Full text: St. Ingberter Anzeiger

Zzt. Jugherfer Anzeigler. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
Et. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchenilich mit Unterhaltungs- 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1I46 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1I 60 H, einschließlich 
d AZustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I5 —, bei Reclamen 39 4. Bei A4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
4 
444. 
131. 
Donnerstag, 6. Juli 1882. 17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 5. Juli. Se. Maj. der deutsche 
aiser wird auf der Reise nach Gastein auch in 
diesen Jahre die Route über München nehmen; 
Se. Maj. wird am 19. ds. hier resp. an der äu— 
zeren Rangirstelle des Zentralbahnhofes eintreffen 
ind ohne Aufenthalt zu nehmen an diesem Tage 
woch bis Rosenheim reisen, von wo am 20. ds. 
— 
Ausland. 
Die Rüstungen Frankreichs zur See 
tätigen sich. Nach dem am Samstag ge— 
altenen Ministerrathe ertheilte der Marineminister 
en Seepräfekten telegraphisch Befehl, unverzüglich 
die Marschpapiere nach Toulon für drei Klassen der 
Narinereserve vorzubereiten. Die Marsch— 
papiere wurden am Sonntag abgeschickt, und am 
Montag Abend wurde die Mehrzahl der Matrosen 
in Schnellzüggen nach Toulon geschickt. Jufolge 
zieseßs Aufrufes zum Dienste waren die Fischerboote 
xerhindert, nach den schottischen Gewässern auszu— 
aufen, da ein großer Theil ihrer Mannschaft zu 
er Kriegsflotte berufen mar. Die Effektivstarke der 
inberufenen Matrosen ist bedeutend: Arcachon allein 
at 133, das Quatier Boulogne 1000, Dieppe 
1000. Dünkirchen 1000 Matrosen gestellt. Diest 
Natrosen sind für die Panzerschiffe, Kanonenboote, 
Avisos und Transportschiffe der Reserve in Toulon 
estimmt. Im Touloner Hafen liegen fünf Panzer— 
diffe zur Abfahrt bereit; ferner drei Transportschiffe, 
ne 2000 Mann an Bord nehmen können, und eine 
anzerkorvette, ein Küstenpanzerschiff, eine Fregatte, 
in Kanonnenboot und fünf Transportschiffe, welche 
qammen 14,000 Mann Truppen an Bord nehmen 
onnen. Die Mittelmeerflotte ist von den 
cherischen Inseln nach Tunis abgefahren; sie besteht 
us fünf Panzerschiffen ersten Ranges und zwei 
reuzern von großer Schnelligkeit. Sie hat 5000 
Nann an Bord, gden 50 Kanonen mit einer Schutz⸗ 
inie von 8000 Meter, 40 von kleinerm Kaliber, 
0 Revolverkanonen. Ju Tunesien liegen 4 Kanonen⸗ 
pote und ein Transportschiff. Vor Alexandrien 
iegen 3 Panzerschiffe, 6 Avisos. 2 Transport'schiffe 
nit 4000 Mann. 
Toulon, 4 Juli. Alle Offiziere eilen 
iom Lande herbei, da sie Befehl erhalten haben, sich 
ur sofortigen Einschiffung bereit zu halten. 
det ,Desaix“ ist abgefahren, um der Mittelmeer— 
lotie den Befehl zu überbringen, daß sie nach Egypten 
hren soll. 
London, 4. Juli. Aus Alexandria wird 
meldet: Die Situation ist drohend. Jeden Augen— 
ük kann eine Collision zwischen der Flotte und 
en Forts entsiehen. An den Befestigungen wird 
xiter gearbeitet. Durch den Kanonendonner, mit 
relchem die Flotten den Geburtstag des Sultans 
erten, wurde das Araberviertel erschreckt, indem 
glaubte, es finde ein Bombardement statt. 
wischen Derwisch Pascha und Arabi sollen Mei⸗ 
ungsverschiedenheiten herrschen. Die Europäer sind 
et Ausicht, daß nur eine nichttürkische Intervention 
ühen konne. Der Khedibe befindet sich besser und 
die Consuln einpfangen. 
Ronstantinopel, 4. Juli. Man hat sich 
der Pforte veriraulich verständigt, daß nach 
Agiger Konferenz die Botschafter ihr unter der 
rm eines freundschaftlichen Rathes die Entsen— 
ng eines Otkupationskorbs nach Eqypten vor— 
diggen werden 
Wie die „Nowosti“ erfahren, schweben gegen— 
värtig Unterhandlungen zwischen den Re— 
zierungen Deutschlands und Rußlands 
wegen Abschlusses eine Convention, wonach 
der Rayon des direkten Verkehrs der beiderseitigen 
Grenz-Justizbehörden bedeutend erweitert wer— 
den soll. 
Aus Petersburg und Moskau wird von 
zahlreichen neuen Verhaftungen gemeldet. Die 
Commission, welche behufs Untersuchung der vor— 
zenommenen Verschickungen nach Sibirien eingesetzt 
ist, hat constatirt, daß 66 Prozent der Verbannten 
anschuldig sind. 
Alexandria, 4. Juli. Es ist constatirt, daß 
sämmtliche Europäer bis auf eine kleine Anzahl 
Franzosen das Land bereits verlassen haben. 
die sich gestern Abend zwischen 11 und 12 Uhr 
sahier auf der Distriktsstraße zugetragen hat. Das 
7jährige Schneiderlein Daniel Buchmann ver— 
etzte nach nichtssagendem Wortwechsel dem 18jäh— 
igen Kaufmannslehrling Karl Rohr zwei Messer— 
tiche in Unterleib und Rücken; bei ersterem beträgt 
die Tiefe der Wunde 3 em, bei letzterem 33 em, 
o daß die Rettung sehr fraglich ist. Das tapfere 
Schneiderlein wurde noch während der Nacht von 
der herbeigerufenen Gendarmerie nach Zweibrücken 
in Untersuchungshaft verbracht. Da beider Eltern 
»rave Leute sind, so erreat der Vorfall allagemeines 
Bedauern. 
— In Kaiserslautern haben, wie wir 
der „Kais. Ztg.“ entnehmen, die daselbst weilenden 
Deutsch-Amerikaner den 4. Juli, den Jahrestag der 
Inabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten 
zurch eine Reunion festlich begangen. 
— Die Stadt Frankenthal zählt nach der 
Berufsstatistik 269 Seelen gegen 9050 bei der 
VBolkszählung vom 1. Dezember 1880, so daß sich 
in 192 Jahren eine Zunahme von 219 Seelen 
ergibt. 
Der „Ggwt.“ zufolge wird die Versamml⸗ 
ing, in welcher Herr Petersen (Reichstagsabge— 
»xdneter für Neustadt-Landau) über die beiden letzten 
Sessionen des Reichstags Bericht erstatten wird, am 
Sonntag den 6. Auagust zu Neustadt 
tattfinden. 
— Zu der Nachricht von der Verhaftung zweier 
Weinkommissionäre aus Neustadt wegen Zeug— 
nißverweigerung bemerkt das „F. Te“, daß ein 
zleiches Schicksal noch einigen anderen Herren be— 
vorstehe. 
— Dürkheim hatte bei der Berufsstatistik in 
1330 Familien 6063 ortsanwesende Personen; gegen 
die Volkszählung von 1880 mehr 16 Haushalt- 
ungen jedoch 26 Personen weniger. 
— Der Pf. K. schreibt, daß gutem Vernehmen 
nach, unter den neu creirten „Oberexpeditoren“ nur 
ein einziger pfälzischer Postbeamter sich besindet, und 
war ist dies Herr Bender, langjähriger Vorstand 
der Postanstalt Germersheim. 
— Marxau, 3. Juli. Am letzten Freitag 
Abend gerieth ein 52jähriger Mann von hier in 
Folge übermäßigen Genusses von geistigen Getränken 
tatt in sein Bett in ein Pfuhlloch und wäre bei— 
ijahe ertrunken, wenn nicht auf sein Schreien rasch 
dilfe herbeigeeilt wäre. Zum Glück war das 
zFfuhlloch nicht der Nil, sonst wäre der Betreffende 
rotz seiner Schwimmkunst umgekommen. Sein 
Monatsgehalt, welcher theilweise aus Papiergeld 
estand und den er in der Tasche bei sich trug, ist 
zlücklicherweise nicht „verweicht.“ (S. W.) 
— Das Hauptfest des Gustav⸗-Adolph Vereins 
ür die Pfalz, welches am 26. Juli in Ludwigs⸗- 
jafen hätte abgehalten werden sollen. ist auf den 
16. Auqust verschoben worden. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 6. Juli. Sonntag, den 
16. Juli nächsthin wird in der Tonhalle zu Saar—⸗ 
hrücken von zehn Mitgliedern des kgl. Domchors 
zu Berlin ein großes Vocal-⸗Conzert gegeben 
verden, auf das aufmerksam zu machen, wir nicht 
»ersaumen wollen. Das Programm umfaßt, zwölf 
Nummern. Beginn: abends 6 Uhr. Preise der 
Blätze: Nummerierter Platz 2,80 Mk., unnumme— 
rierter Platz 2 Mk., Schülerbillets Aà 1 Mk. Von 
sjier aus dürfte der Besuch des Conzertes wesentlich 
»adurch erleichtert sein, daß die Rückfahrt nach 
Schluß desselben noch mit dem letzten (8 Uhr 55 
Min.) von Saarbrücken nach hier abgehenden Zuge 
nöglich ist. 
* St. Ingbert, 6. Juli. Wie wir nach⸗ 
räglich erfahren, ist der in der Nacht vom Sonntag 
m Josephsthal Gestochene nicht verheirathet, sondern 
derjenige, von dem er den Stich erhielt. Auch hatte 
Ersterer mit Letzterem keine Schlägerei; es soll viel⸗ 
nehr dieser mit einem anderen einen Disput gehabt 
ind darnach den völlig Unbetheiligten gestochen haben. 
MSt. Ingbert, 6. Juli. Noch keine der 
his jetzt aufgeführten Vorstellungen in unserm 
Zaison⸗Theater hatte einen solchen durchschlagenden 
Erfolg gehabt, wie die gestrige. In meisterhafter 
Weise hat es der Verfasser Erckmann-Chatrian, 
ein in den letzten Jahren oft genannter, beliebter 
Z-chriftsteller in seinem „Freund Fritz“ verstanden, 
das Leben seiner elsäßischen Heimath wahrheitsgetreu 
zu schildern und in jede Rolle eine natürliche Nuance 
zu legen. Aber auch in meisterhafter Weise haben 
es die Darsteller verstanden, ihre Rollen auszuführen 
und gebührt der Löwenantheil Fräulein Schroth 
als „Susel“ und Herrn Heinritz als „Rabbi.“ 
Beide waren so natürlich, besonders in der Scene 
„Rebecca am Brunnen“, daß man glauben konnte, 
sie waren in ihrem Leben nichts anders gewesen, 
als „Susel“ und „Rabbi.“ Letzterer als Heiraths- 
vermittler war unvergleichlich und gab den jüdischen 
Jargon fein, ohne irgend welche Uebertreibung 
wieder. Auch die „alte Catherine“, Herr Fritz 
Kobus, der Zigeuner-Pächter und die beiden Gour— 
nands⸗Steuereinnehmer und Feldmesser wurden sehr 
jut durchgeführt und hat das Stück auch hier den⸗ 
elben Erfolg gehabt wie überall, wo es zur Dar— 
tellung kam. Eine baldige Wiederholung würde 
hmm gewiß ein volles Haus und der Direktion eine 
nolle Casse sichern. 
— Ueber die in vor. Nr. kurz erwähnte Stech— 
affaire in Niederauerbach (nicht Oberauerbach, 
vie es irrthümlich hieß) wird der „Zw. Ztg.“ 
unterm 3. Juli geschrieben: Zur Abwechslung haben 
pvir heute über eine Messeraffäre zu berichten, 
Vermischtes. 
FMünchen. In Folge der neuen Fatirung 
der Gewerbesteuer sind namentlich auch unsere Ban— 
en weit höher besteuert worden, als es bisher der 
Fall war. So zahlt, wie auswärtigen Blättern 
nitgetheilt wird, beispielsweise die , Biyerische Hypo— 
heken⸗ und Wechselbank“ jetzt das vierfache der bis— 
herigen Steuer. Letztere betrug inclusive Kreis- und 
Hemeindeumlage 30,000 Mark per Jahr, nunmehr 
aber beziffert sie sich auf 120,000 Mark. 
In Würzburg vergiftete sich aus Furcht 
»or Strafe ein Einiährigfreiwilliger. Derselbe hatte 
—— ABJfW2æ22 —