ↄsf. Ingberter Amzeiger
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
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M II.
Fin ausländisches Urkheil über Dentschland.
Zu den Untugenden der Deutschen hat zumal
n früheren Zeiten oft ein geringes nationales
Selbstbewußtsein gehört. »Die Ursache an dem
Mangel eines größeren nationalen Stolzes und
Hertrauens war einestheils und am meisten in den
hemals so unerquicklichen politischen Zuständen
Deutschlands, dann aber auch in dem kritisirenden
ind überlegenden Geiste der Deutschen selbst zu
ju hen, wodurch sie viel mehr als z. B. die leicht
sebigen romanischen Nationen sich ihrer Fehler und
Febrechen bewußt wurden und das Haupt nicht so
jolz erhoben. In den beiden verflossenen Jahr⸗
sehnten ist es nun mit dem nationalen Bewußtsein
der Deutschen auf Grund großer politischer Er—⸗
eignisse und Errungenschaften allerdings ganz an⸗
ders geworden, aber vielen unserer Landsleute stect
cheils aus alter Gewohnheit, theils aus Kurzsich—
sigkeit doch noch häufig die Kleinmüthigkeit und
Schwarzseherei in den Gliedern, weshalb wir zur
Aufmunterung und Ermahnung in nachfolgenden
kurzen Umrissen das Urtheil des früheren Gesandten
der Vereinigten Staaten in Berlin, Herrn Andrew
White, über Deutschland wiedergeben wollen.
Das Urtheil des Herrn White über Deutschland
zleicht einer Lobeserhebung und würde, wenn es
us dem Munde eines Deutschen käme, uns schlecht
zu Gesichte stehen. Da das Lob aber von einem
ausländischen Staatsmann herrührt, der einige
Jahre in Deutschland Gesandter war und sich be—
rufsmäßig mit der Beobachtung des Deutschthums
beschäftigt hat, so dürfen wir sein Urtheil schon
hören lassen.
Der nach Amerika zurückgekehrte Herr White
sjat in einem Vortrage vor der „Geographischen
Hesellschaft“ in New⸗York dem Stande der poli⸗
tischen, sozialen und wirthschaftlichen Verhältnisse
'n Deutschland ein begeistertes Lob gespendet. Das
deutsche Erziehungs- und Verwaltungssystem schil⸗
)ert White als einzig dastehend und nennt deshalb
die Deutschen die moralischste Nation der Welt.
Ibwohl das Regierungssystem in Deutschland mo—
iarchische Form und Spitze habe, so sei es doch
nn seiner Handhabung durchaus demokratisch und
epublikanisch, d. h. dem Wohle des Staates unter
Theilnahme des ganzen Volkes gewidmet. Kein
deutscher Beamter sei von einer Partei auf seinen
Posten gehoben und diene auch keiner Partei, son⸗
dern schaffe nur für den Gesammtstaat, was in
Umerika und den meisten anderen Ländern, wo es
zarteiisch und despotisch bezüglich der Verwaltung
ugehe, nicht der Fall sei. Das deutsche Ver⸗
valtungssystem sjei auch sehr sparsam, geschäftsmäßig
uind auf höheres Streben gerichtet, während in
Amerika die Verwaltung kostspielig, parteiisch und
die Beamten vielfach corrumpirend sei. Gleiche
Vorzüge wie das staatliche Verwaltungssystem be
itze auch die Gemeindeverwaltung in Deutschland
ind so komme es, daß in den deutschen Stadten
größere Ordnung, Reinlichkeit, und mehr Pracht—
‚auten und Museen zu finden seien wie in den
merikanischen, obwohl im Durchschnitt die ameri—
anische Verwaltung zehn Mal mehr koste wie die
heutsche. Gewaltige Fortschritte mache auch die
geistige Fortbildung Deutschlands in Folge der
guten Schulen und Universitäten und die Industrie
ind technischen Künste hätten durch Fachschulen
ind permanente Ausstellungen einen ganz bedeu—
enden Aufschwung erfahren. Auch die deutsche
Herechtigkeitspflege sei heachtenswerth, da fie un⸗
'arteiisch geüht werde und den Verbrecher nich
Dienstag, 16. Januar 1883.
—18. Jahrg.
durch die Maschen des Gesetzes entschlüpfen lasse,
wie es in Amerika oft vorkomme. Angenehm be—
rühre es auch, daß die meisten deutschen Zeitungen
wenig Freude an Skandalgeschichten hätten, und
trotzdem Männer wie Frauen in Deutschland Bier
und Wein tränken, habe White in Deutschland
vährend seines vierjährigen Aufenthaltes nicht se
ziele Betrunkene gesehen, als in Amerika manch—
mal an einem einzigen Tage die Straßen unsichen
machten. — Dies ist das Urtheil des Herrn Whitt
äber Deutschland, woraus jedenfalls hervorgeht,
daß es sich in unserem Vaterlande recht gut leben
läßt und der Glanz und Schimmer Amerika's ver⸗
chiedene dunkele Punkte besitzt, an denen kein ehr—
icher Mann Freude haben kann.
Ausland.
Sehr energisch wird nun auch die Kriegstrom⸗
mel in Ungarn gerührt, und zwar durch ein
Buch, welches soeben in Pest unter dem Titel:
„Die Gefahr der russischen Invasion“ erscheint und
das man hervorragenden ungarischen Politikern zu⸗
ichreibt. In der Einleitung heißt es:
„Die schönen Tage von Aranjuez mit dem
Drei⸗ Kaiser Bündniß sind vorüber. Nach dem
Berliner Vertrag war der Krieg zwischen Oester⸗
ceich Ungarn und Rußland ebenso gewiß als nach
»em schleswig⸗ holftein'schen Vertrag der Krieg
wischen Oesterreich und Preußen. Schon im Jahre
1879 haben vernünftige Politiker erklärt, daß der
osterreichischerussische Krieg nur eine Frage der Zeit
ei.“ Der Verfasser des Buches sagt ferner, daß
—XO Krieg erklären
verde, und erzählt: „Im Jahre 1881, Ende April,
fand in Petersburg eine geheime Berathung der
Ktegierung statt, in welcher in Gegenwart des
Zaren feierlich ausgesprochen wurde, daß der Zar
aach erfolgier Auftheilung der Türkei der öfler—
reichischungarischen Monarchie den Krieg erklären
müsse, da es nicht geduldet werden dürfe, daß
diese Monarchie mit ihren Eisenbahnen die Erb—
chaft des Zaren davonträgt.“ Diese Erklarung
oll sogar zu Protokoll gegeben und beigefügt wor⸗
den sein, daß der Krieg zweckmäßig ist, 1) weil
er eine sichere politische Grundlage habe, 2) weil
Rußland keine Coalition zu Gunsten Oesterreichs
zu fürchten hat, und 3) schließlich der Sieg gewiß
jei, zumal ‚unsere Monarchie durch Serbien, Ru—
mänien und Montenegro festgehalten wäre.“
Welchen Inspirationen das Werk seine Ent⸗
stehung verdankt, ist leicht aus dem friedlichen Tone
zu schließen, welcher in derselben gegen Andrassy
ind Tisza eingeschlagen wird.
Und alle diese Kriegsfanfaren erschallen in dem
Augenblicke, wo der russische Kaiser in seine Haupt⸗
tadt zurückkehrt, wo er die heilige Liga aufloͤst,
wo Manasseur nach Hause berufen worden, um
die Herstellung der Ordnung in den baltischen Pro—
binzen nicht mehr zu hindern, statt sie zu fördern,
wo also den Hezzereien energisch entgegengetreten
wird, kurz wo die russische Regierung wenigstens
den Schein verbreitet, als wolle sie den Weg der
Reform im Innern ernstlich beschreiten und zu⸗
nächst einmal jeine inneren Geschäfte besorgen.
Nach alledem kann kein Zweifel über die Na—
tur dieser und der damit in directem und indirectem
Zusammenhange stehenden Sensationsnachrichten
»bwalten und sind dieselben auf die obenbezeichnete
Quelle zurüczuführen. Bei genauer Prüfung hal⸗
ten sie ehensowenig Stich wie der jetzt verklungene
Alarm über die russischen Rüstungen an der deut—
ichen Grenze.
Die langwierige Grenzregulirung zwischen
Griechenland und der Türkei hat endlich ihre
formelle Erledigung gefunden.
Politische Uebersicht.
Deutjches Reich.
Berlin, 14. Jan. Im Abgeordnetenhause
sindet soeben die erste Berathung der Nothstands⸗
Vorlage für die überschwemmten Distrikte Statt
Es meldete sich kein Redner dagegen und 14 dafür
Fast alle Redner behaupteten, daß die geforderte
Summe von 3 Millionen zu gering sei, um die
xwünschte Abhülfe zu schaffen und daß die ganze
Summe à fonds perdu zu bewilligen sei.
Minister v. Puttkamer bat, die Vorlage so
zu lassen, wie sie vorgelegt sei. Die Regierung
zalte die verlangten Mittel für ausreichend! Es
tänden jetzt bereits annähernd 6 Millionen Mark
zur Verfuͤgung. Preußen könne Gott danken, daß
es lange nicht so geschädigt sei, als die Nachbar—
taaten. Eine ziffermäßige Berechnung des Schadens
önne nicht aufgestellt werden. Die Meinung aller
etheiligten Behörden und Sachverständigen jei
daß 3 Miilionen ausreichen.
Berlin, 15. Jan. Am Mittwoch soll eine
Pause in den Landtagsverhandlungen bis Ende
Januar event. bis den 13. Februar eintreten, um
)em Reichstag Platz zu machen.
Berlin, 1i5. Jan. Die Nothstandsvorlage
vurde nach kurzer Spezialdiskussion im Abgeord-
netenhause angenommen. Auf Antrag des Prinzen
Arenberg auf Untersuchung der Eifelnothstände er—⸗
tfärte der Minister Lucius, daß bereits Alles ge⸗
chehen sei, um den acuten Nothständen daselbst
ibzuhelfen. Die Regierung sei sich ihrer Ver—
oflichtung vollkommen berußt. Der Antrag wurde
zleichfalls angenommen.
Dem Reichstage ist ein Entwurf für den
aiserpalast in Straßburg mit ausführlichen
xx1läuterungen und Kostenanschlägen zugegangen.
Ddie Gesammtkosten betragen 2,60,000 Mi. Die
Hröße des Baues beträat 68 m Länge und 48 w
Tiefe.
Die „Nordd. Allg. Zeitung“ fordert die deut⸗
cchen Interessenten auf, bei der demnächst zu—
ammentretenden internationalen Commission ihre
mläßlich der egyptischen Wirren entstandenen Ent—
chadigungs⸗Ansprüche unverzüglich zu wahren.
stach dem Programm werde nur für directe Ver—⸗
uste Entschädigung gewährt. Ansprüche gegen durch
ie egyptischen Ereignisse zahlungsunfähig gewordene
gyptische Schuldner seien durch eine bei den inter—
nationalen Gerichtshöfen zu beantragende Beschlag—
nahme der denselben etwa zuzubilligenden Entschä—
zigungen zu realisiren. Auch empfehle es sich
nöglichst unverzüglich im Wege der Cesston event
Zeschlagnahme gegen die durch die egyptischen Er—
ignisse beschädigten eayptischen Schuldner vorzugehen
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Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 16. Jan. Vom Bürger⸗
meisteramte dahier konnten abermals 97 Mk.,
welche nachträglich bei demselben für die Ueber—
schwemmten in der Pfalz eingegangen waren,
weiter befördert werden. Hiermit deträgt die Ge—
sammtsumme der aus hiesiger Stadt beim Bürger—
meisteramte eingelaufenen Gelder für die Ueber—
chwemmten 1958 M. 86 Pf., wozu noch aus der
2tadtkasse der Betrag von 500 Pek. komint.