Full text: St. Ingberter Anzeiger

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st. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
* „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
hzlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 , einschließlich 
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M 126. 
Donnerstag, 29. Juni 1882. 
17. Jahrg 
iti her Alexandria, 28. Juni. Auf die Nachricht 
Politische Uebersicht. von ue Rüstungen zeigten sich gestern dro⸗ 
Deutsches Reich. hende Symptome und Erbitterung gegen die Eng⸗ 
Berlin, 28. Juni. (Mission Drigalks- länder. Soldaten säuberten den Platz. Heute sind 
⸗Pascha's.) Die Mittheilung, daß der tür⸗ die Wachen verdoppelt, da die Befürchtungen wach⸗ 
ijche General Drigalsky- Pascha welcher den Maje⸗ sen. Der Khedive ist erkrankt, er leidet am Fieber. 
ten, sowwie dem Kronprinzen eine Sammlung Portsmouth, 28. Juni. 1000 Seesolda⸗ 
ostharer Geschenke des Sultans überbracht hat, len werden auf dem Orontes morgen abfahren. 
zugleich Träger einer hochpolitischen Mission sei, Wie verlautet, werden im Kriegsfall sofort die 
wird hier nach der M.«Ztg. lebhaft besprochen und Harnisonen von Malta und Gibraliar nach dem 
ührt zu der Annahme, daß der Pascha, welcher sich Suez⸗Canal transportirt. 
aach Ems zum Kaiser begeben wird, Deuischland 
nicht verlaffen möchte, ohne zuvor noch den 
Fürsten Bismarck in Varzin aufgesucht zu haben. 
Man gibt in orientirten Kreisen der Vermuthung 
Kaum, daß man diesseits die directe Verhandlung 
mit einem Abgesandten des Sultans dazu benutzen 
verde, die Türkei für die hiesigen Ansichten hinsicht⸗ 
ich der in der egyptischen Frage durch die Conferenz 
u erstrebenden Erfolge zu gewinnen, auf deren 
zustandekommen man hier nach wie vor bedeutendes 
zewicht legt. 
Die Entlassung des preußischen Finanzministers 
gitter wurde vom Kaiser genehmigt, ist aber noch 
iicht publicirt. Sein Nachfolger wird, wie von 
Unfang an gemeldet, Staatsfecretär Scholz, den der 
director im Reichsschatzamt, Burchardt, als Staats- 
ecretär ersetzen wird. Bitter zieht sich ins Privat⸗ 
eben zurück 
Der Steuerplan des Kanzlers soll sich jetzt 
n der That auf Procentualerhoͤhung der Boͤrsen⸗ 
euer und einer Getränkesteuer aufbauen. Es sollen 
thon Entwürfe in dieser Hinsicht vorläufig ausge⸗ 
tbeitet werden. 
(GZweijährige Ctats.) Es scheint sich zu 
stätigen, daß die Regierung beabsichtet, dem Reichs⸗ 
age in der nächsten Session, sowohl den Etat pro 
180884 als 1884/85 vorzulegen, um den Nach⸗ 
veis zu führen, daß die Vorlegung von zwei Jahres⸗ 
kials also die Einführung zweijähriger Budget⸗ 
erioden, praktisch techt wohl moͤglich ist. 
Der „Reichsanzeiger“ dberöffentlicht das Gesetz 
dom 23. Juni, die Abänderung des Zoll⸗ 
arifs betreffend. 
Ausland. 
London, 27. Juni. Arabi und Derwisch 
Ascha bereiten im Einvernehmen mit dem Sulian 
Vertheidigung Egyptens gegen irgend 
whe Einmischung vor — Wriechen dand nach 
iatke Kriegsrüstungen. 
Ein Leitartikel der „Times“ sagt: Enugland 
— War bereit, die egyptische Frage dem ürtheil 
Aropas anheimzustellen, um eine dauerhafte Re⸗ 
xlung zu erzielen; aber auch nur durch eine solche 
onne England zufriedengestellt werden. Wenn die 
lorferenz nicht zu diesem Ziele führe, so seien die 
unesen Englands in Eghpten krotzdem um jeden 
ies sicher zů stellen. Diese Interessen sind un— 
reinbar mit dem Uebergewicht Arabi Beys. Die 
imes“ dertrau daß Lord Dufferin dement⸗ 
—8 instruirt sei, und glaubt, daß, falls die 
üührung eines raschen Streichs nothwendig, keine 
twitsatein vorhanden sei, um binnen wenig Tagen 
90 Mann noch Eghpten abzusenden. 
Alexandria 28. Juni Erneute Panik ist 
—E Die übrigen Europäer flüchten auf 
Schiffe. Die Minister sind van Kairo abgereist. 
ndeutsche und österreichische Consul rathen den 
Alenten, die Schiffe zu besteigen Zwel egyp⸗ 
egimenter werden nach dem Suezcanal, und 
uch Ismaila, dirigirt 
— Aus Neustadt schreibt die „B.3“: Zwei 
wohlerzogene Haßlocher Jungen von 10 uud 14 
Jahren machten dieser Tage hier eine Reihe von 
Finkäufen zu ihrer persönlichen Ausstaffirung. Von 
her Gendarmerie ertappt, gestand der ein: auch zu, 
ie seien kürzlich beim Feuerwehrfest in Deidesheim 
gzewesen und hätten dort Proben als „Steiger“ ge— 
macht. Beim Einsteigen in einen Krämerladen 
hätten sie die Schublade „gelöscht“ und in Ermangel⸗ 
ing der Rettungsmannschaft ca. 100 M. für sich 
gerettet. Diese heldenmüthige That wurde auch auf 
Anfrage bestätigt. Schade ist es aber, daß nur 
»as 14jährige Früchtchen für seinen Heroismus be— 
lohnt werden kann, das andere schützt das Gesetz. 
— Speyer, 27. Juni. Der hiesige Ge— 
chäftsagent G. wurde heute Morgen verhaftet und 
nach Frankenthal abgeführt. Ursache davon sind 
Unterschlagungen, die er aus Anlaß verschiedener 
AIufträge, Gelder einzuziehen, hier und in der Um— 
segend vorgenommen hatte. Die Gesammthöhe der 
inkassirten und unterschlagenen Gelder soll dem 
Vernehmen nach etwa 200 Mark betragen. G. ist 
hon einmal wegen Betrugs und Betrugsversuchs 
om Zuchtpolizeigericht Frankenthal zu Gefängniß— 
trafe verurtheilt worden. Der damals beantragten 
eẽntziehung der Befugniß zu seinem Geschäftsbetriebe 
jab das Gericht aber keine Folge (Pf. 3.) 
— Frankenthal, 27. Juni. (Strafkam⸗ 
ner.) In der Beleidigungsklage des Buchdruckere i⸗ 
esitzers Kranzbühler gegen Bierbrauer Geisel von 
deustadt wurde heute das Urtheil gesprochen. Die 
Zerufung Geisels wurde für zulässig und die Wieder— 
lage für begründet erklärt. Deßhalb theilweise 
Reformirung des Urtheils des Schöffengerichts Neu⸗ 
tadt. Geisels Geldstrafe (150 M.) bleibt. Kranz⸗ 
ȟhler wird zu 50 Mk. Geldstrafe und einem 
Drittel der Kosten verurtheilt. Auf Geisel fallen 
wei Drittel der Koften. Die Publikation des Ur— 
heils gegen Geisel erfolgt durch die „Neustadter“, 
die Veröffentlichung des Urtheils gegen Kranzbühler 
in der „Neuen Bürgerztg.“ 
Uln 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 29. Juni. Am Dienstag 
Abend gegen 10 Uhr wurde ein hiesiger Bürger 
nahe seiner Wohnung in der Bahnhofstraße von 
einem Burschen mit dem Messer angegriffen und in 
die Hand gestochen. Der Angegriffene, ein kräftiger 
Mann, entwand dem Attentäter durch einen Schlag 
das Messer, zog ihn dann in einen nahen Garten, 
im hier an demselben sofort und in handgreiflichster 
Weise Justiz zu üben, indem er ihn auf das Nach— 
rücklichste durchprügelte. Schließlich stellte sich heraus 
»aß der Bursche sich in der Person des Ange— 
rzriffenen geirrt hatte; er hatte denselben für einen 
Anderen gehalten, den er kennzeichnen wollte. So 
var er in doppelter Hinsicht an den „Unrechten“ 
jekommen und dürfte ihm wohl für die Zukunft 
urch diese Erfahrung die Lust zu weiteren Messer⸗ 
affairen benommen sein. 
*St. Ingbert, 29. Juni. Durch die ge⸗ 
ungene Aufführung des Willbrandt'schen Schau— 
piels „die Tochter des Herrn Fabriciüs“ 
wurde gestern Abend unserm theaterbesuchenden 
Publikum ein feiner Genuß bereitet. Hoffentlich 
entschließt sich die Direktion zu einer Wiederholung 
der ansprechenden Dichtung. — Am nächsten Sonn- 
ag findet außer der gewoͤhnlichen Abendvorstellung 
am Nachmittage eine Vorstellung für Kinder stati 
vorauf wir schon jetzt im Interesse der kleinen 
Welt besonders aufmerksam machen. 
— Aus dem Westrich wird der ,Pf. Ztg.“ 
erichtet: Vor einigen Wochen kam ein Musier⸗ 
zeisender, offerirte Kaffeemuster aus einer Hamburger 
dandlung und suchte Bestellungen. Unter anderen 
Fferirte er eine feine Sorte zu dem erstaunlich 
isligen Preise von 1,20 M. pro Us Kilo. Einige 
derren machten Bestellungen. Die Art der Be— 
ahlung stellte er den Bestellern ganz anheim, etweder 
ofort oder bei Empfang der Waare per Postnach⸗ 
iahme, vergaß aber nie dabei zu bemerken, daß 
etztere 70 weitere Pfennig koste; auch habe der 
und jener Herr die sofortige Zahlung geleistet. Wie 
nan hört, sollen einige sonst vorsichůge Herren, von 
)em sichern Auftreten des Reisenden, sofort Zahlung 
zeleistet haben, jetzt aber vergebens auf den be— 
tellten Kaffee warten. Der Reisende besucht haupt⸗ 
ächlich die Geistlichen, Lehrer, das Forstpersonal u. s. w. 
— Aus dem Osterthale wird unterm 
26. ds. der „Zw. Zig.“ berichtet: Eines der fürch⸗ 
erlichsten Unwetter, Gewitter mit wolkenbruchartigem 
Regen und unaufhörlichen Blitzen, fand verflossene 
Nacht hier Statt. Das ganze Thal war ein See, 
»as liegende Heugras schwamm nach Holland, das 
noch stehende Gras sieht jämmerlich aus. Zum 
Hlücke haben viele Leute in den vier letzten Tagen 
vie die Bienen gearbeitet. Aus hiesigen Häufern 
nußten Vieh und Leute in Eile fortgeschafft werden. 
ind wie traurig und öde siehts heute Morgen aus! 
x8 ist ein Leid zum Ansehen. Mir blutet das Herz 
Vermischtes. 
Zwei jüngere Gelehrle an der Münchener 
technischen Hochschule, die Herren Dr. v. Miller 
und Dr. Hartz haben eine Entdeckung gemacht, 
welche von großer praktischer Bedeutung werden 
dürfte. Sie stellten eingehende Versuche an, um 
das Geheimniß zu enthüden, wie im Mittelalter 
die feinen Goldfäden hergestellt wurden, eine Kunst, 
velche seit dem 16 Jahrhundert verloren ging. 
Durch zahlreiche chemische und mikrostopische Untet 
uchungen dieser Goldfäden an mittelalterlichen 
Zaramenten gelang es den genannten Gelehrten, 
zas Geheimniß zu enthüllen. Die praktischen Ver— 
uche zur Neuherstellung gelangen vollstandig und 
ie Entde ker ließen in allen civilisirten Staaten 
Patente für die praktische Verwerthung ihrer Ent⸗ 
deckung sich ausstellen. 
fF Die bayerische Landausstellung in 
NRürnberg erfeut sich der allgemeinen bewundern⸗ 
den Anerkennung. Ein gedrängter Bericht über 
dieselbe in der „Koln. Zig.“ schließt mit folgendem 
dobspruch: „Möge man selbst hingehen und die 
Wunder schauen) Niemand wird es bereuen, den 
Jeurigen Reiseweg bei der alten Pegnitzveste vorbei— 
Jelegt und der immer noch schönen alterthümlichen 
Stadt länger, als sonst Touristenart, verweilt zu 
yjaben. Was der zweitgrößte deutsche Bundesstaat 
nuf den Gebieten der Künst, des Gewerbes und der 
Industrie zu leisten im Stande ist, wird man viel—