 
dem, Varbierjungen“ besorgen würden! — Angell. 
Barbierjungen habe ick gesagt? Da sehn Se schen. 
des ick nich janz unwohl war, denn wie werde id 
denn zu so'n Mann von Stückener vierzig Jahr 
„Junge“ sagen. — Präs.: Sie waren augenschein 
üch pitirt auf ihn und wollten ihn eben beschimpfen 
— Angekl.: Na, wenn mir Eener fünf Weißen 
uff's Billard abnimmt un ick de „Strippen“ ood 
noch berappen muß, denn denke ich doch: ick danke 
et jeht! — Präs.: Ist das hier Ihr Hausschlüssel⸗ 
—Ungeklagier desieht denselben sehr lange. 
Präs.: Nun, Sie werden doch Ihren eigenen Haus 
chlüssel kennen? — Angekl.: Wissen Se, ick trag 
eiten den Hausknecht beĩ mir un kenne ihm dadrun 
nich. Aber sein mögen mag er't ja woll sind. 
Präs.: Nun, Angeklagter Bedzinsky, was haber 
Sie für eine Rolle bei der Affaire gespielt?— 
Angeki.; Keene nich, Herr Siaatsanwalt. J 
weeß blos, daß wir an de frische Luft gefes 
wurden und kann een Dutzend Zeugen stellen, de 
mein Jesicht kurz un kleene war. — Präs.: S 
sollen einen gewaltigen Lärm verursacht haben. 
Angekl.; Ick habe in Potsdam gedient, wisse 
Se.... — pPräs.: Waren Sie auch betrunken 
Angekl.: Bei't erste Jarderegiment, wissen 
— Praͤs.: Ich frage Sie, ob Sie auch den Ein 
wand der Trunkenheit machen. — Angell.: 
bedrinke mir nie, un jehauen habe ick nich. — D 
Zeugenaussagen stellen nur bezüglich des Solge 
eine Schuld fest und der Staatsanwalt beantrae 
nur gegen diesen drei Monat Gefängniß — J 
diesem Antrag erhebt sich im Zuschauerraum laute 
Beschluchze und eine Frau drängt sich gegen d 
Barriere. — Präs.: Wer ist die Ftau? — Angel 
Solger (ebenfalls weinend): 's ist meine O 
MNaner ede Du en Ton. — Die Frau: Ach lie 
ber Hert Gerichtshof, wir haben vier kleine Kinde 
zu Hause, die essen wollen, seien Sie barmhern 
Ind dann soll er auch nie wieder in die Kneih 
Jehen. — Der Gerichtshof läßt auf diesen Aph 
ader That Milde walien, er sieht den Hau⸗