Full text: St. Ingberter Anzeiger

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ↄuS Jugberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
TEet. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
latt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1A 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1I3 , bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
W4 176. Donnerstag, 7. September 1882. 17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 7. Sept. Gestern Nach— 
nittag hatte sich der Ausschuß des Kirchenbauver- 
ines und der Fabrikrath zu einer gemeinschaftlichen 
Sitzung, der auch der kgl. Bezirksamtmann Hr. Dr. 
—A 
liltig die Wahl eines Bauplatzes für die neue Kirche 
vorzunehmen. Zu einer Abstimmung über die vor— 
eschlagenen Plätze kam es jedoch nicht, vielmehr sprach 
ich die Versammlung nach eingehender, zum Theil 
iemlich erregter Debatte mit 15 von 27 Stimmen 
zegen eine solche aus. 
* St. Ingbert, 7. Sept. Am Dienstag 
Abend traf der Zug 260 (preußischer Schnellzug), 
»er fahrplanmäßig um 6 Uhr 39 Min. auf dem 
iesigen Bahnhofe einfahren soll, mit einer Ver— 
pätung von 1 Stunde hier ein. Dieselbe hatte ihren 
grund darin, daß zwischen Bruchsal und Graben 
ie Maschine des genannten Zuges defekt geworden 
var und eine pfälzische Maschine requirirt werden 
nußte. Natürlich hatte die Verspätung bei manchen, 
die mit dem Zuge Angehörige erwarteten, nicht 
eringe Besorgniß hervorgerufen. — Gegenwärtig 
bird die hiesige Bahnstrecke häufig von Extra⸗Schaf⸗ 
ügen passirt, welche theils nach Meß, theils nach 
Baris bestimmt sind. Häufiger noch wird die Blies⸗ 
halbahn von derartigen Zügen, die über Saarge⸗ 
nünd nach ihrem Bestimmungasorte dirigirt werden. 
defahren. 
— (Zwangsversteigerungen.) Wäh— 
end des verflossenen Jahres betrug die Anzahl der 
n der Pfalz zwangsweise veräußerten landwirth— 
chaftlichen Anwesen 145, darunter 138 kleinere und 
mittlere. 
— Dürkheim, 6. Sept. Der Michaelis⸗ 
der Wurstmarkt wird in diesem Jahre am 1., 2. 
ind 3., der Nachmarkt am 8. Oktober abgehalten. 
zgereits wurde mit dem Aufschlagen der Buden, in 
senen vorerst noch die mit dem vom 17. bis 20. 
)». M. dahier statifindenden Weinbau⸗Congresse ver⸗ 
zundenen Ausstellungen (Geräthschaften und Uten⸗ 
ilien, Obst und Trauben) untergebracht werden, 
egonnen. (D. A.) 
— Ein Bürger aus Maikammer ernteie be⸗ 
eits am 2. ds. in einem Wingert auf freiem Felde 
inige Trauben, sog. Malenka; der Most hievon 
vog, wie die „Gegwt.“ berichtet, nicht weniger als 
30 0 „Oechsle“. 
— In Altidorf überfuhren zwei Knaben von 
Zzöbingen, ohne es zu ahnen, den auf der Straße 
ich befindenden dreijährigen Knaben des Ackerers 
Simon Ladenberger von dort. Das Pferd zertrat 
em armen Kinde den Kopf und das Rad des 
Wagens ging über ihn weg. Der Tod scheint so—⸗ 
ort eingetreten zu sein, denn der ganz mit Blut 
iberströmte Körper gab kein Lebenszeichen mehr 
zon sich, obschon alle Mittel zur Belebung ange⸗ 
vendet wurden. Der Schrecken der auf dem Felde 
ich befindenden Eltern ist ganz undeschreiblich. (V. A.) 
— Der am Samstag unter dem Verdacht, den 
Raubmord bei Mundenheim begangen zu haben, 
erhaftete Dreher Lehmann in Ludwigshafen 
st wieder auf freien Fuß gesetzt worden, da er 
zurch zehn Zeugen sein Alibi nachzuweisen im 
„tande war. 
— Die Gewerbebank in Speyer erklärte sich 
ür Anstellung eines Revisors für die pfälzischen 
Freditvereine; gleichen Beschluß faßten die Vorschuß⸗ 
Bereine Glan⸗Münchweiler und Zweibrücken. 
Aus München wird dem „Pf. K.“ berichtet: 
m Befinden des commandirenden Generals des J. 
rmeecorps, General⸗Lieutenant Freiherrn v. Horn, 
weine fortschreitende Besserung zu constatiren und 
eht, wie uns versichert wird, eine baldige und 
olständige Wiedergenesung des hochverdienten Ge⸗ 
„rals zu erwarten. 
Berlin, 5. Sept. Der Kaiser ist heute Nach⸗ 
itag 194 Uhr, vom Kronprinzen, der Kronprin⸗ 
ssin, dem Prinzen Friedrich Karl und dem Prinzen 
lihrecht begleitet, mit großem Gefolge nach Bres⸗ 
au abgereist. Die Abfahrt erfolgte vom Potsdamer 
ahnhofe aus. Der Kaiser war schon heute Vor⸗ 
nutiag 10 Uhr von Babelsberg hierher gekommen. 
zestern auf Babelsberg hatte der Kaiser sich einige 
orträge erstatten lassen, eine große Anzahl mili⸗ 
zrische Meldungen entgegengenommen und mit dem 
hef des Zivilkabinets gearbeitet. Auch mit dem 
sinister v. Puttkamer hatte der Kaiser eine längere 
konferenz. Der Prinz Wilhelm folgt dem Kaiser 
ist am 8. ds. nach Breslau, da er bis dahin noch 
en Uebungen der Garde-Kavallerie bei Teltow bei⸗ 
obnen wird. 
Breslau, 5. Sept. Großfürst Wladimir 
on Rußland und seine Gemahlin find mit 
stem Gefolge heute früh hier eingetroffen, ebenso 
tzherzog Salvator. General⸗Feldmarschall Graf 
doltke trifft heute Nachmittag 4 Uhr hier ein. 
Wien, 6. Sept. Die Polizei hat gestern 
acht 26 Arbeiter wegen Theilnahme an socialist⸗ 
chen Umtrieben verhaftet. In den Arbeiterkreisen 
erricht deshalb große Erregung, 
Paris, 5. Sept. Die Ex⸗Kaiserin Eugenie 
mseitens der englischen Regierung die Bewilligung 
ix Errichiung eines Fideicommisses von 500,000 
rancß Rente zu Gunsten des Prinzen Victor Bona⸗ 
rie. Sohn des Prinzen Napoleon, erhalten haben. 
kondon, 5. Sept. Wie die „Times“ er⸗ 
hrt, soll die englische Regierung im Besitze eines 
vischen dem Sultan und Aarabi Pascha stattge⸗ 
ibten Briefwechsels sich befinden, welcher das heim⸗ 
ve Einverständniß beider vollständig konstatire. 
eondon, 5. Sept. Aus Ismailia wird ge⸗ 
»ldet, Oberstlieutenant Gerard ritt mit einem Zuge 
engal ⸗· Ulanen 9 Meilen durch die Wüste bis Sala⸗ 
ch, ohne den Feind zu sehen, weßhalb ein Flanken⸗ 
agriff nicht befürchtet wird. Ende der Woche 
ird ein Vorrücken, unterstützt von sechzig Kanonen. 
urtet. 
Konstantinopel, 6. Sert. Die Procla⸗ 
non des Sultans an das egyptische Volk ist 
inmehr gedruckt; dieselbe erklärt Arabi Pascha als 
nen Rebellen, weil er dem Khedive und Derwisch 
ijcha keinen Gehorsam geleistet und dadurch die 
aterbention Englands herbeigeführt habe. Die 
etleihung des Medschidje-Ordens 1. Klasse an 
lrabi sei auf Vorschlag Derwisch Pascha's und auf 
brund der Vetheuecungen der Treue seitens Arabis 
rtolgt. Die Proclamation ermahnt die Egypter 
um Gehorsam gegen den Khedive. — Baker Pascha, 
uch Raschid Veh im Namen des Sultans hierzu 
mächtigt, ernannte den englischen Gend irmerie⸗ 
betsten Baker Sygen zu seinem Flügeladjutanten. 
Vermischtes. 
F Ansbach. 5. Sept. Die Versammlung 
hayerischer Volksschullehrer im Jahre 1884 findet 
nicht in Kempten, wie dies anfänalich proiectirt war, 
ondern in Ansbach statt. 
F Freiburg, 5. Sept. (Zum Eisen⸗ 
bahnunglückFreiburg-Hugstetten.) Von 
den bis gestern Abend gefundenen 57 Leichen waren 
erst 27 von ihren Angehörigen oder Bekannten 
agnoseirt worden. Waährend der Nacht sollen weitere 
3 Verwundete gestorben sein und, da auch unter 
den noch nicht gehobenen Trümmern Menschen liegen, 
so dürfte die bereits ausgesprochene Befürchtung 
yon dem entsetzlichen Umfange des Unglücks leider 
iur zu bald ihre volle Bestätigung finden. Die 
Lerwundungen sind durchwegs sehr erhebliche, doch 
veigerten sich Viele ins Spital zu gehen; die Einen 
vollten zuerst über das Schicksal ihrer vermißten 
Zugehörigen unterrichtet sein, die Anderen wollten 
n ihre Heimath, um von den Ihrigen gepflegt 
u werden. Man sah solche Verwundete wohl an 
hundert durch die Straßen nach dem Bahnhof oder 
aber vor den Kliniken und der Anatomie umher⸗ 
gehen. Vor der Anatomie insbesondere gab es der 
VBerwundeten, behufs Nachfrage nach den Ihrigen 
aber gleichwohl Erschienenen in Massen. Eine 
etwa 75 Jahre alte Frau war am rechten Auge 
derart verletzt, daß die Passanten ihre Verbringung 
ins Spital forderten. Eine 22jährige Frau war 
von Morgens bis Mittags vor der Anatomie ge— 
tanden. Die Kleider waren der scheinbar dem 
besseren Stande angehörenden Frau vom Leibe ge⸗ 
rissen; sie weinte und klagte bitter: mein Mann! 
nein Mann! Das Ehepaar war nebeneinander ge⸗ 
sessen bei Eintritt des Unglücks, die Frau wurde 
uus dem in Trümmer gegangenen Waggon ge— 
chleudert, der Mann blieb unter demselben mit 
ollständig eingedrücktem Schädel. Und soll ich denn 
nuch den Anblick schildern, der sich mir bei meinem 
Tintritt in den Secirsaal darbot? Eine unlösbare 
Aufgabe! Auch nur einen Theil des Elendes und 
Jammers zu schildern, den ich hier gewahr wurde, 
vare unmöglich. Der Fußboden des langen Saales 
st mit männlichen und weiblichen Leichen bedeckt. 
Die meisten dieser Opfer zerquetscht oder aufgeschlitzt; 
iur wenige liegen da, deren Verwundung nicht 
schon dem oberflächlichsten Blicke erkennbar. Rechts 
in der Thüre liegt eine 28jährige Frau; die ver⸗ 
gerrten Gesichtszüge bekunden, daß hier dem Tode 
WBiderstand zu leisten versucht wurde. Neben ihr 
liegt ihr Kind, ein etwa 6jähriges Knäblein, das 
»ermuthlich eine innere Verletzung erlitten. Wie 
zum Schutze ist noch jetzt die Mutterhand nach dem 
neben ihr liegenden Kinde ausgestreckt. Der Gatte 
und Vater harrt vor der Thüre der schreclichen 
Aufgabe, Frau und Kind dem dienstthuenden Po—⸗ 
lizeibeamten als die ihm entrissene Familie zu be—⸗ 
eichnen. Dort liegt ein Mann von 38 Jahren; 
kdleider und Gesicht verrathen, daß er dem niederen 
Stande nicht angehört; die Untersuchung ergibt, 
daß der so böse zugerichtete Beamte verlobt war 
ind eben im Begriffe stand, ein Ehebündniß 
inzugehen. Das auf der anderen Seite 
des Saales liegende 19jährige Mädchen mit 
hren blutdurchtränkten, nun schlaff herabhängenden 
Zöpfen hai in ihm doppelt einen Schicksalsgenossen; 
veint um ihn eine Braut, die er nächstens zum 
Altar führen wollte, so wird sie von ihrem im Hofe 
lehenden, laut schluchzenden Bräutigam betrauert. 
Ddoch das entsetzlichste aller Entsetzen! Mein Blick 
egegnet einem Vaare. das bis vor wenigen Stunden