Full text: St. Ingberter Anzeiger

A. Juühtherter Amzeiger. 
J 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Um ontag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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M 177. Samstag, 9. September 1882. 17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Aus Frankfurt, 7. September schreibt das 
zranktf. Journ.“ In Kurzem werden es siebenzig 
jahre, daß unser Kaiser als sechszehnjähriger Jüng- 
ing an der Seite seines Vaters in Breslau 
veilte, und daß von dort aus jener Aufruf „An 
nein Volk“ erging, der zum ersten Male nach 
anger, erniedrigender Fremdherrschaft den deutschen 
gedanken wieder aufflammen ließ. Die Gemächer 
m Breslauer Schlosse, welche unser Kaiser heute 
rjeder bewohnt, gestatten ihm neuerdings, auf den 
mverändert gebliebenen Platz hinabzuschauen, aus 
velchem damals Friedrich Wilhelm III. die Blüthe 
er schlesischen Jugend, die ihm in der Waffen⸗ 
jeidung vorgeführt wurde, militärisch begrüßte. 
die Söhne und Enkel derer, welche dimals zu 
rampf und Tod hinauseilten, sehen heute das Werk 
ollbracht und, seinen Kaiser heute begrüßend, regt 
ch in der Brust des Schlesiers wohl der Gedanke: 
benn der Erbfeind, woher er auch sei, — wieder⸗ 
ommen sollte, wir werden unserer Väter würdig 
ẽs ist recht gut, daß solche Tage gleichsam 
s Festiage von einer Provinz gefeiert werden. 
zie gewinnen wenigstens als Marksteine in der 
ieschichte unseres eigenen Volkes, wie auch in der 
taatengeschichte stets einen hervorragenden Platz. 
lnserem Volke bringen sie Belehrung darüber, daß 
ie geringschätzige Art und Weise, in welcher De⸗ 
olratentjsum und Radicalismus von Heer und 
herreszweck reden, als ob es sich gar nicht mehr 
xerlohne, diese Dinge ernst zu nehmen, da ja mor⸗ 
ien schon das Heil der Republik erscheinen nne, 
daß solche Mißachtung, sagen wir, an Hoch⸗ 
ind Landesverrath bedenklich nahe hinstreift. Den 
uswartigen Staaten aber pflegen am Schlusse 
inet solchen Kaiserreise regelmäßig Berichte zuzu— 
ehen, welche dem Chauvinismus jeden vernünf— 
igen Grund entziehen oder, wo sie eben wider 
e wahnwitzige, unheilbare Raufgier als den 
zelbstzweck des Ehrgeizes anprallen, — doch min⸗ 
xstens die Siegesgewißheit gar wesentlich abkühlen. 
n diesem weiteren Sinne entbehrt die dermalige 
deiserreise so wenig ihres hochbedentsamen Charci- 
o, wie irgend eine frühere. 
Berlin, 7. Sept. Der Kaiser ist heute nicht 
¶n Manbver gefahren; derselbe läßt fich durch 
ren Kronprinz vertreten. An Stelle des ertrankten 
venerals von Tümpling übernimmt General von 
vdleiniz das 6. Armeecorps. Der Kaiser ent⸗ 
andte wiederbolt den Leibarzt Dr. von Lauer zu 
fümpling. 
Berlin, 7. Sept. Die Nationalzeitung bringi 
Uende Mittheilung aus Petersburg: Angesichts 
et egyptischen Wirren sei die Mobilisirung von 
iet Armeecorps in Aussicht genommen. Zu Com— 
andanten derselben seien die Generäle Gurko, 
wehti. Tschernajeff und für das Kaukasus-⸗Corps 
wrisMelikoff designirt. Auf die verdächtige Be⸗ 
rqung unter den Kurden, deren Fäden von Peters⸗ 
iung aus gezogen werden, sei bereits wiederholt 
ngewiesen, indessen halte die Nat.-gZig. das Ge— 
icht zunächst nur noch für den Ausdruck der in 
beersburg sich geltend machenden Ansicht: Rußland 
rdenke, in der Regelung der egyptischen Frage ein 
richeidendes Wort mitzuͤsprechen 
Wie man hort, beschaftigt sich die Reichsregierung 
uernstlich mit der Ueberwachung der Börsen⸗ 
reschäfte und der Ernennung von Kommissarien 
zur Feststellung der Kurse. In jüngster Zeit sollen 
viele Beschwerden sowohl aus den Kreisen des 
Privatpublikums, als auch denen der Berliner Börse, 
an die Regierung gelangt sein, nach welchen die 
Kurse angeblich oft willkürlich fixirt werden zur 
großen Benachtheiligung des Publikums; es scheint 
ich zu bestätigen, daß jetzt in Regierungskreisen 
Besprechungen über diese Angelegenheit stattfinden. 
Breslau, 6. Sept. Dem Paradedmer, wel⸗ 
hes um 6 Uhr zu 220 Gedecken stattfand, blieb 
der Kaiser fern, um nach den Anstrengungen des 
Paradetages der Ruhe zu pflegen. Der Kronprinz 
trank in Vertretung des Kaisers auf das Wohl des 
fünften Armeecorps, das sih die ganz besondere 
Gunst des Kaisers erworben habe. 
Ausland. 
Ungeachtet die französische Regierung alles 
aufbietet, um dem Unwesen Déroulèedes, des Ober⸗ 
Zriesters der „Liga der Patrioten“, ein Ziel zu 
etzen, so treibt derselbe doch seine Wühlereien gegen 
Deutschland und die Deutschen fort. So läßt er 
etzt in allen Kiosken von Paris eine Karte von 
)em, was Deutschland Frankreich bereits abgenom⸗ 
men hat und was es ihm noch abnehmen wolle, 
herkaufen. Diese Karte tritt auf als Pxtrait de 
'atlas élémentaire, executé par IIermann Habe- 
richt, pour les écoles de PAllemagne, Justus 
ꝰerthos, Gotha 1882. Sie wird zum Besten der 
Liga der Patrioten“ zu 10 Cent. verkauft. Sie 
chlägt die beiden Flandern mit Lille, den größten 
Theil von Burgund und das rechte Rhone⸗Ufer zu 
Deutschland. Auf der Rückseite der Karte befindet sich 
das Programm und das Verzeichniß der Comitemit⸗ 
zlieder, unter denen nach wie vor der General Le—⸗ 
ointe, Gouverneur von Paris, prangt. Ein eng⸗ 
ischer Diplomat, der sich zufällig in Paris aufhält 
ind die Karte zu Gesicht bekam, äußerte gestern: „Die 
Franzosen spielen mit dem Feuer, denn wenn Dé 
roulède noch länger sein Unwesen fortsetzt, so könnte 
's ja leicht so kommen, daß die Karte, wenn auch 
inter anderer Form, aber in noch viel schlimmerer 
Weise für Frankreich zur Anwendung kommt. Frank⸗ 
reich, das selbst unter der Republik sich alle Nati— 
nen verfeindet, weil es den Oberherrn von Europa 
pielen will, wird, wenn es wieder Krieg führen 
vill, vollständig isolixt dastehen. Die heutigen 
Machthaber in Paris zählen auf England. Dieses 
vird aber nur so lange mit Frankreich gehen, als 
es sein Interesse erheischt, und keineswegs so albern 
sein, Frankreich zur Seite zu stehen, wenn dieses 
eine Rache an Deutschland nehmen will. Uns 
Engländern wird es jedenfalls ganz recht sein, wenn 
Frankreich mit Deutschland wieder anbindet, da wir 
dann die Gelegenheit haben werden, über den Co— 
onialbesitz Frankreichs zu verfügen.“ 
London, 7. Septbr. Eine Meldung der 
„Times“ besagt: Aus Paris verlautet, England 
und die Türkei unterzeichneten gleichzeitig mit der 
Militärconvention einen geheimen Vertrag über die 
Reorganisierung der Verwaltung Egypiens nach 
Niederwerfung Arabis. 
Zar Alexander hat das freiwillig gewählte 
Eril verlassen und ist am Samstag Abend mit seiner 
Familie, mit seiner Gemahlin, dem kleinen Thron⸗ 
solger, sowie den Großfürsten Georg, Alexei, Ser— 
jei und Paul auf der Yacht „Alexandria“ nach 
ronstadt und von dort auf der Yacht „Dershama“ 
nach Transund gefahren, wo die Flottenrevue statt⸗ 
indet. Der Entschluß ist ein heldengleicher, wenn 
nan erwägt, daß erst am 30. August bei Ust⸗Ischora 
as Leben des Zaren inmitten der kaiserlichen Truppen 
so sehr bedroht erschien, wie mehrere Telegramme 
jeute früh übereinstimmend gemeldet haben. Und 
das revolutionäre Gift ist bekanntlich auf der russi— 
chen Marine noch viel stärker verbreitet, als unter 
den Festungstruppen. War doch bis zu des Zaren 
Alexander II. Tode der oberste Befehlshaber der 
Flotte selbst als der eifrigste Freund der Anarchie 
angesehen worden. Es ist wirklich kühn, daß der 
'aiserliche Neffe jenes Oberbefehlshabers sich jetzt 
auf die „gebrechlichen“ Fahrzeuge wagt und mit 
aller Besorgniß wird in den meisten Kreisen auf 
die Nachricht von der glücklich erfolgten Rückkehr 
zjewartet werden, obwohl damit nicht gesagt sein 
kann, daß der feste Boden des russischen Reiches 
dem Zaren besondere Sicherheit geben könnte. 
Aus Tumis wird berichtet, die Insurrektion 
lebe wieder aaf. 4000 Insurgenten zu Pferde 
fänden bei Karwan. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 8. Septbr. Die gestern 
Abend in der Wirthschaft des Herrn P. Schmitt jr. 
tattgehabte Generalversammlung des Turnvereins 
war sehr gut besucht. Nach Abhör der Rechnung 
und nachdem dem Kassenwart, Herrn Chr. Louis, 
Decharge ertheilt war, wurde hinsichtlich der Be— 
heiligung am Gauturnfest in St. Johann be— 
schlossen, dieselbe dem freien Belieben der einzelnen 
Mitglieder anheimzustellen. Das Stiftungsfest, 
derbunden mit Schauturnen, soll am 24. 2s. 
Mts., wenn die Witterung dazu günstig 
ist, im Mühlenthälchen abgehalten werden. 
In den Turnrath wurden wiedergewählt die Herren: 
P. Schmitt jr. E. Conrad jr., Chr. Louis, 
J. Neymann, M. Haas, C. Bernasko, 
b. Stupp; neugewählt wurde Herr Heinrich 
Schmelzer. Als Turnwart wurde von der General⸗ 
versammlung Hr. P. Schmitt jr. wiedergewähli. 
*St. Ingbert, 8. Sept. Von den hier 
und in der Umgegend verkauften Loosen der III. 
allgemeinen Geflügel-Ausstellung in 
Neustadt a'H. am 3. 4. u. 5. Scptbr. wurden 2 
LdooseNr. mit Gewinnen gezogen: Nr. 5879 ge⸗ 
wann ein Paar Goldbrüstchen und 5889 ein 
Paar schwarzköpfige Nonnen. 
— Blieskastel, 5. Sept. Ueber die hiesige 
Kirchweih wurden geschlachtet: 1 Ochse, 2 Stiere, 
5 Kühe, 7 Rinder, 15 Schweine, 12 Kälber und 
t1Schafe. Der Krämermarkt war sehr lebhaft, da⸗ 
jegen der Viehmarkt gar nicht besucht. 
— Zweibrücken, 6. Sept. In der vor—⸗ 
zestrigen Generalversammlung des Vorschußvereins 
erstattete der Vorsitzende, Herr Anwalt Gebhart, 
Bericht über das Geschäftsergebniß pro 1. Semester 
1882. Das Resultat ist ein sehr zufriedenstellen⸗ 
»es. Alsdann wurde Punkt 2 der Tagesordnung 
Revisorenfrage) dahin erledigt, daß man einstim— 
nig dem Revisionsverband beizutreten beschloß. — 
Bei einem Semestral-Gesammtumschlag von 
5, 119,669 Mt. 25 Pf. wurde ein Reingewinn 
rzielt von 10,610 Mk. 43 Pf. gegen das erste 
dalbjahr von 1881 ein Mehr von 2317 Mark 
„3 Pf. (3w. 3.) 
— Aus Kaiserlautern wird der „Pf. Z.“ 
zeschrieben: Die hiesige Aktienbrauerei, über welche 
der Konkurs ausgesprochen wurde, wird schon am 
). Olt. nächsthin auf Betreiben der Rheinischen 
dypothekenbank in Mannheim unter den Hammer 
ommen. Dieses große Etablissement, weiches in 
der Schwindelperiode mit einem Aufwande von mehr 
ils einer Million Mark erbaut wurde. hat in der