Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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der „St. Iugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Bseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
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Donnerstag, 18. Januar 1888.. 
18. Jahrg. 
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iti Programme wie “ Protestations et Actions“ und 
Politische Uebersicht. )as des Herrn Antoine Anklang finden, so lange 
Deutsches Reich. ai das Reich diese Gewißhei aicht. Der Muth, 
olche Programme und Briefe zu veröffentlichen, ist 
vohlfeil, denn ich mache keine politischen Märtyrer, 
iber das Land hat keinen Vortheil davon. Unter 
olchem Zustande leidet dazs Land. Eine muthvolle 
lussprache der eigenen Ueberzeugung wird die 
Iflicht Aller. Es giebt keine Protestpartei in El⸗ 
aß Lothringen, es giebt nur Protestagitationen, 
zas beweist die Haltung der Bevölkerung, mit der 
ie das Vertrauen des Kaisers gerechtfertigt hat, als 
erselbe die Kriegsgerichte aufgehoben und die Op— 
antenfrage geordnet hat. Aber die Bevölkerung 
st eigeschüchtert, sie fürchtet sich vor Schmähungen 
er französischen Blätter, wenn sie die definitive 
Zusammengehörigkeit mit Deutschland offen aner⸗ 
ennt. Ich denke mich hinein in die Elsaß⸗Loth— 
inger. Mit tausend Verwandtschafts⸗ und Freund⸗ 
chaftsbanden sind sie an Frankreich gekettet, aber 
Frankreich hat ja einem volkerrechtlichen Vertrage 
zlsaß⸗ Lothringen an Deutschlaud zurückgegeben. 
Vo das Wohl des Geburtslandes in Frage steht, 
reten die Pflichten gegen dieses in den Vorder— 
‚rund und müssen die Gefühle schweichen machen. 
ẽElsaß⸗Lothringen leidet unter dem Foribestehen dieser 
tzerhältnisse. Sein Gedeihen hängt von der Er⸗ 
angung der vollen Verfassungsrechte ab. Ich ap⸗ 
nellire erneut an den elsaß-lothringischen Patriotis- 
nus und fordere alle Elsaß⸗-Lothringer auf, mich 
n diesem Streben zu unterstützen. Aber diese 
Anterstützung werde mir oder werde mir nicht, die 
Bersicherung gebe ich dem Lande, daß, so lange 
ch hier bin, meine Politik unbeirrt die der Ver—⸗ 
öhnung und Gefühlsschonung bleibt.“ 
Die „Voss. Ztg.“ bringt ein Schreiben aus 
eipzig, in welchem mit Entschiedenheit die Ver— 
egung des Reichsgerichts von Leipzig 
»ach Berlin verlangt wird. Wie verlautet, 
pdürde bei Berathung des Reichszjustiz-Etats ein 
erartiger Antrag eingebracht werden. 
Gegen den deutschkonservativen Antrag auf Ein⸗ 
ührung obligatorischer „Arbeitsbücher“ für die ge— 
verblichen Arbeiter mehren sich die beim Reichs⸗ 
zage einlaufenden Gegenpetitionen. Die ange— 
ührten Gründe sind meistens nur Umschreibungen 
der Aeußerungen der Gewerkvereine: alle kommen 
darauf zurück, daß sie in den Arbeitsbüchern eine 
herabsetzung sähen, eine Klassengesetzgebung für 
ine einzelne Klasse der gewerblichen Arbeiter, die 
„ungerecht“ sei und „alle ehrlichen Arbeiter de— 
nüthigen. Hierauf wird von den Freunden des 
Untages entgegnet: In allen wohlhabenderen und 
zebildeteren Kreisen bestehen „Arbeitsbücher“ oder 
Zeugnisse, und zwar nicht bloß über Art und Dauer 
der Beschäftigung, sondern sogar auch über Führ— 
ing und Leistung. Für die Beamten des Staates 
ꝛestehen sie vorschriftsmäßig; aber auch für Kauf— 
eute, Buchhalter, Verwalter, Zivilingenieure, Haus— 
ehrer u. s. w. mit großer Regelmaßigkeit. Der 
zutage liegende Unterschied aber ist der, daß hier 
zas Zeugnißwesen, soweit es private Kreise betrifft, 
nuf freiem Uebereinkommen beruht, während es in 
dem vorliegenden Falle für eine bestimmte Kate—⸗ 
gorie von Arbeitern obligatorisch gemacht werden soll. 
Straßburg, 16. Jan. Bei dem gestrigen 
Diner zu Ehren des Landesausschusses hielt der Statt⸗ 
jalter Feldmarschall v. Manteuffel eine Rede, wo⸗ 
cin es heißt: „Nicht freiwillig war Elsaß-Loth⸗ 
ingen zu Frankreich getreten, nur durch Schwäche 
)es Reiches war es diesem verfallen. Sie erinnern 
ich, daß ich in dem heißen Streben, dem Lande 
nöglichst bald seine verfafsungsmäßigen Rechte zu 
nerschaffen, die Bitte aussprach, Männer in den 
Reichsstag zu wählen, welche die Zusammengehörig⸗ 
eit Elsaß-Lothringens mit Deutschland offen anñ⸗— 
erkennten. Der Erfolg meines Rathes war, daß 
u. A. auch ein Abgeordneter auf das Programm 
Jjewählt wurde, welches in den Worten: „Prote- 
atation et Action“ gipfelte. Die Proiestation 
atirt von Bordeaux her und erhält dadurch ihre 
estimmte Erklarung: Krieg. damit Elsaß⸗Lothringen 
nicht bei Deutschland bleibt. Ich bin Soldat, der 
ãrieg ist des Soldaten Element, und wohl möchte 
ch das Hochgefühl nochmals schmedken, in der Feld⸗ 
chlacht zu commandiren; aber als Statthalter von 
ẽlsaß⸗Lothringen kann ich diesen Krieg nicht wün⸗ 
chen. Das weiß ich auch, daß, wenn dieser Krieg 
uns nochmals aufgedrungen wird, Hunderttausende 
on deutschen Frauen ihren Söhnen das mit oder 
iuf dem Schilde zurufen, das würde kein blos 
»olitischer, das würde ein Nationalkrieg sein. Kein 
dand müßte aber mehr unter ihm leiden, als El⸗ 
aß⸗ Lothringen bei seiner geographischen Lage, bei 
einen beiden großen Festungen. Ich fürchte den 
drieg nicht; aber auf das Gewissen möchte ich ed 
nicht nehmen, zu ihm zu schüren. Welch andere 
Bedeutung als schüren zum Kriege hat die Hinzu— 
uügung des Wortes „Action“ zu dem der „Prote⸗ 
tation“? Das Reich muß die Gewißheit gewinnen, 
aß Elsaß-Vothringen voll und ganz fich zuů Deutsch- 
and gehörig weiß. So lange die Begriffẽ verwirrung 
a der Bevölkerung hierüber noch so groß ist, daß 
Ausland. 
Paris, 16. Jan. Der „Figaro“ veröffent⸗ 
icht heute ein Manifest des Prinzen 
Jérôme Napoléon, in welchem dieser die 
jegenwärtige Lage erörtert und die Napoleonische 
Erbschaft für sich in Anspruch nimmt. Das Mani— 
est war auch an den Straßenecen angeheftet. 
dasselbe erörtert die Unfähigkeit der Regierung, 
die Uneinigkeit der Kammern, den Verfall der 
Armee, die Verderbtheit des Richterstandes, den Rück⸗ 
jang des Handels, die Zerrüttung der Finanzen 
ind das Wachsen der Staatsschuld. Die von der 
vottlosigkeit verfolgte Religion werde nicht geschützt; 
die Anwendung des Concordats allein koönne den 
eligiösen Frieden wiederbringen. Die socialen 
r5ragen bedürften eines ernsten Studiums, welches 
der Prinz verspricht. Er verurtheilt die auswär—⸗ 
ige Politik und beansprucht die Erbschaft der Na— 
voleoniden für sich, weist die Gemeinschaft mit den 
Royalisten zurück und wendet sich, an die, verschie⸗ 
enen Plebiscite erinnernd an das Volk, dessen 
Zache er vertrete. — Das Manifest wurde durch 
ie Polizei von den öffentlichen Gebäuden entfernt. 
Am Nachmittag wurde Prinz Napoleon verhaf⸗ 
et und in die Conciergerie gebracht. — (Prinz 
Jeröme Napoleon ,Plon⸗Plon“] ist der zweitge— 
»orene Sohn des weiland Koönigs Hieronymus von 
Westphalen, Bruders Napoleons J.; er vollendet am 
ommenden 9. Sept. ds. Is. sein 61. Lebensjahr. 
Am 30. Januar 1859 vermählte er sich mit Clo—⸗ 
ilde, Prinzessin von Savoyen, Tochter des weiland 
döonigs Viktor Emanuel II. von Italien. Dieser 
cshe sind zwei Söhne und eine Tochter entsprossen. 
der älteste, Prinz Viktor, geboren am 18. Juli 
362, ist seit einiger Zeit von der einen Fraktion 
der Bonapartisten JViktorianer]) im Gegensatz zu 
seinem Vater als Thronkandidat aufgestellt. 
Wie man aus Rom meldet, wird der baye⸗ 
rische Geschäftsträger Frhr. v. Cetto heute 
Donnerstag) dem Papste seine Kreditive als Ge— 
andter überreichen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 18. Jan. Nächsten Sams— 
ag Abend findet im großen Oberhauser'schen Saale 
zahier das dritt Abonnements-⸗Conzert der 
Bergkapelle von Heinitz unter Leitung ihces 
derrn Kapellmeisters Wittig statt. Wir erlauben 
ins, unsere hiesigen Leser darauf aufmerksam zu 
nachen. Aus dem uns vorliegenden reichhaltigen 
Programme werden uns folgende Pieècen als be—⸗— 
onders beachtenswerth bezeichnet: Fest-Ouver— 
ure „P“⸗-dur v. Lautner, Violin-Soloa.d. 
Op. „Das Nachtlager v. Granada“, Scene und 
Urie für Clarinette v. Bergsen, „Der musi— 
'alische Witzbold,“ Potpourri v. Schreiber. 
.*. St. Ingbert, 17. Jan. Am ver— 
lossenen Sonntag hielt der schon seit einigen Jahren 
inter den hiesigen Schmelzarbeitern bestehende 
„Arbeiterhilfsverein“ seine ordentliche Ge— 
nveralversammlung ab. Die Tagesordnung 
hildete: Rechnungsablage, Neuwahl des Ausschusses 
uind Aufnahme neuer Mitglieder. Die Kasse zeigte 
am 1. Januar des Vorjahres einen Bestand von 
2144 M. 58 Pf. Hierzu kamen die Jahresein⸗ 
nahmen pro 1882 mit 1010 M. 46 Pf. und ein 
Zinsenbetrag mit 91 M. 10 Pf. An Sterbegel⸗ 
hern wurden ausbezahlt 360 M.; die außerordent⸗ 
'ichen Ausgaben betrugen nur 2 M. 60 Pf., und 
die Gesammt⸗Ausgaben pro 1882 362 M. 60 Ppf. 
Das verflossene Jahr war demnach für die Kasse des 
Bereins ein sehr günstiges, und zeigte dieselbe am 1. Jan. 
»8. Is. einen Vermögensstand von 2883 M. 54 
Pf., gegenüber dem gleichen Zeitpunkte des Vor⸗ 
ahres ein Mehr von 738 M. 96 Pf. Besondere 
Anerkennung verdient die umsichtige und gewissen⸗ 
hafte Führung der Bücher wie überhaupt der Ge⸗ 
chäfte von Seiten des Ausschusses. Die Grneral⸗ 
»ersammlung gab dieser Anerkennung denn auch 
durch die einstimmig erfolgte Wiederwahl der alten 
Ausschußmitglieder Ausdruck. Der Verein zählt 
zegenwärtig 347 Mitglieder und immer erfolgen 
veitere neue Anmeldungen. Es sollte aber auch bei 
den Vortheilen, die derselbe bietet, kein Schmelzar⸗ 
beiter, der es mit seiner Familie gut meint, ver—⸗ 
äumen, demselben beizutreten. Möge er auch im 
aufenden Jahre wie bisher wachsen und gedeihen! 
S Niederwürzbach, 17. Jan. Bei der 
uinterm 14. 1. Mts. dahier veranstalteten Samm⸗ 
ung für die Wasserbeschädigten der Vorderpfalz 
ergab sich die erfreuliche Summe von 205 Mark 
35 Pf. Dieses günstige Resultat darf um so mehr 
betont werden, da die Bewohner der hiesigen Ge— 
meinde durch die große Wasserfluth im November 
o. Is. ebenfalls bedeutenden Schaden erlitten. 
Zudem sind manche Familien in finanzieller Be⸗ 
iehung keineswegs in günstigen Verhältnissen. 
Trotzdem gaben Alle mit bereitwilligem Herzen, 
ind die edlen Geber, denen der herzlichste Dant 
nusgesprochen wird, lieferten durch ihr freundliches 
Geben den Beweis, daß sie die Noth und das 
Elend ihrer schwer heimgesuchten Mitmenschen zu 
pürdigen wissen. 
— Ein zu Gunsten der Wasserbeschädigten der 
Rheingegend am letzten Sonntag in Eßweiler 
zurch den dortigen Musiker⸗Verein gegebenes Konzert