Full text: St. Ingberter Anzeiger

sich die dahier garnisonirende Artillerie nach dem 
Lechfelde. (Land. Tabl). 
— Frankenthal, 30. Juni. Heute wurden 
hier wegen „Zeugnißoberweigerung“ die Herren Wein⸗ 
ommisfionäre Alb. Deutsch usad C. Wormser in 
Neustadt in Haft genommen. Die Herren spedirten 
„fabrizirten Wein“ von Gennheimer in Neustadt 
1. H. und weigerten sich, die Namen der Empfänger 
dem Gerichte zu nennen. (Pf. V.) 
Vermischtee. 
4 Von unserem Pfälzer Landsmann Herrn 
dilgard, der in den letzten Jahren in so be— 
eutender Weise seiner Heimathprovinz Beweise 
eines Edelsinunes und seiner Generosität gegeben 
jat, lesen wir folgende interessante Notiz in dem 
n Louisville (Ky.) erscheinenden „Courier⸗Journal“: 
Herr Villard, der große Newyorker Finanzmann, 
var früher ein Zeitungssschreiber oder sogenanuter 
Journalist. Derselbe hat nie eine Zeitung gegrün— 
det, sondern arbeitete nur für bereits bestehende 
Journale.“ Hiezu macht die Newyorker „Sun“ 
solgende Bemerkung: „Jawohl, und ein sehr tüch— 
tiger Journalist war er. Für einen Deutschen 
chrieb er in englischer Sprache geradezu bewun— 
derungswürdig, hatte das Talent für besonders 
lebhafie Schilderungen und kam stets mit beson⸗ 
derer Wärme auf die Hauptpunkte, welche er bear— 
heitete. Unseres Ermnerns bestand seine letzte 
ournalistische Thätigkeit darin, über die ersten 
Zämpfe der Rebellion in Tennessee und Kentucky 
Berichte zu erstatten. Wahrscheinlich ist er jetzt als 
Millionär glücklicher als vor 20 Jahren, wo er als 
tohemian (wandernder Journalist) nur 60- 70 
Dollars die Woche erntete.“ 
F München, 2. Juli. Im Laufe dieses 
Monats findet am kgl. Landgericht München Jein 
Triminalprozeß statt, welcher allgemeines Aufsehen 
erregen wird. Es wird nämlich gegen einen Hoch— 
tapler ersten Ranges verhandelt, welcher sich als 
ostindischer Offizier gerirte und im Vereine mit 
einer augeblichen Frau, die aber nichts anders als 
eine gewöhnliche Dirne ist, bei verschiedenen Familien 
einführte, um die raffinirtesten Schwindeleien aus⸗ 
zuführen. 
4FUeber das lange Schulsitzen spricht sich Pro⸗ 
fessor Dr. Nußbaum din München in seiner jüngst 
erschienenen „kleinen Hausapotheke“ folgendermaßen 
zus? Kommt zur gegenwartigen Ueberanstrengung 
der Kinder noch eine ungeeignete Kost, so wird die 
Gesundheit rasch geschädigt. Ich habe die Ueber⸗ 
zeugung gewonnen, daß das lange Schulsitzen und 
Jamentich das viele Lernen Abends zu Hause, um 
die unsinnig großen Hausaufgaben fertig zu bringen, 
r26 ist, was Kinder körperlich und geistig elend macht. 
Man irrt sich sehr, wenn man meint, ein Kind 
ernt in täglich 8 Stunden viel mehr, als in täglich 
Stunden. Es mag dies bei einigen besonders 
xẽintwickelten wahr sein, aber die große Mittelklasse 
vird durch langes Lernen so ermüdet, daß das 
Auffassungsvermögen unendlich verlangsamt wird. 
Ich habe gesehen, daß Kinder in der 8. Lernstunde 
ange hin⸗ und herdachten, bis sie auffaßten und 
ene Autwort gaben, welche in der ersten Lernstunde 
litzschnell gegeben ward. Gehirnüberreizung. bleich⸗ 
üchtiges Aussehen, glanzlose Augen, Kurzsichtigkeit, 
Wirbelkrümmungen, Kopfschmerzen, Nasenbluten, der 
og. Schulkropf und anderes sind uns Aerzten als 
Folgen der Ueberanstrengung sehr wohl bekannt. 
das Turnen, so vorzüglich es ist, kann hier kein 
Reltungsmittel genannt werden. Man meinte, die 
räftigung der Muskeln durch Turnen würde dem 
blutüberfüllten Gehirne ein gewisses ausgleichendes 
Begengewicht liefern, allein die Erfahrung zeigt, 
daß das beschädigte Hirn durch Kräftigung der 
Muskeln nicht reparirt wird. Sehr schlecht ge⸗ 
rährten Kindern schadet das Turnen sonach noch 
mehr, indem sie nicht Nahrung genug haben, den 
m Gehirne verbrauchten Stoff zu ersetzen, und 
rotzdem nimmt man ihnen durch das Turnen noch 
auf einem zweiten Wege Stoff und ersetzt ihn nicht 
wieder. Hier hilft nur Beschränkung der Lernzeit.“ 
4Geue Spitzeeder ei.) Die Gründerin 
der einstmaligen „Dachauer Bank,“ die Privatiere 
Adele Spitzeder, scheint in den letzten Jahren das 
Geschäft in München wieder aufgenommen zu haben, 
und es fanden sich, — kaum sollte man es glauben, 
— in der That auch Leute, die der Dame wieder 
Gelder anvertrauten. So erhoben jetzt die Milch— 
händlers⸗Eheleute Joseph und Therese Grundler von 
Haidhausen, Vorstadt Münchens, Klage, in welcher 
5, die Bezahlung von nicht weniger als 35300 M. 
iebst 5 p Ct. Zinsen verlangen, welche sie in den 
Jahren 1879, 80 und 81 in verschiedenen Be— 
— DDD 
salisort der Beklagten unbetannt ist, so erläßt das 
dönigliche Landgericht München l die entsprechende 
Bekanntmachung, nach welcher die Verhandlung über 
iese Klage in der öffentlichen Sitzung der II. Civil- 
tammer auf Dienstag, den 7. November d. J., 
inberaumt ist. 
4 Als Unikum darf bezeichnet werden, daß vor 
benigen Tagen sechs Kinder eines NUrnberger 
Finwohners Herrn Henkel auf einmal getauft worden 
ind. 
4 Die Verfälschung der Nahrungs— 
nittel ist hekanntlich keine Erfindung der Neuzeit, 
ondern ein schon seit Jahrhunderten betriebenes, 
insauberes Gewerbe. Namentlich gilt dies von der 
Veinverfälschung, welche im Mittelalter so sehr 
erbreitet war, daß man auf dem Wege der Gesetz⸗ 
sebung dem Unwesen entgegentreten mußte. Vor 
llen ging der Magistrath Nürnberg's gegen die 
Beinfälscher mit unnachsichtlicher Strenge vor. So 
hurde 1409 ein gewisser Hermann Echter aus der 
Ztadt verwiesen, weil er einige Leute in der Kunst 
»es sogenannten „Weinschmierens“ unterrichtet hatte. 
rxin anderer Bürger, Namens Friedrich Spelter, 
Jatte 1440 zu Kissingen vier Fässer Wein gekauft, 
)eren Inhalt sich bei näherer Besichtigung durch 
»en Weinprüfer als verdorben herausstellte. Der 
Magistrat ließ deßhalb die Waare koufisciren, den 
Fässern die Böden einschlagen und den Wein in 
sie Pegnitz laufen. Das gleiche Schicksal traf 1447 
rei Fässer Wein, welche mit — Senf verfälscht 
paren. Im Jahre 1461 erfolgte wiederum die 
zestrafung eines Weinschmierers, indem man den 
Vein in die Pegnitz schüttete, das Faß verbrannte, 
und dem gewissenlosen Händler eine Geldbuße von 
inem Gulden für jeden Eimer des verfälschten 
hetränkes auferlegte. Alle diese Verurtheilungen 
cheinen indeß nicht von dem erwünschten Erfolge 
»egleitet gewesen zu sein, denn 1466 sah sich der 
tuͤrnberger Magistrat genöthigt, nach vorher ein⸗ 
eholtem Erachten der Aerzte ein neues Verbot gegen 
as Weinverderben und Weinvermischen zu erlassen. 
zwanzig Jahre später hielten die Bischöfe von 
Zamberg und Würzburg, der Markgraf Albrecht 
»on Brandenburg und die Stadt Nürnberg ver— 
hiedene Zusammenkünfte ab, auf denen ein gemein— 
ames Vorgehen gegen die Weinfälscher vereinbart 
»zurde. Von diesen Beschlüssen setzte dann Nürn— 
erg die Städte Straßburg, Eslingen, Rothenburg, 
ʒ„chwäbisch⸗ Hall, Heilbronn, Windsheim und 
Schweinfurt in Kenntniß, damit sie ihre Bürger 
nhalten möchten, den großen Weinmarkt, der all⸗ 
ährlich in Nürnberg stattfand, nur mit reiner, un⸗ 
zerfälschtet Waare zu beschicken. 
FDie Gläubiger der Frankfurter Aus— 
tellung werden, im Falle das jetzt von dem 
ßzläubiger-Ausschuß angebahnte außergerichtliche 
lrrangement zu Stande kommt, jetzt 44 Prozent 
jrer Forderungen erhalten. Dies verhältnißmäßig 
sünstige Resultat konnte nur dadurch ermöglicht 
verden, daß die Frankfurter Bürgerschaft 93,000 
Nark den Gläubigern zur Verfügung stellte. 
Meine Cigarre! befahl dieser Tage 
Zrinz Karl auf seinem Krankenlager in Kassel. 
der Kammerdiener brachte ihm eine Cigarre auf 
ilbernem Teller. — „Nein, diese nicht,“ sagte der 
Zrinz, „sondern die andere, die ich vorgestern nur 
jalb geraucht habe.“ Der Kammerdiener brachte 
»en Stummel und er schmeckte dem Prinzen vor⸗ 
refflich. — Wenn das der Bruder des Kaisers 
hut, sagte mein Nachbar, so darf ichs auch thun 
ind hebt seitdem nachts, wenn er aus der Kneipe 
vmmt, seine halbe Cigarre sorgfältig auf, statt sie 
vegzuwerfen. So viel nützen gute Beispiele. 
F Einkeckes Stüchchen aus dem ruhm⸗ 
eichen Jahre 1870 theilt die T. R. mit. Der 
Nusketier Thunes vom 8. Westphälischen Infanterie⸗ 
stegiment Nr. 57 sah (wenn wir recht berichtet 
ind bei Beaune la Rolande) während des Gefechts 
uus einem zerschossenen Stalle eine Kuh in der 
Kichtung auf die Franzosen fortlaufen. Da seine 
dameraden kurz vorher über einen großen Durst 
jeklagt hatten, sprang er aus seiner Deckung her⸗ 
or, lief der Kuh nach, band sie an einen Baum 
ind begann sie im heftigsten Kugelregen zu melken. 
Uls sein Kochgeschirr beinahe voll war, kehrte er 
n die Position zurück, ging bei den am meisten 
rschöpften Leuten herum und ließ sie trinken: Man 
enke sich diese Gruppe: Ein Soldat. der zwischen den 
heiden feindlichen Schlachtreihen sich hinsetzt,u 
recht im Angesicht des Feindes eine Kuh —* 
F (Aberglauben.) Vor dem Schwurgeng 
jofe in Chemnitz wurde in voriger Woche aͤnß 
eß zu Ende geführt, welcher ein Bild des * 
Aberglaubens entrollte. Der 63 Jahre alte Sun 
virker Heinrich Wilhelm Viertl und der 70 
ilte Muͤller und Sympathiedoktor Christian G 
BZarthum, beide in Wechselburg wohnhaft, r 
s verstanden, verschiedenen leichtgläubigen —* 
llaubhaft zu machen, sie ständen mit höh 
heistern in Verbindung und könnten mit * 
dilfe anderen Geld verschaffen, natürlich gegen u 
serige Gewährung von Geld. Unter anderem 6 
jatte Viertl den Leichtgläubigen gegenüber, win 
ringend Geld bedurften und zur Erlangung d 
elben 13 Thaler bezahlten, eine „Geisterbeshn, 
ing“ in Scene gesetzt. Nach Aufforderung Vin 
zehorchte auch der „Geist“; derselbe erschien 
ragte die drei, welche ihn natürlich nicht zu sehr 
ekamen, mit hohler Stimme nach ihrem Lesh 
diese tragen ihm nun vor, daß sie zusamnmn— 
000 Thaler haben wollten. Und als der 64 
sierauf erklärt hatte, daß sie zur Ablösung die— 
n der Erde vergrabenen Geldes 100 Thaler he 
jeben müßten, wurden sie durch Vermittlung Vie 
nit dem Geist, der mit sich handeln ließ, du 
iinig, daß sie zusammen 45 Thaler beschuf 
vollten. Bei der nächsten Zusammenkunft wun 
ieser Geldbetrag hinter Viertls Scheune unterhu 
er Dachtraufe in die Erde vergraben; am nächte 
Norgen, als nachgesehen wurde, hatte der „Geif 
as Geld schon geholt. Hiernächst erhielten d 
rei von Viertl wieder Anweisung, zu ihm 
ommen und da nun wurde ihnen eröffnet, der gu 
heist habe mit den bösen Geistern einen tüchhe 
dampf gerabt, weil er sich mit der Hälfte begriß 
jabe, die Geister seien nicht eher wieder zu beruhige 
ils bis auch die anderen 55 Thaler bezahlt sein 
Auch diese wurden beschafft und am gleichen Ot 
ergraben. Hieran knüpften sich in der Folqezr 
noch verschiedene andere Geisterbeschwörungene 
Piertls Wohnung, wobei Viertl es verstand, di 
reien noch als „Geschenke bez. Trinkgelder für 
erdgeister“ verschiedene Geldbeträge von je 200 
10 M. abzunehmen. Schließlich bekamen die de 
die Geschichte satt, zogen sich von Viertl zurüd un 
— schwiegen — schwiegen still. Durch andn 
ihnliche Betrügereien kamen aber die Thaten Vietß 
in den Tag. Das Urtheil lautete für Vierth 
5 Jahre Gefängniß und für Parthum auf 8 Juh 
Hefängniß. Die — Gläubigen aber werden w 
AUle! 
7 Berlin, 29. Juni. Die Bewohner “ 
dauses in der Prinzenstraße wurden in dvorley 
dacht durch dinen laut dröhnenden Knall erschtt 
Nanu lief zusammen und drang in das Zimm 
ines im zweiten Stock bei der Familie eines At 
us Chamdregarnist wohnenden Ingenieurs, von 
ꝛer Schuß ertönt war. Der elwa 26jährige* 
jenieur hatte sich mit der 173ährigen Tochtet tin 
siesigen reichen Kaufmanns verlobt, war aber 
ʒꝛem Vater seiner Braut auf beharrlichen Widers 
zestoßen und hatte in den letzten Tagen einen for 
ichen Absagebrief von demfelben erhalten. d 
atte sich der junge Mann tief zu Herzen genn 
nen und öfters gegen seine Bekannten geäuß 
—A Leben nicht mehr ertragen und w 
ich erschießen. Dabei hatte er in dieser letten? 
im Trost zu finden, mit Bacchus und Gambüi 
ich mehr als gebührlich befreundet. In der 
annten Nacht nun war er in hohem Grade: 
ind angeregt nach Hause gekommen und als 
iach vollbrachter That die erschreckten Hausbewohn 
ei ihm eindiangen, fanden sie ihn in halb lien 
— entblot 
grust und die rauchende Pistole in der Hand. 
ntsetzt Eintretenden rief er mit röchelnder Stim 
u. Ich flerbel Holt meinen Wirth.“, Als dm 
inzukam und den Verwundeten untersuchte, 
er die Stelle zunächst der Herzgegend siark geth 
ind von Puwer geschwärzi, sonst aber keine b 
sche Wunde. Der Arzt lachte auf und vh 
Sie haben sich wohl mit Pulver erschossen“ 
ingenieur sah ihn einen Augenblic starr ar— 
riff er halb mechanisch in die Westentasche w 
riff zum Gaudium der Umstehenden die uen 
zuhel hervor. Er hatte in seiner Aufregung 
essen, dieselbe in den Revolver zu stecker. “ 
achsten Morgen kam der Kaufmann auf — 
icht, sein verschmähter Schwiegersohn habe 
hoössen. in dessen Wohnung und halb belult—