Full text: St. Ingberter Anzeiger

der als Privatgelehrter in Hamburg wohnte. Die 
Dame erreichte ein Alter von 90 Jahren, sie war 
die Gattin eines Postbeamten, den sie zur Zeit der 
Franzosenherrschafi in Hamburg kennen lernte und 
mit dem sie nach Longwy übersiedelte. Nach dem 
Tode ihres Gatten zog sie mit ihrer Tochter 
nach Metz, wo sie eine gemüthliche Häuslichkeit 
führte, aber auch die Schreden der Belagerung mit⸗ 
machte. Frau Kämmerer bewahrte zahlreiche Er— 
junerungen aus dem Leben ihres berühmten Oheims. 
FFreiburg, 8. Juni. Die vorläufig be— 
kannt gegebenen Frequenzziffern der Freiburger 
Univerfität weisen einen abermaligen sehr 
erfreulichen Aufschwung dieser Hochschule nach; 
waͤhrscheinlich wird sich fuͤr dies Sommersemester die 
Gefammtzahi der Studirenden einschließlich der 
Hospitanten auf über 800 stellen, eine Zahl, die 
in diesem Jahrhundert noch nicht erreicht wurde; 
eines sehr erheblichen Zuwachses erfreut sich dies⸗ 
mal die juristische Facultät, auch die Zahl der 
Mediciner ist erheblich. Nachdem das neue chemische 
Laboratorium bezogen, ist man jetzt mit dem Bau 
eines anatomisch-pathologischen Instituts beschäftigt, 
das vor Ablauf dieses Jahres fertiggestellt sein 
dürfte. Leider hat die Hochschule einen Verlust zu 
beklagen, indem der Professor der Philosophie, Hof⸗ 
rath Windelband, einem ehrenvollen Rufe nach 
Straßburg im Herbst Folge leisten wird. 
4Das Neuecste in der Verehelichungs-Branche. 
Wir lesen in der „Köln. Ztg.“ folgendes Inserat: 
Vereintes Studium. Ein junger Herr wünscht mit 
einem jungen, reichen, talentvollen Fräulein, wel— 
ches Lust hat, mit ihm au einer Schweizer- oder 
amerikanischen Universität Medizin zu studiren, be— 
hufs Verehelichung in Korrespondenz zu treten. 
Nicht anonyme Zuschriften mit Photographie er— 
beten ꝛ⁊c. 
Gon Bollmar — und die Nord— 
deutsche Allgemeine.) Den sehr schwülstigen 
Lobreden, welche man in gewissen Kreisen dem 
jüngsten socialdemokratischen Reichstagsabgeordneten 
Herrn von Vollmar auf seine Maiden-Speech hielt, 
setzt die Nordd. Allg. Ztg. einen kleinen Dämpfer 
auf, indem sie mittheilt: Herr v. Vollmar wurde 
durch seine Verwundung im Kriege 1870 für einige 
Jahre erwerbsunfähig. Da er nicht zu dem Sol- 
daten⸗ oder Militärbeamtenstande gehörte, so stand 
ihm nach dem Gesetz ein Anspruch auf Pension 
ncht zu. Der Kaiser hat Herrn v. Vollmar mit 
Rücksicht hierauf eine fortlaufende Beihilfe von 
nahezu 2000 M. per Jahr bewilligt, welche der 
Benannte noch zur Zeit bezieht. 
Eine merkwürdige Vergnügungs— 
tkour auf einem zweisitzigen Veloziped hat kürzlich 
in Begleitung seiner jungen Frau der Viceprasident 
des Velozipedtlub in Lyon absolvirt. Die beiden 
standhaften Reisenden haben die Strecke von Lyon 
nach Neapel und zurück, das ist 3755 Kilometer, 
ohne einen Tag zu rasten, gemacht. Sie berührten 
im Hinwege Marseille, Nizza, Genua, Pisa und 
Rom, im Rückwege Bologna, Florenz, Turin, den 
Mont Cenis und Chambery. Die kleinste Tagereise 
bei ungünstiger Witterung betrug 100 Kilometer. 
4 (Hoffen und Harren macht manchen zum 
Narren) Das in den Pariser Schulen und auch 
in elsässischen Privatanstalten eingeführte Lehrbuch 
„Geschichte Frankreichs von Pignouunau“ sagt auf 
der letzten Seite (264): „Wir können hoffen, daß 
die Zuͤkunft uns eine Revanche bringen wird; 
)enn die Geschichte lehrt uns, daß diejenigen, welche 
hren Sieg mißbrauchen, früher oder später ihre 
Strafe finden. Die Tugenden, durch welche wir 
ins emporarbeiten können, heißen: Arbeitsamkeit, 
Opferfreudigkeit, Ehrfurcht vor dem Gesetz und ge— 
uldiger Haß dem „deutschen Eroberer gegenüber.“ 
FC(Der Appetit kommt über'm Essen.) Die 
Wiener „Rundschau für Geographie und Statistitk“ 
»eröffentlicht eine 26 Zeilen umfassende Tabelle in 
Bezug auf die Gebiets-Erwerbungen, Ruß- 
ands während der Regierung Alexander 11. Im 
Durchschnitt gewann Rußland alljährlich seit 26 
Jahren 25000 Quadratwerst. Zwar wurden von 
855 bis 1881 in Europa Gessarabien) 10,725 
Quadratwerst und in Nordamerika gar 1,168,040 
Auadratwerst abgetreten, richtiger verkauft. Da— 
jegen betrugen die neueren Gebiets-Erwerbungen 
5,617 Quadratwerst in Europa und 1,778,376 
Quadratwerst in Asien. Der Nettozuwachs beträgt 
355,228 Quadratwerst. Das Gesammtgebiet Ruß⸗ 
ands umfaßt 19,498,189 Quadrawerst. 
4Etine vorsorgliche Eisenbahnverwaltung.) Die 
„Union Pacisic E. B. Co.“ in Nordamerika 
Fereitet sich auf alle Eventualitäten vor. Sie hat 
rämlich, wie das „Col. Journ.“ berichtet, einen 
Fontrakt mit einem Leichenbestatter abgeschlossen, 
velchem zufolge derselbe alle die auf den Koloradoer 
Zweigbahnen ums Leben Gekommenen zu festge— 
etzten Preisen zu beerdigen hat. Sehr zuvor— 
ommend von der „U. P. E. B. Co.“ 
f (Die Frau, wie die seiü soll.) 
Nächstens erscheint unter dem Titel: „Cintausend 
ind eins“ eine neue Sammlung kleiner Scherze 
des amerikanischeu Humoristen Marc Twain. Als 
Probe daraus wird folgende Nummer „Die Frau, 
vie sie sein soll,“ mitgetheilt: „Ein Jüngling, der 
ich durch reine Wäche, Bescheidenheit und sehr me— 
hodisches Verfahren in allen seinen Unternehmungen 
ruszeichnete, ging auf Freiersfüßen. Er hatte zu— 
veilen eine junge Dame Sonntag abends von der 
zdirche heimbegleitet und dann noch einen kleinen 
Imbiß bei ihr im Hause genommen. Am letzten 
Zonntag, nachdem sich das Elternpaar diskret zu— 
rückgezogen, sagte er plötzlich zu ihr: „Sprechen Sie 
m Schlaf? — „Nein;“ antwortete Sie überrascht. 
— „Wandeln Sie Nacht?“ fragte er sodann. — 
„No, Sir.“ — Er rückte seinen Stuhl einen Zoll 
zäher und fragte mit gesteigertem Interesse: „Schnarchen 
Sie?“ — „Nein,“ erwiederte sie hastig, ihn ernst⸗ 
jaft anschauend. Bei dieser Antwort fingen seine 
Uugen an zu glänzen. Seine Lippen theilten sich 
rwartungsvoll und, indem er seinem Stuhl wieder 
inen Ruck näher gab, fragte er lebhaft: „Werfen 
Sie Ihre ausgekämmten Haare ins Waschbecken?“ 
— „Nein, das thue ich nicht,“ antwortete sie, und 
wieder rutschte sein Stuhl näher, während seine 
Erregtheit sich steigerte, so daß er kaum ruhig sitzen 
konnte. — „Reinigen Sie den Kamm, wenn Sie 
iich frisiert haben?“ — „Natürlich, jedesmal!“ 
sagte sie, ihn mit aller Macht anstarrend. Im 
nächsten Augenblick lag er vor ihr auf den Knieen, 
mit ausgestreckten Armen zu ihr aufbligeno. 
liebe Dich!“ rief er leidenschaftlich. „Ich geb 
mein ganzes Herz! Ich will Dein Sclave sein 
will Dich auf den Händen tragen! Willst Dusm, 
annehmen als Deinen Gatten, Deinen Beshin 
Dein alles?“ — Es war ein kritischer Md 
für eine junge Dame in ihrem Alter; aber sien 
dem Außzerordentlichen gewachsen, — was gewöhnh— 
bei Mädchen der Fall ist — sie nahm ihn!“ 
F Ein amerikanisches Gaunerstüe 
chen. Aus Richmond Gereinigte Staaten) w 
geschrieben: Ein Bürger unserer Stadt, Mr. Eo 
erschien vor einiger Zeit verstört und schluch 
bei der Polizei und machte die Anzeige, daßhe 
vierjähriger Knabe spurlos verschwunden sei. F 
Vater versprach Jedem, der Nachricht überd 
stind bringen würde, eine Belohnung von 5 
Dollars, und die Behörde ließ an allen Straße 
eclen Plakate anheften. Am nächsten Mo 
h»ringt der „Richmond Ledger“ eine ihm durch 
Post zugekommene Ankündigung, daß Mr. S 
ein Kind nur wiedersehen könne, wenn er an ein 
destimmten Ort 20,000 Dollars sende. Mr. So 
hesitzt diese Summe nicht, allein die Familienda 
der Stadt eröffnen eine Subscription für den W 
zweifelten, und im Nu ist fast das ganze Lösege 
gezeichnet. Da erscheint das Abendblatt des „Rig 
monod Ledger“ und darin in durchschossenen Letter 
eine Mittheilung des Kindesräubers, daß er s 
durch sein Wort nicht länger gebunden glaub 
nunmehr 30,000 Dollars verlange und motrge 
mit der Frühpost dem Vater das rechte Ohr sein 
Sohnes übersenden werde. Die Aufregung w 
nun unbeschreiblich. Der Polizei wurden alle Fe 
ster eingeschlagen, und mit erschreckender Pünklih 
keit brachte der Postbote am nächsten Tage e 
wohlverpacktes Kinderohr. Das Ohr ward « 
Zauptplatze in der Auslage eines Kaufmann 
oͤffentlich ausgestellt. Die Dollars strömten nu 
in das Haus des unglücklichen Vaters, als plötle 
der kleine Knabe wohlbehalten zurückkehrte. 6 
erzählte, daß es ihm gelungen, zu entkommen, son 
daß das übersandte Ohr nicht von seinem Haup 
stamme. Ein unternehmender Mitbürger Sor 
miethete den interessanten Knaben und bereiste m 
ihm die Hauptstädte Amerikas, während der Vat 
für das gegenstandslos gewordene Lösegeld ein 
ansehnlichen Besitz erstand. Die Polizei aber h 
haarklein herausgebracht, daß der kleine Sorel ri 
mals gestohlen worden und einfach von feinen 
ipekulativen Papa zum Helden eines Märkhen 
gemacht wurde. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Trulben Lehrer Georg 9 
seph Day (nach 2jähriger Krankheit), in Kaiser 
lautern Frau Grethchen Schneider, geb. Het 
mann, 58 J. alt; in Asselheim die Gattin be 
Jakob Haffner, Friederika geb. Gauck, 80 
alt; in Edenkoben J. Christoph Dachssteine 
61'J. alt; in Saarbrücken Franz Gösbel, vorme 
Regiments-⸗Sattler des 7. Ulanen-Regiments; 
St. Johann a. S. Friedrich Wack, 77 J. alt 
Fur die Redaktion verantwortlich F. X. Demes. 
—w 
Bekanntmachung. 
Danksagung. 
Für die zahlreiche Betheiligung an 
der Leichenbegleitung unseres unver— 
geßlichen Söhnchens 
Peter 
Allen, auch den Herren Professoren der 
Lateinschule wie seinen Mitschülern 
„ierdurch unsern verbindlichsten Dank. 
Fbenso können wir nicht unterlassen, 
den Krankenschwestern für ihre auf— 
pfernde Thätigkeit sowie Allen für 
die volle Theilnahmsbezeugungen während 
seiner Krankheit und die reichen Spen— 
den von Kränzen und Blumen unsern 
Dank zu wiederholen. 
J. Wolff & Frau 
Ein tüchtiger Dreher 
und ein 
Maschinenschlosser in St. Johann, Tivoli, Gerbersttr. in⸗ 
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E. Meyer EeCo.,vrompt, billig und schnell. 
Friedrichsthal. C. Teubel, Mechaniker und Nähmaschinenbaue. 
Druck und Verlag von F. X. Deme in St. Ingberr 
ZSiezu Illustrirtes Sonntagsblatt OAAr. 
Am Freitag moro 
wurde auf dem Weger 
Ot. Ingbert nach Schuappbach ei 
filberne Taschenuhr gefunde 
Der Eigenthümer kann dieselbe 
Jakob Müller, Bergmann hier 
Empfang nehmen. 
ehrere tüchtige Schlosse 
M Schreiner &Lacire 
suchen 
Gebr. Lüttgens, 
Waggonfabeit. Vurbaqh a.Sun 
Gewerbe-Vereil 
St. Ingbert. 
Montag Abend 
Irn. Seite 
Gestern wurde durch einen herum— 
ziehenden Handwerksburschen 
ein blau⸗ und weißgestreiftes baum— 
wollenes Arbeitshemd entwendet. 
Dasselbe liegt zur Besichtigung auf 
dem Polizei⸗Bureau dahier. 
St. Ingbert, 9. Mai 1882. 
Das Polizei-Commissariat: 
Ecerlein. 
Ziegel⸗ 
* 
und Baktsteine 
sind von heute an zu haben, unter 
Garantie bei 
Jaec. Dawo, 
St. Ingberter Ziegelhütte. 
5* die Theaterdirektion und Ge— 
BRasellschaft der Fr. Caroline Schroth 
derden mehrere möblirte Zim— 
mer gesucht. Man bittet sich mit 
Offerten im Café Oberhauser und in 
der Erpedition dss. Bl. zu melden.