Full text: St. Ingberter Anzeiger

zi. Jucherter Awzeiger. 
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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unserer Industrie. 
P. G. K. Unter den großen Lebenskreisen, 
nerhalb welcher sich die Kraft der Erdenbewohner 
goemrf ums Dasein bethätigt, ist jedenfalls die 
Industrie jeglicher Art einer der wichtigsten, ja wenn 
ir auf die Zahl der Menschheit achten, die den 
zhwankungen verselben im günstigen oder ungün⸗ 
igen Sinne auf dem gesammien Erdenrunde unter⸗ 
sen, die während ihres ganzen Lebens in ihren 
ses gebannt sind, müssen wir ihr die weitreichendste 
deutung zuerkennen. Wir dürfen hierbei nicht 
oß an die Millionen von Arbeitern und Fabri⸗ 
nen, Meistern und Gehülfen denken, welche Kopf 
ind Hand in den Dienst der verschiedenen Gewerbe, 
e vir unter dem Gesammmamen Industrie be⸗ 
peifen, stellen; sondern wir müssen uns auch ver—⸗ 
egenwärtigen, wie ohne die Blüthe der Industrie 
id Emporlommen des Handels in dem Umfange, 
zelchen er heutzutage gewonnen hat, gar nicht denk⸗ 
un wäre; wir müssen daran denken, welchen be⸗ 
xutenden geistigen Impuls die Industrie täglich 
id stündlich dem Geiste eines Volkes giebt. Spe⸗ 
A wir Deutschen haben uns dessen zu erinnern, 
ß die Entwidcelung der deutschen Volksseele, 
ne dieselbe gegenwärtig in allen ihren Produkten 
ich kundgiebt, bei weitem mehr dem Einflusse der 
dustrie als dem Ackerbau zuzuschreiben ist. 
Diese wenigen Andeutungen werden es genügend 
rechtfertigen, wenn hier kurz auf einen Faktor hin⸗ 
wiesen wird, welcher für die Entwickelung der 
ndustrie von so wesentlicher Bedeutung geworden 
s. daß dieselbe mit allen ihren modernen Licht⸗ 
ind Schattenseiten nicht gedacht werden koͤnnte. 
zs ist die Maschine. 
éörllaren wir uns die Maschine als ein mehr 
der weniger zusammengesetztes Werkzeug, welches 
aur Unterstuͤzung, Ersparung oder zum Ersatz von 
Menschenkräften der menschlichen Arbeit dient, so 
reicht das Alter derselben in vorhistorische Zeiten 
uruck; denn sie wird bereits in Gestalt des Feuer⸗ 
ohrers gebraucht, als der Mensch Europas noch 
auf derselben niedrigen Kulturstufe stand, wie heut⸗ 
utage der Papua Australiens oder der Botokude 
ʒüdamerikas. Und welch ein ehrwürdiges Zeitalter 
iat die Spindel und die Drehscheibe des Toͤpfers! 
zelbst der Dampfwagen, der mit allem, was für 
hu geschaffen worden ist, als ureignes Kind unseres 
jahrhunderts betrachtet wird, findet ein Vorbild in 
enen Wagen, welche, allerdings ohne die bewegende 
draft des Dampfes, in Steingeleisen die riesigen 
slarmorblode zugewissen Tempelbauten in Grie— 
— 
cher, welche durch die uns gebliebenen riesenhaften 
fuinen ihrer einst gewiß gigantischen Bauten ihre 
einstige Größe predigen lassen, hatten außer zweck⸗ 
ontjprechenden Lastwagen auch Hebemaschinen, 
Jaschenzüge u. s. w. konstruirt, ohne welche eine 
bewegung so riesiger Lasten nicht denkbar gewesen 
vaͤre. Im Gefolge des Kriegẽwesens erschienen 
ilerhand Wurfmaschinen; diejenigen Industrien, 
welche für die Befriedigung der nächstgelegenen Be⸗ 
ürfnisse sorgten, die aus dem Verlangen nach Er⸗ 
nahrung, Bequemlichkeit und Schoͤnheit entsprangen, 
ervosllkommneten zuerst ihren Betrieb durch Ein⸗ 
ühtung zwedentsprechender Maschinen. So über— 
zug der Müller dem Wasser und dem Wind die 
draftleistung, die er bisher menschlichen oder thieri⸗ 
hen Muskeln hatte zumuthen müssen; dieser Ueber— 
caqung mußie hothwendia die Erfindung des Wasser— 
Samstag, 23. September 1882. 
17. Jahrg. 
rades, der Windmühle, des Zahnrades u. s. w.! 
orausgehen. 
Jahriausende lang blieb aber in aller derjenigen 
Arbeit, welche auf Herstellung von Kunstprodukten 
gerichtet war, das einfache Werkzeug, welches über— 
all die Kraft des Menschen selbst in AÄnspruch nimmt, 
jegenüber der Maschine in der Vorderherrschaft; 
zaher konnten sich im Mittelalter neben den Hand⸗ 
bercken nur wenige Fabriken entwickeln; denn letztere 
onnten dem Handwerker durch keine ichneller, billi⸗ 
jer und besser arbeitende Maschine Konkurrenz be⸗ 
iten. Das Gewerbe war in jener Zeit auf die 
nanuelle Geschicklichkeit und die Intelligenz des 
rinzelnen gestellt und entwickelte sich de mzufolge 
zach der Richtung des Kunstgewerbes hin, bei wel⸗ 
hem es nicht auf Massenerzeugung und auf ganz 
‚esondere Nuͤtzlichkeit der einzelnen Produkte ankommt. 
Da brachte der Dampf einen vollstandigen Um⸗ 
chwung in der Industrie herbei. Zwar glaubte 
— Kraft der Natur 
gefesselt und in das Joch seiner Arbeit gezwungen 
zu haben, und doch ist der Mensch durch diesen 
Kiefen wiederum unaufhalisam vorwärts getrieben 
vorden. Ein Heer von Maschinen pflanzte fich in 
den Werkstätten der Gewerbetreibenden auf, die in 
dem Bestreben, die in ungeahntem Maße leistungs⸗ 
ähige Kraft des Dampfes gehörig auszunützen, 
etzterem immer mehr Arbeit aufbürdeten, d. h. im⸗ 
nermehr zum Maschinenbetrieb übergingen. Mit 
der Zahl der Maschinen wuchs aber auch der Ein⸗ 
luß derselben auf die Industrie, wie auf die Ge⸗ 
ellschaft überhaupt. In großen Fabrikgebäuden 
vurden Massen von Menschen vereinigt, die sonst 
nm vielen Werkstätten zerstreut einzeln gearbeitet 
jatten. Die nur für einzelne Arbeitsleistungen ein⸗ 
jerichteten Maschinen führten bald zu der jetzt all⸗ 
jemein als zwecmäßig erkannten Arbeitstheilung. 
die Gewerbsihatigkeit fand immer mehr in der 
Zweckmäßigkeit und nicht in kunstmaßiger Schoͤnheit 
hr Ziel. Dadurch wurde die industrielle Arbeit 
neht Allgemeingut; denn sie forderte ja nicht mehr 
eine so große Summe von Kunstfertigkeit. Durch 
diese Occupation, welche die industrielle Arbeit in 
dem Volke auf Kosten der Landwirthschaft machte, 
wuchs natürlich auch der Einfluß der Maschine auf 
die socialen Verhältnisse des ganzen Volkes. Ver⸗ 
chiedene Handwerke sind in Folge der Maschine, 
velche dem Haudbetriebe unermüdlich und unerbitt⸗ 
hintlich Konkurrenz macht, bereits verschwunden oder 
efinden sich auf dem Aussterbe⸗Etat. So ist die 
Spinnerei ganz, die Weberei zum großen Theile in 
‚en maschinellen Fabrikbetrieb übergegangen. Ob⸗ 
vohl die Auffaugung vieler kleiner Handwerksmeister 
zurch die mit Maschine arbeitende Großindustrie im 
Interesse des Kleingewerbes zu bedauern ist, so muß 
‚och andrerseits auf den für die Allgemeinheit re⸗ 
ultirenden Nutzen des Maschinenbetriebes hinge⸗ 
viesen werden, welcher in einer weit billigeren und 
wohl auch gleichmäßigeren Produktion begründet ist. 
— Zu leugnen ist allerdings nicht, daß durch Ueber⸗ 
handnahme des Maschinenwesens der Lohnarbeiter, 
ju welchem der sonst selbständige Handwerker ge⸗ 
worden ist, dem Großkapital überliefert wird; denn 
er selbst kann sich die Maschine nicht anschaffen oder 
tann höchstens kleine oder veraltete erwerben, dadurch 
iber mit dem Fabrikanten, der die Leistungsfähig⸗ 
teit seiner groͤßeren Maschine genügend ausnützen 
sann, auf die Dauer nicht konkurriren. 
Aber noch nicht alle Gewerbe sind so ohne Wei⸗ 
eres dem Untergange geweiht; nur werden von 
diesen nicht oder nicht genug diejenigen Faktoren 
benützt, welche diese Gewerbe der Großindustrie 
Jegenüber konkurrenzfähig machen könnten, nämlich 
die Menge von Krafmaschinen, als Gas⸗, Heißluft⸗, 
Petroleumkraftmaschinen. Ferner muß sich der Hand⸗ 
trieb der Gewerbe mehr und mehr dem Kunstge⸗ 
werbe zuwenden; er wird damit ein Gebiet betreten, 
auf welches ihm die Maschinentechnik nur unter ge⸗ 
wvissen Bedingungen und nur bis zu einem gewissen 
Brade folgen kann. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 21. Sept. Minister Dr. v. Lu tz 
ist aus Urlaub wieder zurückgekehrt und hat bereits 
gestern die Leitung des Kultusministeriums wieder 
ibernommen. 
Berlin, 20. Sept. Der Kaiser ist mit den 
Brinzen des Königshvuses Nachmittags 44 Uhr 
vohlbehalten am Bahnhof Teinpelhof eingetroffen 
ind von dort nach kurzem Aufenthalt nach Babels⸗ 
erg weitergereist. 
Die Provinzialcorrespondenz erinnert an das 
Zzamstag (28. Sept.) stattfindende zwanzigjahrige 
Minister⸗Jubilaum des Fürsten Bismark und 
agt u. A.: „Aber wie verschieden das einst und 
jeßt, so seien doch wieder die Stömungen von heute 
ind damals ähnlich. Dem nationalen Werk der 
virthschaftlichen und socialen Reformen stellen sich 
seute dieselben Gegner in den Weg, welche vor 
wanzig Jahren den Vorbereitungen zur Einigung 
deutschlands entgegengetreten waren. Aber in dem 
Zesitz der wiedergewonnenen nationalen Einheit ist anch 
zugleich das beste Millel und die Gewähr gegeben, 
der Mißstimmung Herr zu werden und die Gegen⸗ 
ätze zu versöhnen, über den Kaämpfen und Partei⸗ 
nigen des Tages diesen Gedanken in sich leuchten 
u lassen und hochzuhalten. Mit ihm und durch 
hn werden auch die Kämpfe dieser Zeit überwunden 
verden.“ 
Hinsichtlich der Frage des Schutzes der 
gewerblichen Arbeiter gegen Unfallsgefahr. 
Feren Regelung brvorsteht, bestätigt sich die Mit⸗ 
heilung, daß die Einrichtung einer schiedsrichter⸗ 
lichen Instanz bisher die Hauptschwierigkeit bildete. 
xẽs sollen in dieser Beziehung Vorschläge dem 
gBundesrathe unterbreitet werden, welche zu einem 
Ausgleich führen dürften. Es ist die bestimmte 
Absicht, die Angelegenheit sobald wie moͤglich zum 
Austrag zu bringen. 
Dresden, 20. Sept. Der Kaiser richtete 
ein Handschreiben an den Koͤnig, worin er seiner 
chon nach einzelnen Uebungstagen ausgesprochenen 
ebhaften Befriedigung unter Annerkennung des er⸗ 
reulichen Resultals der Leistungen des sachsischen 
Armeecorps nochmals wärmsten Ausdrück gibt. Das 
Armeecorps befinde sich in jeder Richtung in einem 
Hesonders guten Ausbilidungszustande und lasse er⸗ 
tennen, daß das Soldatenauge des Königs die Aus⸗ 
bildung sorgfältigst überwacht. Der Kaiser, den 
Zönig beglückwünschend, spricht seine aufrichtige 
Freude darüber aus, daß er sich immer wieder 
iberzeugen könne, wie sehr „unsere“ Ansichten über 
ie hohe weitgreifende Wichtigkeit eines kriegstücht⸗ 
gen Truppenstandes übereinstimmen und bittet den 
önig, den Truppenführern, besonders dem com⸗ 
nandirenden General Prinzen Georg, Kenntniß von 
einer lebhaften Anerkennung zu geben. Er dankt 
chließlich für die freundlich Aufnahme im Königs⸗ 
ause und im Lande.