Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðSt. Funberter Auzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füunfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
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.M 13. 
Samstag, 20. Januar 1883. 18. Jahrg. 
1 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 17. Jan. Nachdem der kgl. 
Staatsminister Frhr. v. Feilitz sch von der Reise 
nach der Pfalz heute Morgen hierher zurückgekehrt war, 
hat heute Mittag eine Sitzung des Ministerrathes statt⸗ 
jefunden, in welchem wohl der Herr Staatsminister 
Zericht über seine Reise erstattet und weitere Be⸗ 
chlußfassung bezw. Antragstellung an S. Mai. den 
könig erfolgt sein dürfte. 
Gutem Vernehmen nach begiebt sich von 
München der Prinz Arnulph zur silbernen 
dochzeitefeier des Kronprinzen nach Berlin. 
Aus München wird der „Magdeb. Zig.“ 
geschrieben: In demokratischen Blattern ist von 
der beabsichtigten Zurückziehung der bayerischen Be⸗ 
jatzungsbrigade aus Metz die Rede, natürlich nicht 
hne schadenfrohen Hinsweis auf die particularist- 
ische Tragweite dieses Schrittes. Man geht so 
weit, bereits die künftigen Garnisonen jener Trup⸗ 
pentheile mit Augsburg und dem Lechfelde zu be⸗ 
zeichnen. Daß an den beiden genannten Plätzen 
eventuelle Fürsorge für stärkere Besatzungen zeit— 
weise getroffen wurde, ist richtig, die Commentirung 
jener Vorbereitungen aber so verkehrt wie möglich 
Von einer Zurückziehung des bahyerischen Besatz- 
ungscontingents aus der so theuer erworbenen loth⸗ 
ringischen Reichssfestung ist hier niemals die Rede 
gewesen, im Gegentheil weiß man hier den durch 
diesen starken Besaßungsantheil gegebenen Ausdruck 
der bayerischen Machtstellung in dem neuen Deutsch- 
land fehr wohl zu schätzen. Eine Zurückziehung 
der Bayern aus Mezßg wäre ein Widerspruch gegen 
die gesammte bisherige Reichspolitik, welche in dem 
gemeinsam Gewonnenen ihren vollgewogenen Ehren⸗ 
antheil beansprucht, dafür aber auch dem Bewußt⸗ 
sein von der Pflicht und dem Juteresse Bayerns 
an der gemeinsamen Vertheidigung des zum Boll⸗ 
werk für den deutschen Süden bestimmten neuen 
Grenzlandes deutlichen Ausdruck leihen will. Jede 
Nachricht von Veränderungen wie der vorher ange⸗ 
gebenen kann sonach von vorn herein als eine Er⸗ 
findung betrachtet werden, deren Tendenz obendrein 
nuf der Oberfläche liegt. 
Wie aus guter Quelle verlautet, ist der Zu⸗ 
sammentriit des bayerischen Landtages 
dor Herbst, wobei das Budget vorgelegt werden 
wird, nicht zu erwarten. Es wurde zwar seiner 
Zeit die Eventualität einer Berufung der Land⸗ 
stände in Erwägung gezogen, davon aber sofort 
wieder Abstand genommen und jene Mittel und 
Wege eingeschlagen, welche in der letzeren Zeit zur 
Ausführung gelangten. 
Die Budget-Commission des Reichstages 
genehmigte die geforderte Position für die Errich⸗ 
tung einer Unteroffizier sschule in Neu⸗ 
breisach. 
Die zweite hessische Kammer ertheilte der 
Nothstandsvorlage der Regierung einstimmig ihre 
Zustimmung und bewilligte ferner für die Erbauung 
einer stehenden Mainbrücke bei Kostheim 990., 000 M. 
Ausland. 
Paris, 17. Jan. Die Rede des Feldmar⸗ 
schalls v. Manteuffel wird von den französischen 
Blattern äußerst heftig angegriffen. Die „France“, 
die in diesen Dingen sich immer auszuzeichnen be— 
müht, erhebt sich zu der Höhe, die Rede einen 
„langen, gehässigen Fluch gegen die Elsässer, welche 
mn das verlorene Vaterland zu denken wagen,“ 
zu nennen 
Paris, 17. Jan. Die Anhänger des Prin⸗ 
zen Jerome Napoleon versuchten diesen Morgen 
vor dem Hause des Prinzen eine Kundgebung, 
wurden aber von der Polizei nach einigen Ver— 
haftungen zersprengt. 
Paris, 17. Jan. Prinz Jérome Napoleon 
befindet sich noch immer in Conciergerie zur Dis⸗ 
position der Gerichtsbehörden, welche frei ohne jeg⸗ 
liche Interventiou der Regierung und ohne Berück⸗ 
sichtignng der etwaigen Folgen in dieser Angelegen⸗ 
heit handelten. Die Regierung ist entschlossen, das 
Gesetz strikte walten zu lassen. Auf Ansuchen Na— 
poleons wurde dem Oberst Brunet gestattet, ihm 
im Gefängniß Gesellschaft zu leisten. 
Paris, 18. Jan. Der Prozeß gegen Jérome 
Rapoleon steht bereits für nächste Woche in Aus— 
icht. Die Verbannung des Prinzen ist mehr wahr⸗ 
cheinlich. Das Proscriptions-Gesetz 
welches Floquet beantragt, wird heute in der Kam⸗— 
mer zur Berathung gelangen, aber durch Amende— 
ments von Seiten der Regierung wohl um seine 
Wirkung gebracht werden. 
Paris, 18. Jan. Die Agence Havas theilt 
uus Petersburg Folgendes mit: Ta die Note der 
englischen Regierung die Projekte Englands bezüg⸗ 
lich Egyptens wohl zur Kenntniß Europas gebracht 
jat, ohne dieselben aber der Sanktion Europas zu 
interbreiten, so sei es wahrscheinlich, daß das Ein— 
ernehmen der vier Mächte demnächst auf folgende 
Zasis gestellt würde: Die Mächte stimmen der Be— 
eitigung der Finanzkontrole in Egyten zu; sie 
zlauben aber, daß eine definitive Regelung der 
gyptischen Frage nicht ohne die Zustimmung 
kuropas erfolgen könne. 
Das „Berl. Tgbl.“ bringt aus Londou, 
19. Jan., folgende sensationelle Nachricht: Tele— 
zramme aus offiziellen Konstantinopeler Quellen 
nelden: Vorgestern versuchten einige Cirkassier den 
Sultan zu ermorden. Die Verschwörung wurde 
durch eine Frau entdeckt. Die Cirkassier wurden 
von der Leibwache entwaffnet, wobei einige den 
Tod fanden. 
Nach Mittheilungen der „Nationalzeitung“ aus 
Konstantinopel herrscht dort eine dumpfe Gähr⸗ 
ing. Ter Sultan leidet an Verfolgungswahnsinn. 
Die Würdenträger in Konstantinopel seien darüber 
inverstanden, daß eine Entsetzung des Sultans 
xfolgen muß. Sein Nachfolger soll sein fünfzehn⸗ 
ähriger Neffe unter einer Vormuadschaft werden. 
Kairo, 16. Jan. Der franuzösische General⸗ 
onsul gelangte soeben in Besitz neuer Verhaltungs⸗ 
naßregeln aus Paris. Die Krisis dürfte wahr— 
cheinlich sofort ausbrechen. 
Kairo, 18. Jan. Oberst Stewart telegra⸗ 
ohirt von Sudan: 500 Egypter hatten ein Gee⸗ 
secht mit dem Mahdi und erlitten dabei eine 
zroße Niederlage; 240 Egypter wurden ge⸗ 
ödtet, der Rest des Bataillons gefangen. 
Lokale und vfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 19. Januar. Die Vieh—⸗ 
ählung vom 10. ds. Mis. ergab für die hiesige 
Hemeinde folgendes Resultat: J. Stadtviertel: 
17 Pferde, 62 Stück Rindvieh, 1 Schaf, 48 
Schweine, 180 Ziegen; II. Stadtviertel: 21 
Pferde, 89 St. Rindvieh, 1 Schaf, 102 Schweine, 
236 Ziegen; II. Stadtviertel: 61 Pferde, 
31 Stück Rindvieh, 57 Schweine, 94 Ziegen; 
V. Stadtviertel: 49 Pferde, 135 Stückh 
Rindvieh. 69 Schweine. 204 Ziegen, J Bienenstock: 
V. Stadtviertel: 19 Pferde, 33 Siück Rind⸗ 
zieh, 3 Schafe, 38 Schweine, 98 Ziegen; VI. 
Stadtviertel: (St. Ingberter-Grube): 
22 Pferde, 35 Stück Rindvieh, 54 Schweine, 61 
ziegen. — Die Gesammtzahl stellt sich somit auf 
189 Pferde, 415 Stück Rindvieh, 5 Schafe, 8368 
-Zchweine, 873 Ziegen u. 1 Bienenkorb. 
*Hasfsel, 19. Jan. Hier wurden bei der 
Liehzählung gezählt 23 Pferde, 219 Stück Rind— 
ieh. 240 Schafe, 61 Schweine, 90 Ziegen, 35 
Bienenstöcke. 
*St. Ingbert, 19. Jan. Einen riesi⸗ 
gen Appetit entwickelte vor einigen Tagen ein 
zergmann von Hassel in einer hiesigen Wirthschaft. 
derselbe verzehrte in Folge einer Wette in einem 
Sitze 24 Knackwürste mit 9 Wecken und trank da—⸗ 
u 6 Schoppen Bier. Nach dieser Kraftleistung 
var er so wenig gesättigt, daß er sich erbot, noch 
veitere 6 Knackwürste mit einigen Wecken und 
Schoppen Bier zu sich zu nehmen. Man war je— 
h»och von seiner Leistungsfähigkeit dermaßen über— 
zeugt, daß es Niemand mehr auf eine neue Wette 
inkommen lassen wollte. 
e— Ensheim, 18. Jan. GViktualienmarkt.) 
Butter per 3 Kilo Mk. 1,20, Eier per Dutzend 
35 Pf., Kartoffeln —. 
Für die Wasserbeschädigten der Rhein— 
segend wurden gestern dem k. Bezirksamt aus der 
Hemeinde Ensheim übersandt .Mk. 283,78 
Die erste Ablieferung betrug.. 410,— 
Es gingen deshalb im Ganzen an baar ein M. ö6093,78. 
Die Gemeinde Ensheim darf nach diesem Re—⸗ 
ultat der Sammlungen für die Nothleidenden sich 
imsomehr des Zeugnisses der Opferwilligkeit erfreuen, 
als der größte Theil der Bewohner aus Fabrik— 
arbeitern besteht, die bekanntlich über keine großen 
*innahmen zu verfügen haben. 
Die in Eschringen vorgenommene Samm⸗ 
ung erirug einschließlich der Gabe des daselbst be⸗ 
)eutend begüterten Bierbrauers Herrn G. Bruch 
n St. Johann a. S. mit 50 M. die Summe 
von Mk. 120,27, so daß die Unterstützung aus der 
Bürgermeisteree Ensheim — von den Sendungen 
in Effekten und Lebensmitteln abgesehen — sich 
runmehr auf 814 Mk. beläuft. 
Es hat darum auch, und namentlich wegen der 
aschen Hilfeleistung durch sofortige Absendung von 
leidungsstücken u. s. w. der Kreisausschuß des 
bdayer. Frauenvereins in Speyer für den ganz 
außerordentlichen Eifer, den diese Gemeinden an 
den Tag legten, wiederbolt den herzlichsten Dank 
ausgesprochen. 
— In Thaleischweiler stürzte das neun—⸗ 
ährige Töchterchen eines dortigen Metzgers in einen 
mit kochender Wurstsuppe gefüllten Kessel, und er⸗ 
lag nach vielen Schmerzen seinen Brandwunden. 
— Kaiserslautern, 12. Januar. Der 
„Verein⸗Kreditreform“ (zum Schutze gegen schäd⸗ 
liches Kreditgeben) hat seit seinem kurzen Bestehen 
chon die besten Erfolge gehabt. Viele, dem Verein 
ibergebene Schuldner erklärten, nicht in die Liste 
»er Unzahlfähigen zu wollen und suchten die alten 
Posten zu decken; es liegt aber auch im Interesse 
der betreffenden Schuldner zu zahlenn, weil ihnen 
a sonst jeder weitere Kredit schwer werden wird. 
— Die Kaufmannswelt hat daher denn auch das 
zrößie Interesse, diesem Vereine beizutreten. Dieses 
zilt namentlich auch den auswärtigen Kreditgebern; 
diese köͤnnen dem Verein gerade so gut, wie die 
ziesigen beitreten. — Der Eintritt von außen ist 
iberdies auch gar nicht geschäftzstoͤrend. was daraus