Full text: St. Ingberter Anzeiger

Einfluß aufbieten, daß: h) ein kgl. Ministerium 
ihre untergeordneten Behörden zu einer möglichss 
schnellen, preiswürdigeren und ausgiebigeren Wald⸗ 
streu-Abgabe aus den Staats⸗, Gemeindes und 
Berechtigungs-Waldungen an die weinbautreibende, 
sowie landwirthschaftliche Bevölkerung der Pfalz 
allerhöchst anordne; 2) von Hoher Stelle den 
Herren Oberförstern in betr. von Waldstreu-Ab— 
gabe an die ärmeren Klassen eine mehr mildere 
Instrucktions möge zukommen lassen; 3) der är— 
meren Klasse nach vorher eingeholter ortsvorständli⸗ 
cher Bescheinigung ihrer Bedürftigkeit aus den 
Wegen, Schneusen und Triften nicht allein aus 
den Gemeinde⸗, Berechtigungs⸗, sondern auch aus 
den Staatswaldungen womöglich kostenfreie Streu— 
Abgabe bei forstamtlicher Aufsicht verabfolgt werde; 
4) bei Abgabe von Haidestreu auch an nicht zu 
—VDD— 
Walde so schädlichen Mooses abzunehmen gestattet 
werde; 6) dem zu vielen Tannenpflanzungs-Ver⸗ 
sucht von Seiten der kgl. Forstbehörte resp. der 
Herren Oberförster Einhalt zu gebieten; 7) das 
dem Staate und den Gemeinden so kostspielige und 
dem Winzer sowie dem Landwirthe so schädliche 
Durchforstungs-Verfahren eingestellt, und die frühe— 
ren sog. Kuppenhiebe wieder eingeführt werden; 
8) die Streunutzungen der Nadelholz-Wälder in 
einem Alter von 35 und die der Laubhölzer in 
einem Alter von 50 Jahren eintrete und ein 455 
unter Umständen 6jähriger Turnus der Streuab— 
gabe eingeführt werde und schließlich 6) den Ge— 
meinden, resp. deren Vorständen bezüglich der forst— 
lichen Nebennutzungen, sowie in dem Forstwirth⸗ 
schafts-Verfahren, in Gemeinde- und Berechtigungs- 
Waldungen ein groößerer berathender Einfluß in 
Zukunft zugesichert werde. 
Gestern Abend gingen von 114 Gemeinden die 
Petitionen, bedeckt mit 10,771 Unterschriften, an 
das Präsidium der bayerischen Abgeordnetenkammer 
ver Post ab. Heute Morgen sind schon wieder 
von weiteren 16 Gemeinten die Petitionen, ge⸗ 
zeichnet mik 1433 Unterschriften, dahier in Ein— 
lauf gelangt. Nunmehr ist der 28. Janu ar a. cr. 
als der Termin bestimmt, an welchem die bis jetzi 
noch rückständigen Petitionen nach München abge—⸗ 
schickt werden. 
— Landau. Der kath. Stadipfarrer Hr. 
Palm hat dem Vernehmen nach endgiltig die 
Vorstandschaft des Zillisheimer Knabenseminars 
Elsaß) angenommen. 
— In Grünstadt wurden auf Requisition 
des k. Bezirksamtes Frankenthal mehrere Brunnen, 
deren Wasser als gesundheitsschädlich erkannt wor⸗ 
den war, geschlossen. Eine Anzahl Typhusfälle in 
der Nachbarschaft hatten die Veranlassung zur 
Untersuchung jener Brunnen gegeben. 
— Speyer, 18. Jan. Gestern Abend 
wurde hier eine ganze Schwindlerbande aufgehoben, 
die aus 3 „Herren“ und einer „Dame“ bestehend, 
vorgestern in der Wirthschaft zum „Köng von 
Preußen“ abgestiegen und eben mitten in ihrer 
Thätigkeit begriffen war. Ein bei Schirmfabrikant 
Groß gest ohlener Schirm, den zwei der Schwindler 
wirklich gegen 8 M. an den Mann brachten, führte 
auf die Spur, und durch die Umsicht des Herrn 
Polizeikom missärs gelang es, diese zwei Gauner 
bei einem zweiten Schirmdiebstahle bei Schirm⸗ 
fabrikant Weil auf frischer That zu ertappen und 
zu verhaften; sofort wurden auch die beiden andern 
Mitglieder der Gesellschaft in Gewahrsam gebracht 
Man scheint es hier mit Schwindlern zuthun zu haben 
die schon in andern Städten ihr Unwesen trieben 
denn außer den bei ihnen vorgefundenen Perrücken, 
falschen Bärten, sonstigen Schwindelwerkzeugen und 
mehreren zweifellos gestohlenen Schmucksachen waren 
in den ihnen abgenommenen Notizbüchern die 
Adressen der hiesigen Goldarbeiter, Schirmfabrikanten 
ec. genan notirt. (Sp. Z.) 
Vermischtes. 
F Müncheu, 13. Jan. Unsir berühmter 
Chirurg, der t. b. o. Universitätsprofessor Dr. Ritter 
v. Nußbaum, Generalstabsarzt a la suite, erhielt 
aus London ein Diplom, wodurch er zum Ehren⸗ 
mitgliede der ältesten und weltberühmten Gesell⸗ 
schaft Societas Medica Londinensis ernannt worden 
ist. Die Ehre ist eine sehr seltene, um so größere, 
als dahier dieselbe noch Niemanden zu Theil ge— 
worden ist. 
— Der höchste Gewinn der Brückenauer 
Lotterie, 50,000 Mk. ist einem Bäuerlein der 
Umgegend von Nürnberg zugefallen. 
r Ver Hauptgewinn der Mailänder 45-5r. 
Loose im Betrage von 60,000 Franken fiel auf 
ein Kind in Pforzheim. Das Loos wurde 
erst vor einigen Tagen gekauft und dem Kinde 
zum Geschenk gemacht. 
FSulzbach, 18. Jan. Unser sonst ruhiges 
und der Sensation auch wenig bedürftiges Tha 
zefindet sich seit Sonntag in einer nicht geringen 
Aufregung. Ein hier zugezogener Bäcker vom 
hunsrück hatte seit 3 Monaten ein großartiges 
Backgeschäft eröffnet, das, da er sehr billig ver⸗ 
aufte, auch guten Zuspruch fand. Das Vertrauen 
u heben, hatte der Bäcker auch ein hiesiges wohl— 
jabendes Mädchen geheiratet. Jetzt ist er auf und 
»avon. Nur Pferd, Wagen und Gepäck wurden 
hm von einem resoluten Handelsmann auf der 
Chaussee noch weggenommen. Seit vorgestern ist 
über das Vermögen des Flüchtigen der Konkurs 
derhängt und sind bereits für 12,000 Mt. For⸗ 
derungen angemeldet. (Saar⸗ u. Blies⸗Ztg.“) 
F Weißenburg (Elsaß), 16. Jan. Diesen 
Morgen durchlief unser freundliches Städtchen die 
Nachricht, daß sich hier der Sergeant Ha mim vom 
kgl. preuß. Infanterieregiment Nr. 60 heute in der 
frühesten Morgenstunde erschossen habe. Der 
Selbstmörder soll ein pflichttreuer, moralischer Sol⸗ 
dat gewesen sein. Motive für die schlimme That 
ind bis jetzt nicht bekannt geworden. Das Mili— 
ärgericht hat eine Untersuchung angeordnet. (Der 
Selbstmord greift neuerdings im Militär ganz be— 
)enklich um sich.) 
F Vom Lande schreibt der „Saarzeitung“ 
'in jetziger Karnevalszeit ein Schalk, der aber den 
dopf auf dem rechten Fleck zu haben scheint: In 
einem kleinen Bauernorte, wo unter dem weiblichen 
ßeschlechte ein besonders großer Luxus herrscht 
dessen Namen wir aber aus leicht begreiflichen Rück— 
ichten verschweigen müssen, haben sämmtliche Jüng⸗ 
inge folgenden Aufruf verfaßt und bei den Jung— 
rauen ihres Ortes cirkuliren lassen: „In Anbetracht 
)er allzusehr umsichgreifenden Luxuriösität und Ver⸗ 
schwendungssucht unseres modernen Zeitalters sehen 
ich die Jünglinge des Vereins „Einfachheit“ von 
hier veranlaßt, folgenden Aufruf an alle achtbaren 
ind sverständige Jungfrauen ihres Ortes ergehen 
u lassen: Sämmtliche Jünglinge des oben erwähnten 
Bereines haben nach reifer Erwägung und Be— 
prechung beschlossen, an alle Jungfrauen von hier 
die ernstliche Bitte zu richten, den bisher gegangenen 
Weg des Lurus und der Verschwendung zu ver⸗ 
lassen und wieder zur früheren Einfachheit unserer 
Voreltern zurückzukehren. Die Gründe welche die— 
elben hiezu veranlaßten, werden wohl jedem ein⸗ 
ichtsvollen Menschen von selbst einleuchten. Ein—⸗ 
nal nämlich geziemt es sich nicht für Mädchen, 
deren Vöter und Brüder sich rühmen Bauern zu 
ein, und die selbst während der Woche in Feld 
-cheune und Stall zu thun haben, am Sonntage 
inherzugehen wie pfauenartig aufgeputzte Stadi— 
räuleins. Dann auch wären die enormen Summen, 
die jährlich für Putz und eiteln Tand ausgegeben 
verden, viel besser anderweitig zu verwenden, be⸗ 
onders in den heutigen schlechten Zeiten. Also fort 
nit Hut und Schleier, Manschetten und Kragen 
ind Pelz, auf daß die Einfachheit wieder zu Ehren 
omme. Um nun den Weg zum Alten und Bessern 
wieder von neuem zu betreten und aller Welt durch 
ein hehres Beispiel vorzuleuchten, machen die Mit—⸗ 
zlieder des Vereines allen Jungfrauen von hier den 
ernst gemeinten Vorschlag, am nächsten Sonntage 
alle ihre Luxusgegenstände auf die „Brunnenwiese“ 
vor dem Dorfe zusammenzubringen, um dieselben 
'eierlich dem Flammentode zu weihen.“ Natürlich 
zlieb ihre Bitte ein frommer Wunsch. 
fF* (Auf dem Balle vom Tode ereilt.) 
Auf einer am Samstag Abend stattgehabten größeren 
Ballfestlichkeit im Saalbau in Frankfurt a. M. 
»reignete sich ein höchst trauriger Zwischenfall. Eine 
Dame, die Frau eines Schornsteinfegermeisters, 
ward plötzlich von einem heftigen Unwohlsein be— 
fallen. In einen Nebensaal verbracht, erwies sich 
ede weitere Hülfeleistung für überflüssig, denn ein 
Herzschlag hatte ihren sofortigen Tod herbeigeführt. 
F Ahndung der Trunksucht des 16. Jahr— 
hundert. Dem „Gasthaus“ entnehmen wir die 
folgende interessante Mittheilung: Am 25. Mai 
1515 wurde in Frankfurt a. M. von dem da— 
naligen Magistrate eine Verordnung erlassen, welche 
vörtlich lautet: „Wer zum ersten Male betrunken 
betroffen wird, muß 6 Schilling, wer zum zweiten 
Male, 12 Schillinge, und zum dritten Male einen 
Bulden bezahlen. Werden aber Mehrere betrunken 
ingetroffen in einer Wirthsschenke (oder Schank 
haus), so muß Jeder zwei Gulden Strafe zahlen 
Wird aber ein Trunkener auf der Straße ange 
troffen, so sich ungeschickt und unzüchtig hält, st 
hat jeder Rathsdiener das Recht, solchen hinter 
Schloß und Riegel zu bringen; soll der Trunkene 
ein Armer sein, so soll er von jedem Gulden 
Strafe 8 Tage im Thurme sitzen, mit Wasser und 
Brod gespeiset werden. Soll aber der Trunkene 
zar ein Rathsherr sein, so soll derselbe nur mit 
doppelter Geldstrafe belegt sein. Der Ausschenken 
(Wirth), welcher die Leute nicht vor der Trunken 
heit warnet, soll die ganze Strafe bezahlen. — 
So verordnet ꝛc. ꝛr. 
F In Heidelberg soll eine Drahtseilbahn 
von der Stadt aus über das Schloß zur Molken⸗ 
kur geführt werden. Die Weiterführung, etwa bi— 
zum Kohlhof, wird erst später in Aussicht genom⸗ 
men. 
F Die Wetterwarte der „Köln. Ztg.“ be— 
merkt u. A.: „Wahrscheinlich wird der ungewöhnlick 
hohe Luftdruck noch eine Zeit lang andauern. Es 
erscheint jedoch angezeigt, gegenwärtig schon darau 
aufmerksam zu machen, daß bei starkem Fallen des 
Barometets, das ja früher oder später sich einstellen 
vird, in manchen Steinkohlengruben deträchtliche 
Entwickelungen von schlagenden Wettern eintreten 
werden; es ist also eine besonders sorgfältige Ueber— 
Ueberwachung der gefährlichen Strecken in den 
Gruben die nächste Zeit hindurch erforderlich.“ 
F CGWas ist ein Restaurateur?? In der Ber— 
liner Steuerverwaltung ist ein Maier, der sich 
als „Gemälde-Restaurateur“ in der Steuerliste ein— 
getragen hatte, von einem Steuer⸗Beamten unte 
die Classe der „Restaurateure“, also der Schank⸗ 
wirthe, eingereiht worden. 
- Ein eigenthümlicher Sport wird gegenwärti 
von der Berliner Jugend cultivirt. Die Knaben 
kaufen sogenannte „Glasschneider“ (a 50 Pf.) und 
zerschneiden damit Schaufenster und Schaukasten. 
Es sind auch schon Fälle vorgekommen, daß Kinder 
ein Stück Glas aus den Schaufenstern herausge— 
schnitten und dann die dahinter liegende Waare 
entwendet haben. 
4 Geradezu entsetzlich ist das Geständniß, das 
in Berlin ein wegen versuchten Kindesmordes 
verhaftetes Dienstmädchen abgelegt hat. Dasselbe 
hat nämlich dem Gerichtsarzte gegenüber eingeräumt 
daß es dem ihm anvertrauten Kinde Oleum ver— 
mischt mit Milch eingegeben habe, um durch dessen 
Vergiftung sich den Dienst bequemer zu machen. () 
(Idyll aus Oldenb urg,) Ein Reisender 
jichreibt der „Schl. Ztg.“: Die Eisenbahn hal 
etzt das südliche Oldenburg erschlossen. Zwei Es— 
kadrons Dragoner, die in Cloppenburg garnisoniren 
sind darüber sehr glücklich, denn da die Stadt ohne 
den Dung der Dragonerpferde nicht bestehen kann 
so hatten sie keine Aussicht, jemals dislocirt zu 
werden. Jemand, der dort lebte, pflegte zu sagen 
man genösse dort im Frühjahr nichts als Kibitzeie' 
und während der anderen neun Monate Torf mi 
Remonladensauce. 
FHöflichkeitsprämien scheinen all— 
mählich in die Mode kommen zu wollen. Di 
Apine Gesellschaft „Altenbergaa“ in Wien ver— 
theilt alljährlich eine Prämie von 5 Dukaten an 
'olche österreichische Gebirgsbewohner und ⸗Bewohner⸗ 
innen, welche sich durch Auskünfte, Rathschläge 
Höflichkeit und Entgegenkommen Touristen gegenübe' 
auszeichnen. Der Name und Wohnort der alljähr 
lich Prämiirten wird auf Kosten der Gesellschaf 
in den gelesensten Wiener Blättern veröffentlicht 
und die Prämiirung motivirt. Namentlich Gast⸗ 
wirthe und Führer kömnen daher aus diesen Prämien 
erheblichen Vortheil ziehen. — Ferner wird bekannt 
daß eine große Zahl von Passagieren der London 
und Brighton⸗Eisenbahn dem Inspektor der Abfahrt 
station in London eine bedeutende Geldsumme als 
Dank dafür verehrt hat, daß jener Beamte in einer 
zroßen Reihe von Jahren dem auf der Station 
berklehrenden Publikum stets mit unabänderlicher 
Liebenswürdigkeit und Gefälligkeit entgegenge— 
kommen ist. 
Die Weizenernte in Frankreich hat nadc 
dem Journar offiziell im verflossenen Jahre 144 
Milliunen Centner von 7 Mill. Hektar Land geliefert 
FGie Kraft der Insecten) Dem 
französischen Naturforscher Plateau verdanken 
wir eine Reihe sinnreicher Vorrichtungen und Mi— 
niaturwagen zur Bestimmung der von den Insekten 
entwickelten, geradezu erstaunlichen Kraft. Bei den 
damit vorgenommenen Versuchen stellte es sich 
heraus, daß die kleinsten Insekten im Verhältniß 
die stärksten sind. Besonders niedlich ist das