Full text: St. Ingberter Anzeiger

ↄu. Jullherter Atzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
— 
— — — — — — — —— — — — — — — — — 
Aeẽt. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljiährlich 14 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1M BGO H, einschließlich 
94 tZustellungsgebülhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunfi ertheilt. 135 3, bei Neclamen 30 —. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
N 110. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Heute Dienstag) tritt der Reichstag zur 
zortsetung seiner Arbeiten wieder zusammen. Zu⸗ 
uchst wird die Zolltarifnovelle zur zweiten Lesung 
rlangen, wobei es über verschiedene Einzelheiten 
hartem Kampf kommen wird. Ende der Woche 
jrd alsdann voraussichtlich die Entscheidung über 
je Tabakmonopolvorlage getroffen werden. Es 
jehen also gleich von Anfang an sehr wichtige 
herhandlungen bevor; neuerdings glaubt man auch 
dieder der Anwesenheit des Reichskanzlers bei 
vichtigen Reichstagssitzungen entgegensehen zu dür— 
N Im höchsten Grade bedauerlich wäre es, wenn 
e ohnehin schwierige Geschäftslage des Reichs⸗ 
ags durch wiederholte Beschlußunfahigkeit noch 
nhr erschwert würde. In der That sind ja die 
Unsprüche, welche an die Arbeitskraft der Abge— 
addeten gestellt werden, in diesem Jahre ganz 
ußerordentlich groß. Mehr als höchstens drei 
Wochen wird man denn auch dem Keeichstag nicht 
umuthen können auszuharren. Wieviel an posi⸗ 
den Früchten in dieser Frist einzuheimsen gelingen 
vird, läßt sich heute noch nicht übersehen. 
Hei der sieigenden Verwirrung in Aegypten 
ind der don den Westmächten angeregten Botschafter⸗ 
zonferenz in Konstantinopel wird es in Berlin 
ir nicht an der Zeit gehalten, daß Graf Hatzfeldt 
einen Botschafterposten in Konstantinopel endgiltig 
wfgibt, um in Berlin das auswärtige Amt zu 
ibeinehmen. Bis jetzt scheinen die Unruhen in 
leghpten den europäischen Frieden nicht zu be— 
rxohen. Sie könnten ihm nur dann gefährlich 
verden, wenn darüber die Mächte unter sich in 
Streit geriethen. Nun aber sind sie einig, Ruhe 
ind Ordnung in Aegypten auf Grundlage der bis— 
erigen Verhaͤltnisse zu bewahren und die Ange— 
legenheit als eine gemeinschaftliche zu betrachten 
cngland und Frankreich haben aufgehört, als Vor⸗ 
nächte eigenmaͤchtig handeln zu wollen, und sind 
ihereingekommen, falls eine bewaffnete Einmischung 
nöthig wird, diese Einmischung, wie fie auch natür— 
ich ist. dem Sultan als rechtmäßigen Oberherrn 
leghptens zu überlassen. 
Im „Verl. Tagl.“ lesen wir: Der gesellschaft⸗ 
che Verkehr in der Gegend von Mohileff und bis 
nach Moskau hin nimmt immer mehr eine Färbung 
n, die den Ausbruch offener Feindseligkeiten gegen 
ie zahlreichen Deutschen in nächster Zeit 
twarten läßt. In der Gesellschaft, so schreibt ein 
iussischer Korrespodent der Bad. Landeszeitung, 
verrscht eine wahrhaft epidemische Furcht vor den 
jolgen weiteren Verkehrs mit Deutschen, und Jeder 
xeeilt sich, den deutschen Lehrer, die Gouvernante, 
yen Techniker, Gutsverwalter ⁊c. zu entlassen, um 
selbst von Seinesgleichen gemieden zu werden. 
er Abscheu vor den Deutschen wird so demonstrativ 
in Schau getragen, daß es kaum noch ein anderes 
e giebt, seine Vaterlandsliebe zu beweisen. 
end dessen ziehen Hunderte von brodlosen 
nden von Orl zu Orh, der Grenze zu oder 
den nächsten deutschen Kolonien, wodurch nach 
gach ebenfalls eine panische Furcht vor Massen⸗ 
en des russischen Pobels erzeugt wird. Die 
iengen können, schon um ihrer eigenen Sicher⸗ 
den keine Russen mehr in Dienst behalten, 
es sind in den letzten zwei Monaten an 
dang gane vorgekommen, daß diese Gehilfen 
9 stiftungen versucht oder gar durchgeführt 
n. um dann einige Stunden entfernt bei russi⸗ 
Dienstag, 6. Juni 1882. 
17. Jahrg. 
chen Gutsherren bessere Stellungen zu finden und, 
noch dazu vollen Schutz gegen die gesetzliche Ver—⸗ 
'olgung ihrer Schandthaten So weit gehen auf 
dem Lande die aufgewiegelten Bauern schon, daß 
sie ihre eigenen Gutsherrschaften mit Feuer und 
Verwüstung bedrohen, wenn dieselben nicht binnen 
einer bestimmten Frist den deutschen Verwalter ent⸗ 
ließen und wieder sind in zahlreichen Fallen ganze 
Rotten bewaffnet auf die Edelhöfe gekommen, um 
den wegen der Getreidegeschäfte anwesenden jüdischen 
aufmann zu vertreiben, da es Verrath am Volke 
jei, mit diesen Feinden des Landes zu verkehren und 
nan an solchem Thun auch die „Herren“ hindern 
nüsse. Bei alledem ist es zu verwundern, daß man 
den deutschen Ursprung des Czarenhauses selbst noch 
nicht mehr in die Bewegung hineingeworfen sieht, 
alz es bis jetzt in einzelnen Fällen geschieht. 
Kassel, 4. Juni. Prinz Karl von Preußen 
Jjat gestern Abend hier, wo übernachtet werden 
ollte, nach Aufhebung des Diners ein Bein ge⸗ 
zrochen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— (Ordensverleihungen.) Dem In—⸗ 
senieur Otto Diugler aus Zweibrücken, z. 
3. in Konstantinopel, wurde die Bewilligung zur 
nnahme und zum Tragen des ihm verliehenen 
aiserlich-rürkischen Osmani-⸗Ordens UI. Klasse er⸗ 
heilt. 
— Aus dem Westrich schreibt man der 
Ppf. Ztg.“: Als vor ca. 10 Jahren die ersten Bier⸗ 
zressionen aufkamen, begrüßte man die Erfindung 
nit Jubel. Aber jetzt, wie siehts jetzt aus? Die 
Zolizei möge doch einmal von Spehyer bis St. 
zngbert, von Bitsch bis nach Kreuznach die einzelnen 
dorfwirthschaften visitieren. Es ist ein wabrer 
hraus, was man oft für Schandbrühe vorgesetzt 
sekommt. In allen Orten sind Gesundheitskom⸗ 
nissionen eingesetzt, aber um diese Vergiftungsan⸗ 
talten scheint sich niemand zu kümmern. Es gibt 
jier nur ein Radikalmittel: alle Bierpressionen 
ibzuschaffen. Jetzt, wo das Bier mehr Nahrungs- 
nittel als Luxusgegenstand ist, sollte man doch auch 
oviel Rücksicht auf das Publikum nehmen, daß es 
ür sein gutes“Geld auch einen auten unschädlichen 
Trunk erhielte. 
— Die Nähmaschinenfabrik von Gebr. Kayser 
n Kaiserlautern hat, dem „Fr. Kur.“ zu⸗ 
'olge, dem Magistrate von Nürnberg sechs Näh— 
naschinen für bedürftige Armen zur Verfügung 
gestellt. 
— Aus dem Gaäu berichtet die „N. Z.“: 
daum athmen wir von der Vagabundennoth etwas 
reier auf, so erhebt sich eine neue Kalamität über 
ins, die wir die „Zigeunernoth“ nennen 
önnten. Seit Januar ist es schon die dritte Bande, 
zie unsere Gegend unsicher macht. 16 bis 18 
Mann hoch quoll dieselbe heute aus dem Haßlocher 
Wald hervor; acht Kinder, vier Weiber, drei starke 
Burschen und etliche Männer lagerten heute an der 
Brücke unterhalb Speyerdorf, welchem Dorfe sie die 
Ehre ihres Besuches zugedacht hatten. Ihr Lieb⸗ 
ingsaufenthalt scheint überhaupt der Haßlocher Wald 
au sein und ihre Lieblingsstraße der einsame Weg, 
der von Haßloch nach Lachen führt. Es ist auch 
jar nicht übel, in diesem schönen Reviere der Jagd 
zbzuliegen, seine Zeit mit Nichtsthun hinzubringen 
ind sich wie eine Schmarotzerpflanze auf Kosten 
inderer Menschen, die im Schweiße ihres Ange—⸗ 
ichtes sich iht Brod verdienen müssen, zu ernähren. 
Sollte es denn über alle menschlichen Kräfte gehen, 
insere Pfalz von diesen fremden und eigenthums⸗ 
Jefährlichen Banden rein zu halten, deren erstes 
Bebot lautet: „Du sollst nicht arbeiten!“? 
— Aus Spehyer meldet die „Sp. Z.“: Auf 
den Ländereien des Herrn Heinr. Weltz wurden be⸗ 
ceits am 1. ds. M. die ersten Kartoffeln ausge— 
nacht, die vollständig reif und wohlschmeckend sind. 
— In Heuchelheim wurde, wie das ‚L. T.“ 
neldet, auf der Straße nach Klingenmünster ein 3 
Jahre altes Mädchen todt aufgefunden, das über⸗ 
'ahren worden ist. Dem Kinde war allem Anscheine 
iach das Rad über den Kopf gegangen. 
Ausland. 
RNom, 4. Juni. (Garibaldi.) Die römischen 
radicalen Vereine beschlossen, im Triumphzug die 
Marmorbüste Garibaldi's am Sonntag, den 11. 
Juni, von der Piazza del Popolo bis zum Capitol 
zu tragen, wo die Krönung mit Lorbeer, sodann 
die Aufstellung unter der Büste Mazzini's erfolgen 
osll. Der „Großorient“ zu Rom meldete die 
Trauerbotschaft an sämmtliche Freimaurer-Logen 
Furopas und Amerikas. Die Mazzinifeier in Genua 
vurde vertagt. In ganz Italien wird eine Sub⸗ 
cription füt ein Nalionaldenkmal eröffnet. Pa—⸗ 
ermo beschloß, für sich eine besondere Reiterstatue 
iu errichten. Eine Anzahl Studenten zerstörte die 
Druckerei des klerikalen Witzblattes „Cassandrino“, 
veil dasselbe den todten Garibaldi verspottete. 
Beziehungen der Türkei zu Deutschland.) Die 
zier erwarteten preußischen Offiziere sind Sonntag 
n Konstantinopel angekommen. Man sagt 
n Hofkreisen, der Sultan beabsichtige, seiner Stim⸗ 
nung gegen Deutschland einen neuen Ausdruck zu 
zeben, indem er dem deutschen Kronprinzen einige 
dle Pferde zum Geschenk macht; eine Abordnung, 
vahrscheinlich unter Führung Reschid Bey's, der 
nit Ali Nizami zusammen die frühere Ordens⸗ 
zesandtschaft an den deutschen Kaiser bildete. soll 
zas Geschenk überbringen. 
New-NYork, 1. Juni. Der lange drohende 
Strike in den Eisenregionen Pennsylvaniens und 
n den benachbarten Staaten begann heute Morgen. 
ndem 120, 000 Eisenarbeiter die Arbeit niederlegten, 
hestern wurde nochmals ein Versuch gemacht, ein 
Fompromiß zu stande zu bringen, was aber nicht 
Jelang. Drei Firmen in der Stahlmanufactur be— 
villigken die Forderungen der Skrikenden, aber es 
amen nur verhältnißmäßig wenig Leute zur Arbeit. 
die Besitzer der großen Eisenwerke weigerten sich, 
zie Forderungen der Arbeiter zu erfüllen und das 
stesultat ist. daß 150,000 Arbeiter außer Beschäf⸗ 
igung sind. Die Frauen und Kinder, die densel— 
zen zugehören, kann man auf 50,000 rechnen. Der 
Zräsident der „iron association“ spricht es aus 
zaß die Strikenden einen Fehler begangen haben. 
Sie haben nur 300,000 Doll. disponibel zu ihrer 
uind ihrer Familien Unterhalt; dies will aber nicht 
iel sagen. Man fürchtet, falls der Strike lange 
indauert, Unruhen. In Cleveland und PYoungs⸗ 
own und Wheeling in West-Virginia haben die 
Fisenarbeiter ebenfalls gesterikt. Dort sind mehr als 
201000 Monn außer Beschäftiagung. 
Vermiichtes. 
F In Nürnberg tagte der 7. Verbandstag 
ayerischer Gewerbevereine. Der Vorsitzende Direktor 
Siegmann betonte in seinem Referate über den Ver⸗ 
yand den nutzbringenden Erfolg desselben für die 
ayerische Landesausstellung, die ein glänzender Be— 
veis dafür sei, daß das Ideal der freiheitlichen 
Entwicklung der Gewerbe auch ferner vom Ver—